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Hermann Friedrichs

Flammenzeichen

Fahles Zwielicht... Glanzlos aufgegangen
Ueberm Rand des Bergwalds, reifbehangen,
Ist der Mond mit wehmutsvollen Zügen,
Die der Erde Nacht ums Licht betrügen.
Wie ein Wesen silberhaarumflattert,
Das in schwerem Kampf sein Ziel ergattert,
Taucht er ab und zu aus Wolkenwogen,
Die von fern im Sturm herbeigezogen.
Berge türmen sich und Schlünde klaffen,
Abgrundtiefe, die der Sturm geschaffen. –

Ungeheuer recken sich und streben
Aus der Bahn das Greisenhaupt zu heben. –
Plötzlich scheint's, als wollten Rast sie halten,
Und verwandelt seh' ich die Gestalten. –
Götter sind es, die gewaltet haben
Mit dem Frohsinn, den die Welt begraben. –
Götter ... um die Wintersonnenwende
Heut vergebens suchend jene Brände,
Die, auf Bergesgipfeln froh entzündet
Neue Sonnenlust der Welt verkündet. –
Westwärts eilen, die da längst vertrieben. –
Einer ist im Osten nur geblieben ...
Einer – der gewaltigste von allen,
Der im Wetter spielt mit Wolkenballen,
Der den Sturm regiert mit einem Finger,
Der ein riesenhafter Allbezwinger. –
Jählings seh' ich ihn heruntergreifen,
Aeste von den Eichenkronen streifen.
Eine Feuergarbe zuckt hernieder ...
Unwillkürlich schließen sich die Lider –
Da erschallt des Allbezwingers Lachen
Wie ein sturmzerriss'nes Wetterkrachen,
Und des Bergwalds reifbedeckte Eichen
Lodern auf ... Ein Heer von Flammenzeichen.
Flammenzeichen, daß die alten Götter
Triumphieren über alle Spötter! –
Flammenzeichen, die uns alle mahnen
An den lichtgebornen Kult der Ahnen!

Die sieben Jungfrau'n Jene einzelnen Felsen oberhalb der Loreley, die nur bei niedrigem Wasserstande sichtbar und der Schiffahrt sehr gefährlich sind.

Ein Rheinmärchen

Frühduft und Nebel fliegen,
Silberner Dampf wallt auf,
Und sieben Jungfraun wiegen
Sich froh im Wellenlauf.

Hellglitzernd rieselt's nieder
Herab vom Sonnenball,
Auf ihre weißen Glieder
Wie gold'ner Tropfen Fall.

Doch bald beginnt's zu fluten
Gewaltig, goldesschwer.
Mit glühenden Strahlenruten
Geißelts das Nebelmeer.

Wie flücht'ge graue Hunde
Zerstieben Dampf und Duft ..
Und aus der Jungfraun Munde
Füllt Jubel rings die Luft.

Vergaßen ihre Sinne,
Daß Vater Rhein gedroht:
»Fröhnt ihr der Sonnenminne,
Ist euer Los der Tod!« –

Im Sonnengolde baden
Sie kühn der Leiber Pracht ...
Lichtlechzende Najaden,
Entflohn dem Bann der Nacht.

Sie achten nicht aufs Rollen
Im Felsenbett der Flut,
Nicht auf des Stromes Grollen ...
Sie trinken Sonnenglut!

Sie schlürfen bis sie trunken
Von golddurchträuftem Licht,
Bis schwer sie hingesunken,
Verfallen dem Gericht. –

Da plötzlich stürmen schäumend
Die Wasser auf sie ein
Und, noch von Wonne träumend,
Erstarren sie zu Stein. –

Doch, wenns wie Gold hernieder
Rieselt vom Sonnenball,
Durchschauert ihre Glieder
Der gold'nen Tropfen Fall.

 


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