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Erstes Kapitel

Im nächsten Jahr wurde Stella zum vierten Male guter Hoffnung und gebar einen Sohn. Er wurde Aage getauft.

Högs lebten in Randers sehr still und zurückgezogen. Es nahm erst viel Zeit, bis man nach dem Umzug in Ordnung kam; dann erkrankte Nina an den Masern, und so kam Stellas Schwangerschaft. Mittlerweile war der Herbst 63 herangekommen.

Es war heut abend das erstemal, daß sie Gäste bei sich hatten: den Pastor, den Gymnasialdirektor und den Kreisphysikus Berg mit ihren Frauen. Die Herren sollten eigentlich in Högs Zimmer Karten spielen, aber sie waren im Wohnzimmer bei den Damen geblieben. Man sprach die ganze Zeit davon, was augenblicklich die Gemüter erregte: des Königs Krankheit. Hög hatte soeben einen Brief aus Kopenhagen bekommen, die Nachricht lautete traurig; man befürchtete das Schlimmste.

In dem Gefühl des Drohenden, das auf den Gemütern lastete, war man zusammengeblieben, gerade wie bei einem Unwetter gewöhnlich alle in dasselbe Zimmer zu einem Häuflein zusammenkriechen.

Man sprach auch von der Gattin des Königs, der Gräfin. Hög wurde heftig und sagte, man sollte sie in einem so ernsten Augenblicke zu vergessen suchen; der Direktor nannte sie wie in einer Festrede im Klub »Dänemarks Aspasia«, worauf der Physikus lachend fragte, wer denn da Perikles war?

Der Pastor, ein magerer Mann von feinem Aussehen, suchte das Gespräch von der Gräfin abzulenken und kam auf die brennende Frage von den Herzogtümern.

Man nahm einander das Wort aus dem Munde. Alle meinten, daß, im Falle der König sterben sollte, gar viel auf dem Spiele stand.

»Gott verhüte es!« meinte der Pastor.

Stella hatte aufgehört, mit den Damen zu plaudern. Sie saß auf ihrem Stuhl nach vorn übergebeugt und hörte aufmerksam zu.

»Vielleicht wäre ein Krieg uns ganz nützlich,« sagte sie.

Der Arzt lachte. »Sie wollen wohl als Krankenpflegerin mitgehn?«

Man erwog die Chancen für einen Krieg; der Direktor sprach mit Begeisterung von dem Geist, der 48 geherrscht hatte; der Pastor meinte, daß sich die Zeiten verändern, so etwas wiederhole sich nicht.

Nach und nach wurde die Unterhaltung mehr allgemein politisch. Und als dann auch die Damen an der Konversation teilnahmen, ging man zu allen möglichen Gesprächsstoffen über. Die Frau des Arztes hatte einmal die Kaiserin Eugenie in Paris gesehen. Ihre Krinoline hatte den ganzen Wagen ausgefüllt. Hög erzählte pikante Geschichten aus den Tuilerien.

»In Spanien ists doch noch ärger,« entfuhr es der Doktorsfrau.

Man lachte und gab Anekdoten von der Königin Isabella zum besten; die Direktorin meinte, daß sie zu viele Beichtväter hatte, und der Arzt sagte, daß Beichtväter – er meine natürlich nur Seelsorger, die im Zölibat leben – überhaupt eine gefährliche Einrichtung wären. Das sollte eine Stichelei für den eleganten Geistlichen sein, von dem man behauptete, daß er der Damenwelt und nicht zum wenigsten Stella gegenüber gewisse katholische Tendenzen an den Tag legte.

Der Pastor lächelte und ging auf die Neckerei ein: Man sollte nicht zuviel verlangen, wir sind ja alle nur Menschen ...

In dieser Stimmung erhob man sich, um zu Tisch zu gehn. Nina und William hatten Erlaubnis bekommen, mit den Großen zu essen.

Der Tisch war reich gedeckt; Stella hatte trotz der vorgerückten Jahreszeit die großen Aufsätze mit stark duftenden Blumen gefüllt. Es gab einen Überfluß von geschliffenen Gläsern, Karaffen und Desserttellern. Nach des Ministers Tod hatte Ludwig den größten Teil des Familienservices geerbt, und Stella, die gern ein bißchen mit den prächtigen Schätzen des Hauses prunken wollte, hatte diesen Abend so viel davon angebracht, wie nur möglich war.

Die Zimmerecken waren mit großen Pflanzen, Palmen und Farnkraut dekoriert, und all die Kerzen der Kronen und Kandelaber brannten und verbreiteten ein strahlendes Licht.

Die Provinzdamen waren ganz geblendet, sie besahen prüfend jedes einzelne Stück auf dem Tische; nach Verlauf von fünf Minuten hatte die Direktorin im Geiste jeden Löffel gewogen und jedes Gefäß abgeschätzt. Die Pastorin blinzelte mißbilligend zu ihrem Manne hinüber; aber dieser, welcher den Luxus liebte, streckte sich behaglich auf seinem Stuhle und genoß schon im voraus die guten Gerichte, die ihnen bevorstanden.

Eine prachtvolle Vase mit Namenchiffre in Gold erregte seine besondere Aufmerksamkeit. Er fragte, ob sie von Sevresporzellan war.

»Mein Vater hat sie von Louis Philipp bekommen ... er war in einer diplomatischen Mission in Frankreich ... sie ist echt Sevres ...«

Der Pastor hatte es sich gedacht. Er hatte selbst die Fabriken in Sevres besucht.

Die Direktorin fing an, ihre Handschuhe auszuziehen, aber als sie plötzlich sah, daß Stella die ihrigen anbehielt, bekam sie einen ganz roten Kopf und knöpfte sie schnell wieder zu.

Der Diener in blauer Livree mit Silber reichte Fisch herum.

Es war sehr schwer, in dieser Jahreszeit Fisch zu bekommen, meinte die Direktorin, wo Frau Berg kaufte? Diese erklärte lachend, daß sie es nicht wüßte, das Mädchen besorgte die Einkäufe. – Fisch war ein teures Essen für einen Haushalt, wenn der Mann nicht Stockfisch aß. – Aß der Direktor keinen? – Nie! –

Der Bediente schenkte Hochheimer ein. William fing zu weinen an, weil er keine Splitterkuchen bekommen hatte.

Die Frau Direktor setzte ihr Pincenez auf. Sie hatte nie ein so dunkles Kind gesehn, das war ja ein richtiger Zigeuner!

Der Physikus trank eifrig dem Pastor zu.

Stella beugte sich vor und fragte die Pastorin, ob ihre Kinder noch immer Lebertran tranken? – Frau Berg mochte Kinder nicht gern, wenn man selber sechs Stück hat ...

Die Stimmung wurde animiert, man sprach laut durcheinander. Der Direktor dozierte; der Pastor demonstrierte seiner Dame lebhaft etwas vor, wobei er in seinem Eifer die Hand auf ihren Arm legte. Die junge Frau hatte volle Arme und trug Halbärmel. Berg sprach von der Malthusschen Theorie. Stella griff den Namen auf und fragte, wer das war.

»Einer der Wohltäter der Menschheit,« sagte der Arzt. Seine Frau lachte laut auf.

Ob Hög wußte, wie groß das Legat fürs Asyl war? fragte der Geistliche, er hatte von 5000 Reichstalern gehört. Das war doch eine große Wohltat für die Stadt! ...

Es war dumm, zu behaupten, daß dunkle Kinder leidenschaftlicher als blonde sein sollten ... Die Direktorsfrau hatte viele blonde Kinder gesehn, die sehr leidenschaftlich waren ...

Hög glaubte es nicht.

Sie redeten alle auf einmal. Der »Blaue« ging herum und schenkte ein. Es war alter Rotwein aus des Ministers Zeit. Der Pastor erklärte, lange keinen so vorzüglichen Wein getrunken zu haben.

Die Stimmung wurde immer lebhafter. Stella nahm William auf den Schoß, Nina saß beim Arzte.

»Ja, wenn man so schöne Kinder bekommen könnte, dann wärs was andres,« meinte Frau Berg und erklärte ihre Bengels für gräßlich. Der Direktor erwiderte, daß sie zuviel Selbstkritik hatte, der Älteste war wirklich sehr tüchtig in Latein ...

»Ja in Latein, das ist auch noch das einzige ...«

Hög benutzte diesen Zusammenhang, ein Glas aufs Wohl der Damen als Mütter der Gesellschaft zu trinken. Stella zog jetzt ihre Handschuhe aus. Die Direktorin war ganz weg vor Bewunderung über einen Aufsatz ... »Es ist eine Gabe des Königs,« sagte Stella, »übrigens knüpft sich eine pikante Geschichte daran ...«

Und sie fing zu erzählen an. Hög unterbrach sie öfters und berichtigte dies und jenes ... Dann kam man wieder auf Geschichten von der Gräfin. Der König hatte ihr einmal einen Nachtstuhl, mit Apfelsinen gefüllt, geschenkt, und jede davon war in einen Fünfkronenschein gewickelt ... Der Arzt meinte, daß das doch sehr spaßig und generös vom König war. Die alte Aspasia hatte so was schwerlich von ihrem Perikles bekommen.

Sie wälzten sich förmlich vor Lachen, selbst die Pastorin wurde von der allgemeinen Lustigkeit mitgerissen.

Der Bediente kam herein und überreichte Hög auf einem Tablett ein Telegramm.

»Ein Telegramm.« Hög sprang auf und griff danach. Im selben Augenblick hatten es alle gesehn, und es wurde ganz stille im Saal. Stella setzte William brüsk auf den Boden.

Hög war sehr bleich geworden.

»Der König ist tot,« sagte er.

Mit einem Ruck wurden die Stühle zurückgeschoben; alle standen auf. Dann wurde es wieder ganz still; man hätte eine Stecknadel zur Erde fallen hören können. Sie sahen alle gedankenvoll vor sich hin – der Pastor hatte die Hände gefaltet.

William stand bei der Mutter, er sah ängstlich vom einen zum andern, dann fing er zu weinen an.

Bald darauf waren Hög und Stella allein im Speisesaal zurückgeblieben.

»Wir sehen schweren Zeiten entgegen,« sagte Hög.

Stella löschte die Lichter aus.

 

Der Krieg kam. Es lagen viele dänische Truppen in Randers, aber man fürchtete jeden Tag weiter nordwärts gehen und die Stadt aufgeben zu müssen. Der Feind war nördlich von Skanderborg vorgerückt – der Weg nach Randers lag offen.

Der Kronprinz war am Nachmittag zur Stadt gekommen, um nach den Verwundeten zu sehn, die im städtischen Lazarett untergebracht waren. Hög begleitete Seine königliche Hoheit.

Es war spät am Abend. Ein kalter, durchdringender Herbstregen wurde von einem heulenden Sturm gepeitscht.

Bei Högs sah es traurig aus. Das jüngste Kind lag an Lungenentzündung krank. Der Arzt gab nur wenig Hoffnung.

Über die Lampe hatte man einen dichten Schirm gebreitet. Stella saß bei der Wiege, die in der dunkeln Ecke beim Kachelofen stand. Sie wiegte ganz mechanisch mit dem Fuße; wenn das Kind zu wimmern anfing, suchte sie es leise wieder in den Schlaf zu singen. Mitunter fuhr sie aus ihrer Geistesabwesenheit wie erschreckt auf, beugte sich über die Wiege und lauschte den röchelnden Atemzügen. Dabei faßte sie sich wie verzweifelt an den Kopf und seufzte schmerzlich auf.

Der Regen schlug hart gegen die Scheiben ... Und auf der Straße hörte man die Leute laut und aufgeregt miteinander reden.

Stella richtete sich wieder auf. Das Kind lag mit großen, angstvollen, gleichsam fragenden Augen da, die ihr überallhin folgten. Sie sah zur Seite, suchte ihm auszuweichen; aber es nützte nichts, immer und immer fühlte sie diesen flehenden Blick auf sich ruhen.

»Wieg' Aage ein bißchen, Nina,« sagte sie.

Nina saß bei der Lampe und strickte.

»Wo ist William?« fragte die Mutter.

Dieser saß ganz zusammengekauert auf einem Schemel hinter der Gardine versteckt und schlief. Das Bilderbuch, in dem er geblättert, war zur Erde gefallen.

Aage drehte den Kopf ein wenig auf seinem Kissen und folgte Stella mit den Augen, während sie auf das Fenster zuging. Sie rüttelte William sacht und sagte: »Anna soll dich jetzt zu Bett bringen.« Darauf stellte sie sich mit dem Rücken gegen die Stube und sah hinaus.

Die Leute liefen unruhig in den Gassen auf und nieder. Man rief einander im Vorübergehen zu und lief schnell weiter, die Köpfe unter dem Regenschirm bergend. Der Sturm hatte das Barbierschild vom gegenüberliegenden Hause losgerissen, so daß das Messingbecken gegen die Mauer klapperte. Der Regen fiel unregelmäßig, ruckweise vom Winde gepeitscht.

Stella ging zur Wiege zurück. Das Kind sah sie an und lächelte schwach, seine Brust ging heftig auf und nieder, und die kleinen Händchen griffen krampfartig nach der Wiegenkante. Es wurde ganz blau im Gesicht.

William ging zur Wiege und sah neugierig auf den Bruder.

»Armer kleiner Aage ist krank,« sagte er und riß an dem grünen Vorhang. Stella hatte keine Ruhe; sie ging mit gerungenen Händen im Zimmer auf und nieder, blieb eine Weile in der dunkeln Ecke bei den Kindern stehn und ging dann wieder auf und ab. Ihr schien es, als ob der Sturm von Minute zu Minute heftiger wurde. In ihrer Unruhe ging sie wieder ans Fenster. Nun mußte doch Hög bald kommen! Ein vereinzeltes Hornsignal ertönte. Sie fuhr erschreckt zusammen und wich zurück.

»Wann kommt denn Vater?« fragte Nina.

Stella sah wieder hinaus. Auf der Steinbrücke sah man viele Menschen hastig hin und her laufen. Vom Marktplatz her tönte lautes Schreien gleichsam wie Kommandorufe. Gegenüber unter der Laterne standen zwei Offiziere und sprachen sehr eifrig miteinander. Ihre langen Regenmäntel trieften förmlich. Aage fing zu weinen an. Stella ging zu ihm und wiegte ihn langsam. Der Sturm nahm zu; der Regen peitschte förmlich gegen die Fenster. Von der Straße her hörte man immer mehr und mehr dröhnende Schritte. Der Wind seufzte im Kachelofen; das Kind wimmerte leise.

»Wie sie laufen!« sagte Nina. Sie war auf einen Stuhl am Fenster gekrochen.

William stand bei ihr und zupfte sie am Kleide.

Auf der Straße ertönte Hufschlag, lautes Rufen und dazwischen das Tuten der Hornsignale ...

Stella fuhr in die Höhe ...

»Ach, Mutter, Mutter,« schrie William angstvoll auf und rannte zu ihr. Auch Nina lief vom Fenster weg. Auf einmal fingen beide Kinder zu weinen an.

Nun hörte man Trommelwirbel, Hörnertuten und Pferdegetrappel von allen Seiten. Dazwischen immer wieder die lauten Kommandorufe.

Stella riß das Fenster wieder auf. Der Sturm schlug es klirrend gegen die Mauer. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht und zerzauste ihr Stirnhaar.

In allen Türen standen Leute; Soldaten liefen aus und ein. Eine Kompagnie marschierte in geschlossenem Trupp über die Straße. Die Schritte klangen glitschig auf der überschwemmten Steinbrücke.

Vor der Tür standen ein paar weinende Weiber.

»Kommen sie?« rief ihnen Stella zu. Und nochmals lauter: »Kommen sie?«

Aber der Sturm entführte ihre Worte. Niemand hörte sie.

Wieder ertönten Hornsignale ängstlich wie kurze Notrufe von allen Seiten.

»Kommen sie?« rief sie nochmals mit aller Kraft. Niemand antwortete.

Ein Adjutant sprengte im Galopp vorbei. Sie fragte wieder, er wendete den Kopf und sagte etwas, aber seine Worte erstarben im Winde.

»Mutter, komm nur, Aage wird so schwarz im Gesicht,« rief Nina, die bei der Wiege saß, angstvoll aus. Stella lief hin. Das Kind lag röchelnd mit starren Augen da. Sie riß Nina weg, warf sich mit einem Schrei über die Wiege, nahm das Kind in die Höhe und legte es wieder zurück.

»Es stirbt, es stirbt!« schrie sie wie wahnsinnig auf. Dann flog sie zum Tisch, ergriff eine Flasche und träufelte ein paar Tropfen in einen Löffel.

»Es stirbt,« sagte sie dann leiser und blieb dabei, wie mechanisch, immerfort leise vor sich hinzusagen: »Es ist tot, es ist tot ...«

Das Fenster klapperte gewaltsam gegen die Mauer. Der Wind hatte die Gardine erfaßt und gelöst, sie wehte wie eine weiße Fahne weit ins Zimmer hinein. Die Flamme in der Lampe flackerte in dem Zuge auf und blakte ... William und Nina saßen im Winkel beim Bücherschranke und weinten leise vor sich hin; der Junge hatte den Kopf in den Schoß der Schwester gelegt.

Stella lag ausgestreckt über der Wiege. Sie sah mit Angst und Weh das Kind an.

Da wurde die Tür aufgerissen und Hög trat ein.

Er hatte einen langen Gummimantel um; das Wasser tropfte von ihm nieder und floß in Bächen über den Teppich.

»Der Feind ist gleich hier,« sagte er hastig. »Der Prinz flüchtet.«

Die Kinder fingen lauter zu schreien an. Er schüttelte sich das Wasser von Haaren und Mantel, wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus.

»Gehst du wieder?« fragte Stella angstvoll.

»Ja, der Prinz reist gleich.« Einen Augenblick herrschte dumpfes Schweigen. Darauf sagte sie leise:

»Das Kind stirbt ...«

Hög ging zur Wiege hin, wo Aage lag und seine kleinen Händchen um die Decke krampfte. Er beugte stumm den Kopf und ging.

Stella sah ihn die Straße hinunter nach dem Klub stürzen. Eine lange Reihe Soldaten marschierte nach dem Marktplatz. Sie liefen mehr als sie gingen. Die Köpfe duckten unter den aufgeschlagenen Kragen unter. Der Regen wurde immer stärker, man sah das Wasser um die trampelnden Beine aufspritzen ... Der ganze Trupp sah wie ein dunkler Körper aus.

Männer und Weiber rannten kopflos auf dem Trottoir auf und nieder. Die Hörner tuteten unaufhörlich.

Plötzlich ertönte wieder Hufschlag vom Marktplatz her. Eine kleine Kavalkade sprengte vorbei; die Mäntel flogen im Sturme, die Pferde wieherten – Stella erkannte den Prinzen. Im Laternenschein sah sie deutlich seine Züge; er war weiß wie ein Bettuch.

Sie zitterte, daß ihr die Zähne im Munde klapperten. Ihr Gesicht und Haar waren ganz naß vom Regen. William stand neben ihr und riß an ihrem Kleide. Sie wandte sich um.

»Was willst du?«

»Warum blasen sie so?« fragte er.

»Weil die Dänischen flüchten,« sagte sie und sah wieder hinaus.

William heulte.

»Jetzt schläft Aage,« flüsterte Nina.

»Was sagst du?«

»Er schläft.«

»Schläft?« Es klang wie ein Schrei. Sie wollte zur Wiege stürzen, die Füße versagten ihr den Dienst.

Das Fenster schlug wieder gegen die Mauer. Die eine Scheibe ging entzwei und fiel klirrend auf die steinerne Vortreppe.

Die hastigen, einförmigen Schritte der Truppen verhallten mehr und mehr in der Ferne ... man hörte nur noch ab und zu ein einzelnes schrilles Signal.

Stella hockte zusammengekauert bei der Wiege am Boden. Das Gesicht in die kleinen Betten vergraben, schluchzte sie herzbrechend.

William weinte die ganze Nacht.


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