Aristoteles
Nikomachische Ethik
Aristoteles

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Drittes Kapitel.

Wir aber wollen den Punkt erörtern, von dem wir abgeschweift sind.

Nimmt man die verschiedenen Lebensweisen in Betracht, so scheint es einmal nicht grundlos, wenn die Menge, die rohen Naturen, das höchste Gut und das wahre Glück in die Lust setzen und darum auch dem Genußleben fröhnen. Drei Lebensweisen sind es nämlich besonders, die vor den anderen hervortreten: das Leben, das wir eben genannt haben, dann das politische Leben und endlich das Leben der philosophischen Betrachtung. Die Menge nun zeigt sich ganz knechtisch gesinnt, indem sie dem Leben des Viehes den Vorzug gibt, und doch kann sie zu einiger Rechtfertigung anführen, daß viele von den Hochmögenden die Geschmacksrichtung des Sardanapal teilen.

Die edeln und tatenfrohen Naturen ziehen die Ehre vor, die man ja wohl als das Ziel des öffentlichen Lebens bezeichnen darf. Indessen möchte die Ehre doch etwas zu oberflächliches sein, als daß sie für das gesuchte höchste Gut des Menschen gelten könnte. Scheint sie doch mehr in den Ehrenden als in dem Geehrten zu sein. Vom höchsten Gute aber machen wir uns die Vorstellung, daß es dem Menschen innerlich eigen ist und nicht so leicht verloren geht. Auch scheint man die Ehre zu suchen, um sich selbst für gut halten zu können. Denn man sucht seitens der Einsichtigen und derer, die einen kennen, geehrt zu werden, und zwar um der Tugend willen. So muß denn, falls ein solches Verhalten etwas beweist, die Tugend das Bessere sein. Nun könnte man ja vielmehr diese für das Ziel des Lebens in der staatlichen Gemeinschaft ansehen. Aber auch sie erscheint als ungenügend. Man kann scheints auch schlafen, während man die Tugend besitzt, oder sein Leben lang keine Tätigkeit ausüben und dazu noch die größten (1096a) Übel und Mißgeschicke zu erdulden haben, und wem ein solches Lebenslos beschieden ist, den wird niemand glücklich nennen, außer um eben nur seine Behauptung zu retten. Doch genug hiervon; diese Sache ist ja bereits in den encyklischen SchriftenMit enzyklischen Schriften sind vielleicht dieselben Schriften des Aristoteles gemeint, die er anderwärts die exoterischen Schriften nennt, wahrscheinlich darum, weil sie die philosophischen Stoffe in mehr populärer Form behandelten; cf. Bonitz, Index Aristotelicus sub voce Aristoteles 104b sq. hinreichend besprochen worden.

Die dritte Lebensweise ist die theoretische oder die betrachtende; sie wird uns in einem späteren Abschnitte beschäftigen.

Das auf Gelderwerb gerichtete Leben hat etwas Unnatürliches und Gezwungenes an sich, und der Reichtum ist das gesuchte Gut offenbar nicht. Denn er ist nur für die Verwendung da und nur Mittel zum Zweck. Eher könnte man sich deshalb für die vorhin genannten Ziele entscheiden, da sie wegen ihrer selbst geschätzt werden. Aber auch sie scheinen nicht das rechte zu sein, so viel man auch schon zu ihren Gunsten gesagt hat. So sei denn diese Frage verabschiedet.


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