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Dettmar Heinrich Sarnetzki

Wandre ...

Wandre, wenn die Schollen schwellen,
Sonnenfluten Nebel bricht,
Brausen auf der Erde Quellen
Kräftekühn ins junge Licht –

Wandre, wenn die Saaten steigen
Aus der Flamme Lebensblut,
Aus dem hellen Mittagsschweigen
Reisesehnsucht, Reiseglut –

Wandre, wenn im Duft der Sonne
Gärt der Wein der Wunderwelt,
Und der Herbst den Kelch der Wonne
Farbenfroh in Händen hält –

Wandre, wenn in weißen Breiten
Kraftgebanntes Leben harrt,
Sich im Traum gefangner Weiten
Neues Werden offenbart. –

Das ist so meine liebste Stunde

Das ist so meine liebste Stunde:
Der Lenzwind haucht mit halbem Munde –
Die Sonne tropft ihren rötlichen Schein
In meines Lebens Pulse ein –
Und leise träumender Blütenfall
Und Kinderreigen allüberall –
Vom glänzendgrünen Kirchendach
Sprüht rastender Vögel Freudengelach –

Das Sein ein seliger Atemzug,
Das Ruhn ein fröhlicher Geistesflug –

Und wie ein Strahlen aus sonnigem Blau
Das Auge einer schönen Frau
Ueber mich hin, eine leise Hand
Wie träumend auf meine Wange gebannt –
Ein glücklich Lächeln von blühendem Munde:
Das ist so meine liebste Stunde – – –

Sommer

Glührot leuchtet im Korn der Mohn;
Schweren Hauptes die Halme ragen.
Sommers leiser Reifeton
Singt wie silbernes Sichelschlagen.
Sterbereif die gelbe Saat,
Erntereif zur klingenden Mahd:
Bergt den goldenen Segen.

Siehst du unsere Liebe gehn,
Schweren Hauptes die Felder durchschreiten?
Fühlst du's nicht wie Inbrunst wehn,
Ueber die durstenden Seelen sich breiten?
Dämpfe die lodernde Flamme nicht;
Glühend im Mittag steht das Licht:
Laß den Segen uns bergen.

Mutter

Wenn ich in das tiefe Blau
Des Vergangnen niedertauche,
Seh' ich eine blasse Frau
Unterm blüh'nden Haselstrauche.

Ihre Hände gleiten sacht
Ueber ihrer Kinder locken,
Und mit Feierklängen lacht
Frohgeläut von Blütenglocken.

Eine grüne Märchenwelt
Wuchs in meiner Mutter Garten,
In dem bunten Beetefeld,
Wo wir stillen Herzens harrten:

Unter Tulpen, Thymian,
Schlanken, hochgewachsnen Rosen –
Und im dichten Laube sahn
Kirschen wir und Aprikosen.

Wo der greise Birnenbaum
Aeste weit und Schatten spreitet,
Bis zur Hecke spannt ein Traum,
Der die ganze Welt umbreitet.

Wo mit mattem Düfteglanz
Die Johannisbeeren glühten,
Bis zum ernsten Asternkranz
Wuchsen meine Lebensblüten.

Und ein Sturmwind brach herein,
Und ich hört' ihn näher toben,
Tiefer sank des Tages Schein,
In der Wolken Dunst verwoben.

Und die Blüten stoben fort,
Und im Birnbaum hört' ich's brechen;
Ueber den geweihten Ort
Zog des Sturmes Riesenrechen.

Aus dem tiefen Blau des Einst
Ist's als ob sich Hände heben,
Und mir ist, als ob du weinst
Und erstehest neues Leben.

Leben, grüne Märchenwelt,
Wuchs in meiner Mutter Garten,
In dem bunten Beetefeld,
Wo wir stillen Herzens harrten.

Verwandlung

Und alles flutet der Erde zu
Zum Ewigkeitstraum, zur Dämmerruh:
Auf Saatengrün und Aehrenwucht
Kommt Sichelklang und Lebensflucht.
Und wie die Welle des Lebens fließt,
Alljedes Leben sich in sie ergießt,
Eine flüchtige Spur – ein Gedankenhauch –
Ein Sonnenleuchten – ein Nebelrauch –
Ueber Nacht – da ringt ein Samenkorn,
Späht nach der Sonne Mutterborn,
Und lauscht auf der Erde Herzensschlag,
Auf Märzenrauschen und Frühlingstag.
Und wie die Welle des Gebens fließt,
Ein Tropfen ist es, der neu ersprießt,
Vom Winde getragen, von Sonne belebt,
Vom Boden genährt, der sein Seelchen webt.

– – – – – – – – – – –

Und wenn ich Erde geworden bin,
Frei ruhe ich fort, frei treibe ich hin,
Ich tränke die Keime mit meiner Kraft
Und steige empor mit dem Wurzelsaft
Und werde ein Neues und lebe fort
In neuer Hülle an neuem Ort.
Wo mag das sein: Im Sonnenschein –
Kann aber auch fröstelnder Schatten sein.
Mein Auge, das fröhlich im Leben geblickt,
Vielleicht – als Blüte vom Raine nickt,
Und kommt ein Kind im Lockengeflecht,
Ich lächle: dich grüßt ein vergangnes Geschlecht.
Und wenn am Wege ein Windhauch irrt
Und über zitternde Gräser schwirrt,
Da ist meine Stimme ein stilles Lied,
Das eine Heimat sucht und flieht.
Die Hand, die nimmermüde geruht,
Sie lebt in rauschender Aehrenflut,
Die sich in reifender Schwere lehnt:
Hat immer den Erntetag ersehnt.
Und wo ich träumte und wo ich stand,
Ich bin verbunden dem ganzen Land,
Ich werde und wachse, bin Erde und Hauch,
Bin Baum und Wasser, bin Blüte und Strauch.
Aber der Sturm, der dort oben reist,
Das ist Geist von meinem Geist,
Fliege hin über alle Welt,
Sonnen und Sternen des Alls gesellt,
Ewig, solange ein Atem bebt,
Ewig, solange ein Traum entschwebt

– – – – – – – – – – –

Frühling ist es, die Wunder blühen,
Und die Zeit hat sich gewandt,
Sonnenrot wird uns erglühen
Neuverheißung, Gegenstand.
Aus der Erde quillen Säfte,
Uralt-alte, neuerweckte,
Was sich freudig lichtwärts streckte,
All-Geheimnis-tiefe Kräfte:
Leben ist's erstorbner Zeiten
Aus der Erde heilgem Schoß,
Tausendfältig sich verbreiten
Urweltselig Menschenlos.

 


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