Francisco de Xerez
Geschichte der Entdeckung und Eroberung Perus
Francisco de Xerez

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9. Religion der Peruaner unter den Incas. Der Sonnentempel; seine Einrichtung. Priester. Das Sonnenfest.

Gleichwie der Inca für göttlich und heilig gehalten und angebetet wurde, ebenso hielten die Indianer dessen Residenzstadt Cuzco für heilig. Man kann an vielen äußern Zeichen, die sie bei den unbedeutendsten mit der Stadt in Beziehung stehenden Dingen an den Tag legten, beurtheilen, wie groß ihre Ehrfurcht für dieselbe war. Wenn zwei Indianer, von denen der eine aus der Stadt kam und der andere dahin ging, sich auf einem Weg begegneten, so bewiesen sie sich mehr oder weniger Achtung, je nachdem sie entweder Eingeborene der Stadt oder bloß Bewohner derselben oder ihr näher oder ferner gelegen waren; gleiches beobachteten sie in Beziehung auf Pflanzen, Feldfrüchte und andere Dinge die aus der Stadt ausgeführt wurden; denn obgleich sie nicht besser waren als solche die anderswoher kamen, so maß man ihnen doch stets einen höhern Werth bei. – Die höchste Verehrung aber zollten sie dem Tempel der Sonne zu Cuzco, sie häuften in ihm eine unendliche Menge von Schätzen auf, indem stets jeder Inca seinen Vorgänger an kostbaren Geschenken zu überbieten suchte. – Die in ihm zusammengebrachten Reichthümer überstiegen allen menschlichen Glauben, so daß ein spanischer Schriftsteller sagt, er fürchte sich eine Beschreibung dieses Tempels zu liefern, obgleich alle Nachrichten, welche man darüber finde, vollkommen miteinander übereinstimmten. – Von der Größe des Tempels hat man keine genaue Kenntniß mehr, und die Beschreibung beschränkt sich deßhalb mehr auf dessen Einzelheiten. Der große Altar der Sonne stand gegen Osten, das Dach des Tempels war aus Holz zusammengefügt und mit Stroh bedeckt, denn die Ziegeln waren den Indianern unbekannt. Die vier Mauern waren von oben bis unten mit Gold bekleidet. Auf dem großen Altare erblickte man das Bild der Sonne aus massivem Golde gefertigt; sie hatte ein rundes mit Strahlen und Flammen umgebenes Antlitz, gerade so wie die Maler die Sonne darstellen, und war dabei so groß, daß sie beinahe von der einen Mauer bis zur andern reichte. Man sah nur diesen einen Götzen, denn die Indianer verehrten weder in diesem Tempel noch anderswo andere Götter; sie hatten nur einen einzigen Gott, die Sonne. Als die Spanier die Stadt eroberten, ging dieses Bild der Sonne durch die Spielsucht des spanischen Edelmanns Mancio Serra von Lequizano zu Grunde ; er setzte es nämlich in einer Nacht, weil seine Größe ihm hinderlich war, auf das Spiel und verlor so seinen Antheil an der Beute. Man kann schon hiernach beispielsweise die Schätze ermessen, welche die Eroberer in dem Tempel antrafen. Zu beiden Seiten der Sonne sah man die Leichname der verstorbenen Könige, alle nach der Ordnung ihres Alters nebeneinander gereiht und so künstlich einbalsamirt, daß sie zu leben schienen. Sie saßen auf goldenen Thronen, die auf goldenen Platten standen und schauten nach dem untern Theile des Tempels; nur der Inca Huayna Capac, das geliebteste der Kinder der Sonne, genoß vor den übrigen die Auszeichnung daß er gerade diesem glänzenden Himmelskörper gegenüber saß, weil er schon im Leben seiner hohen Tugenden wegen der Anbetung für würdig befunden worden war. Bei der Ankunft der Spanier wurden diese Leichname mit den meisten übrigen Schätzen so gut verborgen, daß man sie nie wieder alle auffinden konnte; nur fünf wurden im Jahre 1559 von dem Licentiaten Polo entdeckt, nämlich drei Könige und zwei Königinnen. – Der Sonnentempel hatte mehrere Thore, sie waren alle mit Goldplatten belegt, und außen lief um den ganzen Tempel an der Mauer ein Kranz von Gold eine Elle breit herum. Neben dem Tempel erblickte man einen kleinen als Eingang in den größeren dienenden mit vier Seitenhallen, an welchem oben eine Einfassung von feinem Golde ähnlich der ebengenannten angebracht war; um ihn herum standen fünf große Pavillons, die oben in Pyramidenform ausliefen. Der erste war zur Wohnung des Mondes, der Gemahlin der Sonne, bestimmt und lag dem Haupttempel am nächsten; die Wände und Thüren waren mit Silberplatten belegt um durch die weiße Farbe anzudeuten, es sey dieß die Wohnung des Mondes, dessen Gesicht im Innern auf einer großen Silberplatte ausgeprägt war; es glich dem Antlitze eines Weibes. Hier erfüllen die Indianer ihre Gelübde dem Monde, den sie für die Schwester und Gemahlin der Sonne sowie für die Mutter ihrer Incas hielten; sie nannten ihn deßhalb auch Mamaqullia (Mutter Mond), doch brachten sie ihm nicht wie der Sonne Opfer dar. Zu beiden Seiten des Bildes des Mondes erblickte man die Leichname der verstorbenen Königinnen nach ihrem Alter in einer Reihe stehend. Mama Oello, die Mutter des Huayna Capac, hatte allein das Gesicht gegen den Mond gekehrt; man gab ihr diesen Vorzug vor den übrigen, weil sie einen so tugendhaften Sohn geboren hatte.

Der Wohnung der Mondes zunächst lag der Pavillon, welcher der Venus, den Pleiaden und den übrigen Sternen im allgemeinen geweiht war; man nannte die Venus Chasca (Langhaar), um damit anzudeuten daß dieser Stern lange und gekräuselte Haare habe; man verehrte ihn ganz besonders, denn man hielt ihn für den Pagen der Sonne, der, wie man sich ausdrückte, bald vor bald hinter ihr ginge. Auch den Pleiaden erwies man große Verehrung, wegen ihrer merkwürdigen Gruppirung und weil ihnen ein Stern dieser Gruppe so groß wie der andere vorkam. Alle übrigen Sterne betrachteten sie als Dienerinnen des Mondes; man wies ihnen deßhalb auch eine Wohnung neben ihrer Herrin an, damit sie dieselbe um so bequemer bedienen könnten, denn man glaubte die Sterne seyen am Himmel zum Dienste des Mondes und nicht der Sonne, weil man dieselben nur des Nachts und nicht am Tage erblickte. Dieses Gebäude war nebst seinem großen Portal, wie der Tempel des Mondes, gleichfalls mit Silber bedeckt. Sein Dach stellte den Himmel dar und daran prangten Sterne von verschiedener Größe. Das dritte Gebäude diesem zunächst war dem Blitz, dem Donner und dem Wetterstrahle geweiht, welche drei Erscheinungen man unter dem einzigen Ausdruck Illapa begriff. Man betrachtete sie nicht als Götter sondern als Diener der Sonne; ihre Wohnung war deßhalb auch mit Gold bekleidet; sie selbst aber hatte man weder in Statuen noch in Abbildungen dargestellt, weil sich die Indianer keine Personification jener Naturerscheinungen zu erdenken wußten. Sie hatten deßhalb auch weit mehr Furcht und Abscheu als Achtung vor ihnen. Traf der Blitzstrahl ein Haus, so durfte es Niemand mehr betreten und die Thüre ward vermauert; traf er das Feld, so wurde das getroffene Stück umzäunt, damit es nie wieder von einem Menschen berührt werden möge. Der vierte Pavillon war dem Regenbogen geheiligt, weil sie fanden daß er stets vor der Sonne herging; er zeichnete sich durch seinen Reichthum an Gold aus und der Regenbogen selbst war in seinen verschiedenen Farben auf Goldplatten so groß dargestellt, daß er eine Seite des Gebäudes fast ganz einnahm. Sie nannten den Regenbogen Cuycha und bewiesen ihm große Ehrfurcht. Wenn sie ihn am Himmel erscheinen sahen, machten sie auf der Stelle den Mund zu und hielten die Hand davor, weil sie glaubten daß, wenn sie denselben auch nur ein wenig öffneten, ihre Zähne verderben und faul würden. Das fünfte und letzte Gebäude war das des Oberpriesters und der übrigen Priester, die den Tempeldienst verrichteten und die alle von königlichem Geblüt seyn mußten. Von oben bis unten gleich den übrigen mit Gold verziert, diente es weder zum Essen noch zum Schlafen, sondern als Saal, um darin Audienz zu geben und über die anzustellenden Opfer sowie über die den Tempeldienst betreffenden Angelegenheiten sich zu berathen. Der oberste Priester hieß Villaellma (Wahrsager); er deutete die Anzeichen und Opfer, die Träume und sonstigen Erscheinungen dem Volke, und durch seinen Mund that die Sonne ihren Willen, ihre Befehle kund. Außer den fünf großen Pavillons befanden sich in dem Sonnentempel selbst noch mehrere Gemächer für die Priester und Tempeldiener, die nur aus der Kaste der Incas genommen wurden. Kein anderer Indianer, so vornehm er auch war, durfte sie betreten, ebensowenig Frauen, selbst nicht einmal die Gemahlinnen und Töchter der Könige. Die Priester verrichteten den Tempeldienst abwechselnd nach Wochen, die sie nach den Mondsvierteln zählten; während dieser Zeit berührten sie nicht ihre Weiber und verließen den Tempel weder bei Tag noch bei Nacht. Die Indianer welche im Tempel als Pförtner, Kehrer, Küchen- und Kellermeister, Kleiderbewahrer u. s. w. dienten, mußten von denselben Stämmen und aus denselben Städten seyn wie die welche im Palast des Königs den Dienst hatten: es waren nämlich gewisse Städte verpflichtet sowohl die Diener für den königlichen Palast, als auch für den Sonnentempel zu liefern; denn es verdient bemerkt zu werden, daß in beiden wegen der Beziehung, welche zwischen dem Vater und dem Sohne, d. h. zwischen der Sonne und dem Inca obwaltete, kein Unterschied des Dienstes herrschte, ausgenommen daß in dem Tempel keine Frauen dienten und in dem Palast nicht geopfert wurde. Die Orte an welchen man die Opfer darbrachte, waren der Feierlichkeit derselben entsprechend. Manche wurden auf gewissen Plätzen, andere an mehreren Stellen welche im Sonnentempel zu diesem oder jenem Feste bestimmt waren, verrichtet. Die allgemeinen Opfer am Hauptfest der Sonne, Raymi genannt, brachte man auf dem großen Platze der Stadt, die andern nicht so bedeutenden dagegen in dem Vorhof des Tempels, in welchem die Bewohner aller Provinzen und Leute aus allen Stämmen des Reiches zu tanzen und sich zu vergnügen pflegten. Jedoch durfte man diesen geweihten Ort nur barfuß betreten. Vier große Straßen führten aus der Stadt zum Tempel; auf ihnen mußte man vor dem Thore des Tempels die Schuhe ausziehen ehe man weiter gehen durfte. In dem Sonnentempel sprudelten an verschiedenen Stellen fünf Quellen aus goldenen Röhren in steinerne, goldene und silberne Becken, in welchen die Opfer je nach ihrer Wichtigkeit oder nach dem höhern Grade der Feierlichkeit abgewaschen wurden. Die Röhren welche das Wasser herbeileiteten, lagen unter dem Boden und waren mit Steinen übermauert. Mit dem Tempel war ein Garten verbunden, der ganz von Gold und Silber starrte und in dem sich eine Masse von Thieren, Figuren, Schlangen u. s. w. alle aus reinem Gold und Silber befanden, ganz so wie in den Palästen und Gärten der Incas. Bei allen Festen die man jährlich beging, opferte man dem Sonnengott eine ungeheure Masse Gold und Silber, eine Menge Goldschmiede arbeiteten beständig, um stets neue Verschönerungen für den Tempel hervorzubringen; sie fertigten fortwährend eine große Anzahl dem Tempeldienst geweihter Geschirre, als Töpfe, Vasen, Kohlenbecken, kurz alle Gerätschaften bis zur Gartenhacke und zum Rechen, so daß man den Tempel mit seiner Umgebung in Wahrheit Coricancha (Goldviertel) nennen konnte. Alle übrigen in den Provinzen befindlichen Tempel waren nach dem Muster des Hauptsonnentempels erbaut. Jeder Curaca beeiferte sich den Tempel seiner Provinz so viel als möglich durch Gold und Silber zu verschönern; auch waren alle, wie der zu Cuzco, mit Gold und Silberplatten bedeckt. Die nächsten Verwandten der Curacas waren Priester der Sonne; doch der Oberpriester in jeder Provinz mußte ein Inca aus königlichem Stamme seyn, damit überall der Gottesdienst dem in der Hauptstadt üblichen gleich bleibe.

Unter den berühmtesten Tempeln die dem Sonnengott in Peru geweiht waren, zeichnete sich besonders noch der auf der Insel Fisticaca aus. Von hier gingen die beiden Kinder der Sonne dem ihnen ertheilten Befehl gemäß aus, als die Sonne sie zur Erde sendete. Die Insel liegt in einem tiefen See, welcher achtzig Stunden im Umfang hat und für heilig gehalten wurde. Man baute auf ihr einen prachtvollen Tempel; die Bewohner aller Provinzen wallfahrteten dahin und legten reiche Opfer an Gold, Silber, Edelsteinen u. dgl. am Altar der Gottheit nieder.

Die Masse des daselbst aufgehäuften Goldes und Silbers soll so bedeutend gewesen seyn, daß man daraus einen großen Tempel von den Fundamenten bis zum Giebel hätte erbauen können. Bei Ankunft der Spanier warfen die Indianer alle diese Schätze in den See. Unter andern versenkten sie eine große Goldkette, welche Huayna Cassac hatte fertigen lassen. Als sich das Gerücht von dem Verlust dieses Schatzes unter den Spaniern verbreitete, verbanden sich zwölf spanische Kaufleute, um sie wo möglich wieder aus dem See herauszuschaffen; sie wendeten das Senkblei an und fanden daß er 25 Klafter tief war und einen sehr schlammigen Grund hatte. Sie ließen sich dadurch aber nicht abschrecken und beschlossen im Jahr 1557 den See abzuleiten. Nachdem sie einen bereits mehr als 50 Schritte langen Abflußcanal hatten graben lassen, stießen sie auf einen Felsen der jeder Anstrengung spottete, so daß man das Unternehmen mit großem Geldverlust aufzugeben gezwungen war.

Nicht allein den Tempel aber hatten die Indianer mit außerordentlicher Pracht geschmückt, sondern sie verschönerten die Insel selbst auf alle nur mögliche Weise. Sie ebneten sie, reinigten sie von Felsen und Steinen, überschütteten sie mit fetter, fruchtbarer Erde und pflanzten darauf die verschiedenartigsten Gewächse, besonders Mais, dessen Körner, wenn sie reif waren, gesammelt und dem König als ein Heiligthum übersendet wurden. Der König trug einen Theil dieser Körner in den Tempel der Sonne und schickte den Rest den auserwählten Jungfrauen mit dem Befehl, dieselben durch das ganze Reich in die Tempel und Jungfrauenhäuser zu vertheilen; man säete sie in den Gärten derselben und vertheilte deren Ertrag unter alle Städte. Ueberall streute man sodann diese Körner auf den Speichern der Sonne, des Königs und in den öffentlichen Magazinen aus, weil man glaubte sie besäßen die Eigenschaft das Brod zu erhalten und den Kornvorrath vor Verderben zu bewahren. Wenn ein Indianer auch nur ein Körnchen erhielt, so warf er es auf seinen Speicher, in der festen Ueberzeugung daß er niemals Mangel an Brod haben würde. Das religiöse Hauptfest hieß Yntip Raymi, oder auch einfach Raymi, das hohe Fest der Sonne. Die Anführer des Heeres wohnten diesem Feste bei wenn sie nicht im Felde standen, eben so die Curacas; sie waren dazu zwar nicht gezwungen, sondern jeder beeilte sich freiwillig an den feierlichen Ceremonien und Festlichkeiten, zu denen Tausende herzuströmten, Theil zu nehmen. Konnten die Curacas wegen Alter oder Amtsgeschäften nicht selbst erscheinen, so schickten sie ihre Söhne und Brüder in Begleitung ihrer vornehmsten Verwandten. Der Juca selbst that dabei Dienst als oberster Priester und verrichtete die vorzüglichsten Ceremonien. Ihm folgten, in eben so prachtvollem als sonderbarem Schmuck, die Curacas; ein Theil derselben trug Kleider mit Gold- und Silberplättchen besetzt, und Mützen mit goldenen Kränzen umwunden; andere waren, wie man den Hercules darstellt, mit einer Löwenhaut bekleidet, deren Kopf als Waffenzeichen und als Symbol ihres eigenen Muthes, ihrer eignen Tapferkeit dienen sollte. Denn sie selbst rühmten sich von Löwen abzustammen. Nach ihnen folgten andere welche Engeln glichen; sie waren mit den Flügeln eines Vogels versehen, der den Namen Cuntur trägt und so groß und wüthend ist, daß bisweilen Spanier von ihm getödtet wurden. Die Flügel dieser Vögel sind schwarz und weiß, und so groß daß sie von einer Spitze zur andern an 15 Fuß messen. Wieder andere, Vuncas genannt, nahmen eigne, sonderbare Masken vor, welche die schrecklichsten Gesichter die man sich nur immer denken kann darstellten; wenn man ihre Sprünge und Bewegungen sah, hielt man sie für wahnsinnig; dabei machten sie mit verschiedenen Instrumenten, wie Flöten und Trommeln, eine wahrhaft höllische Musik und schlugen mit zerrissenen Häuten um sich. Andere Curacas folgten mit verschiedenen Symbolen und Trachten. Jeder Stamm trug die Waffen deren er sich im Krieg bediente, wie Bogen, Pfeile, Schleudern, Lanzen, Speere, Keulen und Streitäxte. Auch gingen manche mit, die Tafeln trugen auf welchen ihre Großthaten, die sie im Dienste der Sonne und der Incas verrichtet hatten, abgebildet waren. Wieder andere waren von einer Schaar von Dienern umgeben, die große Pauken schlugen und in Trompeten stießen; mit einem Worte jeder Stamm erschien dabei in seinem festlichen Anzug und in so großer Anzahl als nur immer möglich, indem einer den andern an Pracht und Glanz zu überbieten suchte. Dem Feste selbst ging ein strenges Fasten vorher; denn sie aßen drei Tage hindurch nichts als ein wenig Mais, ganz roh mit einigen Kräutern und tranken kein Wasser, sie wohnten während dieser Zeit ihren Frauen nicht bei, und nirgends in der Stadt wurde ein Feuer angezündet. Am Tage vor dem Fest der Sonne rüsteten die Incas die Opfer zu, setzten in der Nacht die Schafe und Lämmer, welche zum Opfer bestimmt waren, in Bereitschaft und brachten auch die Lebensmittel und Getränke die für die Sonne als Opfergaben bestimmt waren, zusammen; man vertheilte zur Herbeischaffung aller dieser Dinge die Befehle, wenn man sich ungefähr von der Zahl der Personen welche zu dem Feste gekommen waren unterrichtet hatte; denn von den Opfern bekamen nicht allein die Curacas, die Gesandten, ihre Anverwandten, Diener und Unterthanen, sondern im allgemeinen alle dem Feste beiwohnenden Stämme ihren Antheil. In derselben Nacht waren die heiligen Jungfrauen beschäftigt eine große Masse Teiges aus Mais (Canca) zu bereiten, aus welchem sie kleine Brode so groß wie Aepfel formten, die für die Incas und Vornehmsten bestimmt waren. Für das gemeine Volk wurden diese Brode von einer gewissen Anzahl anderer Frauen, aber aus eben so seinem Mehl wie die andern bereitet.

Am Tage des Festes begab sich der Inca am frühen Morgen mit allen seinen Verwandten, die ihm je nach ihrem Rang folgten, auf den großen Platz der Stadt welcher Haucaypata heißt. Hier harren sie mit nackten Füßen bis die Sonne aufging, indem sie ihre Blicke aufmerksam nach Osten richteten; sobald sie dieselbe zum Vorschein kommen sahen, warfen sie sich auf die Knie um sie anzubeten; dann breiteten sie die Arme aus und sendeten mit der einen Hand Küsse in die Luft im heiligen Eifer, mit der lauten Erklärung daß sie die Sonne für ihren Vater und Gott hielten. Nun erhob sich der König, während die andern knieen blieben, nahm zwei große Gefäße (Aquilla) in die Hand, welche mit ihrem gewöhnlichen Getränk gefüllt waren, und reichte mit der Rechten der Sonne das eine Gefäß zum Trinken dar. Sie glaubten fest die Sonne tränke und lade den Inca mit seinen Verwandten ein, ihr Bescheid zu thun, denn es wurde bei den Peruanern als das höchste Zeichen der Gnade oder Freundschaft betrachtet, wenn einer dem andern zutrank. Nachdem der Inca die Sonne zum Trinken eingeladen hatte, schüttete er den Inhalt es Gefäßes in eine Art Becken das mit einer künstlichen, in den Tempel führenden Rohre versehen war, durch welche die Flüssigkeit verschwand. Dann trank er aus dem Gefäße welches er in der linken Hand hielt, und vertheilte den Rest an die Incas, von denen jeder einen kleinen goldenen oder silbernen Becher bei sich trug. Auf diese Weise leerten diese allmählich das Gefäß des Inca, dessen Inhalt wie sie sagten durch seine Hand oder die Hand der Sonne geheiligt war, und ihnen deren Vorzüge mitheilte. Alle aus königlichem Stamm erhielten von diesem Tranke, den Curacas dagegen gab man von dem Tranke, welchen die Frauen bereitet hatten und der nicht geheiligt war. Nach diesen Ceremonien begab sich der Inca mit allen aus königlichem Stamme in den Tempel, schon 200 Schritte von der Thüre zogen sie die Schuhe aus mit Ausnahme des Königs. Im Tempel warfen sich alle vor dem Sonnengott nieder und beteten ihn an. Die Curacas, die sich für unwürdig hielten den Tempel zu betreten, weil sie nicht von königlichem Geblüt waren, blieben auf dem großen Platz vor dem Tempel zurück. Sobald der Inca das große Trinkgefäß von Gold, mit welchem er die Ceremonie vor seinem Eintritt in den Tempel begonnen, mit eigner Hand dem Gott als Opfer dargebracht hatte, überreichten alle übrigen Incas ihre Trinkgefäße den Priestern um sie gleichfalls der Gottheit zu weihen; gleiches thaten die Curacas an der Pforte des Tempels. Außer diesen Gefäßen brachten sie noch herrliche Kunstgegenstände von Silber und Gold, wie Thiere, Eidechsen, Krebse, Schlangen, Füchse, Löwen, Vögel aller Art u. s. w. dar. – War dieses Opfer vorüber, so begab sich jeder an seinen Platz und man sah zu gleicher Zeit die Priester mit Schafen und Lämmern von verschiedenen Farben heranziehen. Unter den Schafen suchten sie ein völlig schwarzes zum Opfer aus, um aus dessen Eingeweiden die guten oder schlimmen Vorbedeutungen zu erforschen. Sie drehten dessen Kopf gegen Osten und schnitten ihm, indem es vier Männer festhielten, lebendig den Leib oder richtiger die linke Seite auf. Nun zogen sie das Herz, die Lunge und alle übrigen Eingeweide heraus, wobei sie sorgfältig Acht hatten, daß ja nichts zerrissen wurde. Man hielt es für eine gute Vorbedeutung wenn die Lunge, nachdem man sie herausgenommen hatte, sich noch bewegte; dann bliesen sie dieselbe auf und gaben genau Acht ob sie sich mehr oder weniger mit Luft anfüllte. Als ein böses Zeichen wurde es angesehen, wenn das Thier welches sie opfern wollten, sich auf die Beine stellte und den Händen derer welche es hielten entwich ebenso wenn beim Herausziehen der Lunge ein Theil zerriß und wenn das Herz Flecken hatte. Außerdem urtheilte man aus einer Menge anderer ähnlichen Erscheinungen. – Bei bösen Vorbedeutungen gaben sie das Fest zwar nicht auf, feierten es aber mit einer heimlichen Niedergeschlagenheit, weil sie glaubten ihr Vater, die Sonne, zürne auf sie und werde ihnen allerlei Plagen, Kriege, Mißwuchs, Krankheiten, Viehseuchen u. s. w. zuschicken Waren dagegen die Zeichen gut, so versprachen sie sich für die Zukunft viel Glück und eine allgemeine Heiterkeit herrschte unter ihnen.

Nachdem das schwarze Schaf geopfert war, wurden die anderen Thiere geschlachtet; Blut und Herz wurden dem Sonnengotte dargebracht und verbrannt. Es mußte das Feuer, dessen sie sich dabei bedienten, von der Sonne selbst herkommen, und sie erlangten dasselbe durch eine große goldene Armspange (Chipana), auf welche sich eine Art kleiner Brennspiegel befand, mit dem sie einen Büschel Baumwolle anzündeten; mit diesem Büschel steckten sie dann den Scheiterhaufen an. Das Fleisch der geschlachteten Thiere wurde gebraten und an diesem Tage gegessen. Dann nahm man von dem Feuer und trug es in den Tempel und die Wohnung der heiligen Jungfrauen, wo es das ganze Jahr hindurch unterhalten wurde. – Es war ein sehr böses Zeichen wenn es erlosch. Schien am Tag des Festes die Sonne nicht, so daß es unmöglich war das heilige Feuer mit dem Brennspiegel anzuzünden, so nahm man zwei kleine Stücke von einem der Zimmetrinde ähnlichen Holze, Vyaca genannt, und rieb sie so lange aneinander, bis die dazwischen gelegte Baumwolle Feuer fing. – Außer dem Fleische wurde Brod (Zanca) an alle die dem Feste beiwohnten vertheilt. Nach dem Essen wurden verschiedene Getränke verabreicht. Der Inca, der bei dem Gastmahle auf seinem goldenen Stuhle saß, lud nun zuerst alle seine Verwandten, dann die Anführer des Heeres und die Statthalter und zuletzt alle Anwesenden zum Trinken ein. Zuerst wurde die Gesundheit der Sonne und des Königs getrunken, und dann tranken die Incas, die Feldherren und die Curacas dem Könige zu, wobei sie ihm stets ihren Becher darreichten und einen Kuß mit der Hand zuwarfen. Er nahm mit Milde und Herablassung den Becher an, setzte ihn an den Mund und that jedem, wenn auch wenig, Bescheid. Nachdem man auf diese Weise einander zugetrunken hatte, trat eine Truppe Possenreißer vor, die Tänze nach dem Tacte ihrer Gesänge aufführten; nach diesen erschienen andere in Masken, welche nach der Sitte ihres Landes mehrere Wappen und Devisen trugen. Während dieser ganzen Zeit tranken der Inca, seine Verwandten, die Feldherren und Statthalter wacker darauf los, bis es Nacht wurde. Das Fest Raymi dauerte neun Tage, während welcher jeder auf alle Weise sich zu vergnügen suchte. Nach neun Tagen kehrten die Curacas mit der Erlaubniß des Königs heim, und das Fest war hiermit beendet.


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