Francisco de Xerez
Geschichte der Entdeckung und Eroberung Perus
Francisco de Xerez

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4. Der Zustand Peru's zur Zeit der Eroberung.

So viel über die Herkunft und den Charakter der Eroberer Perus! Einige Worte über die Verhältnisse dieses Landes zur Zeit der Eroberung, welche diese so sehr erleichterten, werden hier an ihrer Stelle seyn.Vrgl. Garcilasso de la Vega, Commentarios reales de los Incas, Part. I. lib. IX. cap. 32-36. – Huayna Capac, der zwölfte Inca Perus, hatte mit Einwilligung des Thronerben Huascar einem seiner andern Söhne, dem von ihm besonders bevorzugten Atabaliba, das Land Quito, den nördlichsten Theil des Reiches Peru, vermacht. Beide Brüder lebten mehrere Jahre nach dem Tode ihres Vaters in dem besten Einverständnisse, bis es Huascar einfiel seinem Bruder, der ihm in jeder Beziehung überlegen war und den er deßhalb fürchtete, zu melden, er könne ihm das durch seinen Vater unkluger Weise von dem Reiche getrennte Land nur unter der Bedingung lassen, daß er verspreche nach keiner Richtung hin Eroberungen zu machen und ihm als Landesherrn huldige. Atabaliba, welcher nicht gern seine Unabhängigkeit aufgeben wollte, aber auch nicht so mächtig war um seinem Bruder offen entgegentreten zu können, nahm seine Zuflucht zur List und ließ diesem sagen, er habe ihn stets im Herzen als seinen Gebieter anerkannt und wolle dieß auch vor aller Welt thun; er möge ihm nur erlauben zur Zeit der Leichenfeierlichkeiten seines Vaters nach der Hauptstadt zu kommen um ihm zu huldigen, aber auch zur Erhöhung der Feierlichkeit die Häuptlinge seines Landes mit zubringen gestatten. Huascar, welcher nichts Arges ahnte, ertheilte ihm freudig diese Erlaubniß. Atabaliba bot nun seine Häuptlinge und besten Krieger auf und ließ sie in einzelnen kleinen Abtheilungen und in festlicher Kleidung, unter welcher sie aber ihre Waffen verborgen hatten, nach Cuzco ziehen. In der Nähe der Stadt vereinigten sie sich und bildeten ein Heer von dreißig tausend Mann. Huascar erwachte nun, aber zu spät, aus seiner Sorglosigkeit und sammelte ein Heer. Es kam zu einem hartnäckigen Treffen, in welchem Huascar geschlagen und gefangen wurde. Atabaliba war jetzt Gebieter des ganzen Reichs, nahm aber, um, was er durch List und Treulosigkeit gewonnen hatte nicht wieder zu verlieren, zu den abscheulichsten Mitteln seine Zuflucht. So ließ er alle Prinzen und Leute von königlichen Geblüte, wie auch die Feldherren und Statthalter Huascars unter allerlei Vorwänden nach Cuzco kommen und ihnen die Köpfe abschlagen, um so eine Empörung gegen ihn unmöglich zu machen. In Peru bestand nämlich seit uralten Zeiten ein immer streng beobachtetes Gesetz, in Folge dessen der Beherrscher dieses Lande ein rechtmäßiger Sohn eines Inca und seiner rechtmäßigen Gemahlin, nämlich seiner Schwester, oder ein Nachkomme eines solchen, rechtmäßigen Sohnes seyn mußte. Atabaliba war aber der Sohn einer Beischläferin; um sich also in seinem die alten Gewohnheiten streng beobachtenden Lande sicher zu stellen, suchte er alle Kronprätendenten aus dem Wege zu räumen. Uebrigens verschonte er nicht einmal die unrechtmäßigen Prinzen, weil ja vielleicht einer oder der andere derselben Lust bekommen könnte seinem bösen Beispiel zu folgen. Diese Hinrichtungen und Verfolgungen dauerten einige Jahre; Huascar selbst wurde verschont, um sich seiner in einem etwaigen dringenden Falle als Rettungsmittel zu bedienen. Während Atabaliba mit seinem Heere zu Caxamalca stand, um von hier aus seine Befehle zu ertheilen und durch seine Feldherren Chilicuchima und Quizquiz das ganze Reich vollständig unter seine Botmäßigkeit zu bringen, landeten die Spanier, rückten ungehindert durch das bestürzte und unvertheidigte Land bis nach Caxamalca vor, wo, wie wir sehen werden, Atabaliba für seine Grausamkeiten büßen mußte. Wäre damals Peru nicht durch diese innern Unruhen zerrüttet gewesen und hätte sich die ganze Bevölkerung auf Befehl des rechtmäßigen Beherrschers gegen die eindringenden Fremdlinge erhoben, so wäre Pizarro wahrscheinlich nicht so kühn in das ihm völlig unbekannte Innere des Landes vorgedrungen und gewiß nicht so schnell zum Ziele gelangt, als es gegen sein eigenes Erwarten wirklich der Fall war.


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