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Francis Jammes

An Albert Samain

Mein Samain, noch kann ich mit schreiben nicht enden,
zum ersten Mal muß ich dem Tode sie senden
die Zeilen, die dir im Himmel morgen
der Knecht einer ewigen Farm mag besorgen.
Lächle, dann zwing ich der Tränen Drang;
sage mir: Wirklich, ich bin nicht so krank!
Öffne noch einmal die Zimmertür,
frage beim Eintritt: Du trauerst? Wofür?
Komm doch; in Orthez bist du, beim Glück; –
stell nur den Hut auf den Stuhl zurück.
Durst hast du? Sieh, da ist Wasser und Wein.
Warte, gleich kommt meine Mutter herein.
»Samain« sagt sie dir freundlich bekannt
und mein Hund legt die Schnauze dir warm auf die Hand.

Ich rede. Du lächelst mit ernstem Gesicht,
du läßt mir das Wort; die Zeit spüren wir nicht.
Der Abend kommt; wir gehn in gelber Glut,
die Farben schenkt, wie sonst der Herbst nur tut.
Wir schaun den Bach, es girrt ein Taubenpaar
ganz leis in der Pappel grüngrauem Haar.
Ich plaudere. Du lächelst. – Still, stille – das Glück –,
nun kehren wir auf ärmlichem Pflaster zurück, –
wir sind auf jenem Pfad, der dem Sommer entflieht,
wo Dunkel vor der Wunderblume kniet,
die schwarzen, blausamtenen Schwellen entblüht.
Dein Tod wandelt nichts. Da, wo du lebtest,
wo du gesungen, in Leiden bebtest,
im Schatten der deine ureigene Welt, –
wir sind's, die ihn lassen, und du, der ihn hält.

Dein Licht, das aus diesem Dunkel geboren,
wird uns die Kniee zur Erde binden
in Sommernächten, wenn zwischen den Winden
Wachthunde bellen, die Gott witternd finden,
Gott, der das Reifen des Korns beschworen.

Ich klage nicht Tod. Andere krönen
mit verdientem Lorbeer die Furchen deiner Stirn;
ich, der dich kennt, fühle Furcht, dich zu höhnen;
denn man sollte den Knaben, die dich beerben,
dem Sarge folgen, deine Lyra betränen,
die Glorie derer nicht kränzend verbergen,
die lieber mit freier Stirn sterben.

Ich klage nicht Tod. Dein Leben siegt
wie des Windes Ruf, der den Flieder wiegt,
der nicht stirbt, der heimkehrt nach vielen Jahren
in die Blüten, die uns doch verwelket waren;
so kehren, mein Samain, den Kindern auch wieder, –
denen, die denkend wir reifen, – die Lieder.

Vergeblich suchte ich dir zu spenden
Dinge des Grabes, gleich antikem Hirten,
den die Herde beweint auf armen Geländen.
Das Salz wäre des Lamms, des in Schluchten verirrten,
den Wein tränken die, welche dein Werk dir entwenden.

Ich denke dein. Der Abend sinkt wie jener,
da ich dich sah in meinem Landhaussaal.
Ich denke dein und an das Heimattal,
ich denke an Versailles, wo wir uns führten,
wo wir im Wandern uns mit Versen rührten, –
ich denk an deine Mutter, deinen Freund.
Ich denke an der Schafe weißen Trott,
die Tod gewiß die Glocken überblökten,
ich denke dein und an die Himmelsleere,
an Flammenklarheit, an endlose Meere,
ich denk an blassen Wein in dunklen Reben.
Ich denke dein. Ich denke mein. Ich denk an Gott.

[Elegie aus: Le Deuil de Primevères]

David, du erwachtest aus nächtlicher Ruhe,
doch die sanfte Blässe der Töchter Israels,
die dir sich geöffnet gleich kostbarer Truhe,
du wolltest sie nicht, sondern Jehovah den Fels.

Und über dem wilden Wirrwarr der Kissen,
auf dem du die Füße gekreuzt, schwamm der Klang
der summenden Harfe, dumpf dröhnend und lang,
so daß deine Fraun ihre Schleier zerrissen.

Der Schrei, den dein Schmerz den Monden befahl,
er wurde mir Trost, – denn er schwebt über ihnen,
noch über der Stirn der braunen Konkubinen,
noch über meiner Liebe, über meiner Qual.

Das Harz tropft

Vom Kirschbaum tropft das Harz in goldnen Tränen,
der Tag ist tropengleich, – so schwer, so stille.
Entschlummre, Liebling, wo im Gras die Grille
ins Herz der Rosen zirpt von ihrem Sehnen.

Im Festraum gestern zwangen steife Lehnen
auch dich; – doch heut sind wir allein, wir beide;
entschlummre sanft in deines Kleides Seide,
entschlummre unterm Kuß und goldnen Tränen.

So heiß …, du hörst nur Bienen um die Zellen,
entschlummre, Vöglein, mit dem weichen Sinn,
was dort noch tönt? – Sind unterm Strauch nur Quellen;
entschlummre doch. – Ich weiß nicht, lausch ich hin,

vernehm ich nicht, klingt deines Lachens Rieseln …
klingt Wasser, leuchtend laufend über Kieseln …?

II

So süß dein Traum, daß deiner Lippen Regen
so zart und sanft ist, wie bei leisen Küssen.
Sag, träumst du eben, daß mit leichten Füßen
sich Ziegen auf beblühte Felsen legen?

Sag, träumst du wohl, daß auf bemoosten Wegen
die Quelle plaudert in verzierten Tönen,
– ein rosig blauer Vogel durch die schönen
Spinnfäden bricht, und Hasen scheu sich regen?

Schaust du den Mond als Lotos nun im Traum?
Träumst du, daß Goldschnee vom Akazienbaum
in tiefen Brunnen träuft mit Myrrhenduft, –

Vielleicht auch, daß dein Mund in Brunnengruft
auf Silberwasser so gespiegelt steht,
daß ich ihn Rose glaub, vom Wind verweht? – –

(De l'Angélus de l'Aube à l'Angélus du Soir)

Sonntag

Am Sonntag stehn Wälder im Festeszeichen,
wird man wohl tanzen unter den Eichen?
Was weiß ich? – Ich weiß es ja nicht –
ein Blatt flattert nieder im Licht …
und mehr weiß ich nicht.

Die Kirche; man singt; da ein Huhn. –
Die Bäuerin singt bei der Feier;
der Wind will im Azur nicht ruhn, –
tanzt man wohl heut unter Eichen?
Ich weiß es, ich weiß es nicht.

Mein betrübtes Herz will nicht ruhn.
Tanzt man wohl unter den Eichen?
Aber du weißt doch, der Wald steht im Festeszeichen! –
Heißt dies denken wohl Dichter bleiben?
Ich weiß nicht, was weiß ich denn!
Laß ich von Träumen mich treiben? –
O die Sonne, – wie gut läßt sich's ruhn, –
o die Kleine, die Bäuerin,
der ich sagte: Ihr singt so schön.

Tanzt sie wohl unter den Eichen? –
Ich möchte, ich möchte gleichen
den leichten, den ganz befreiten,
– denen die Trauer entgleitet
wie den Bäumen die fallenden Beeren, –
den Wäldern im Festeszeichen.

(Clairières dans le ciel)

Weil ich, du liebliche Lerche, gelitten,
weiß ich dein Leid, denn ich war wir Beide;
ich weiß dein Erwachen, das Nächte zerschnitten,
und die Sehnsüchte, die deine Brust verwunden.
Und es ist mir zuweilen in stummen Sekunden,
als wäre vertrauend dein liebes Haupt, –
o du Schwester vom Flachs, den das Licht bestaubt, –
als wäre dein neigendes Haupt nun gegeben
lastend in Ewigkeit, schwer auf mein Leben.

(Clairières dans le ciel)


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