Raoul Auernheimer
Metternich
Raoul Auernheimer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Samson und Delila

Napoleon ist unbesieglich; allein er ist es doch nur im Felde! Dies der geniale Einfall, der in Metternichs klugem Kopf in diesen heißen Sommerwochen nach Wagram plötzlich aufgezuckt sein mochte. Der Rest ist Logik, wie immer bei ihm. Wenn nicht im Felde, dann mußte Napoleon eben auf einem anderen Gebiet übermannt werden; und wenn nicht von Männerhand, dann von einer Frau. Dieses Auskunftsmittel lag dem Frauenmanne Metternich nahe; daß er ein Frauenmann war, wurde jetzt sein geschichtliches Verdienst. Denn nur einer, der die ungeheure Macht der Frauen kannte und dem sie so wichtig waren, konnte auf den Gedanken kommen, Cäsar durch ein Weib zu fällen.

Auch Napoleon hatte Weibergeschichten gehabt, wie jeder Cäsar; allein er war so ziemlich das Gegenteil eines Frauenmannes. Nicht daß ihm die Frauen gleichgültig gewesen wären, er hatte nur leider keine Zeit, sich ihnen richtig zu widmen. Sein Genius atmete Weltgeschichte, und höchstens im Aufatmen genoß er eine Frau. Es war eine Angelegenheit der Zwischenakte seines fünfaktigen Heldendaseins. Zwischen dem ersten und zweiten Akt: italienischer Feldzug und 18. Brumaire, war 67 es Josephine gewesen, die entzückende Kreolin, seine trotz alledem größte Liebe; zwischen dem zweiten und dritten Akt, damals im tiefverschneiten Polen, die Walewska, seine süßeste Geliebte; zwischen dem dritten und vierten Aufzug die kindlich-kaiserliche Marie-Louise, und dann im fünften auf St. Helena, vor der letzten Verwandlung, vielleicht auch noch, Miss Betsy Balcombe, der fünfzehnjährige Fratz, Tochter seines Hauswirts, die ihm in sträflichem Übermut allerhand antat, was nur ein alternder Mann einem ganz jungen Mädchen verzeiht. Sie schrieb sich alle ihre einstigen Schandtaten auf, und fünfundzwanzig Jahre später veröffentlichte sie sie in Buchform. Wahrscheinlich war sie seine letzte Liebe, so wie die sechzehnjährige Cleopatra die letzte Liebe Cäsars war.

Das andere zählte nicht viel, und auch was zählte, blieb schließlich nur Episode seines Heldenlebens. Er liebte zwischen den Schlachten, küßte zwischen Friedensschlüssen, riß Königreiche an sich und dazwischen eine schöne Frau. Gab es gerade nichts Besseres zu tun, so heiratete er geschwind ein bißchen oder ließ sich ein bißchen scheiden. Erst die Arbeit und dann das Vergnügen, war sein gleichbleibender Grundsatz in bezug auf solche Geschichten. Sein Leben war eine herrliche Tragödie, hoch angefüllt mit Handlung und Spannung, ein purpurnes Gewitter, von nichts überglänzt als von den Gestirnen des ewigen Schicksals zwischen den jagenden Wolken. War nicht auch die Venus einer dieser Sterne, die ihm zu Häupten standen? Nun ja, vielleicht, warum nicht – ein Stern unter anderen.

Metternichs Leben war keine Tragödie, vielmehr ein mehrbändiger Roman, er selbst ein politischer Romanheld, aber von den Sternen trennte ihn fast immer die Decke eines Salons. Episch, wie sein Charakter ist, verläuft sein Leben, auf und ab, zwischen den Gezeiten, wie das der Frauen, die er kannte wie sie ihn. Und darum wußte er, was Napoleon nicht wußte: daß es doch allemal Delila ist, die dem allzu stürmischen und 68 selbstsicheren Samson die Locken stutzt und ihn damit seiner besten Kraft beraubt. Und jetzt, nach Friedensschluß, Anno neun, machte er von dieser seiner Wissenschaft Gebrauch.

Dabei kam ihm zustatten, daß er die Vorgeschichte der Scheidung Napoleons, wie sie jetzt ruchbar wurde, schon etwas länger und genauer kannte. Er hatte im kleinen Finger, was die anderen erst erfahren mußten. Bereits 1806 hatte der Kaiser von eigenen Gnaden daran gedacht, sich von Josephine zu trennen, was Metternich damals Napoleons eigenes Schwesterlein, Caroline mit dem Cromwellkopf, gesteckt hatte, und sie hatten gewiß schon damals die zwingenden Gründe, die ihn zur Scheidung trieben, ausgiebig erwogen. Jetzt kannte sie ganz Europa, diese Gründe, oder – glaubte sie zu kennen. Der Kaiser wünschte sich, so hieß es, Leibeserben, Kindersegen, einen Kronprinzen. Sicherlich; Napoleon war ein Mann aus dem Volke, ein Italiener; die Italiener sind fast so kinderliebend wie die Amerikaner, wenn sie sich auch nicht so bedingungslos wie diese den Kindern unterwerfen. Aber es war doch noch etwas anderes, was Napoleon zur Scheidung innerlich bewog, und dieses andere, ihm selbst vielleicht nur halb bewußt, war die Frau. Er, der Frankreich, der Europa umgestaltet hatte, bisher hatte er auch Frauen immer nur umgestaltet, das heißt, zu seinen Geliebten gemacht. Josephine war Witwe, als er sie heiratete, und wie sich später herausstellte, sogar eine Witwe, deren zweiter Mann noch lebte; er hieß Barras, wie jedes Kind in Paris zu erzählen wußte. Und dasselbe galt von den anderen, die nach ihr kamen, der Schauspielerin Mars, der Walewska oder wie sonst sie heißen mochten; lauter mehr oder weniger Witwen, lauter angefangene Frauen, die der größte Mann des Jahrhunderts bloß fortsetzte. Aber nun, da er sich den Vierzig näherte, reizte es ihn allgemach, nicht nur eine Frau zu übernehmen, wie man ein hochbelastetes Gut mit Hypotheken und Steuerschulden übernimmt, sondern eine Frau 69 eigenmächtig zu sich emporzuschaffen. Sich im unberührten Herzen eines ganz jungen Mädchens ein legitimes Königreich aufzubauen, und darin, ganz ohne Vorgeschichte, glücklich zu bleiben, lockte jetzt die gestaltende Kraft eines Mannes, der aus Europa machte, was er wollte. Und vielleicht wußte Metternich auch das, obwohl er keine Urnatur war und den schöpferischen Geschmack Napoleons in diesem Punkt nicht teilte. Dennoch trug er ihm Rechnung, indem er dem Kaiser, was dieser sich zutiefst wünschte, jetzt zudachte: ein junges Mädchen.

*

Er fädelte die Sache sofort ein, kaum daß noch die Unterschriften auf dem schmählichen Friedensvertrag von Schönbrunn trocken geworden waren. Auch ist anzunehmen, daß er den Namen der reizenden Delila von allem Anfang an wußte, die er dem Sieger zuzuführen gedachte, wenngleich er ihn vorsichtig für sich behielt. Denn auch das hatte er in der Schule der Liebe gelernt: handeln, aber nicht darüber reden.

Vielmehr arbeitete er zunächst, wie gewöhnlich, ein Memorandum aus, das er als neugebackener Außenminister seinem Kaiser gewissenhaft unterbreitete. Österreich, so führte er darin mit gewohnter Weitwendigkeit aus, habe in nächster Zeit nichts anderes zu tun als zu schmeicheln und zu warten. Kommt Zeit, kommt Rat.

Aber zunächst ließ er den Monsieur Laborde zu sich kommen, einen auch kaufmännisch bemühten französischen Grafen, der, wie es scheint, bei der Belieferung der napoleonischen Armee in Österreich viel Geld verdient hatte und infolgedessen auch etwas länger in Wien verblieben war. Metternich wünschte ihn unmittelbar vor Antritt seiner Rückreise nach Paris zu sehen. Er empfing ihn in der Staatskanzlei und hielt sich im Gespräch, 70 das er scheinbar in einem rein gesellschaftlichen Tone führte, ganz an das eigene Memorandum. Vor allem bekundete er ihm, als ob das Herrn Laborde im geringsten etwas anginge, Österreichs ehrliche Absicht, in Hinkunft brav zu sein, nicht zu bocken und dem Sieger gefügig aus der Hand zu fressen. So, hoffe er, werde sich, den alten Traditionen entsprechend, das Verhältnis zwischen Frankreich und Österreich immer freundschaftlicher und wärmer gestalten. Dazwischen spricht er sogar – oder hat Herr Laborde, der ganz Ohr geworden ist, sich am Ende bloß verhört? – er spricht, wahrhaftig, von einer »alliance de famille«; ohne Namen zu nennen natürlich. Und »cette idée est de moi«, fügt er, scheinbar sich wieder zurücknehmend, mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu. Dann steht er auf und entläßt seinen erstaunten Besucher. Er hat ihm, wie ein geschickter Nervenarzt, unversehens eine kleine Injektion gemacht, und nun schickt er seinen dankbaren Patienten, der sich über den Beweis eines gewiß unverdienten Vertrauens seitens des Herrn Staatsministers gar nicht genug verwundern kann, mit einem herzlichen »au revoir« auf die Reise. Alliance de famille? denkt der von Poststation zu Poststation: Wie hat er das gemeint und wie soll er, Monsieur Laborde, dies Napoleon wissen lassen? Gleichgültig wie: Napoleon wird es erfahren. Denn Herr Laborde fühlt sich hochgeehrt, als Depeschenträger Seiner Exzellenz zu fungieren, des Herrn Staatsministers, der ihm die Ehre erwiesen hat, so vertraulich, ja geradezu aufgeknöpft mit ihm zu plaudern. Ein liebenswürdiger Mann, denkt Herr Laborde, in der Postkutsche schaukelnd; und dann wieder und noch einmal, zum hundertstenmal: alliance de famille . . . und reibt sich die Hände.

Aber noch bevor Monsieur Laborde in Paris anlangt, weiß es, merkwürdigerweise, bereits die Gesandtschaft; was, da es damals noch keine Telegraphen gab, an Zauberei grenzen würde, wenn es sich nicht, wie jedes Taschenspielerkunststück, 71 schließlich auf einfachste Weise erklärte. Madame Metternich, die geborene Kaunitz, ist nämlich mit den Kindern in Paris geblieben. Wie das? Warum? Auf welche Art? Sehr einfach: sie ist, als der Krieg ausbrach, gar nicht erst abgereist und hat die Entscheidungen des Schlachtfeldes lieber dort abgewartet. Nun weiß sie natürlich, durch ihren Gatten, immer noch etwas mehr als die Gesandtschaft und teilt, was sie mehr weiß, sofort dem Herrn Gesandten mit.

Sie korrespondiert aber auch selbstverständlich mit ihrem Manne weiter über diese »europäische Angelegenheit«, wie es alsbald in einem ihrer Briefe, die uns erhalten blieben, heißt. Zugleich berichtet auch der erste Sekretär der Gesandtschaft, Floret, an Metternich in der von ihr angedeuteten Richtung. Der Botschafter selbst, Fürst Schwarzenberg, hält sich noch zurück; aus Gründen. Jedoch aus Florets erstem Bericht in dieser Sache geht hervor, daß Schwarzenberg davon weiß. Floret seinerseits berichtet, daß er mit dem Senator Semonville in Verbindung getreten sei und von der Frau Erzherzogin – in Österreich wurden die weiblichen Mitglieder des Hauses Habsburg schon in der Wiege mit Frau angesprochen – geredet habe. »Und Ihr Chef?« – gemeint ist Schwarzenberg – habe ihn Semonville sofort gefragt: »wie denkt er darüber?« »Ich stehe gut für ihn«, antwortet Floret lächelnd, worauf Semonvilles gewissenhafte Erkundung weitergeht: »Und Monsieur Metternich? Und Kaiser Franz?« Floret kann auch diese beiden Fragen ganz oder halb bejahen, und nun hat der Herr Senator Boden unter den Füßen und geht schnurstracks weiter. Der Mittelsmann scheint, vermutlich von Metternich selbst, gut gewählt zu sein. Denn kurz nachher erhält Madame Metternich eine Einladung zu der abgesetzten Kaiserin Josephine, die mit ihr zu reden wünscht. Sichtlich von Semonville ins Bild gesetzt, beginnt Josephine in ebenso unverhohlener wie überraschender Weise sich für die Wiederverheiratung Napoleons zu 72 interessieren. Sie wünscht eine österreichische Erzherzogin für ihn, sagt sie ganz unverblümt zu ihrer Besucherin, die es am selben Tage an ihren Mann weitergibt. Die Verbindung ist also hergestellt und reicht bereits in Napoleons unmittelbarste Umgebung; denn zu dieser gehört nach wie vor die wenn auch geschiedene Exkaiserin.

Josephine wünscht begreiflicherweise, diesen Platz bei Napoleon zu behaupten, und vielleicht legt sie darum, nach bewährter Art abgedankter Favoritinnen, Wert darauf, ihm die Nachfolgerin selbst zuzuführen. Aber vermutlich hatte sie noch einen anderen, frauenhafteren Grund. Napoleon hatte sich von ihr getrennt, weil er dringend eines Thronerben zur Fortsetzung seiner Dynastie bedurfte, den ihm die um sechs Jahre ältere Frau nicht mehr hatte geben können. Indem nun Josephine die Heiratssache selbst in die Hand nimmt, betont sie diesen Grund. Das heißt, sie gibt aller Welt zu verstehen: »Ich bin und bleibe die Kaiserin. Aber zum Kinderkriegen braucht er jetzt eine andere. Die such' ich ihm selber aus!« Übrigens genießen die Habsburgerinnen in dieser Hinsicht, nämlich im Punkte Fruchtbarkeit, den besten Ruf: Maria Theresia hatte siebzehn Kinder gehabt und Kaiser Leopolds II. Gattin sogar deren neunzehn.

So oder so, die Kaiserin Josephine begünstigte offenkundig das Projekt, und heimlich tut es wohl auch der Kaiser. Nur daß Napoleon es noch nicht zugibt. Vielmehr macht der Schlachtenlenker ein taktisches Manöver, über das Floret zu Weihnachten nach Wien berichtet. Napoleon hat einen Kurier nach Petersburg geschickt, um den dortigen französischen Botschafter zu veranlassen, beim Zaren Alexander anzuklopfen. Der Zar hat eine erst sechzehnjährige Schwester, die Großfürstin Anna, die zur Kaiserin von Frankreich zu erheben Napoleon gleichfalls nicht abgeneigt wäre. Abgesehen davon, daß die Romanoffs schließlich auch noch Leute sind, mit denen 73 man sich Arm in Arm öffentlich zeigen kann, ist ihm auch der Bruder Alexander sympathisch, von dem Napoleon einmal mit zweideutiger Anerkennung gesagt hat: »Wenn er eine Frau wäre, würd' ich ihn zu meiner Geliebten machen.« Auch die Politik spräche für diese Verbindung. Denn Rußland ist der Kontinentalsperre gegen England immer noch nicht beigetreten, und anders ist England, Napoleons zähestem Feind, der ihn auch am Ende überwinden wird, nicht beizukommen.

Aber gerade was Napoleon reizte, möchte Metternich verhindern: ein Bündnis zwischen Frankreich und Rußland, das das dazwischenliegende Österreich in die Zange nähme. Und so sehen wir ihn, vom Januar 1810 angefangen, sich in seinen Plan geradezu verbeißen. Ursprünglich war es nur eine Idee wie eine andere, jetzt aber wird eine ganz große Staatsangelegenheit daraus, wie es seinerzeit, vor vierzig Jahren, die Verheiratung Marie Antoinettes mit dem französischen Dauphin gewesen war, das große Werk Kaunitz'. Ist Metternich nicht der Enkel-Schwiegersohn des großen Kaunitz? Nicht sein Nachfolger am Wiener Ballhausplatz? Ist seine Frau nicht eine geborene Kaunitz? Jetzt läuft sie, als ein kleiner Kaunitz, in Paris von Pontius zu Pilatus, das heißt zwischen der Kaiserin Josephine und der österreichischen Botschaft geschäftig hin und her, um das große Werk zustande zu bringen, und berichtet schließlich, anfangs Februar, nach Unterzeichnung der Akten auf der Botschaft, aufatmend an ihren Herrn und Gebieter: »Es ist soweit, Gott sei getrommelt und gepfiffen!« Und fügt, um ein bißchen Lob für ihre viele Mühe bettelnd, anmutig hinzu: »Je n'y ai pas peu contribué.«

Vorangegangen war eine kleine Komödie, von der Metternich nichts wußte, und in der sich uns Napoleons Charakter zum Schluß noch unversehens enthüllt. Der Kaiser war natürlich von allem Anfang an, zumindest aber seit den ersten Dezembertagen des Jahres 1809, über die Absichten des Wiener Hofes 74 genau unterrichtet. Wozu fütterte er sonst seinen Polizeiminister Fouché, dieses Reptil, und wozu sonst wäre die Pariser Polizei mit Leuten wie Monsieur Laborde näher bekannt gewesen? Auch geht aus seinem Verhalten in den nachfolgenden Wochen deutlich hervor, daß ihm diese Absichten Metternichs weder unerwünscht noch gleichgültig waren. Als die Gräfin Metternich kurz vor Neujahr demonstrativ von ihren Pariser Bekannten Abschied nahm und sich zur Audienz auch bei Napoleon meldete, um die langverschobene Rückreise nach Wien nun endlich doch anzutreten, fand Napoleon, plötzlich besorgt, daß es jetzt viel zu kalt wäre, um zu reisen, und bat sie, doch noch etwas länger in Paris zu bleiben. Die Bitte war natürlich ein Befehl, den die geborene Kaunitz auch gleich mit einem gesprochenen Hofknicks artig erwiderte, sich dem gütigen Wunsche Seiner Majestät widerspruchslos fügend, wenn ihr Mann es ihr erlaube. Sie benachrichtigte diesen sofort, der nun auch seinerseits zu spüren beginnt, daß er Boden unter den Füßen hat und umso fester in Paris auftritt, als er fürchten muß, daß ihm am Ende doch noch im letzten Augenblick Rußland den Bräutigam wegschnappt. Gerade das aber möchte im Grunde Napoleon; die sechzehnjährige Russin wäre ihm lieber als die siebzehnjährige Österreicherin, dieses natürlich nur aus politischen Rücksichten, er kennt sie ja beide nicht. Also verhält er sich zunächst noch zuwartend und läßt dabei das Metternichsche Projekt, ohne einen Finger zu rühren, immer näher an sich herankommen, wobei er sich wahrscheinlich an der Eile weidet, die man in Wien zu haben scheint. Inzwischen aber läßt auch die russische Entscheidung, die beim Zaren Alexander liegt, doch auch von der Kaiserinmutter entscheidend beeinflußt wird, auf sich warten. Ja sie bleibt nachgerade auffallend aus, diese Entscheidung, so daß die Höflinge den Kopf zu schütteln beginnen. Am 27. November 1809 hat Kaiser Napoleon in dieser Sache nach Petersburg schreiben lassen, aber als dieser Brief ankam, 75 war der Zar ungeschickterweise nicht zur Stelle. Er hatte die Hauptstadt kurz vorher verlassen und traf erst vierzehn Tage später, zum russischen Neujahrsfest, in seiner Residenzstadt wieder ein, von wo man ihm offenbar die liegengebliebene Post nicht hatte nachschicken können. Aber sogar jetzt noch läßt das freudige Ja der Romanoffs länger, als man in Paris glauben möchte, sich nicht vernehmen, und da die längst fällige Antwort schließlich am 21. Januar, fast zwei Monate nach erfolgter Anfrage, eintrifft, enthält sie, unter allerhand Ausflüchten, nicht mehr und nicht weniger als ein höfisch verzuckertes, diplomatisch verklausuliertes Nein. Nun merkt sogar Napoleon, daß er den Romanoffs nicht gut genug ist, und von diesem Augenblick angefangen genügen ihm die Habsburger. Eiligst schickt er seinen Stiefsohn Eugène Beauharnais zum Fürsten Schwarzenberg hinüber auf die österreichische Botschaft und tritt durch ihn dort werbend auf. Aber wie wirbt Napoleon? Nun, eben napoleonisch. Er verlangt die sofortige Unterfertigung einer mitgebrachten Urkunde, die ihm die Kaiserstochter nicht nur zuspricht, sondern sozusagen mit Haut und Haar, zahlbar und klagbar in Paris, ausliefert, und erzwingt die Unterschrift dieses einzigartigen Dokuments mit der Drohung, daß er im Falle einer Weigerung die Lieferung sofort an Rußland oder Sachsen, wo es bekanntlich auch schöne Mädchen gibt, übertragen würde. So wenigstens berichtet Schwarzenberg nach Unterfertigung des befohlenen Schriftstücks etwas kleinlaut an seinen Chef Metternich nach Wien. Die ultimative Werbung Napoleons – von einer solchen muß man wohl sprechen – hatte einen vollen Erfolg gezeitigt. Aber es war jetzt eigentlich schon mehr ein Erfolg Napoleons als Metternichs.

Auch geht, von diesem Augenblick angefangen, alles in einem napoleonischen Tempo weiter. Der Duc de Neufchâtel wird nach Wien entsandt und die Kaiserstochter per procurationem dem Stellvertreter des Kaisers angetraut. Gleichzeitig wird der 76 Ehevertrag feierlich unterzeichnet, und kaum ist der Streusand von den nassen Unterschriften weggeblasen, sitzt auch schon Marie Louise in einem der hochgefederten habsburgischen Reisewagen – man sah ihn bis zuletzt in der Wiener kaiserlichen Wagensammlung – und läßt sich von bereitgestellten Pferden durch das noch winterlich verschlafene österreichische Land in ihr fabelhaftes neues Kaisertum hineinkutschieren. So geht es quer durch Süddeutschland und Ostfrankreich bis nach Compiègne, nahe bei Paris, wo zum letzten Male ausgespannt und genächtigt werden soll, und da geschieht es. Eben als bei sinkender Nacht in einem wolkenbruchartigen Frühlingsregen das kaiserliche Gefährt an dem letzten Posthause vor Compiègne flüchtig halt macht, steht plötzlich ein kurzer feister Mann da, mit gekreuzten Armen gegen das Kirchentor gelehnt und in seinen Mantel gewickelt, und ein zweiter steht neben ihm, der scharf aufgepaßt hat. Nun flüstert er dem Dicken etwas zu, worauf der gleich auf die Kutsche losspringt, so geschwind, daß der andere Mühe hat, ihm um einen halben Schritt zuvorzukommen und den Wagenschlag vor ihm aufzureißen, mit dem ankündigenden, aber auch warnenden Ruf: »L'Empereur!« Und schon schwingt sich Napoleon in den Wagen wie auf ein Pferd, verdrängt die erschrockene Hofdame und setzt, sich neben seiner hübschen Wienerin vergnügt einrichtend, in Maria Louisens Gesellschaft die Reise bis nach Compiègne hinein fort. Dort wartet Caroline, die mit dem Cromwellköpfchen, man speist zu dritt und bleibt über Nacht. Am nächsten Morgen läßt sich der Kaiser das Frühstück am Bett der jungen Frau servieren und schlürft mit Genuß seine Schokolade. Dann folgen noch ein paar Förmlichkeiten, die Trauung in Notre Dame unter großem Glockengeläut, die Gratulationscour für eintausendfünfhundert Geladene, und die wie aus einem Traum Erwachte ist über Nacht Kaiserin der Franzosen geworden. Armes Kind! Nicht einmal gefragt hatte 77 man sie, ob sie es werden wolle – eine Ungeheuerlichkeit, die über das im achtzehnten Jahrhundert an Fürstenhöfen Gebräuchliche noch weit hinausgeht.

Übrigens hatte diese Willkür auch ihre materielle Bedeutung, was die Herren Gewalthaber in Paris natürlich auch ganz genau wußten, denn so kam Österreich gar nicht einmal dazu, irgendwelche Bedingungen zu stellen, worum es ihm doch hauptsächlich zu tun sein mußte. Vielleicht war dies der Grund, daß Metternich, obwohl er doch augenscheinlich sein Ziel erreicht hatte, in einem Brief an den Fürsten Schwarzenberg aus der Allerhöchsten Unzufriedenheit kein Hehl macht und geradezu von einem »manque de forme« spricht, ein starkes Wort im Verkehr mit einem Botschafter. Zum Glück für Napoleon, zu seinem anfänglichen Glück, denn es war nicht von Dauer, scheint die zunächst beteiligte Braut diesen sie kränkenden Formfehler gar nicht bemerkt, geschweige denn sich darüber gewundert zu haben. In einem Tischgespräch mit dem französischen Botschafter in Wien, das einige Wochen nach dem Pariser Diktat stattfindet, läßt sie nicht die geringste Empfindlichkeit merken. Sie stellt ein paar Fragen, reizend neugierige, mädchenhafte Fragen, die der Herr Ambassadeur schmunzelnd nach Paris weitergibt, und die der Nachwelt so erhalten blieben. Erste Frage: Ob es in Paris ein »musée Napoléon« gäbe, mit dem sie sich vor allem bekannt machen möchte? Nun, diese Frage hat ihr wahrscheinlich ihre Hofdame eingegeben, sie enthielt nichts anderes, als was man am habsburgischen Hof eine »attention« nannte, eine Liebenswürdigkeit, die nichts kostet und dem andern eine Freude macht. Aber schon die zweite Frage, die der Musik in Paris gilt, entspringt aus einem wienerischen Mädchenherzen, das, wenn es einem Manne zufliegt, es am liebsten im Walzertakt tun möchte. Auch denkt sie, als eine Österreicherin, gleich an die Landschaft, fragt nach der französischen und gesteht, daß sie am liebsten auf 78 dem Lande lebe. Eine ihrer nächsten Fragen entwaffnet uns durch die reizendste Naivität: ob der Kaiser böse sein werde, daß sie nicht Quadrille tanzen könne? Sie wäre aber gern bereit, es sofort zu lernen und überhaupt bei einem Tanzmeister Stunden zu nehmen, wenn Napoleon es wünsche. Und schließlich wünscht sie sich auch selbst etwas, nämlich eine Harfe und einen Lehrer, um mit ihm darauf zu klimpern. Denn Harfe spiele sie fürs Leben gern . . . Aus alledem ergibt sich ein reizendes Mädchenbildnis im Empiregeschmack, das seine Wiener Herkunft keineswegs verleugnen kann. Nur eine Wienerin kann so reizend schnattern und so bescheiden wünschen. Nur Wiener Mädchen, auch wenn sie Kaiserstöchter waren, wußten, zur Unterwerfung erzogen, so anmutig Demut und Munterkeit zu vereinen.

Dann aber, kaum daß die Glocken von Notre Dame ausgeläutet hatten und das Habsburgerkind, zur französischen Kaiserin erwacht, seine wasserblauen Augen aufschlug, geschah etwas, worauf niemand gefaßt sein konnte. Metternich tauchte zwei Tage nach der Hochzeit, einen Tag nach der Gratulationscour, plötzlich in dem sich verlaufenden Pariser Hochzeitsgedränge persönlich auf, obwohl ihn niemand eingeladen hatte zu erscheinen. Dennoch hielt er für notwendig, diese Reise zu unternehmen. Es zog ihn nach Paris wie den Künstler zu seinem Werk oder wie jemand, der in ein neues Unternehmen viel Geld hineingesteckt hat, zur Betriebseröffnung. Und dann hatte er noch andere Gründe, seinen Aufenthalt für einige Zeit in die Seine-Stadt zu verlegen, politische und private Gründe. Die privaten waren mit seinen galanten Botschaftererinnerungen eng verknüpft. Auch hatte er ja für alle Fälle seine Frau noch in Paris, die gute Eleonore, die er nach einjähriger Trennung doch auch wieder einmal besuchen mußte. So reimte sich alles und jedes gut und sinnreich zusammen. 79

Metternich war ein Staatsmann und ein Lebenskünstler, der in seinen Pariser Jahren zugleich ein Lebemann war und den Lebemann spielte. Beides wäre ihm um ein Haar gefährlich geworden, so zwar, daß sein erster Pariser Aufenthalt den zweiten, nach Napoleons Hochzeit, fast in Frage stellte. Die Sache war die, daß seine Affären mit Laure und Caroline Folgen gehabt hatten, nicht die in älteren Romanen gebräuchlichen, aber andere, die eben auch nicht angenehm waren und den Beweis erbringen, daß wie in der Politik so auch in der Liebe nichts unvergolten bleibt.

Während Napoleon um die Großfürstin Anna warb und Maria Louise schließlich heimführte, hatte sich, mitten im Pariser Karneval, etwas ereignet, was sich, seitdem es Maskenbälle gibt und solang es welche geben wird, immer wieder ereignen wird: eine Maske hatte einem eifersüchtigen Ehemann einen Zettel in die Hand gedrückt. Der ihn erstaunt übernahm und gleich darauf fassungslos anstarrte, war Junot, den Napoleon nach dem blutigen Spanischen Krieg zum Herzog von Abrantès gemacht hatte. Die das Papierchen übergeben hatte und gleich darauf wieder im Ballgedränge verschwand, soll Caroline Murat gewesen sein, Metternichs andere Pariser Geliebte.

Junot wurde von der besorgten Hüterin seiner Ehre angewiesen, doch einmal zu Hause im Schreibtisch seiner Frau ein bißchen nachzusehen. Er werde ein mit einem rosa Seidenband umwundenes Päckchen finden – ihre Liebeskorrespondenz mit dem Grafen Metternich.

Junot eilte nach Hause, suchte und fand. Er stellte seine Frau zur Rede, die gestand, was sie längst nicht mehr leugnen konnte. Der betrogene Gatte tobt, schäumt und schreibt Metternich einen Brief, in dem er Mainz als Rendezvousplatz für das zwischen ihnen unvermeidliche Duell vorschlägt. Ob Metternich diesen Brief erhalten hat, ist mehr als fraglich. 80 Vielleicht mußte seine Absendung auf Befehl Napoleons unterbleiben. Sein Wort über Junot, den er in diesen Tagen einen »butor«, einen Büffel nannte, läßt darauf schließen, daß er über die Angelegenheit seines Marschalls genauestens sich hatte unterrichten lassen.

Jedenfalls sehen wir Junot tags darauf einen anderen Weg einschlagen und einen, wie man zugeben muß, ungleich bequemeren. Anstatt nach Mainz zu fahren, geht er zu Madame Metternich und beklagt sich bei ihr bitter über ihren Mann. Die Gräfin, die einen solchen Besuch wahrscheinlich nicht zum ersten Male empfängt und die ihrerseits längst, wenn sie jemals eifersüchtig war, aller Eifersucht entsagt hatte, hört ihn ruhig an. Dann sagt sie ihm ebenso damenhaft wie bestimmt ihre Meinung: einem Manne wie ihm stünde es am wenigsten an, den Othello zu spielen – eine Anspielung wahrscheinlich auch auf Caroline, mit der den Herrn Herzog nicht minder zarte Bande verknüpft haben mochten – und, fährt sie fort, was geschehen ist, sei nun einmal geschehen. Es handle sich darum, die Geschichte ohne viel Lärm wieder in Ordnung zu bringen. Worauf sie sofort zu Laure fährt und auch ihr ins Gewissen redet. Mit welchem Erfolg, erfahren wir aus den später veröffentlichten Memoiren der Frau Herzogin, die ja, eine Wiederkäuerin der Liebe, nachher immer gewissenhaft alles aufschreibt. Danach hätte die an den Marterpfahl der Liebe gebundene schöne Laure eine zweite, noch schrecklichere Szene mit dem wutschnaubenden »butor« gehabt, der nun, ohne vorher nach Mainz zu fahren, nicht mehr und nicht weniger verlangt hätte, als daß eine, wie sie sich ausdrückt, »blutende, zerrissene Frau« seine ehelichen Rechte neuerlich anerkenne und besiegle. Die Frau Herzogin, eine sinnliche Schöne, die die tragischen Erschütterungen liebt, scheint, wie damals in der »Grotte«, als sie nachher »blutige Tränen« über ihren Fehltritt weinte, dieses Opfer tatsächlich gebracht zu haben. Wofür sie 81 die Gräfin Metternich mit einem feinen Lächeln »eine Frau von Geist« nennt, was die gute schlimme Laure, obwohl sie Memoiren schrieb, gewiß nicht war.

Die interessante Figur in diesem etwas kolportagenhaft anmutenden Liebeshandel ist nicht die romantisch hin und her gerissene und schließlich zerrissene Frau Herzogin, noch ihr Gatte, dieser Büffel im Marschallsrock, sondern die Gräfin Metternich, die mit überlegener Klugheit diesen Handel führt. Er rollt gleichzeitig und vollkommen parallel mit der napoleonischen Brautwerbung ab, so daß neben der Hauptaktion auch das Satyrspiel in diesem theatralisch bewegten Pariser Winter nicht fehlt, und die diplomatische Gräfin Metternich, geborene Kaunitz, alle Hände voll zu tun hat, um diese beiden für ihren Gatten so wichtigen Angelegenheiten auseinander und zusammen zu halten. Dabei aber bringt sie, eine gewissenhafte Botschafterin im Ruhestand, deutlich genug zum Ausdruck, daß beiden Aktionen eine ganz verschiedene Bedeutung zukommt; die private bagatellisiert sie sichtlich, dem Tone wie auch dem Datum nach. Der Ton ist derjenige eines geschulten Kabinettssekretärs, der über Vorfälle, die ihn persönlich nichts angehen, mit gebotener Genauigkeit an seine Exzellenz berichtet; das Datum ist der 7. Februar, eben der Tag, an dem das napoleonische Heiratsabkommen beim Fürsten Schwarzenberg zustande kam. Sie hat es in einem tags zuvor abgesandten Schreiben an ihren Gatten eine Sache von europäischer Bedeutung genannt, und nun, da sie diese Sache zu einem glücklichen Ende geführt hat, berichtet sie über die andere, die nebenher lief und der sie bisher in Wochen auch nicht ein einziges Wort in ihren Briefen gewidmet hat, obwohl sie sicher schon längere Zeit darum wußte. Nun erzählt sie mit kühler Sachlichkeit den ganzen Hergang, wie wir ihn kennen, die Geschichte mit dem anonymen Brief auf dem Maskenball im Palais Marescalchi. Aber sie erwähnt dabei auch noch zwei andere Versionen, ohne zu 82 entscheiden, welche die richtige sein mag. Nach der einen wäre Junot seiner Gattin auf dem Ball nachgeschlichen und hätte sie dabei belauscht, wie Laure eben ein Rendezvous ausmachte, mit Monsieur de L. »pour lequel s'interessent beaucoup de personnes«, was zur Folge gehabt hätte, daß »man« Junot, um den Eifersüchtigen von Monsieur de L. abzulenken, auf die Spur Metternichs gesetzt habe; und so wäre die Geschichte mit den alten Briefen plötzlich aufgekommen. »On vous savait absent et dans l'impossibilité de vous aboucher avec la barbe bleue.« La barbe bleue ist natürlich Monsieur de L., Metternichs posthumer Nebenbuhler, und »on« ist die gute Laure, der solcherart ein Verrat in die Schuhe geschoben wird: sie hat den früheren Liebhaber für den gegenwärtigen geopfert. Übrigens wäre Monsieur de L. bereits abgereist: »il est parti avec son amazone et ne plus reviendra de sa vie.« Sein Nachfolger wäre bereits Savary . . . Wozu erzählt sie alle diese ablenkenden Nebendinge ihrem peinlich überraschten Eheherrn? Aus zwei Gründen: erstens, um ihm den Beweis zu erbringen, daß er keineswegs der einzige war und sich auf sein Grottenabenteuer nach keiner Richtung hin auch nur das geringste einzubilden brauche; und das ist die einzige Genugtuung, die die nicht zum erstenmal geprellte Gattin für sich in Anspruch nimmt, gewissermaßen ihre Provision, die Vermittlergebühr für die klaglos geschlichtete Angelegenheit. Der andere Grund ist ein sehr praktischer: um Metternich abzuhalten, jetzt sofort nach Paris zu kommen, was mit Gefahr für ihn verbunden wäre, weshalb sie dringend davon abrät. Im übrigen kein Wort des Vorwurfs, im Gegenteil, sie schließt mit dem Satze: »cher ami, revenez-nous bientôt . . . je vous embrasse, mon cher ami.« Eine aristokratische Ehe; eine Botschafterehe. Denn erst tags zuvor, am 6. Februar, hat sie ihm wörtlich geschrieben: »mais, que j'en ai passé des mauvaises nuits! Et que d'inquiétudes et d'angoisses j'en avais!« Aber das bezog sich auf die Werbung Napoleons 83 um Marie Louise. Welch eine Frau! Welch eine Dame! Und wie gut paßte dieses kühl beherrschte Herz zu dem Manne, der trotz alledem der Mann ihrer Wahl war und blieb.

Er kam dann doch nach Paris, aber nicht um einen Liebeshandel zu schlichten, sondern um eine österreichische Anleihe durchzusetzen, was ihm nur leider nicht gelang. Auch sonst konnte er sich trotz der erfolgreichen Verheiratung des korsischen Samson mit der österreichischen Delila keiner weiteren politischen Erfolge für Österreich berühmen, zumindest nicht auf den ersten Anhieb. Trotzdem blieb er bis zum Herbst in Paris, wo er, wie behauptet wird, mit dem aus dem Haar der Prinzessin Caroline geflochtenen Armband am Handgelenk herumging. Warum trug er es? Aus Eitelkeit? Oder um den schon längst nicht mehr eifersüchtigen Marschall Junot neuerdings ein bißchen irrezuführen? Oder um sich Napoleon gegenüber wenigstens innerlich aufzuspielen, der, als Carolines leiblicher Bruder, immerhin, wenn auch nur »à la mode de Bretagne« sein Schwager war?

Als den großen Nordländer Ibsen einmal ein Bewunderer seiner »Gespenster« neugierig fragte, ob es denn auch wirklich der Tischler Engstrand gewesen wäre, der das »Asyl« in Brand gesteckt hätte, antwortete Ibsen, nach einigem Besinnen, in seiner immer geheimnisvollen Weise: Zuzutrauen wäre es ihm! Auch Metternich wäre es zuzutrauen, daß er, wenn er jetzt in Paris als österreichischer Unterhändler zu Hofe ging, das Armband Carolinens anlegte, um seinem großen Gegenspieler Napoleon wenigstens innerlich Schach zu bieten. Dem Samson, mag er dann bei sich gedacht haben, kürzt die Delila die Locken; er aber, Metternich, der kein Samson ist, schneidet sie Delila ab. 84

 


 << zurück weiter >>