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Karl Freiherr von Perfall

Aus dem Roman »Das Königsliebchen«

Die Saison schloß mit dem großen Blumenkorso, der in den letzten Tagen des Mai unter Leitung des vornehmsten Sportklubs »Hallali« stattzufinden pflegte. Wenige Tage darauf gab der Hof durch seine Uebersiedelung nach der unfernen Sommerresidenz Dianenlust der Aristokratie das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch nach den Landgütern. Man sprach viel darüber, daß die Königin diesmal den Korsotag garnicht abwartete, sondern schon vorher Dianenlust mit den königlichen Kindern bezog, und die allgemeine Meinung brachte den außergewöhnlichen Vorgang in Zusammenhang mit dem nicht minder ungewöhnlichen Geräusch, das sich an die Beziehungen des Königs zu Fräulein Rita knüpfte. So unbeliebt die Königin im allgemeinen war, fanden sich doch nicht wenig Leute, die mit scharfen Worten die nunmehr zum öffentlichen Aergernis gewordene Maitressenwirtschaft verurteilten. Auch bei Hofe selbst fühlte man sich in einer peinlichen Lage. Die Königin konnte man nicht einfach ignorieren, irgend eine Antipathie gegen die königliche Liebeslaune zu offenbaren, war aber höchst inopportun, obwohl gerade die höheren Hofchargen sehr verstimmt über die ungebührliche Stellung waren, in der der Leibkammerdiener sich immer mehr zu befestigen schien. Zu Parteiungen und bestimmten Strömungen kam es jedoch nicht, weil die einflußreichste Persönlichkeit, der Hofmarschall Graf Lanzendorf, sich völlig reserviert verhielt und auch auf diplomatische Ausforschungen seiner Gesinnung mit einer apathischen Kühle antwortete, als sei ihm die ganze Geschichte höchst gleichgültig. Wenn der mächtigste Höfling jede Parteinahme mit so leichter Gebärde ablehnte, dann war es für die anderen nicht guter Ton, sich nach irgend einer Richtung zu erhitzen, und obwohl mancher im stillen sich überlegte, was durch diese oder jene Parteistellung zu gewinnen sein möchte, nahm man außerhalb der Hofsphäre stehenden Leuten gegenüber die vom Grafen vorgezeichnete Miene an.

Der Blumenkorso begann auf der Herrenseite am Fuße des Schloßberges und zog sich durch das Villenviertel nach der Königsau, an deren Endpunkt, dem großen Rondelle, das Fest in der Blumenschlacht gipfelte. Dann zog man über die eiserne Brücke, fuhr noch das Ufer der Bürgerseite entlang und über die Chlodwigsbrücke nach dem Ausgangspunkte zurück. Ein Komitee von Kavalieren in rotem Reitfrack sorgte für die Ordnung, an bestimmten Stellen waren Musikkorps in flaggengeschmückten Holzpavillons aufgestellt. Das Fest der Vornehmen trug zugleich den Charakter eines Volksfestes. Dichte Massen von Zuschauern wogten die ganze Strecke entlang auf und nieder und füllten die Gärten der buntbewimpelten Restaurants. Neben den zahlreichen Blumenhändlerinnen, die auch jedem Zuschauer Gelegenheit boten, sich und seine weibliche Begleitung zu schmücken, belebten Hausierer mit Kinderfähnchen, farbigen Ballons und anderem Kleinkram das Volkstreiben. Eine heitere Sonne glänzte über der prächtigen Stadt und spielte mit dem jungen Grün der mächtigen Bäume in der Königsau, in deren lichtdurchzittertem Schatten helle Kleider, bunte Sonnenschirme als großstädtische Frühlingsblüten leuchteten und lachten. Jetzt ging eine murmelnde, stauende und drängende Bewegung durch die harrenden Massen. Mehrere Kavaliere des Komitees machten, in leichtem Galopp vorreitend und von zwei berittenen Schutzleuten unterstützt, den Fahrdamm frei. Die ersten Wagen rollten heran. Zunächst war die Reihenfolge noch locker, bald aber verdichtete sie sich zu einer geschlossenen Kolonne, die nun kein Ende mehr zu nehmen schien. Zu der Mehrzahl der Zweigespanne gesellten sich Viererzüge und zierliche Einspänner, Tandemgefährte, Mail-Coaches und russische Dreigespanne. Neben den immer wieder auftauchenden rotbefrackten Herren des Komitees mischten sich auch andere Reiter in die Wagenreihe, mit den Damen plaudernd, deren kostbare Frühjahrstoiletten sich in duftige Blumenguirlanden betteten. Da war eine Equipage zu einem Blumenkorb umgewandelt, dort saßen die Insassen unter einer von bunten Sträußen gebildeten Laube; hier war es die verschwenderische Kostbarkeit des Blumenwerkes, dort der geschmackvolle Einfall, der die Menge applaudieren ließ. Jetzt kam der König im Daumontzug, die Dienerschaft in den gelbseidenen, silberbetreßten Galajacken mit Veilchensträußchen an der Brust, wie die Pferde an den Geschirren; veilchenumwunden waren die Radspeichen, eine mächtige Veilchenguirlande umrahmte den ganzen Wagen. Dem königlichen Wagen gaben sechs Herren des Komitees das Ehrengeleite. Sonnenschein, lichtes Grün, Blumenpracht, schöne Frauen, glänzende Livreen, stolze Pferde, jubelnde Musik, der Hornklang der Mail-Coaches dazwischen, die Spitzen- und Stangenreiter des königlichen Gefährtes in dem heiteren Gelb mit den in der Sonne flimmernden Silbertressen – man war lustig und wollte dem König, der die Lustbarkeit verherrlichen half, zeigen, daß man ihm wegen seiner jüngsten ehelichen Mißhelligkeiten nicht weiter grolle. Etwa fünf Minuten später pflanzte sich durch die Reihen der Tausende das ununterbrochene, prasselnde Geräusch eines mit Bravorufens untermischten Händeklatschens fort. Im leichten, niedrigen, von zwei Rappen gezogenen Wägelchen saß Kitty. Die Pferde, die braunlivrierten Diener und die Radspeichen waren mit Goldregen geschmückt, zwischen dem feuerrote Bändchen flatterten. Ganz eingebettet in Goldregen, vor sich einen mit roter Seide überzogenen Korb, der dieselbe Blüte enthielt, trug Kitty einen roten Sonnenschirm, ein kleines Kapothütchen von braunem Spitzengewebe mit einem Goldregenausputz, eine braune Toilette mit gelben Brustflügeln, einer blusenartig faltigen roten Weste und hohem gelben Gürtel. Auf der roten Weste steckte ein Goldregenbusch. Das kleine Hütchen ließ das Kraushaar, das fast der Farbe des Goldregens glich, größtenteils frei und hocherrötend über die Huldigungen, die großen, blauen Augen starr vor sich gerichtet, aufrecht in gelbem Blumenbette sitzend, sah sie so drollig lieblich, so kindlich vollwangig, so maienhaft aus, daß sie vor allem die Frauen bezauberte, die am heftigsten in die Hände patschten und stellenweise sogar mit den Taschentüchern winkten. Es kam wohl auch das Wort »die neue Danaë« in Umlauf, und man witzelte an manchen Stellen über den Jupiter, der die kleine Komödie wohl selber erfunden habe; es gab auch Sittenrichter, die sogar eine freche Schamlosigkeit in dieser öffentlichen Andeutung der Danaërolle sehen wollten. Aber die große Menge wußte von solchen gelehrten Auslegungen nichts, sondern war entzückt von dem lieblichen Anblicke, und etwas wie Trotz gegen die Königin, die mit ihrer Schmollerei einen Mißton in die allgemeine Freude hatte bringen wollen, mischte sich in das Wohlgefallen, um die Huldigung noch intensiver zu machen.

Am großen Rondelle bog der königliche Wagen aus der Korsoreihe aus, und der König betrat mit einigen Hofkavalieren eine kleine, von rotem Stoffe überspannte Tribüne, die einen Ueberblick über den ganzen Platz gestattete. Die Equipagen wurden am Eingang des Rondelles von zwei Komiteereitern nach rechts und links verteilt, so daß sie den Kreis umfahrend sich begegneten. Unter den Klängen der Musik bewarf man sich dann von Wagen zu Wagen mit Blumen, die Umfahrt mehrmals wiederholend. Den Teilnehmern des Korsos wurde Kitty erst jetzt allgemein sichtbar. Anfangs machten sich die Insassen der an ihr vorüberfahrenden Equipagen nur gegenseitig aufmerksam auf sie, wendeten ihr neugierige Blicke zu und machten Bemerkungen. Bald aber flogen ihr, zunächst von mit Herren besetzten Gefährten und von Reitern, die, von den Händlerinnen immer wieder neuen Vorrat kaufend, zwischen den Wagen hin und her sprengten, Blumen zu; dann faßten auch einzelne Damen Mut. Sie ahmte den andern nach, schleuderte die von roten Seidenbändchen umwundenen Goldregenblüten mit rührig kräftigem Händchen, vergnügt lächelnd durch die Luft und griff behend nach den ihr zugeworfenen Blumen. Der Anblick, den sie bot, fesselte die vornehmen Herrschaften ebenso, wie vorher die zuschauende Menge und, wenn auch die Damen im allgemeinen sich nur mit einer lächelnden Bewunderung und freundlichen Bemerkungen begnügten, so beeiferte sich um so mehr die Herrenwelt, sie mit einem förmlichen Blumenregen zu überschütten, der auch die Diener auf dem Bock und die Pferde traf, so daß der Kutscher Mühe hatte, die unruhig werdenden Tiere zu zügeln. Die Blumenhändlerinnen erkannten die vorteilhafte Gelegenheit und liefen zur Zeile und hinter den Wagen mit ihrer Ware her. Die Insassen anderer Equipagen fuhren langsam, um das Schauspiel dieser Huldigung zu sehen, so daß wiederholt Stauungen um sie herum entstanden. Während in solchen Augenblicken der Blumenregen erst recht dicht fiel, erhoben sich die Damen in den Equipagen von ihren Sitzen, stiegen sogar auf die Wagenkissen, und aus der am Bürgersteig sich Kopf an Kopf drängenden und schiebenden Menge ertönten Hurrarufe. Der Korb Kittys war längst geleert und sie hatte ihren Diener vom Kutschbocke geschickt, neuen Vorrat zu beschaffen. Da, als dieser mit dem frisch gefüllten Korb wieder bei ihr anlangte, waren auch alle Blumenmädchen mit Goldregenblüten versorgt, von allen Seiten flogen sie ihr in den Wagen und auch die anderen Equipagen wurden damit beworfen. Der Goldregen war plötzlich die Blume des Tages geworden. Als dann die Blumenschlacht endete und die Wagenkolonne über die eiserne Brücke nach der Bürgerseite kam, war Kittys Equipage von einer Reiterschar umringt, die in den Knopflöchern der Röcke und zum Teil auch im Zaumzeug der Pferde die Goldregenblüten stecken hatte, und diese Kavalkade gab ihr die ganze übrige Strecke der Korsofahrt das Geleite. Auf dieser Strecke, im Mittelpunkt des Großstadtverkehrs, nahe den altstädtischen Quartieren, sammelten sich unter den Zuschauern viel mehr Angehörige der niedersten Volksklassen an, als in der Königsau. Als diese Leute nun das von Reitern umgebene liebliche Mädchen in dem schönen Gefährte sahen, brachen sie in johlende Hochrufe aus, und die Polizisten konnten es nicht hindern, daß sich von der Menge ein mit lautem Geschrei dem Wagen nachlaufender Haufen jungen Volkes loslöste.

In den nächsten Tagen sprach man in der ganzen Stadt von nichts anderem, als von Kitty und ihren jedermann überraschenden Triumph. Daß dieser durch eine künstliche Mache vorbereitet gewesen sei, glaubten nur einzelne überkluge Pessimisten. Wohl aber war die vorherrschende Meinung, daß das nach manchen Richtungen bedenkliche Schauspiel durch die Beteiligung der Königin an dem Feste vermieden worden wäre. In der Aristokratie war man sehr unwillig darüber, daß an der demonstrativen Kavalkade sich junge Herren aus den besten Familien beteiligt hatten. In den Hofkreisen herrschte eine Art Bestürzung über den Vorgang, und selbst Graf Lanzendorf zeigte sich etwas verstimmt.

Der König hatte nach dem Korsofeste die ganze Nacht im Palais der Rita verbracht, war am folgenden Tage ungewöhnlich heiterer Laune gewesen und hatte Ordre gegeben, daß seine Uebersiedlung nach Dianenlust noch um acht Tage aufgeschoben sei. Während Kittys Photographieen in allen Schaufenstern zu sehen waren, bemächtigte sich der Geschäftsgeist ihrer Volkstümlichkeit, und zwar waren es die Bezeichnungen »Danaë« und »Goldregen«, mit denen auf sie hingewiesen wurde. Namentlich bei allen möglichen Damenartikeln vom Glacéhandschuh bis zum Badeschwamm wurde durch solche Bezeichnungen ein Zusammenhang mit ihr gesucht. Aber auch für Zigarren und Liqueure wurde diese versteckte Verbindung herangeholt, und in den Vierkonzerten spielte man eine Danaëpolka und eine Goldregenquadrille. Schließlich tauchte in einem der äußeren viertel auch ein Restaurant »Zur neuen Danaë« auf. Neben dieser versteckt auf sie deutenden Geschäftsmode war aber vom Korsotage an eine Bezeichnung für sie in Umlauf gekommen, die rasch in allen Ständen zur Gewohnheit wurde. Man sprach weder von der Rita, noch von der Maitresse, Geliebten oder Favoritin, erst recht nicht vom offiziellen »gnädigen Fräulein«, sondern sie war für die ganze Stadt »das Königsliebchen.«

Der kosende Beiklang dieses Namens gewann für die Leute einen besonderen romantischen Reiz, als nach einigen Wochen ein neuer Vorgang allgemeiner Gesprächsgegenstand wurde. Ein kleines Dampfboot, das, wie man hörte, Bachmann angekauft hatte, nahm, weit draußen am Ende der Stadt, gegen Dianenlust zu liegend, zu dunkler Nachtzeit das Königsliebchen auf und legte wieder an einem bestimmten Punkte des großen Markes von Dianenlust an. Dann fuhr es langsam den stillen Strom hinab und wieder hinauf. Aus einer großen goldgefaßten Laterne, die eine goldene Nixe am Vorderbug emporhielt, leuchtete weithin grünes Licht. »Sphinx« hieß das Schiff. Man sah hinter blauen Vorhängen die Deckkajüte beleuchtet. Ein Liebeslager von unerhörter Märchenpracht sollte sich da drinnen befinden. Des Schiffes Führer und die kleine Bedienungsmannschaft blieben nicht unbekannt, denn das Königsliebchen fuhr auch gelegentlich bei Tage auf dem Strom spazieren. Sie wollten aber nicht einmal wissen, daß sie in der Nacht, wo jede Schiffahrt verboten war, gefahren seien und wurden grob, wenn man viel fragte.

Eine besondere Folge der Volkstümlichkeit Kittys waren nicht nur zahlreiche Bettelbriefe gewöhnlicher Art, sondern auch Gesuche um ihre Vermittlung beim Könige in allen möglichen Angelegenheiten, und nicht blos auf schriftlichem Wege trat man an sie heran, sondern der sortier hatte oft seine liebe Not mit den beuten, die bei dem gnädigen Fräulein vorgelassen werden wollten. Nach einigen Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten, die daraus entstanden, wurde auch diese Angelegenheit durch das Ehepaar Bachmann geordnet. Der Leibkammerdiener machte es seinem Gebieter klar, daß sich das gnädige Fräulein mit einfachen Abweisungen derjenigen doch nicht erwehren könne, die von ihrer Vermittlung besonderen Erfolg hofften, und deutete dabei an, daß eine immerwährende Zurückweisung ihrer Fürsprache sie in ein ungünstiges Licht bringen und allerlei Wühlereien und hetzenden Redensarten bei den niederen Klassen einen günstigen Boden bereiten könnte. 5o erteilte der König Kitty die Erlaubnis, solche Gesuche, die nur auf Unterstützungen oder Begnadigungen Bezug hatten, zur Vermittlung an ihn zu übernehmen, schärfte ihr aber strenge ein, sich von allen Angelegenheiten, die Anstellungen, Beschwerden oder gar politische Dinge betrafen, fernzuhalten. Frau Bachmann prüfte die direkt eingereichten Unterstützungsgesuche und lenkte auch die förmlichen Audienzen, die Kitty solchen Personen erteilte, die ihre Vermittlung beim König anstrebten. Ehe diese Leute das Königsliebchen zu Gesicht bekamen, hatten sie erst durch sie eine Prüfung und eine Unterweisung zu erfahren, so daß der königliche Befehl mit seinen Beschränkungen streng aufrecht erhalten wurde. Kitty selbst ließ sich in diesen Audienzen wie eine Puppe von Frau Bachmann lenken, nahm nach deren Weisung immer nur Schriftliches entgegen, lehnte jede rein mündliche Vermittlung ab und trat auch dem König in diesen Angelegenheiten nicht anders denn als niedliche Botin der Gesuchsteller gegenüber. Aber die Volksphantasie malte sich allerlei Bilder vor, in denen das Königsliebchen gewissermaßen um der Gesuchsteller willen sündigte, die Gewährung der Bitte der Leidenschaft des Königs zur Bedingung machte. Der Erfolg so manchen Gesuches bestätigte die Volksmeinung und, es waren keineswegs nur »kleine Leute«, die diesen Weg zur Gnade des Königs betraten, sondern auch Personen besseren Standes rechneten in solcher weise mit den königlichen Schäferstunden. Zumal Frauen, die eine Audienz bei Kitty gehabt hatten, erzählten in ihren Kreisen, wie »lieb und süß« sie mitten in all der Fracht, die man mit Bangigkeit betrete, zu schauen sei, wie freundlich sie lächle und wie gütig sie das kleine, weiße Händchen mit den blitzenden Diamantringen reiche. Andere wieder sagten, sie seien mit einem bitteren Gefühl diese teppichbelegten Stufen und an den hochnäsigen Lakaien vorbeigeschritten, an die eigene Notlage angesichts dieser Ueppigkeit einer großen Sünderin denkend, und widerlich sei ihnen der Gedanke gewesen als ehrliche Untertanen auf solchem Umwege das Herz des Landesvaters zu suchen, aber das sei alles verflogen beim Anblick des Königsliebchens, das wahrhaftig wie ein Engelchen an sie herangetreten sei.

Immer stärker machte sich der Einfluß des Leibkammerdieners geltend. Mit einem Schweif von Klienten bildete er ein förmliches Konsortium zur Ausbeutung der Leidenschaft seines Herrn, der ohne Besinnen alles guthieß, was geeignet schien, den Glanz des Wesens zu erhöhen, das mit seiner weißen Gliederpracht ihn unentrinnbar umschlungen hielt. Am Palais des Königsliebchens, das in seinem Innern zu einer Schatzkammer sich ausgestaltete, wurde unaufhörlich gebaut. Einer beginnenden allzugroßen Fülle halber lernte Kitty reiten, und das wurde der Anlaß, einen ganzen Marstall mit den prächtigsten Gespannen aller Art neben edlen Reittieren einzurichten. Dann erwiesen sich die Anlagen am Palais als zu klein. Es wurden benachbarte Grundstücke angekauft, die daraufstehenden Villen niedergerissen und ein Lustpark, der alle Gartenkünste bieten sollte, in Angriff genommen. Der Affe Muckerl war eines Tages an verdorbenem Magen verendet. Bald darauf machte in einem zierlichen Kiosk ein halbes Dutzend Aeffchen der Herrin ihre possierlichen Sprünge vor. Ein weißer und ein schwarzer Pudel, eine getigerte Dogge und ein mächtiger Neufundländer waren bereit, sie je nach Laune einzeln oder alle zugleich mit Sprüngen und Gebell zu erlustigen, in einer großen Voliere kreischten buntfarbige, exotische Vögel, seltene Tauben girrten in einer anderen, Pfauen schlugen auf einer großen Wiese das Rad. Die Dienerschaft wurde vermehrt, und dabei durfte ein junger Mohr in silberstrotzender Tracht des Spaßes halber nicht fehlen. Das Aerlchen schlug prächtige Purzelbäume und amüsierte das Königsliebchen mit seinen frechen Possen. An die Stelle des Fräulein Schwarz trat eine mit allen Künsten der Damentoilette meisterlich vertraute Pariserin. An Kittys Geburtstag führte das Hofballett im Palais nur vor ihr und dem König üppige Feerieen in prachtstrotzenden Kostümen aus.

Bei den Ladenfräuleins, den Näherinnen, Wäscherinnen und Plätterinnen, in den Fabriksälen war das Königsliebchen der beliebteste Gesprächsgegenstand, und es bildete sich in diesen Volkskreisen etwas wie ein Kultus, eine begeisterte Anhängerschaft, die in ihm gewissermaßen das heimliche Oberhaupt aller Mädchen sah, die verbotener Liebe huldigten. Aber auch die Töchter der besseren Stände zischelten untereinander über das, was sie von den Dienstmädchen erforscht hatten. Die kleinen Beamtenfrauen, die auch hübsch und jung waren und ihre Lebensfreude in der Enge einer sorgenvollen Ehe verkümmern sahen, dachten an das Königsliebchen und seufzten, wenn sie ein altes Kleid umändern mußten, weil zu einem neuen die Mittel fehlten. Die kleinen Maitressen der Kavaliere und Börsenspekulanten waren in ihren Wünschen bestrebt, ihrem Vorbild möglichst nahe zu kommen, und die vornehmen Damen plauderten bei der Toilette mit ihren Zofen über die Künste der französischen Kammerfrau.

Die Königin hatte sich gänzlich nach Dianenlust zurückgezogen und war nur selten in den Straßen der Hauptstadt zu sehen. Oft aber fuhr das Königsliebchen im prächtigen Gespanne durch die Königsau oder die Lotharstraße entlang, und den Leuten, die den Blick nach ihr wandten, war's, als schauten sie es nackt auf goldenem Triumphwagen.

 


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