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Fritz Zilken

Totentanz

Novelle

Der Tod hatte eine reiche Ernte gehalten. Auf dem Birsfelde, vor den Toren von Basel, war die Schlacht bei St. Jakob geschlagen worden. Früh beim ersten Tagesgrauen waren die feindlichen Heere bei der Dorfschaft Pratteln zusammengestoßen, kaum fünfzehnhundert notdürftig bewaffnete Eidgenossen gegen eine zwanzigfache Uebermacht rittermäßig gerüsteter Krieger, die der König Karl von Frankreich seinem lieben Vetter, dem deutschen Könige Friedrich, zur Hilfe gesandt, da dieser sich selbst in dem Streite, den er leichtsinnig gegen die Schweizer begonnen hatte, nicht zu helfen wußte. Vordem hatten diese französischen Söldner unter dem Oberbefehle des Grafen von Armagnac gestanden. Deshalb nannte man sie die Armagnaken, daraus dann später in deutschen Landen »Arme Gecken« wurde, eine Verdrehung, die mit dem Worte auch den Sinn änderte, denn diese Bezeichnung paßte besser für die Bewohner der von ihnen heimgesuchten Lande, denn für sie selber, Jetzt aber standen sie unter dem höchsteigenen Befehle des Dauphins, der sie aus dem nördlichen Frankreich an den Rhein geführt hatte.

Ohne Besinnen hatten die Schweizer den Feind bei Pratteln angegriffen und seine Vorhut nach der Ortschaft Muttenz zurückgeworfen. Ein größerer Haufen, der hier stand, kam gleichfalls zum Weichen und flüchtete über den Birsfluß. Mutbrünstig folgten die Schweizer Harste nach und nun begann auf dem Felde gen Gundoldingen und um das Kirchlein von St. Jakob ein ungeheures Morden; eine Schlacht war es nicht, denn der Dauphin hatte hier seine gesamten Streitkräfte zusammengezogen und focht jetzt in vielzehnfacher Uebermacht. Eine Hilfe, die den Schweizern aus Basel gekommen war, obwohl diese Stadt damals dem Schweizerbunde noch nicht angehörte, aber mußte zurück, da die Baseler ihre Stadt selbst bedroht sahen.

Emsig schritt der Tod auf und nieder. Wie der Schnitter auf dem Sommerfelde hatte er Schlockenfäßchen und Wetzstein, sie hingen ihm am Riemen um die Hüfte. Aber er nahm sich nicht die Zeit, seine Sense zu wetzen, so schartig sie auch wurde. Unermüdlich streckte er in weitem Wurf die Schwaden in das zerstampfte Gras, da die weißen Gänsblümlein sich alle in rote Röslein wandelten.

Unermüdlich bei dem Haufen der Schweizer war auch ein Priester, der aus Basel in den Kampf hinausgeeilt und geblieben war, als seine Leute zum Schutze der Stadt gegen das Aeschentor rückwärts zogen. Das war Pater Blasius vom Kloster St. Alban am Rhein. Rastlos eilte er von Haufen zu Haufen und feuerte die Streitenden an und tröstete die Sterbenden.

»Eure Leiber den Feinden, eure Seelen Gott!« rief er und gab damit die Losung des Tages.

»Unsere Leiber den Feinden, unsere Seelen Gott!« riefen auch die Schweizer und stürmten immer von neuem gegen die Schwerter und Halparten der Feinde.

»Eure Leiber mir, – was aus euren Seelen wird, das schiert mich nicht!« höhnte der Tod und mähte fleißig weiter.

Als der Abend hereinbrach, da waren die Schweizer bis auf den letzten Mann vernichtet; was nicht tot war, das lag mit schwerer Wunde getroffen am Boden. Auch der Feinde deckten viele die Walstatt. Die Uebriggebliebenen aber sammelten sich und zogen sich zurück gegen die Berge des Jura, wo der Dauphin ein Lager aufschlagen ließ.

Da stellte auch der Tod sein Mähen ein. Die Verwundeten bedurften seiner nicht; die starben jetzt ohne ihn. Er aber setzte sich auf einen Flurstein an der Straße, die nach Basel hineinführt, betrachtete seine schartige Sense und sah alles an, was er gemacht hatte. Und er sah, daß es gut war.

Unterdessen ging die Sonne rot hinter den Schwarzwaldbergen jenseits des Rheines unter und die Schatten wurden immer länger in der Richtung von Abend gen Morgen. Da kam in dem Schummer der sinkenden Dämmerung von der Walstatt her ein leichtes Leiterwägelchen und strebte der Stadt zu. An einem zerrissenen und notdürftig mit einem Stricke wieder zusammengeknoteten Halfter führte Pater Blasius den müden Gaul, der es zog. Auf dem Wägelchen lag ein Schwerverwundeter auf einem Schäublein Stroh. Es war ein junger Hirt aus dem Urner Lande. Geharnischt war er nie gewesen, die Kleider aber waren ihm jetzt zerrissen und in der nackten Brust klaffte ihm ein breiter Lanzenstich, der mit einem Fetzen blutigen Linnens notdürftig verstopft war. Totenblässe deckte sein Antlitz und das Auge blickte halbverglast und glanzlos. Mit Hü und Hot trieb der Pater das abgerackerte Pferd zur Eile, denn er dachte, den Verwundeten, den er zuletzt, als ihm das herrenlose Fuhrwerk in den Weg gekommen, eilig aufgelesen hatte, noch in die Stadt zu retten und vielleicht am Leben zu erhalten.

Als das Fuhrwerk beim Tode vorüberzog, der immer noch auf dem Flursteine am Straßenraine rastete, da erhob sich dieser und schwang sich behende auf den Langbaum, der hinten aus dem Wagengestell hervorragte. Rittlings nahm er da Platz, weil es ihm aber an Gesäßfleisch mangelte, saß er hart auf dem harten Holze und nicht lange dauerte es, da hüpfte er ganz hinauf auf das Wägelchen und kauerte sich neben den blutenden Krieger auf das Bündlein Stroh. Der aber sah mit Entsetzen das fleischlose Antlitz, hohläugig und mit nacktem Gebisse, und ein Schauer überlief ihn. Da erbarmte sich der Tod. Er langte in den Bettelsack, den er über der Schulter trug, und holte ein Querpfeiflein hervor. Darauf blies er, erst ganz leise, dann etwas lauter, den Kuhreigen und allerlei andere lustige Weisen, dem Urner über sein letztes Stündlein linde hinwegzuhelfen. Da schloß der Urner die Augen und lächelte; er dachte an seine heimatlichen Berge und Matten und an die gescheckten Kühe, die mit lieblichem Glockengeläute bedächtig darauf herumziehen und grasen.

So erreichten sie die Stadt und fuhren durch die schmale St. Albanspforte. Jenseits lenkte der Pater das Wägelchen die steile Uferstraße hinab bis hart an den Rhein, wo sein Kloster stand. Als er hier aber nach seinem Schützlinge sah, da war dieser sänftlich gestorben und es blieb dem Pater zu tun nichts übrig, als den Toten herabzuheben und drüben auf dem Klosterfriedhofe zu begraben. Das tat er. Der Tod half ihm redlich dabei, mit Schippe und Karst. Und als die Arbeit getan war, und der Pater ein kurzes Gebetlein sprach für die arme Seele des Hinübergegangenen, da nahm der Tod sein strohenes Schnitterhütlein ab, faltete andächtig die Hände und sagte klar und vernehmlich: »Amen!«

Dann aber merkte er, daß er von der Arbeit des Tages redlich müde war und er suchte ein Ecklein, da er ausruhen könnte. Das fand er unter einem buschigen Hollunder und dahin streckte er seine müden Knochen in das weiche Kirchhofgras, um ein wenig zu schlafen ....

Der nahe Rhein rauschte ein einförmiges Schlummerlied. Unten in den Weiden am Wasser schlug noch eine verspätete Nachtigall. Im Osten stieg der Mond auf und begann seine stille Wanderung um den Halbkreis des Himmels. Zuweilen kam vom Albantor und von der Schanze, die nahe dabei liegt, ein dumpfes Getöse, wie das Fallen und Wälzen von schweren Balken und Bohlen, dazwischen ab und zu auch ein verworrenes Summen, wie von vielen Stimmen: die Baseler verrammelten das Tor und schleppten ihre plumpen Stücke auf die Bastei, denn sie vermeinten nicht anders, als der Dauphin würde andern Tages einen Sturm gegen ihre Mauern unternehmen. Sonst war eine große, friedliche Stille und der Tod tat einen langen und guten Schlaf.

Als er endlich erwachte, war die Sonne längst aufgegangen. Sie glitzerte auf den schnelltreibenden Fluten des Flusses und vergoldete die jenseits sich hinziehenden Berge, auf deren einem ein Kirchlein stand, in dessen Fenstern das Licht widerleuchtete, daß es wie ein Riesendiamant über die Landschaft blitzte. In dem Holder über der Ruhstatt des Todes aber pfiff eine frühmuntere Amsel ihr Morgenliedchen. Verwundert rieb der Tod sich die Augen. Er mußte sich ein wenig besinnen, wo er wäre und wie er dahin gekommen. Als er aber den frischen Grabhügel des Urners sah, den er selbst mit geschaufelt hatte, da fiel ihm alles wieder ein, wie es gekommen und auch, was er am Tage vorher für Arbeit geleistet. Sie deuchte ihm auch jetzt noch tüchtig und aller Achtung wert. Aber, als er es recht überdachte, da meinte er, daß es im Grunde genommen, doch ein höchst brutales Stück Arbeit gewesen, ohne allen Geist und Witz. Und als er sich erhob und langsam zwischen den Gräberreihen des Kirchhofes herumschlenderte und den schönen Tag sah, da meinte er, daß er sich heute wohl einmal ein feineres Stück gönnen dürfe, ein zierlich verschlungenes Tänzlein, an dem jeder seine Freude haben müsse.

Unter solcherlei Gedanken verließ er den Klosterkirchhof. Langsam schlenderte er den Mühlenberg hinauf und wandte sich durch die Rittergasse der Pfalz und dem Münster zu, in dessen Nähe auch der Bischofshof gelegen war. Nur die vornehmsten Geschlechter der Stadt und die Kurie hatten hier ihre Wohnsitze, auch der Papst Felix, als welchen das große Konzil, das damals in Basel tagte, den Herzog Amadeo von Savoyen gewählt hatte wider den Papst Eugen zu Rom, mit dem das Konzil im Streite lag. Während aber zu dieser Stunde auf dem Markte und in den gewerblichen Straßen der Stadt schon lebhaftes Treiben herrschte, vermehrt noch durch die Ereignisse des gestrigen Tages und die Besorgnis für den kommenden, war hier oben eine vornehme Ruhe, als ob das, was da draußen sich ereignete, die Bewohner dieser Häuser und Höfe gar nichts angehe. Kaum einmal ein Diener oder Bote huschte eiligen Schrittes daher, um bald in einem der engen Gäßlein, die, manche mit vielen Treppenstufen, in die untere Stadt hinabführten, zu verschwinden. Um so mehr fiel ein Mann auf, der festen und gesetzten Schrittes aus einem dieser Gäßlein kam. Er trug eine schwarze Schaube von glattem Tuch, an Hals und Brustschlitz mit einem streifen braunen Marders, wie sie in jener Zeit in deutschen Landen Magister und Doktoren zu tragen pflegten. Nicht eilig, aber auch ohne Zaudern überschritt er den Münsterplatz und wandte sich dann einem der Häuser zu, die an der Rheinseite lagen. Der Tod, der doch nichts anderes zu tun hatte, gesellte sich zu ihm. Er ging gleichmäßigen Schrittes neben ihm her und, als jener in das Haus eintrat, begleitete er ihn auch dahin.

In diesem Hause wohnte Aeneas Sylvius Bartholomäus Piccolomini, der berühmte Humanist und Doktor beider Rechte. Als Sekretär des Kardinallegaten Giuliano Cesarini, der in Vertretung des Papstes Martin das Konzil in Basel eröffnet hatte, war er vor dreizehn Jahren in diese Stadt gekommen und weilte nach mehrmaliger Abwesenheit wieder da, jetzt aber als Geheimsekretär des vor kurzem zum deutschen Könige gekürten jugendlichen Friedrich aus dem Hause Habsburg-Oesterreich, dessen Interessen er beim Konzile vertrat. Er galt für einen der gescheitesten, aber auch verschlagensten Staatsmänner seiner Zeit, dem zur Erreichung seiner Zwecke jedes Mittel recht und der ob seines lockeren Lebenswandels nicht zum besten beleumundet war.

Als der Tod und sein Begleiter in das Haus eintraten, fanden sie in dem geräumigen Flure einen Diener, der mit dem Packen und Schnallen einiger Felleisen und Reisesäcke beschäftigt war. Auf Befragen erfuhr der Gekommene, daß der Herr des Hauses sich in seiner Schreibstube befinde. Da stieg er, vom Tode begleitet, die Treppe zum ersten Stock hinauf. Hier klopfte er mit starkem Finger einen kräftigen Daktylus auf eine der Türen, die aus den verschiedenen Gemächern nach der Treppe führten.

»Introite,« rief eine helle Stimme von innen.

Die beiden traten ein.

An dem sehr geräumigen Tische, in der Mitte des rundum mit Holztäfelung bekleideten Zimmers, saß jemand, der einen talarartigen Doktormantel trug, wie sie in italischen Landen üblich waren. Auf dem Haupte hatte er ein kapuzenartiges Hausmützlein aus weißem Linnen, das tief in die Stirne reichte und an den Wangen mit ein paar flügelartigen Bändern herabhing; auch dieses deutete auf einen Ursprung von jenseits der Alpen, auf Florenz oder Bologna. Der Sitzende war mit Schreiben beschäftigt. Er hatte einen längeren Brief soeben beendet und setzte noch mit einigen Schnörkeln seinen Namen darunter, ehe er sein Gesicht aus der gebückten Stellung emporhob.

»Gregorius,« rief er dann aufblickend, »du besuchst mich früh am Tage.« Jedoch er erhob sich nicht, sondern begann den geschriebenen Brief sorgsam in Falten zu legen.

»Zweimal suchte ich dich gestern vergeblich,« erwiderte der Angeredete, »du warst beide Male nicht zu Hause, Aeneas.« »Ich verbrachte den Tag mit Lugen auf dem Münster,« antwortete Piccolomini und schob die Falten seines Briefes ineinander.

»Dann hast du gesehen, was den Kampf an den Thermopylen, für den wir uns als Knaben begeisterten, da wir zum erstenmale den Xenophon lasen, tief in den Schatten stellt,« sagte Gregorius mit zitternder Stimme. In unverkennbarer Erregung trat er bis dicht an den Schreibtisch heran.

»Oder einen Stier, der wie schallig gegen einen roten Lappen rennt und dabei von der sichern Matte in den Abgrund stürzt,« erwiderte der andere leichthin.

»Aeneas Sylvius!« wehrte Gregorius entsetzt und machte eine Bewegung mit der Hand.

» Quod est?« fragte dieser aufblickend. Dann suchte er auf dem Tische nach Siegelwachs und Petschaft.

Eine kleine Pause trat ein.

»Ich will nicht mit dir rechten,« hub Gregorius wieder an, »aber es schmerzt mich, dich solcher Art reden zu hören. Du hast den wenigsten Anlaß dazu, denn dieser Strom von Blut, der gestern geflossen ist, schreit gen Himmel – wider dich.«

Der Piccolomini zuckte die Achsel, als ob er etwas abschüttele. Bedächtig träufelte er den an der Flamme eines entzündeten Wachsstockes erweichten Siegellack auf den Brief und drückte das Petschaft auf.

»Du wirst nicht in Abrede stellen,« fing Gregorius wieder an, »daß du es gewesen bist, der dem Könige Friedrich den Rat gegeben, Frankreich gegen die Schweizer um Hilfe anzurufen.«

»Und wenn!« antwortete Piccolomini, den geschlossenen Brief gerecht zum Schreiben der Adresse vor sich hinlegend, – »warum geben die helvetischen Bauern dem Kaiser nicht, was des Kaisers ist? – Was ihnen geschehen, haben sie selbst verschuldet.«

»Sie kämpften für ihr Recht und ihre Freiheit,« sagte Gregorius warm, »und der Mut und die Begeisterung, mit der sie es taten, erfüllt mich mit höchster Bewunderung, auch wenn sie unterlagen: sie fielen, müde vom Siegen. – Doch das beiseite. – Eine neue Gefahr ersteht dem Könige und dem Reiche. Der Franzose, den du gerufen schielt nach deutschem Lande. König Karl hat in Paris das Wort gesprochen, alles Land links vom Rheine gehöre von rechtswegen zu Frankreich. – Glaubst du, er habe statt der erbetenen sechstausend Soldaten deren dreißigtausend gesandt, nur um die – wie du sie nennst – helvetischen Bauern zu bekriegen?« Aeneas Zylvius tauchte die Feder in das Inktfaß, das vor ihm stand. Einen Augenblick noch hielt er inne, ehe er die Feder ansetzte, einen schnellen halben Blick auf seinen Besuch werfend. Dann schrieb er bedächtig die Aufschrift auf den fertigen Brief. Das Auge des andern folgte unwillkürlich den Zügen, die die Feder auf das Papier zeichnete. Er las: »An Seine Heiligkeit den Papst Eugen in Rom.« Der Piccolomini betrachtete die Aufschrift mit einem feinen Lächeln. Dann erhob er sich.

»Was geht das mich an?« sagte er.

»Wie,« rief Gregorius und wich einen Schritt zurück, – »bist du nicht des deutschen Königs Kanzler?«

»Nein,« sagte der Piccolomini, »ich bin des Erzherzogs von Oesterreich Schreiber.«

Gregorius strich sich mit der flachen Hand über die Stirne, als wolle er einen häßlichen Gedanken wegwischen.

»Wehe dem Reiche,« rief er, »wenn sein Herrscher nicht in erster Linie deutsch ist! – Aeneas Sylvius,« sagte er dann weich, »ich bin dein Freund gewesen; ich glaube, ich habe einmal dein Vertrauen gehabt und meine, ich habe dich verstanden. Seit einiger Zeit werde ich irre an dir. Ich verstehe dich nicht mehr. Du suchtest den König auf in Frankfurt und seitdem bist du sein Ratgeber, seine rechte Hand geworden. Sage nichts dagegen: die ganze Welt weiß es. Du gehst beim Papste Felix aus und ein. Du bist auch dessen rechte Hand: Du stehst an der Spitze der Opposition gegen Rom. Und dennoch schreibst du Briefe an den Condolmieri, an Seine Heiligkeit, den Papst Eugen.«

Er legte einen besonderen Nachdruck auf das Wort Heiligkeit, ein Titel, der Gabrielo Condolmieri, als das Konzil ihn absetzte, aberkannt worden war.

»Aeneas Sylvius,« fuhr er fort, – »ich fürchte ...«

»Was fürchtest du?« fragte der Piccolomini freundlich.

»Ich fürchte,« fuhr der andere fort, – »Aeneas, – du trachtest selbst nach der dreifachen Krone.«

Da war er ausgesprochen, der Verdacht, den der gerade Deutsche schon lange gegen den listigen Italiener hegte.

Aeneas Sylvius zuckte ein Unmerkliches zusammen. Seine geheimste Absicht, ein Gedanke, der auf der tiefsten Tiefe seiner Seele ruhte, und den er selbst sich nur in den siegessichersten Augenblicken seiner verwegenen Verknüpfungen eingestand, war von dem andern schonungslos an das Licht gezerrt. Er hatte sich verraten, er hatte einen Mitwisser dieses Geheimnisses. Das durfte nicht sein, so weit durfte er nicht gehen, in dem, was er den andern wissen ließ. Um keinen Preis.

Einen Augenblick irrte sein Blick wie hilfesuchend durch das Gemach. Da sah er den Tod, der bescheiden und still am Fenster stand. Auf dem Hintergrunde des dichten Gerankes von Weinlaub, das, von der leuchtenden Sonne beschienen, wie ein grüner Vorhang draußen vor dem Fenster hing, hie und da schon ein gelbes oder rötliches Blatt, das eine feine Farbenmusterung gab, hob er sich bräunlich ab, nicht grell und hart, sondern weich und mollig, in verzitternden Umrissen. Ganz deutlich sah er ihn. Aber gar nicht erschrocken oder auch nur erstaunt war er darob. Es war ja so natürlich, daß er jenen jetzt sah, er mußte ihn ja sehen; fast hätte er ihm freundlich zugenickt. So fand er das nur für einen Augenblick verlorene Gleichgewicht wieder.

»Mein Freund ist gut aufgeräumt heute,« sagte er lächelnd und legte Gregorius seine Hand auf die Schulter. – »Noch ein Schisma zu dem, das wir schon haben,« scherzte er, »das wollen wir nicht! Was soll die Christenheit mit drei Päpsten? Sie hat an den zweien, mit denen sie jetzt gesegnet ist, schon einen zu viel!«

Er lachte jetzt laut, den Versuch machend, den andern ebenfalls zum Lachen zu bringen.

Aber Gregorius blieb ernst und antwortete nicht. Daraus erkannte jener die Tiefe der Verstimmung und des Mißtrauens, die den andern erfaßt hatten, und schnell entschlossen ging er an die Ausführung der Tat, die ihm jetzt als eine Notwendigkeit erschien.

»Ich werde heute noch Basel verlassen,« schnitt er ein anderes Thema an, »der König ruft mich. Was er von mir will, das weiß ich nicht. Vielleicht macht er mich zu dem, das zu sein du schon von mir voraussetztest. Videbimus. Wenn ich dann etwas bei ihm vermag, so gelingt es mir vielleicht ihn zu bestimmen, Frankreich zu bitten, die Hilfe, die es ihm so überreichlich gesandt, zurückzurufen. Ich will es versuchen, – dir zu Liebe, Gregorius. Ehe wir aber scheiden, Gregorius, als Freunde, wie ich hoffe, die wir stets gewesen sind, trinke zur Letze noch ein Glas Wein mit mir, wie es ja bei euch Deutschen Sitte ist.«

So scherzend näherte er sich einem Wandschränkchen und suchte in der Ledertasche, die ihm am Gürtelbande hing, ein Schlüsselchen, jenes zu öffnen.

Aus dem Mauergelasse langte er eine bauchige, strohumflochtene Flasche und stellte sie auf den Tisch. Dann wählte er aus mehreren Gläsern, die daneben standen, zwei ganz gleiche venetianische Kelche, jedoch hatte der eine davon am Fuße einen roten, der andere einen goldbraunen Zierat, so nebensächlich, daß er nur dem sehr aufmerksamen Beschauer auffallen konnte. Der Italiener stellte die Gläser so, daß das rotgezeichnete dem Deutschen zunächst stand. Dann schenkte er ein.

»Es ist alter Syrakuser,« sagte er, »du hast ihn schon einmal versucht und geschätzt.«

Er ergriff das gelbgezeichnete Glas, der Deutsche nahm das andere.

»Auf deine Gesundheit, Gregorius,« sagte er, und blickte seinem Gaste freundlich in die Augen.

Dann tranken sie beide, der Italiener mäßig, kaum mehr als nippend. Der Deutsche tat einen herzhaften Zug, den Kelch fast bis zur Neige leerend.

»Dein Wein ist gut, Aeneas,« sagte Gregorius.

»Euge – bonum et purum!« rief der Italiener.

Der Tod, der dabei stand, schenkte das Glas des Deutschen dienstbeflissen wieder voll bis zum Rande.

»Zumal des Morgens,« plauderte der Piccolomini, indem er sich bequem auf die Kante eines Ruhebettes setzte, das im Hintergrunde des Gemaches stand. Dabei betrachtete er aufmerksam den zierlich gestickten Schuh, der unter seinem schwarzen Gewande sichtbar wurde. – »Zumal des Morgens ziehe ich ihn jedem andern vor. – Die nächste Zeit zwar werde ich ihn entbehren und mich mit den kälteren Weinen des Rheines begnügen müssen.«

»Auch diese sind gut,« meinte der biedere Deutsche treuherzig.

Der Piccolomini lachte.

»Bewahre mir deine Freundschaft, Gregorius,« sagte er warm und erhob sein Glas, dadurch den andern ebenfalls zum Trinken ermunternd.

»Von Herzen,« antwortete der Deutsche. Und wieder leerte er das Glas fast bis zur Neige. Und wieder schenkte der Tod es voll bis zum Rande.

»Auf Wiedersehen also,« rief der Italiener und erhob sich, sein Glas in der Hand, um nochmals mit dem andern anzustoßen.

»Auf Wiedersehen!« sagte der Deutsche.

Beide leerten jetzt ihre Gläser bis auf den Grund. Dann reichten sie sich die Hände und Gregorius verabschiedete sich.

Als er das Gemach verließ, ging der Tod neben ihm her und begleitete ihn aus dem Hause hinaus auf die Straße, wie er auch mit ihm hineingekommen war.

Nicht ganz so fest und sicher, wie er gekommen, überschritt Gregorius den Münsterplatz. Es war seltsam, trotz des hellen Sonnenscheins flimmerte es ihm dunkel vor den Augen wie hereinbrechende Dämmerung, und als er in das Sträßlein einbog, das nach dem Markte hinabführt, da strauchelte er ein wenig; fast wäre er über seine eigenen Füße gestolpert, die ihm schwer wurden wie Blei. Als er aber die Treppenstufen hinabstieg, da überkam ihn plötzlich ein Schwindel, und wäre der Tod, der neben ihm ging, ihm nicht hilfreich beigesprungen, er wäre wirklich gestürzt. Der aber fing ihn liebreich auf in seinen Armen. Da er aber sah, daß jenem die Sinne gänzlich schwanden, ergriff er den eisernen Klopfer auf der Tür des schmalen und hohen Hauses, vor dem sie sich gerade befanden, und schlug drei kräftige Schläge auf das Holz, daß es weithin tönte.

Nicht lange dauerte es, da wurde die Tür geöffnet und eine Magd fragte in italischer Sprache, was es gäbe.

»Dem wohledlen und hochgelehrten Doktor ward es schlecht,« sagte der Tod in gleicher Sprache, die er meisterlich zu handhaben wußte, »um Christi Barmherzigkeit, Jungfer, bringt ihm einen Trunk Wasser.«

Damit aber trug er den Doktor von der Straße in das Haus und ließ ihn auf ein Bänklein gleiten, das im Flure stand. Während dann die Magd eilte, das Verlangte zu holen, kam die Herrin des Hauses herbei. Das war Donna Giulia Todeschini, eine Tochter von Piccolominis Schwester Laudomia, die jener sich aus Siena hatte kommen lassen, um in Basel seinem Haushalte vorzustehen. Da sie aber jung und von üppiger Schönheit war, so hatte die böse Welt, die das Reinste in den Schmutz zu ziehen liebt, allerlei Schlimmes über das Zusammenwohnen der zwei gemunkelt, also, daß die Base das Haus ihres Oheims verließ. Jedoch wohnte sie nicht allzuweit von ihm entfernt und es bestand – in allen Ehren – eine herzliche Freundschaft zwischen den beiden, die nicht zum wenigsten auch darin ihre Nahrung fand, daß Donna Giulia ein volles Verständnis für die großen Pläne des staatsklugen Oheims hatte und von deren Verwirklichung eine Verbesserung des etwas heruntergekommenen Ansehens und der sehr mäßigen Glücksgüter der Piccolomini erhoffte.

Nicht alsbald hatte die Donna gesehen, um was es sich handele, als sie den immer noch Bewußtlosen, den sie sehr wohl kannte, in ein nahes Gemach tragen und auf eine weiche Lagerstatt betten ließ. Aber alle Versuche, durch Besprengen mit kaltem Wasser und durch scharf riechende Essenzen den Doktor wieder zu sich zu bringen, erwiesen sich als fruchtlos.

»Corpo di dio, er stirbt uns unter den Händen,« jammerte die Donna, »ungebeichtet und ohne die heilige Wegzehrung.« Denn sie war fromm und hielt viel auf diese Stücke.

»Ich wüßte wohl einen Priester hier in der Nähe – wenn ich den riefe?« sagte der Tod bescheiden.

»Tut das, guter Mann,« rief die Donna eifrig, »Gott wird es euch lohnen.«

Da lief der Tod was er laufen konnte, daß seine Knöchlein klippten und klappten, über den Mühlenberg hinab nach dem Kloster am Rheine und suchte den Pater Blasius, damit er komme und dem sterbenden Doktor beistehe in seinem letzten Stündlein. Pater Blasius war sofort bereit. Er legte Albe und Stole an und nahm die heilige Oelung und eine geweihte Hostie aus dem Tabernakel. Der Tod aber hatte unterdessen in der Sakristei ein weißes Chorhemd angezogen und schritt nun, in der linken Hand eine Laterne mit einem brennenden Lichtlein darin, in der rechten Hand ein Glöcklein tragend, vor dem Priester her, der inneren Stadt zu. Jedoch nahm er jetzt seinen weg durch die Freie Straße.

Da war es zu dieser Zeit sehr lebhaft und viel Volk in der Gasse. Es war ein Laufen und Drängen, ein Gaffen und Geschrei, und von nichts hörte man, denn von der gestrigen Schlacht und davon, daß der Dauphin sich anschicke zum Sturme gegen die Stadt. Ein Flickschuster, der seine armselige Werkstatt in einem Gadem an der Barfüßerkirche hatte, aber stand an einem Prellsteine und wiegelte das Volk auf mit landesverräterischer Rede. Ganz dumm sei es und töricht, schrie er, sich wegen der Händel der Großen totschlagen zu lassen, denn um nichts anderes handele es sich, und die Reden von Freiheiten, Recht und Gerechtsamen, das sei alles Flunkerei. Es achtete jedoch niemand auf ihn. Alle aber horchten auf, als sie das Glöcklein hörten, das der Tod ohne Unterlaß erklingen ließ, und ehrerbietig machten sie Platz, als sie den Pater Blasius mit seinem Sakristan daher kommen sahen. Ja, sie knieten nieder und bekreuzten sich, gerade so, wie sie zu tun pflegten, wenn der heilige Papst Felix durch die Straßen der Stadt kam. Sogar ein Fähnlein Gewaffneter, das im Laufschritt zur Verstärkung der Besatzung des Steinentores eilte, machte Halt und kniete nieder, um den Leib des Herrn, den der Pater trug, vorbeizulassen, ehe es weiter zog. Der Tod wußte recht wohl, daß diese Ehrung nicht ihm galt, aber es war ihm doch eine Labe, sich die Leute so bücken zu sehen; er fühlte sich in seiner Macht und daß er der Herr und Meister aller Welt, dem einst sogar Gewalt gegeben war über den, der jetzt hinter ihm getragen wurde. Darum klingelte er ohne Unterlaß mit seinem Glöcklein, daß es fast lustig klang.

Als sie aber in das Haus der Donna Giulia kamen, da hatte sich dort nichts geändert. Der Doktor lag noch immer in der Begebung seiner Sinne. Er hörte nicht, wie Pater Blasius ihm tröstlich zusprach. Erst als er ihm die heilige Oelung erteilte, öffnete er die Augen und bewegte ein wenig die Lippen, als ob er reden wollte. Der Pater, der vermeinte, daß jener wohl die Beichte wünsche, neigte sein Ohr seinem Munde zu und Donna Giulia, die, neugierig wie die Frauen sind, auch zu hören begehrte, was jener noch zu sagen habe, bückte sich gleichfalls zu ihm. Aber sie vernahmen nur wenige Worte.

»Gift – Aeneas Sylvius hat mich vergiftet,« hauchte der Doktor. Dann schloß er die Augen, schüttelte sich ein wenig und starb.

Der fromme Pater sprach die üblichen Gebete, wobei ihm der Tod fleißig ministrierte.

»Dona eo requiem aeternam, domine,« betete der Priester zuletzt.

»Et lux perpetua luceat eo in aeternam, Amen,« antwortete der Tod; er hatte das in seinem langen Leben so oft gehört, daß er es ganz gut wußte.

Dann verließen die beiden das Haus.

Donna Giulia aber floh aus dem Gemache, was sie gehört hatte, erfüllte sie nicht sowohl mit Entsetzen, als vielmehr mit schreckhafter Besorgnis. Sie war eine Tochter ihrer Zeit und ihres Landes und hatte so viel Geschichte gelernt und in die Staatsgeschäfte der Gegenwart so manchen Blick getan, daß sie wohl wußte, daß die Staatsklugheit auch vor einer solchen Ultima ratio nicht zurückschreckte, zumal in ihrem Heimatlande nicht, wo Gift und Dolch damals nicht ungebräuchliche Werkzeuge der Politik waren, die zu Zeiten mehr erreichten, als die spitzfindigsten diplomatischen Schach- und Winkelzüge. Aber sie wußte auch, daß eine solche Ultima ratio eines undurchsichtigen Schleiers bedürfe, wenn ihr Zweck nicht vereitelt oder wenn sie nicht gar ihre Spitze gegen ihren Urheber kehren solle. Hier aber war der Schleier gelüftet über eine Tat, die auch in ihrem Interesse geschehen war, denn alles was ihr großer Oheim unternahm, das wußte sie genau, geschah in der Verfolgung eines hohen Zieles, dessen Mittelpunkt der Glanz und die Macht des einen Mannes und mit diesem ihre eigene und die ihrer ganzen Familie war.

Sie stampfte mit dem Fuße und ballte ihre Hände zu Fäusten im Zorne über sich selbst, denn sie, sie selbst hatte durch ihr törichtes Mitleid den Vater zum Mitwisser einer Tat gemacht, die dieser, uninteressiert wie er war, und in tölperhafter Ehrlichkeit ausplaudern und an die Glocke hängen konnte. Zwar empfangen hatte jener seine Wissenschaft quasi sub sigilium confessionis. – Quasi, überlegte sie, denn ob der tote Doktor seine schwere Anschuldigung unter diese Bedingung hatte stellen wollen oder nicht, und ob der Vater die Sache so ansah oder nicht, das waren immerhin offene Fragen. Und dann hatte sie persönlich auch eine so geringe Meinung von der Verschwiegenheit und wußte so manches Beispiel von der Schwatzhaftigkeit der Priester, daß sie sich damit unmöglich beruhigen konnte. Auf alle Fälle mußte deshalb etwas geschehen, den Vater unschädlich zu machen. Das stand ihr fest. Und wenn solches geschehen konnte ohne die Hilfe und Mitwissenschaft des Oheims, so deuchte dieser Weg ihr der besonders empfehlenswerte, denn sie selbst kannte den Oheim zu gut, um ihm selbst für ihre eigene Person zu trauen. Anders aber bekam sie durch ihr Wissen gegen jene eine Waffe in die Hand, die ihr gelegener Zeit vielleicht einmal willkommen war. In schnellem Tanze wirbelten alle diese Erwägungen durch ihre Seele und sie strengte ihren verstand an, einen Ausweg zu finden, einen schnellen Entschluß zu fassen.

So grübelnd war sie an das schmale Fenster ihres Gemaches getreten und blickte in das Sträßlein hinaus. Da gewahrte sie einen jungen Herrn, der, von der Freien Straße kommend, eilig ihrem Hause zuschritt Das war Junker Rudi von Ariesheim, ihr feuriger Anbeter und heimlicher Geliebter. Nicht so bald hatte sie ihn gesehen, als ein triumphierendes Lächeln ihr Antlitz überglitt. Ihr Entschluß war gefaßt. Mit einer schnellen Bewegung wandte sie sich und warf sich mit der Gebärde einer Verzweifelnden auf ein Polsterbett, ihr Antlitz in ihr Tuch und in die Kissen bergend.

Als dann wenig später der Junker, dem die alte Magd mit listigem Lächeln das Gemach ihrer Herrin geöffnet hatte, in dieses eintrat, da kam ihm ein so herzbrechendes Schluchzen entgegen, daß er erschrocken an der Schwelle stehen blieb. Dann aber schritt er rasch näher und legte seine Rechte sanft auf die Schulter der Weinenden.

»Madonna,« sagte er leise.

Jählings fuhr Donna Giulia in die Höhe.

»Rühre mich nicht an,« schrie sie und wich, die Hände wie zur Abwehr gegen ihn streckend, vor ihm zurück.

»Teuerste Donna,« begann er wieder, sich ihr von neuem nähernd.

»Nein, nein,« rief sie aber, »ich sage dir ja, bleibe mir ferne. O, ich Unglückselige! Ich bin eine Entweihte, eine so tief, so grenzenlos tief Beleidigte, daß du dich verunehrst, wenn du mich nur anrührest, ehe denn ich gerächt bin. – Ha, Rache, Rache!«

Plötzlich versiegten ihre Tränen, ihre Augen blitzten und ihre Finger zuckten, als ob sie etwas zerdrücke und zerreiße.

Dann duldete sie doch, daß jener sich zärtlich beschwichtigend neben sie setzte. Immer wieder von jämmerlichem Schluchzen oder den Ausbrüchen ihrer Wut unterbrochen, erzählte sie ihm das Märchen, das sie schnell ersonnen hatte. Ein Priester, den sie für einen einfältigen Mann Gottes gehalten, und den sie zu sich gebeten, um geistliche Zwiesprache mit ihm zu pflegen zur Auferbauung ihrer Seele, hatte ihr frommes Vertrauen so schmählich mißbraucht, daß er ihr einen Antrag gestellt, so schmachvoll, daß sie vor Scham sterben müsse, solle sie ihn wiederholen. Dieser Scheinheilige aber sei kein andrer, als dieser Pater Blasius vom Kloster Sankt Alban.

Der Junker, der durch ihren erheuchelten Schmerz und ihre große Erregung selbst in Wallung gekommen und ganz fortgerissen war, wurde nun doch fast stutzig.

»Dieser?« fragte er, »Madonna, ist es kein Irrtum? Man verehrt ihn ja wirklich wie einen Heiligen und die Frauen küssen ihm den Saum seines Kleides.«

»Dieser Wolf im Schafkleide,« aber rief sie »der Schändliche! – Und du! O heilige Einfalt! Lebst du deshalb in der Stadt des großen Konzils und bist ein Neffe des Bischofs, um nicht zu wissen, daß sie alle, Haupt wie Glieder, räudig sind und insgesamt nach dem Bocke riechen? – Aber Rache, Rache! – Du, Rudi, wirst mich rächen!«

Aufspringend riß sie ein Kästchen vom Simse und wühlte einen Dolch aus seinem Innern hervor.

»Da nimm, Rudi, nimm! Diesen Dienst mußt du mir und unserer Liebe tun. – Und siehe, ich schwöre es,« – feierlich erhob sie die Rechte zum Schwur, – »nicht eher werden meine Lippen mehr die deinigen berühren, bis dieses Ungeheuer vertilgt ist vor dem Angesichte Gottes!«

Damit drückte sie ihm die Waffe in die Hand und drängte ihn, halb zärtlich, halb hastig, aus dem Gemache hinaus ...

Da stand nun der Junker mit dem Eisen, das in einer zierlichen Scheide von rotem Sammet steckte. Es war ein gefährliches Eisen, denn seine Spitze war gesalbt und wessen Haut sie ritzte, daß nur ein winziges Tröpflein Blutes floß, der war des Todes. Das wußte der Junker zwar nicht und so hätte es ihm selbst leicht verhängnisvoll werden können, wenn er etwa die Spitze auf ihre Schärfe prüfte und sich nur ein weniges daran verletzte. Auch daran hatte Donna Giulia in weitgehender Erwägung gedacht und auch an die Wahrscheinlichkeit, daß solches geschehe. Da stand er und suchte sich klar zu werden über das, was von ihm verlangt wurde. Der Handel widerstrebte seiner Natur. Ein offenes Dreinschlagen wäre ihm genehm gewesen; das würde er mit Freuden und ohne das geringste Bedenken getan haben. Das Denken war überhaupt seine Sache nicht. Darin war er etwas schwerfällig und konnte nicht wohl damit zurecht kommen. Und hier erst gar nicht, da er noch unter der Einwirkung dieser wilden Leidenschaftlichkeit stand, von deren Ausbruch er Zeuge gewesen und nicht minder auch unter der Wirkung der berückenden Schönheit Giulias, die sich ihm in seligen Stunden hingab als liebendes Weib und die zu verlieren ihm drohte, wenn er nicht tat, was sie von ihm verlangte.

Wie unter einem eisernem Zwange und fremden Willen schlug er die Richtung nach dem Albankloster ein. Je näher er dem Ziele kam, je mehr beschleunigte er den Schritt, als wolle er dem heimlich sich immer wieder in ihm aufbäumenden Widerstreben entfliehen.

Es war jetzt Mittag. Die Sonne stand hoch und heiß am Himmel, die Mönche hielten Siesta und waren in ihren Zellen bis auf den einen, der allstündlich mit einem andern abwechselnd den Dienst in der Kirche hatte, wo er in ewigem Gebete vor dem Altare kniete. Deshalb sah der Junker niemand, als er am Klosterkirchhofe vorüber und in den Vorhof trat. Als er aber in den Kreuzgang schritt, der ebenso still und leer dalag, gewahrte er zwischen den Säulen der alten Rundbogen hindurch im inneren Gärtchen, das die Brüder da angelegt hatten, den Tod, der da herumhantierte. Dieser hatte, als er mit dem Pater Blasius von seinem Ministrantengange zurückgekommen war, das Kloster nicht wieder verlassen. Er war erst aus der Sakristei in die Kirche gegangen. Dann war er in allen Gängen und Zellen des Klosters herumgewandelt, um die Gelegenheiten kennen zu lernen, für den Fall, daß ihn sein Geschäft einmal hierhin führe. Endlich war er in den Kreuzgang gekommen und in das Gärtchen getreten. Der Tod liebte die Blumen, und mit dem Spaten zu hantieren war nach getaner Arbeit eine seiner liebsten Erholungen. Jetzt hatte er sich ein blutrotes Röslein abgebrochen, das er an langem Stiele zwischen die Zähne geklemmt hielt, so, daß es samt zwei grünen Blättlein über das spitze Knochenkinn herabhing und ihm ein freundliches, beinahe lustiges Aussehen gab. Er war gerade damit beschäftigt, eine üppig in Blüte stehende Staude Clematis aufzubinden, die der Wind von dem stützenden Blumenstabe losgelöst hatte. Deshalb nahm der Junker ihn für einen Gärtner.

»He, Freund,« rief er ihn an, »könnt Ihr mir sagen, wo ich den Pater Blasius finde?«

Der Tod blickte auf von seiner Arbeit und deutete über die Schulter nach der Kirche.

Dahin begab sich der Junker.

Der Tod aber folgte ihm auf dem Fuße und als der Junker nun hinter den Pater trat, der in frommem Gebete vor dem Altare kniete, da wies ihm der Tod, gefällig wie er war, und kundig in diesen Dingen, die Stelle, wohin jener stoßen solle.

Schnell war die Tat geschehen. Bis zum Hefte bohrte der Junker das scharfe Eisen dem Pater zwischen den Schultern in den Rücken, daß dieser jählings vornüber auf die Fliesen des Chores stürzte.

Ohne Besinnen wandte der Mörder sich dann zur Flucht und enteilte ins Freie. Grausen saß ihm im Nacken und eine plötzliche Angst peitschte ihn, denn, wie er auch eilte, immerfort vernahm er neben sich den Tritt eines andern, der gleichen Schritt mit ihm hielt. Das war der Tod, der ihm auf dem Fuße folgte und ihn zurückbegleitete nach dem Hause, wo die Tat ersonnen war.

Hier aber erwies es sich, daß Donna Giulia nicht daheim war. Sie sei hinübergegangen zu Excellentia, dem Ohm Doktor, berichtete die Magd, der heute noch verreisen wolle, da Majestät der deutsche König, dessen Minister er ja sei, ihn gerufen habe. Unten in der Herberge zum Storchen am Fischmarkte liege ein ganzes Fähnlein Gewaffneter, die ihn über den Rhein und weiter durch Schwaben bis nach Wien geleiten sollten. Das sei wohl weit, meinte sie, und noch weiter denn bis Siena, von wo sie selbst hergekommen sei über die ungeheuren Berge, – am Ende gar so weit denn bis Rom. –

Noch vieles anderes hätte die Geschwätzige gesagt, aber der Junker hörte nicht auf sie. Ohne ein Wort zu erwidern, drehte er sich um, verließ das Haus und stieg die Stufen hinan, die zum Münsterplatze führten. Hier trat er in das ihm bekannte Haus des Piccolomini und, da er niemand im Flure fand, stieg er die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo er die Wohnung des Oheims seiner Geliebten wußte. Der Tod aber, der mit ihm gekommen war, begab sich durch die hintere Tür des Erdgeschosses in das Gärtchen, das hier auf schmaler Terrasse hoch über dem Rheine lag.

Es war ein zierliches Gärtchen, das in kleinen Verhältnissen ein Stück italischen Landes täuschte. Dunkler Buchs und Lorbeer, schlanke Zypressen und feuerrot blühende Granatbüsche wuchsen darin, sogar in Kübeln in die Erde gepflanzt, daß sie eine Ueberwinterung an wärmerem Orte gestatteten, ein paar fruchttragende Sinaapfelbäume; diese waren damals selbst in Italien noch selten, wohin venetianische und genuesische Seefahrer sie aus südlicheren Ländern gebracht hatten. Ein plätschernder Brunnen verbreitete eine angenehme Kühle und ein marmorenes Bildwerk diente zur künstlerischen Ausschmückung des lieblichen Aufenthaltes. Dieses erregte die Teilnahme des Todes ganz besonders. Es war eine gute römische Antike, die jüngst in den Trümmerfeldern der nahen Augusta Raurakorum ausgegraben worden. Von da war sie hierher gekommen. Sie stellte einen Mann in faltenreichem Gewande mit verhülltem Hinterhaupte dar, der in der einen Hand eine Sichel trug. Kaum, daß der Tod dieses Bild gesehen, so erkannte er darin seinen heidnischen Vetter Saturnus, der mit seiner Gemahlin Ops, die als hilfreiche Mutter der neugeborenen Kinder galt, der Gott der Fruchtbarkeit war. Der Tod hatte seine helle Freude an dem künstlerischen Werke und betrachtete es mit Kennermiene von allen Seiten. Dann nickte er dem Vetter freundlich zu, denn er stand auf gutem Fuße mit seiner Verwandtschaft, mit der er in ewigem Wechsel von Werden und Vergehen den Kreislauf der Dinge wob, der alles, was ist, in seinem Banne hält; noch niemals, so lange die Welt steht, war es zwischen ihnen zum kleinsten Familienzwiste gekommen.

Nachdem der Tod das alles beäugt und betrachtet und auch hier alle Gelegenheit erkundet hatte, setzte er sich auf das Mäuerchen, das nach der Rheinseite jäh und tief in den unten treibenden Fluß hinabreichte. Da saß er und wartete und schlenkerte in behaglichem Nichtstun mit seinen langen Beinen. Dabei blickte er hinab in den Strom und hinüber zu den blauen Bergen jenseits der minderen Stadt, wie man den rechtsuferigen Teil von Basel nannte, und auf die lange Brücke, die die beiden Stadtteile miteinander verband. Da drängten und stauten sich oft die Menschen in Knäueln, denn alles war auf den Beinen und war in großer Unruhe und lief hin und her und begriff nicht, warum der Dauphin mit seinem Heere immer noch tatlos hinten in seinem Lager an der Birs verharrte und nicht das Rennen gegen die Stadt beginne, das man doch sicher erwartet hatte nach den Ereignissen des gestrigen Tages. Und seltsam, wie die Menschen sind, das, was man am Morgen gefürchtet, das konnte man jetzt kaum abwarten. Der Tod aber lächelte dazu. Er allein wußte, weshalb es nicht geschah. Das war, weil er sich einmal einen guten Tag machen wollte. Auch war er den Baselern nicht übel gewogen, denn sie hielten etwas von ihm und anerkannten seine Macht und sein Ansehen, zumal seit dem großen Sterben, das hundert Jahre früher in ihrem Weichbilde heerte, wasmaßen ihre Maler ihn später nicht wenig berühmt gemacht haben. Deshalb hätte er ihnen gern eine Guttat erwiesen und er überlegte, wie er ein neues Blutvergießen und ödes Massenmorden von ihnen wenden könne.

5o sinnierte er. Dann bemerkte er drüben am andern Ufer einen Mann, der da ziellos herumstrolchte. Den kannte er wohl. Es war ein armer Tropf, der seine Sinne nicht ganz beieinander hatte. Drüben in den Langen Erlen bei der Wiese hauste er in einer Lehmhütte, die halb in der Erde steckte und nicht viel besser war, als die gegrabene Höhle eines Tieres. Erst vor wenigen Tagen hatte der Tod ihm die Frau und seine zwei Kinder geholt; eines davon hatte einen Wasserkopf, das andere war taub und stumm. Die Frau war aber immer siech gewesen. 5o verkamen sie alle miteinander im Elend. Da hatte der Tod sich ihrer endlich erbarmt, um sie von dem Jammer zu erlösen. Jetzt aber verwunderte er sich daß, daß der Mann selbst noch am Leben und nicht bereits ohne ihn Hungers gestorben, denn er wußte, daß jener nicht eine Krume Brot mehr im Hause hatte. Der Hunger mochte ihn wohl auch aus seiner Hütte herausgetrieben haben, daß er jetzt an dem steinigen Ufer herumlungerte, wo einige Fischernachen mit Netzen am Lande lagen: Und nicht lange dauerte es, da stieg er in eines der Dreiborde, das an seiner schwarz und weißen Bemalung als Eigentum des Rates erkenntlich war. Damit fuhr er ein kleines Stückchen in den Strom hinein; dann machte er sich mit den Netzen zu schaffen.

»Aha,« dachte der Tod, der ihn nicht aus den Augen verlor, »er will sich ein Gericht Fische für das Abendessen fangen.«

Und richtig, es dauerte nicht lange, da warf jener das Senknetz aus. Er wartete ein Weilchen, dann zog er es vorsichtig auf. Aber das Netz war leer. Noch zweimal, dreimal wiederholte er die nämliche Hantierung, aber immer mit demselben Erfolge; nur ein paar Steine hatte er einmal gefischt, die Löcher in das Netz rissen ...

Unterdessen hatte der Junker oben an einer Tür angeklopft. Was er hier sollte, das wußte er eigentlich selbst nicht; vor dem Oheim seiner Geliebten aber hatte er immer eine heimliche Scheu gehabt, die aus Ehrfurcht vor dessen unbändiger Gelehrsamkeit und aus einer hieraus entspringenden gewissen wirklichen Furcht gemischt war, denn im Geheimen hielt er jenen der Zauberei für kundig. Da ihm dieses gerade einfiel, so wurde das Klopfen etwas zaghaft. Als aber ein Ruf von innen, auf den er ein Weilchen wartete, nicht erfolgte, öffnete er behutsam die Tür.

Ein überraschender Anblick bot sich ihm dar. Auf dem Polsterbett an der Rückwand des Gemaches saß der Piccolomini und hielt seine Nichte auf dem Schoße. Zärtlich hatte sie mit ihren Armen seinen Nacken umschlungen und küßte ihn gerade auf den Mund. Aeneas Zylvius und Donna Giulia schickten sich zur Jetze vor der langen Trennung, die ihnen bevorstand.

Wie angewurzelt stand der Junker. Ein rauher Ton entgurgelte sich seiner Brust.

»Teufelin!« schrie er und stürzte mit krampfenden Händen auf die beiden an.

Aber ehe er noch um den großen Schreibtisch herumgekommen war, der zwischen ihm und jenen stand, war der Piccolomini aufgesprungen, deinen langen, schwarzen Talar schlug er um das Weib, das darin verschwand wie in einer dunklen Wolke. Dann knarrte etwas leise. Das Getäfel der Wand schob sich auseinander und schloß sich wieder. Blitzschnell. Und als der Funker vor dem Pfühle stand, war dieser leer. Wie ein Spuk war, was er gesehen, vor seinen Augen verschwunden und er befand sich allein in dem Gemache.

Entsetzen und Grausen packten den Junker; es ward ihm zur Gewißheit, daß der Piccolomini mit dem Bösen im Bunde war und über übernatürliche Kräfte Gewalt hatte. In Hast entfloh er der Stätte. Unten an der Treppe aber verfehlte er den Weg und statt auf die Straße, flüchtete er hinaus in das Gärtchen und bis hart an die Mauer, die nach dem Rheine hinabfällt.

Da saß noch immer der Tod und wartete.

Als er den anderen da stehen sah, brennenden Schmerz im Herzen, wilde Verzweiflung in der Seele, da erbarmte er sich seiner. Leise trat er neben ihn und legte ihm liebreich seinen Knochenarm um den Nacken.

»Was quälst du dich noch mit dem bißchen Leben,« raunte er ihm zu, »das dir doch zerbrochen und vergällt ist. Blutschuld hast du auf dich geladen, Sacrilegium, und keine frohe stunde mehr wirst du haben. Wirf es von dir wie einen Bettel, der dir zur Last ist, und komme zu mir, der ich doch deine einzige Zuflucht bin. – Ziehe, wie kühl unten die Welle fließt. Auf, tue den Sprung und lege deinen heißen Schmerz an ihre verschwiegene, treue Brust!«

Und der Junker tat ihn. Im Nu war es geschehen und die Welle schlug klatschend über ihm zusammen.

Der Tod aber sprang auf das Mäuerchen und stieß einen lauten Ruf aus.

»Ahoi!«

Dann schwang er sich mit einem gewaltigen Schwünge hinüber in das Dreibord des fischenden Mannes. Solches konnte er. Hier ergriff er, grätschbeinig im Hinterteile des Fahrzeuges stehend, den breitschaufeligen Riemen und trieb den Nachen mit kräftigen Streichen bis weit in die Mitte des Stromes, pfeilschnell schoß er zwischen den Jochen unter der Brücke hindurch.

»Was murkst du am Ufer,« rief er dem blödsinnig aufstaunenden Manne zu, »und quälst dich, einen elenden Gründling zu haschen! Im tiefen Wasser schwimmen die großen. Holla, das Garn hinaus!«

Der Mann gehorchte und warf das Netz. Der Tod stoppte, er drehte auf und fesselte den Kahn durch kräftiges Rühren gegen den Strom auf der Stelle. Langsam holte der Mann das Netz ein. Es war schwer und fast brachte die ziehende Last das schwankende Dreibord zum Kippen. Nach vielem Mühen gelang es, das Netz und den schweren Fang aufzuholen. Klatschend in Nässe und prasselnd mit den vielen Bleikugeln, die sie beschwerten, stürzten sie auf den Boden des Nachens. Aber statt der erwarteten Fische umgarnte das Netz die Leiche des ertrunkenen Junkers.

Mit einem Wehlaute fuhr der unglückliche Fischer sich in das spärliche Grauhaar; wieder war ihm die Hoffnung vereitelt.

»Törichter Tor,« raunte der Tod ihm zu, »siehst du nicht den Karfunkel an seinem Halse? Der ist mehr wert als eine ganze Butte der fettesten Salme.«

Des Mannes getrübte Augen leuchteten ein wenig auf. Gierig griff er nach dem Kleinod und nahm es. Der Nachen aber trieb zu Tal und der Tod steuerte ihn gegen das Ufer. Beim Johannistore landeten sie.

Von der Brücke und vom Ufer her hatte man den seltsamen Vorgang beobachtet. Die Leute kamen gelaufen und von der Wache am Tore die Gewaffneten, die auf den Dauphin warteten. Nicht alsbald erblickten diese im Kahne den toten Junker, da schrieen sie den Mann an, er habe jenen ermordet. Als sie aber gar den Karfunkel in seiner Hand sahen, da riefen sie alle, das sei ja ganz klar und offenkundig, er habe ihn des Kleinods wegen getötet. Und alsbald faßten sie ihn und schleppten ihn unter lautem Geschrei und Gejohle in die innere Stadt.

Einige andere, die den Junker erkannt hatten, richteten aus ein paar Ruderstangen, über die sie die nassen Netze breiteten, eine Bahre.

Darauf legten sie den Toten und trugen ihn in die Stadtburg der Herren von Arlesheim. Zu diesen gesellte sich der Tod, der ihnen voraneilte, um das breite Tor zu öffnen, damit sie mit ihrer Last hineinkonnten in den inneren Hof, in dessen Mitte sie die Bahre im Schatten einer alten Linde niedersetzten. Diese Linde hatte ein Ahnherr des Junkers gepflanzt, als er den Grundstein zu diesem Burghause legte und wie der Baum selbst gewachsen und groß und stark geworden war, so hatte er auch das Geschlecht groß und stark werden sehen. Aber wie ihm selbst dann der Blitz die Krone zerschellte und die besten seiner Aeste abgerissen, hatte er auch mit erlebt, wie die edelsten Reiser des Geschlechtes, in dessen Hut er stand, vor der Zeit in die Grube fuhren. In seinem Schatten hatte einst Rudi als Knabe mit seinem einzigen Geschwister, der lieblichen Gundel, gespielt. Auch sie war früh und vor der Zeit dahin gegangen, von Dannen nimmer Wiederkehr ist. Gerade am Tage vor ihrer Hochzeit war sie als eine blühende Jungfrau gestorben. Jetzt lag auch der letzte Sproß des Geschlechts zu seinen Füßen.

Es war, als ob der Baum es empfinde; ein weicher Windhauch zog säuselnd durch seine Blätter wie ein Seufzen, leise und verhalten. Ein paar Rüden aber, die des Junkers Lieblingshunde gewesen, die lose im Hofe herumliefen, erhoben, als sie den Toten schnuppernd erkannten, ein lautes und jämmerliches Klagegeheul; sie leckten ihm das bleiche Antlitz und die eine Hand, die mit dem Arme von der Bahre heruntergeglitten war und naß und kalt an der Erde ruhte. Auch die Hausmägde kamen und die Diener, die nicht mit den übrigen Mannen draußen auf der Mauer oder bei den Toren der Stadt waren. Alle erhoben ein lautes Weinen und Klagen, und das vordem so stille und friedliche Haus erschütterte in allen seinen Fugen von dem Jammer, der so unvermutet seinen Einzug gehalten hatte.

Davon erwachte die Herrin von ihrem Nachmittagsschläfchen oben in der Sommerlaube. Geängstigt stieg sie die Treppe hinab und kam in den Hof. Als sie aber sah, was Trauriges sich begeben hatte, da sank sie mit lautem Klagen über die Leiche des Junkers.

»Mein Sohn, mein Sohn, mein einziges Kind!«

Der Tod, der zu Häupten der Bahre stand, strich ihr mit seiner langen Knochenhand linde über das Weißhaar.

»Was willst du jetzt, die letzte deines Hauses, allein und einsam, in der öden Halle?« sagte er zärtlich. »Siehe, deine Zeit ist um. Gehe auch du ein zur ewigen Ruhe.«

Da verstummte sie. Die Mägde aber, die ihre Herrin aufzurichten strebten, erkannten, daß der jähe Schrecken die Mutter des Junkers getötet hatte. Da erfüllte ein neuer und stärkerer Ausbruch des Jammers die Halle.

Der Tod, der sah, daß hier nichts mehr für ihn zu tun war, aber stahl sich hinaus auf die Straße und eilte der Rotte nach, die den Fischer gepackt und von dannen führte. Geraden Wegs schleppten sie ihn zum Rathause.

Hier saß schon seit dem frühen Morgen der Große Rat in Permanenz und beriet das Wohl und die Verteidigung der Stadt. Da sich aber gar nichts ereignete, und er endlich nichts mehr zu beraten hatte, kam ihm der Fall ganz gelegen und er bildete sofort ein Gericht, den Mann zu verhören. Der aber war so verbastelt und verdummt von all dem, was mit ihm geschehen war, dabei schielte er nur immer so sehnsüchtig nach dem Karfunkel, den man ihm abgenommen und als Corpus delicti auf den Tisch gelegt hatte, daß er keine einzige gescheite Antwort zu geben fähig war und nur zu allem, was man ihn fragte, ja sagte.

Da kam das Gericht zu der Erkenntnis, daß die Anklage begründet sei und verurteilte ihn wegen offenkundigen Raubes und Totschlags zum Tode auf dem Block. Das widerrechtliche Fischen mit des Rates eigenem Nachen wurde dabei gnädig übersehen, sonst wäre die Strafe noch schwerer ausgefallen. Der Tod, der sich unter die Büttel gestellt hatte, brach das Stäbchen entzwei. Knacks! Da war das Leben des Mannes verwirkt. Und alsbald nahmen sie ihn und führten ihn hinaus, das Urteil ohne Versäumnis zu vollstrecken. Eine große Menschenmenge hatte sich unterdessen auf dem Marktplatze vor dem Rathause gesammelt. Zwar die tüchtigen und wehrhaften Männer und die Zünfte befanden sich alle auf den Mauern und bei den Toren, und die biedern Bürgerfrauen saßen in Sorgen daheim und verwahrten ihre Töchter. Da war für die gaffende Gaffe nichts übrig geblieben als der Abschaum von Gesindel, Kuppler, Bettler und hergelaufenes Volk, alte Vetteln und gelüstige Fräuleins, die aus dem Frauenhause kamen, da ihnen heute die Kundschaft ausblieb, solchem Gelichter war das bevorstehende Hochgericht ein gefundenes Fressen; so hatten sie doch etwas für ihre Schaulust nach dem langen Herumlungern und Warten. Sie standen in Klumpen und begleiteten die Errichtung der Blutbühne mit gröblichen Witzen.

Ehe aber das Gericht vollzogen wurde, ereignete sich noch etwas anderes.

Die Freie Straße herab kam ein Zug Gewaffneter. Sie trugen die Farben des deutschen Königs, Pfauenfedern am Eisenhut und den schwarzen Adler im goldenen Schilde. Stolz saßen sie auf ihren Rossen. In ihrer Mitte ritt der Piccolomini auf einem starken Maultiere, das in italischer Weise aufgeschirrt war, mit roten Troddeln an Kopf und Widerrist. Ein leerer Reisewagen und ein anderes Fuhrwerk, mit einem Bamberger Linnen überspannt, schloß sich, von einigen Fußknechten begleitet, hinten an. Langsam zogen sie vorüber. Der Piccolomini sah ernst und sehr bleich aus. Keinen Blick hatte er für das, was auf dem Markte vorging und für das Volk, das ihm bereitwillig Platz machte; einige rissen die Kappen vom Kopfe und ein paar alte Weiber, die keinen Unterschied kannten, bückten sich gar und bekreuzten sich. Auch dieses beachtete der Piccolomini nicht, obwohl er es bemerkte. Sein Auge blickte unbeweglich, geradeaus, in weite Fernen; da glänzte goldstrahlend eine Tiara ...

Als er in der Eisengasse, die nach der Rheinbrücke führt, verschwunden war, schlug der Flickschuster von der Barfüßerkirche, der auch da herumlungerte, eine laute Lache auf. »Ist das nicht eine verkehrte Welt!« schrie er. »Draußen vor den Toren liegen die Armenjäken, die des Königs Bundesgenossen sind, und seinen Ratgeber, der sie uns auf den Hals gehetzt hat, läßt man entwischen und macht ihm ehrfürchtig Platz, als wenn er der Papst selber wäre.«

»Der Schuster hat recht,« meinten einige.

»Redet nicht so damlig,« mischten sich andere darein, »er hat freies Geleit, denn er gehört zum großen Konzil.«

»Was,« schrie wieder der Schuster, »zu des Teufels Auserwählten gehört er. Totschlagen sollte man ihn, – den Chaib!«

Da aber der Tod zu der Gruppe trat, der noch des Rates schwarz und weiß gestreifte Tracht der Büttel trug, nahmen sie ihn für einen von diesen und verkrümelten sich sacht im Gedränge.

Der Tod aber grinste dem Piccolomini nach.

»Reite nur,« dachte er, »reite sicher inmitten deiner Reisige. Noch bist du mir nicht reif. Aber entgehen wirst du mir nicht und kommen mußt du mir, wann ich es will, – du und dein König, – und wenn ihr auch werdet, was ihr ersehnet: römischer Kaiser und römischer Papst!« –

Unterdessen war das Blutgerüst fertig geworden. Der Henker in roter Kapuze, die ihm auch das Gesicht bedeckte und nur für die Augen ein Haar kreisrunde Ausschnitte hatte, stand auf seinem ragenden Platze, das entblößte Beil auf den Block gestützt und wartete des Delinquenten. Diesen führte man nun herbei, stumpfsinnig nahte er dem Schafott, stumpfsinnig stieg er die Stufen hinauf; er wußte kaum, was mit ihm vorging. Der Tod aber schritt mitleidig neben ihm und sprach ihm tröstlich zu auf seinem letzten Gange

»Es ist nur ein Uebergang,« sagte er, »weh tut es gar nicht. Und dann, was hast du von dem bißchen Leben gehabt? Nichts als Mühseligkeit, Krankheit und Hunger. Da ist das sterben ja eine Wohltat.«

5o redete er ihm immer noch zu, als der andere schon vor dem Blocke kniete.

Und dann war es geschehen.

Die Menge, die den Atem angehalten hatte, stieß einen einzigen Schrei aus. Was sie gesehen, erfüllte sie mit Grausen, aber der Geruch des Blutes schnob ihr doch wollüstig in die Nase und kitzelte die Sinne. Dann wogte sie wirr durcheinander und drängte nach der Gerbergasse. Da war der Schuster wieder auf einen Prellstein gestiegen und hielt eine seiner Predigten.

»Heisa,« schrie er, »lustig, lustig! So geht es in der Welt. Die kleinen Diebe köpft man, die großen läßt man laufen. Kann auch nicht gut anders sein, so lange der arme Mann sich nicht wehrt, sich schinden und placken und sich geduldig das Alldieweil über die Ohren ziehen läßt mit Zehnten und Frohnden. Alldieweil prassen und schwelgen die Großen von seinem sauren Schweiße. Die Pfaffen, die Dickwänste, wissen nicht wohin mit ihren Schmerbäuchen, und die Ritterbürtigen und Fürsten sind baß noch schlimmer. Mit Kleinigkeiten geben sie sich nicht ab. Sie stehlen kein Brot aus dem Bäckerladen oder ein Fischlein aus dem Rheine, ihren Hunger zu stillen. Sie tun es im großen. Sie rauben gleich das ganze Land, auf dem das Korn wächst und den ganzen Rhein mit allen Fischen, die darin sind. Das wäre von Rechts wegen, sagen sie, indessen von Vernunft wegen das Land und der Fluß doch Allmende und Gemeingut sind.«

Immer mehr Hörer rotteten sich um ihn, die ihm, da sie alle nichts besaßen, an Zehnten aber nicht einen Deut aufbrachten und an den Frohnden sich herumdrückten, sehr bereitwillig recht gaben und seiner Lehre vom Allgemeinguts lauten Beifall grölten. Die Weiber, die am wenigsten oder gar nichts davon verstanden, waren am lautesten; sie schrien am meisten. Das ward endlich so arg, daß niemand den Schuster, der immer noch weiter redete, mehr verstand noch hörte. Das war ihnen allen aber wieder ganz recht, denn im Grunde genommen war ihnen das, was der Mann verkündete, ganz gleichgültig; die Freude an dem Lärm und das Geschrei, das sie selbst vollführten, war ihnen die Hauptsache. Diese fanden jetzt noch weitere Nahrung in einem Gerüchte, das die Freie Straße herunterkam. Der fromme Pater Blasius sei im Albankoster ermordet worden, hieß es. In der Kirche sei es geschehen, vor dem Altare, während er betete. Die Weiber kreischten hell auf, als sie es hörten. Sie vergaßen, daß sie eben noch auf die Pfaffen weidlich geschimpft hatten, auf alle, ohne die geringste Ausnahme. Sie erinnerten sich, daß der Pater fast für einen Heiligen galt, seines Wohltuns und der Liebe wegen für die, so mühselig und beladen sind. »Gestern, auf dem Schlachtfeld« an der Birs, was hat er da nicht geleistet, wie man gehört hat,« riefen die Mannsbilder, die nicht mit dabei gewesen waren. »Wunder, wahrhaftige Wunder!« Einer wußte noch mehr davon als der andere.

Und dann ging die einzige Frage durch die Menge: »Wer war der Täter?«

Das wußte man nicht. Meuchlings war der Mord geschehen, von hinten war der Pater erdolcht worden. Das Messer stak ihm noch im Rücken, als man ihn tot auf den Fliesen der Kirche gefunden hatte. Bis an das Heft war es hineingestoßen. Aber das Messer wurde zum Verräter. Man hatte es erkannt. Es trug ein Wappen, das Wappen der Todeschini.

Wieder kreischten die Weiber laut auf.

»Das hochmütige italische Fräulein,« schrien sie, »die Base des Piccolomini.«

Auf die hatten sie jetzt auf einmal schon lange einen Haß. Und dem Piccolomini waren sie auch nicht grün, der eben noch so stolz an ihnen vorübergeritten war und sie keines Blickes gewürdigt hatte, so sehr sie sich vor ihm bückten. Die hatten es getan, das stand nun bald fest, und wenn sie es nicht selbst getan, dann hatten sie es doch zum mindesten veranlaßt, woher sonst das Messer?

Wie einer geheimen Gewalt gehorchend, wälzte sich der ganze Troß in die Freie Straße hinein und in das Sträßlein, wo Donna Giulia wohnte.

Das Haus lag ganz still. Tür und Fenster waren geschlossen, denn der Tag war bereits dem Abende gewichen; es war stark schummerig und die Dunkelheit nicht mehr ferne. Donna Giulia saß in ihrem Gemache und sann, wie sie die Leiche des deutschen Doktors, die immer noch im Hause war, ohne Aufsehen könne hinausbringen lassen, denn sie fürchtete, daß man diese vielleicht mit der Ermordung des Paters und mit dem Ertrinken des Junkers, die ihr beide schon bekannt geworden waren, durch irgend einen Zufall könne in Verbindung bringen und einen Verdacht auf sie und ihren Oheim lenken. Das mußte vermieden werden. Als sie dann das Lärmen und Johlen hörte, war sie besorgt an das Fenster getreten, zu sehen, was es draußen gäbe. Da sie aber alsbald merkte, daß es ihrem Hause und gar ihr selbst galt, wich sie zurück. Die Rotte aber, die sie gesehen hatte, geriet dadurch vollends in Wut; sie empfand, als habe man ihr etwas, das ihr schon rechtlich verfallen war, schnöde wieder genommen.

»Greift sie, schlagt die Türe ein,« rief man von hinten und spornte so die Vorderen.

Nicht lange dauerte es, da flogen Steine und dann ging die Tür wirklich in Trümmer, durch deren klaffenden Spalt die Meute in das Haus drang. Das erste, was sie fand, war die Leiche des Doktors, die noch in dem vorderen Gemache lag. Den kannten sie alle und wollten ihm wohl, um so mehr, da er jetzt tot war, denn es war auch bis zu ihnen gesickert, daß er ein gar biederer Herr gewesen, der stets tapfer für das Deutschtum eingetreten war gegen wälsche Tücke und gegen die Anmaßung des römischen Papstes für die Heiligkeit, die in ihrer eigenen Stadt zu haben sie doch stolz waren.

»Den hat sie auch gemordet,« schrien sie, und die Hintenstehenden stießen, als sie es hörten, ein neues Wutgeheul aus und spornten wiederum die Vorderen, daß sie das ganze Haus durchsuchten, bis sie endlich die Donna fanden, die sich in einen entlegenen Winkel geflüchtet und versteckt hatte.

»Schlagt sie tot,« schrien sie, »stürzt sie in den Rhein wie eine Hexe.«

Und sie ergriffen sie und zerrten sie heraus aus ihrem Verstecke. Als sie aber durch den Hausstur mit ihr hinaus auf die Straße drängten, da stand der Tod gelassen neben dem Türpfosten und sah ruhig dem Schauspiele zu. Die Donna erkannte ihn ganz deutlich, wie er dastand, hohläugig und ohne Erbarmen.

Da stieß sie einen gellenden Angstschrei aus. Indem aber kam sie zu Falle und stolperte über die Schwelle. Urplötzlich war sie denen, die sie eben noch an Haar und Kleidern gezerrt hatten, aus den Händen entglitten. Niemand wußte, wo sie hingekommen war.

»Der Teufel selbst hat sie geholt,« schrien sie da alle.

Als aber der Knäuel der Menschen, der sich vor der Tür des Hauses gebildet hatte, wieder entwirrte, da sah man sie vor der Schwelle ihres Hauses liegen, zertreten von den Füßen derer, die über sie hinausgestampft waren, tot.

Der Schuster war der erste, der sie gewahrte.

»Hussa,« schrie er, »gute Reise zur Hölle und melde dem Teufel, daß wir ihm bald noch viele deiner Sippe schicken würden. Alle müssen sie daran glauben, das ganze Geschmeiß der Vornehmen und Großen. Alle müssen sie vernichtet werden, daß die Menschheit wieder eben und gleich wird!«

Als der Tod das holte, der immer noch gelassen an dem Türpfosten stand, da faßte ihn ein heller Zorn.

»Was, Freundchen,« rief er, »du willst mir in das Handwerk pfuschen? Das Gleichmachen ist meines Amtes. Schuster, bleib' bei deinem Leisten!«

Ganz erbost sprang er auf den Schuster los, umkrallte ihm den Hals mit seinen starken Knochenfingern und würgte ihn, daß jener schwarz und blau im Gesicht wurde und jählings zur Erde stürzte.

Die Menge, die den Schuster so plötzlich am Boden sah und wie ihm die Augen aus dem Kopfe traten und sein Gesicht sich schwärzlich färbte, wich entsetzt zurück.

Einen Augenblick starrten sie ihn sprachlos an.

»Die Pest, die Pest,« schrien sie dann, »der schwarze Tod,« und entwichen schleunig, sich Mund und Nase verhaltend.

wie ausgefegt war die Straße. Nur die tote Aristokratin lag da, neben dem toten Plebejer, die eine nicht mehr jetzt als der andere.

Der Tod aber schlenderte gemächlich davon.

Es war ganz dunkel geworden, der Tag war zu Ende. Da dachte der Tod, daß es gemach Zeit werde, sich wieder nach einer geregelten Beschäftigung umzutun. Weil er aber gerade am Spitale vorbei kam, trat er ein und fragte, ob man ihn etwa gebrauchen könne. Er wolle ganz fleißig sein und es auch billig tun, nur für einen bescheidenen Unterschlupf und die Kost.

Weil er so ehrlich aussah, behielt man ihn da und gab ihm eine auskömmliche Brotstelle. Der Dauphin aber, als ihm anderen Tages seine Kundschafter die Meldung brachten, in Basel gehe der schwarze Tod um, gab seinen Plan, die Stadt zu bekriegen, wie er wohl gewollt hatte, auf. Eine Stadt, in der die Pest haust, begehrt man nicht. Er befahl das Lager aufzuheben und zog noch selbigen Tages mit seinem Heere ab und gegen das Elsaß.

Das war der Humor davon.

 


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