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Léon Deubel

Leidenschaften

I

Indessen sie mit ungestümen Tränen
vom Fuß des Bettes, das der Engel ließ,
mich von den stolzen Lippen rückwärts stieß,
weck ich die Brüste auf mit Kuß und Zähnen.

Von ihrem Doppelthron mit Kondorschlägen
erhebt sich meiner Wünsche Schar im Schwung; –
in Schalen rieselt ihr Kleinodienprunk,
Minuten rinnen mit im goldnen Regen.

Im Fieber, das mich wild ergriffen hat,
entblöß ich nun den Leib ihr, Blatt für Blatt, –
er steigt aus Spitzen und dem Schaum der Linnen,

und auf der Flut von Bändern und von Floren,
versprochen meinen schmerzerregten Sinnen
ist Aphrodite mir im Arm geboren.

(L'arbre et la rose)

II

Du Kleine, mit dem einfachen Gemüt,
laß uns im engen Zelt der Linnen fühlen,
in die wir uns mit Kuß und Biß verwühlen,
daß uns der Liebe Sommerzeit umblüht.

Mach, daß dein rotes Haar in Flammen sprüht,
und laß dein Fleisch, das Kleid und Mode ducken,
im Schatten, wo es höllisch haucht und glüht,
in einer köstlich heißen Wunde zucken.

Bald wird der Abend unserm Schlummer winken,
wir werden seine holden Träume trinken,
bereit zur Lüge, wie zum Liebeswort;

du ruhst auf meiner Brust, auf breitem Flügel;
von deinem Haar verhüllt, streckst du dich dort,
wie Quellen tun am Abhange der Hügel.

(L'arbre et la rose)

III

Ich will ihn, deines Kusses blutigen Trank,
den Leib, der weiß wie Milch ist und Jasmin,
mein tausendfältiger Wunsch klingt hoch, ein Sang
über die Lyra deiner Hüften hin.

Gleich wie erhabener Eiche Schatten sinkt,
wird dich der Schatten meines Körpers decken,
ich feßle dich im Arm, der dich bezwingt,
um männlich stolze Rache lang zu schmecken.

Dann, auf die Schultern, deine matten blassen,
auf deinen Hals, wird so wie dunkles Tuch
und ganz durchtränkt von Düften, würzig satten,

dein Haar dir gleiten, Schwester müder Wellen, –
und nur des Bösen Engel sieht den Zug
der Seelen-Bilder durch den Blick uns schnellen.

(L'arbre et la rose)

Viviane's Lachen

Ihr Lachen gleicht herben Früchten,
sie wirfts in die Luft hinauf,
der Füße behendes Flüchten
durcheilt der Gräser Pöbelhauf.

Ihr Mantel ist indische Seide,
gestickt von verschloßner Träume Hand,
sie kommt und unter dem Kleide
blüht kaiserliches Rosenland.

Ringsum bei Abends Rüste
atmet und wispert's im Tal,
ein Duft entsinnt sich: er küßte
früher ihr Haar einmal.

Des Wildes springende Schar
zerknittert, damit sie's entzückt,
den Atlas des Mondes, der klar
und blau das Waldmoos geschmückt.

Viviane jedoch fühlt nicht mit,
umgirrt sie auch guter Wille,
sie pflückt das Gras mit dem Schritt,
und mit ihrem Lachen die Stille.

Ihrer Heiterkeit lieblicher Klang
plätschert in Wellen, in flachen,
bei ihres Königtums reizendem Zwang
fragt jeder: warum mag sie lachen?

Lacht sie über den Pilz,
der nahe den Erdbeer-Bräuten
sie grüßt mit der Mütze aus Filz
wie unter bekannten Leuten?

Über das Eichhorn am Ast?
Es sucht seinen kleinen Stall,
hüpft hin und hoch; es ist fast
als spiele der ganze Baum Ball.

Über den Königsfasan,
der dort auf dem Rasen thront? –
Der Nachtigall Liebeswahn,
genährt an Stille und Mond?

Sie lacht, – und die Irrwisch-Schar,
Kobolde, die mit ihr gehn,
sind ein Geleit voll Gefahr,
da sie belauernd mich sehn.

Zitternd für sie, wenn auch nur
neigend ein Zweig leise kracht,
folgen sie, eins mit der Nacht,
der Erdbeeren blutiger Spur.

Doch die Fee, – wie der Stille, – lacht ganz
der Gefahren und jeglicher Sorgen,
und ihr Lachen ist wie ein Tanz
von Jungfraun beim aufgehenden Morgen.

(L'arbre et la rose)

Das Bett

Im geheiligten Zimmer, so gut wie ein großer Altar,
zu dem man wechselnd Tod und Liebe gebracht,
steht das Bett da, dem der verzweifelnd und weinend war,
wie ein gestrandetes Schiff in dem offenen Meere der Nacht.

Träger von Auswandrern der alltäglichen Welt,
Vorhang besegelt, fühlst du es lautlos ziehn
durch Meere des Schattens, alle mit Lichtern durchwellt
von der Träume Leuchttürmen oder der Sonne Fliehn.

Zwischen der Enge seiner reglosen Planken
befreit sich der Mensch von allem Knechtischen, Kranken,
von allem Quälenden, das ihn zerfrißt und bedrängt; –

bis auf dem Gipfel luftig gebauter Stiegen
Aurora erscheint und er seine Anker senkt,
um in dem Hafen vertrauter Möbel zu liegen.

(La lumière natale)


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