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Émile Cottinet

Opiumnacht

Ins Dämmer dringen des Lampenlichts Rände,
es umschließt uns sein Hof von Perlmutter und Gold;
das süße Gift dehnt sich, es kräuselt sich, rollt, –
nun steht die fahle Perle am Nadelende.

Zwischen Geflechten des wehenden Rauches
fühle ich kaum, daß mein Körper noch lebt,
aber der Traumvogel, der sich emporhebt,
zaubert im Dämmer das Blühn eines Strauches.

Mählich verwischen sich Schritt und Geräusche,
die Blicke der Raucher schwanken und gleiten, –
ringsum nur Schlaf, der ein Sterben täusche.

Die Leiber liegen gefällt wie zum Spott;
der Geist aber schwingt sich in ewige Weiten
auf feurigem Flügel empor, wie ein Gott.

Aufschwung zum Tod

Fragment


Doch halte. –
Der erste Schleier der Nacht
fängt leise zu sinken an,
die Nebel hinter dir heben …
ihr schimmerndes feuchtgraues Weben,
in dem Laute und Farben entschweben
fern dem Zauber der Sonnenbahn,
ist das Leben: –
Der traurige Ameisenhaufen
auf dem die Nichts deiner Taten und Worte laufen. –
Ein Taumel trägt dich zum Himmelsabgrund. –
Und vor dir der Weg ist ohne Fehle;
weiter als Gletscher und Atmosphäre,
weiter als Tod und ewige Materie
durchdringt er die Weltenseele,
die unendlichen Meere,
deren Sand zum Goldstaub gelichtet
der fliehende Tag durchsichtet.

Höre die Sterne singen,
sie rufen dich …
bei ihrem bleichen Strahl fühlt dein Herz das Muß
des unsterblichen Sehnens nach dem sterblichen Kuß,
der Prometheus verbrannte … – o die fiebernden Sänge
jungfräulicher Jugend, – ihre rufenden Klänge,
in denen schon Rhythmus der Liebe sich kündet!
Und der Tag, o der Tag, der niemals entschwindet,
wo des Herzens Quellen, die plötzlich erblühten,
aufspringen in Wellen, in Licht überglühten! …

Und so wird es dein Aufschwung, der Flammen umsprühte,
zu allen Fernen … Und deine Flüsse nehmen
andere Herzen noch auf, die hineinströmen;

Und der Fluß tritt über und schwillt von Tränen,
in denen die Himmel sich spiegelnd entblättern,
und die Weide neigt trauernd die langen Strähnen …
Durch verfluchte Tale, durch Feenlande,
durch die Städte und unter Kloaken-Schande,
dumpfe Klagen voll Ungeduld rollend,
flieht er zur stillen Mündung, wo grollend
die Flut in Trauergeläuten klingt.
Er gibt sich dem Meer und seinem bläulichen Dunkel,
denn das Meer ist der Tod und der Tod ist das Hoffen
des Pilgers, der den Abend niederzwingt.

O Wanderer der Küste, der Sterne fühlte,
erlausche wie Schleier und Schwingen sich breiten
im Aschenleib und über die schmutzbespülte
Erde die Goldfackeln des Jenseits blinken
wo Schwingen und Schleier niedersinken …
Was tut's! Steig und stirb! …
Denn um zu leben, mußt du niederschreiten.

(Le livre lyrique et sentimental)


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