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Hans Willy Mertens

Am alten Schulhaus

Da steh' ich wieder im Heimattal
Am alten Schulhaus und träume –
Verklärend fällt ein Sonnenstrahl
Hinein in die dunkelnden Räume.

Das Fenster ist offen, ich trete davor –
O, nimmer hab' ich's vergessen:
Dort ist das Plätzchen, wo ich im Chor
Harmloser Kinder gesessen.

Wie klein die Bank! Heut trüge sie nicht
Wie einst die Last meiner Jahre;
Heut wäre zu gramvoll ihr mein Gesicht
Unterm wirren bleichenden Haare.

Wie hab' ich gejubelt, als ich's verließ! –
Ach, ich Tor, kaum kann ich es fassen;
Ich wußte nicht, daß ich ein Paradies
Auf Erden sollte verlassen.

Wie gerne gäb' ich die Freuden zurück,
Die rauschenden – ungezählet,
Wie gerne der Liebe gleißendes Glück,
Der Liebe, die mich gequälet:

Könnt' ich noch einmal das Weh der Brust
Und all ihre Sorgen lindern,
Könnt' ich noch einmal in Jugend und Lust
Ein Kind sein unter Kindern! –

Da steh' ich nun wieder im Heimattal
Am alten Schulhaus und träume –
Verklärend fällt ein Sonnenstrahl
Hinein in die dunkelnden Räume ...

Fahrend Volk

Trommel- und Trompetenklang,
Und wir hinterdrein in Scharen!
Lustig zog das Dorf entlang
Fahrend Volk mit schwarzen Haaren.

An der Ecke hielt der Zug,
Und es staute sich die Menge;
Der die dicke Trommel schlug,
winkte Ruhe ins Gedränge.

Tiefe Stille rings umher. –
Und nun fing er an zu schreien,
Daß sie übers weite Meer
Hier ins Dorf gekommen seien.

Und er rühmte brav ihr Spiel,
Wie sie hoch auf Seilen gingen,
Und doch keiner glitt' und fiel, –
Sprach von tausend Wunderdingen.

Abends standen wir in Reih'n
In des Nachbars kahlem Garten,
Wo wir bei der Fackeln Schein
All der Wunderdinge harrten.

Und der Schluß zu Hause war:
Zur Arena ward das Bette,
Und in wilder Brüder Schar
Ward gerungen um die Wette.

Unsre Stirne stand in Dampf,
Kissen kamen, Kissen flogen,
Und es wogte heiß der Kampf,
Daß sich Bett und Balken bogen.

Kracht es auch – uns einerlei!
Und wir tanzten, und wir hüpften,
Bis wir auf des Vaters Schrei
Hurtig in die Decken schlüpften.

O nimm mich mit!

Da stand ich oft am Schienenwege
Und sah dem flinken Zug entlang,
Und tausend Wünsche wurden rege,
So oft sein Brausen zu mir drang.

Dann war's, als würde mir zu enge
Das altgewohnte stille Tal,
Als ob mein töricht Herz sich dränge
In eine Welt voll Leid und Qual.

Ich blickte nach in eitlem Wähnen,
Daß mich die Heimat nicht mehr litt',
Und rief, die Augen schier voll Tränen:
O nimm mich mit, o nimm mich mit! –

Ach ja, er hat mich mitgenommen,
Und brausend ging's zum Tal hinaus,
Bis in der Ferne mir verglommen
Der Stern ob meines Vaters Haus.

Nun wollt' ich oft, ich sähe wieder
Daheim der Züge ganzes Heer,
Ich ließ' sie jagen auf und nieder
Und hätte keine Sehnsucht mehr.

Nun denk' ich immer voller Zagen
An mein verkanntes junges Glück –
Die Räder, die mich hergetragen,
Sie bringen mich nicht mehr zurück.

Und braust ein Zug zum Heimattale,
Dann wünsch' ich Flügel meinem Schritt
Und rufe wieder tausend Male:
O nimm mich mit, o nimm mich mit!

Wenn nicht die Liebe wär'

Drunten im grünen Grund
Saß ich zur Rast. –
»Dirne, so früher Stund'
Hab' keine Hast!«
Rief's und sie kam mir her,
Lachte ganz frei:
»Wenn nicht die Liebe wär',
Ging ich vorbei!«

Küßte den roten Mund
Heiß, daß er brennt. –
»Dirne, so schöner Stund'
Möcht' ich kein End'!«
Küßt' ihr die süße Mär
Keck vom Gesicht:
»Wenn nicht die Liebe wär',
Litt' ich es nicht!«

Als ich zum Abschied bot
Trüb meine Hand,
Hat sie mit Augen rot
Ab sich gewandt.
War ihr von Tränen schwer
Aug' und Gesicht:
»Wenn nicht die Liebe wär',
Weinte ich nicht!«

Grüßt mir das blonde Kind am Rhein!

Ich wandre in die weite Welt
Auf Straßen und auf Gassen,
Da find' ich alles schön bestellt,
Nur mich find' ich verlassen.
Der Weg wird weit, am rauhen Stein,
Da leg' ich müd mich nieder –
Grüßt mir das blonde Kind am Rhein
Und sagt, ich käme wieder!

Und weiter, wenn der Morgen tagt,
Durch Sonnengold und Regen!
Mir hat die Mutter oft gesagt:
Das Glück blüht allerwegen!
Und doch, hier kann es nimmer sein,
Kein einziger Stern fällt nieder –
Grüßt mir das blonde Kind am Rhein
Und sagt, ich käme wieder!

Wie hab' beim Abschied ich gescherzt,
Als ob mich nichts gequälet;
Nun weiß ich erst, wie sehr es schmerzt,
Wenn eins dem andern fehlet.
Am Ufer wandelt sie allein,
Singt einsam meine Lieder –
Grüßt mir das blonde Kind am Rhein
Und sagt, ich käme wieder!

 


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