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Dieses Buch verdankt seine Entstehung der Liebe zu einem Lande, das uns nicht nur glücklich gemacht hat, sondern uns vornehmlich durch seinen ernsten, großen und maßvollen Kunstwillen neue Schönheiten erschlossen und eine eigene Art des Lebensgenusses gelehrt hat. Dieses Buch will ein Zeichen dankbarer Verehrung bedeuten für die französische Dichtung der Gegenwart und ebenso für französische Künstlernaturen.

Es erscheint uns angemessen, diesem letzten Worte einigen Nachdruck zu verleihen. Mit warmer Stimme nur können wir die Erinnerungen wachrufen an die Stunden innerer Gemeinschaft, in denen wir die Dichter, welche wir einem größeren Publikum näherbringen möchten, als Charaktere erkannten.

Wenn dieses Wort auch heute bei Vielen geringeres bedeutet als gleißendere Merkmale, so scheuen wir uns doch nicht, mit diesem edelsten Lob Menschen zu grüßen, die sich in harten Lebenskämpfen, welche mehr als einmal durch bittere Not führten, den schlichten Gleichmut einer erhabenen Gesinnung bewahrten, ohne daß Einer von ihnen sich jemals eitel in die Brust warf. Bescheidenheit und Stolz können nicht gerechter, nicht maßvoller gegeneinander abgewogen sein als in den Kreisen dieser Künstler, die durch keine geheuchelte Sentimentalität, keinen falschen Idealismus blenden, sondern in umfassender Bildung, geklärtem Geschmack, ruhigem Urteil, lichter Denkungsart und Selbstsicherheit gelassen ruhen.

Wir grüßen unsre Freunde. – Und während wir die guten Stunden in ihrem Kreise beschwören, atmen wir wieder den blütengesegneten Duft des verwachsenen Gartens am Rande des Waldes von Noisy, in dem Léon Bazalgette zuerst unsre Liebe zu dieser geistigen Gemeinde Frankreichs weckte. Wir fühlen die großen und ruhigen Blicke Verhaerens aus seinem durchfurchten Antlitz auf uns und sehen ihn mächtig und weisend inmitten Nachstrebender, die der Wahn früher Jahre jugendlich durchschüttert. – In dem hohen und lichtgedämpften Atelier des Norwegers Edward Diriks war es, wo in später Nacht Paul Forts leicht gleitende Worte wie Schwingen eines farbigen Falters an uns vorüberflatterten, und klingende Rhythmen der Jüngsten durch das Halbdunkel zogen. – Und wieder eine andere Wirklichkeit weitete sich in der idyllischen Villa des André Spire, der uns die abgemessene Wärme des französischen Temperaments ehren lehrte. – René Ghils ernste Art ließ uns viele Gestalten fester ins Auge nehmen, – und die dialektische Schärfe des Philosophen Jean Royère zerschnitt manche Dunkelheit vor aufblitzenden Lichtern. – Jules Romains hob uns in den Dom einer neuen Gedankenwelt; Arcos und Mercereau erschlossen uns im Vortragen rhythmische Schönheiten der Jüngsten. Durch Henri Guilbeaux wurden uns Beziehungen dieses Kreises mit Deutschland aufgedeckt und in dem trauten Hause Vildracs atmeten wir französische Träumerei und Versonnenheit.

Alle diese Eindrücke von bunter Vielheit half uns der schlichte und weise Adolphe Malye wie ein guter Vater ordnen und ineinanderfügen.

Die Übersetzungen haben also erst durch mannigfachen Rat ihre endgültige Form gefunden.

Dennoch geben wir diese Arbeit zögernd aus der Hand, da wir wissen, daß sie nicht vollkommen ist. Bestimmte uns der Wunsch, den Deutschen das vollständige Bild nicht der gesamten Dichtkunst, sondern einer großen und fortschreitenden Bewegung zu geben, so fühlen wir doch selber, daß es dem Nichtfranzosen schwer ist, dieser reichen und köstlichen Blüte in ihrem innersten Wesen ganz gerecht zu werden. Wir fürchten zwar nicht den Vorwurf derjenigen, die teure Namen der Vergangenheit in unserer Sammlung vermissen; denn wir haben uns an die Lebenden gehalten, und haben dem Buche nur jene Toten eingereiht, die in den Jahren der vorbereitenden Arbeit aus dem Leben schieden. Aber wir müssen um Nachsicht bitten, wenn unter den Zeitlichen Namen vermißt werden, die auch für uns guten Klang haben.

In den Übertragungen haben wir Inhalt und Form streng zu wahren getrachtet. Dort wo der Rhythmus gleitender und verschwimmender als der uns Deutschen gewohnte war, wurde versucht seinen Charakter treu zu übertragen. Keine Strophe wurde um eine Verszahl gemindert oder erhöht. Dort, wo der Rhythmus bestreitbar schien, folgten wir dem Eindruck des vorzüglichsten Vortrages. Der Reim ist überall, wo die Dichter ihn bildeten, angewandt. Unregelmäßigkeiten oder Gleichklänge treten nur als Übertragungen der originalen Freiheiten auf. Wenn die Sinnwiedergabe es erlaubte, ist versucht worden, die Musik der einzelnen Lautzusammenstellungen wiederzugeben wie in Vildracs »Si l'on gardait«, das ganz in den Lauten a, en, emps zusammenklingt. So ist ein anderes Mal die Musik des durchgeführten lichten ai, wie z. B. in Verhaerens erster Strophe des »Baum« oder in Jammes' »Sonntag«, durch das im Deutschen ebenfalls helle und klare ei nachgebildet worden. Als weitere Beispiele des Prinzips mögen Vergleiche der Alliterationen und kräftigen Konsonanten in Spires »Israel« und der leichten, hellen Vokale in Deubels »Viviane's Lachen« mit den Originalen erkannt werden.

Paris, im Dezember 1910.


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