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Wilhelm Langewiesche

Herbst

Der du die grünen Blätter färbst,
Die letzte Reife gibst dem Weine,
Was zögerst du so lange, Herbst?
Nach deiner Kraft verlangt die meine!

Vergolde du mein Leben ganz,
Von dem schon längst die Blüten fielen,
Laß um den schmalen Früchtekranz
Versöhnlich deine Lichter spielen.

Die letzten Wünsche bring zur Ruh
Mit deinen letzten schönen Tagen,
Und lehre meine Seele du
Verstehn und lächeln und entsagen ...

Heimat

Heimat, ferne Heimat, du, die ich verließ,
Liegst vor mir im Traume als ein Paradies.
Oeffnest meiner Sehnsucht heimlich Tür und Tor,
Heimat, ferne Heimat, du, die ich verlor – –

Heimat, ferne Heimat, dir, die ich verkannt,
Will ich Treue halten in dem fremden Land.
Aber meinen Kindern reife Korn und Wein,
Heimat, ferne Heimat, deiner Sonne Schein.

Weißt du's noch?

Weißt du's noch? Die Rosen blühten,
Und die Sommersterne glühten,
Und die Buchenwipfel träumten,
Und die Brunnenschalen schäumten,
Und die Liebe schritt verstohlen
Durch die Nacht auf leisen Sohlen,
Näher, immer näher kam sie
Und mit weißen Händen nahm sie
Von den Augen uns die Binde:
Sehend wurden da zwei Blinde,
Weißt du's noch?

Was die Augen da erkannten,
Wie die jungen Herzen brannten,
Wie die Hände sich verflochten
Und sich nimmer lösen mochten,
Wie die Lippen da sich fanden,
Und die Seelen sich verbanden, –
Wie uns dann ein süßes Schweigen
Ueberkam so süß und eigen,
Als umweht von Engelsschwingen
Hand in Hand nach Haus wir gingen,
Weißt du's noch?

Meinen Kindern

Ich hoffe, daß euch einst Erkenntnis wird,
Wie euer Vater oft und schwer geirrt.

Er wollte eures Werdens Helfer sein
Und wußte selbst, wie oft, nicht aus noch ein,

Dem Hunger eurer jungen Seelen bot
Unwissend er, wie oft wohl, Stein statt Brot ...

Die überselig euch das Leben gab,
Die ruhte ja in ihrem frühen Grab

Und half mir nicht und ließ euch mich allein,
Und hieß mich Vater euch und Mutter sein.

Das ist wohl mehr als auch ein bessrer Mann,
Ein stärkerer als euer Vater, kann ...

Nun hab ich euch in diesen Wald gebracht,
Der eure Kindheit frei und fröhlich macht,

Ihm anvertraut ich euer Leben gern,
Ich weiß, er hält euch manchen Gifthauch fern

Und manchen Staub, der in der Stadt bedroht
Auch junge Seelen schon mit Werdenot.

Und wie der Wald euch nun gedeihen läßt,
Erobert ihn und haltet an ihm fest.

Der mehr zu sagen euch als ich vermag,
Laßt ungehört ihn auch nicht einen Tag

Und lernt von ihm, wie schlicht und groß und frei
Der liebe Gott und alle Wahrheit sei ...

So jung ihr wart, ihr tatet mehr für mich,
Als ich für euch: der Schuldner bleibe ich.

Der sorglich euch wohl zu erziehen schien,
Den lehrtet ihr, sich selber zu erziehn,

Und halfet ihm: ihr fülltet unbewußt
Sein alternd Herz mit junger Werdelust.

Der Sturmwind eurer reinen Leidenschaft
Entfachte seiner Seele Lebenskraft,

Der laute Jubel eurer Freude rief
Und weckte seine, die so lange schlief,

Und ließ zuweilen seine Treue nach,
Die eure, Kinder, blieb beständig wach. –

Er schonte stets der Rute, doch ihn schlug
Ein harmlos Wort von euch oft hart genug.

Vor euren Augen, d'raus die Wahrheit sah,
Stand er, wie oft, nur scheinbar aufrecht da,

Und wenn an eures Wesens Einfalt er
Das Eigne prüfte, ward das Herz ihm schwer ..

Wenn, wie ihr seid und wie ihr nicht seid, ihr
Dereinst erkennt, zürnt nicht und dankt nicht mir.

Legt einen Kranz auf eurer Mutter Grab,
Die euch das Beste: Kraft zum Werden, gab.

So lang ihr lebt, betätigt diese Kraft,
Für die ich euch nach meiner Raum geschafft,

Dann macht, wenn meine Kraft am Ende ruht
Die eure das, was ich versäumte, gut ...

Verhallt, wer weiß wohin, einst euer Schritt,
Nehmt aus dem Wald die besten Früchte mit:

Ein reines Herz und Festigkeit darin,
Ein klares Auge, einen schlichten Sinn,

Zum Leben Liebe, Gottes einen Hauch
Und eine tiefe, starke Freude auch,

Kraft zum Genießen, zum Entsagen Kraft
Und Frieden, der sie täglich neu erschafft,

Und jede Nacht erquicke eure Träume
Vom fernen Wald das Rauschen dieser Bäume ...

 


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