Francisco de Xerez
Geschichte der Entdeckung und Eroberung Perus
Francisco de Xerez

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5. Ansehen und Ehrennamen der Incas und ihrer Nachkommen.

Nur ein Merkmal der Auszeichnung behielt der König sich und seinen Nachkommen vor; es bestand in einer farbigen Binde, die aus einer Art Franzen bestand und über die Stirne von dem einen Schläfe bis zum andern reichte. – Als Zeichen der Dankbarkeit und der Hochachtung legten die Indianer ihrem Inca mehrere Beinamen bei, die beiden Hauptsächlichsten waren Capac und Huac-Chacuyac; der erstere bedeutet reich, aber nicht an Glücksgütern, sondern an Vorzügen des Geistes, nämlich an Mitleid, Milde, Zugänglichkeit, Freigebigkeit, Gerechtigkeit, an guten Werken gegen die Armen. Ferner bedeutet es noch mächtig und groß in den Waffen. Das zweite Wort heißt Freund und Wohlthäter der Armen. Das Wort Inca bedeutet soviel als Herr, König, Kaiser. Noch vor seinem Tode ertheilte der Inca seinen Kindern, die er um sich versammelt hatte, die trefflichsten Lehren, unter anderem schärfte er besonders seinem Nachfolger, seinem ältesten Sohne Sinchi-Roca, ein, seine Unterthanen durch Wohlthaten und Liebe und nicht durch Gewaltthätigkeiten zu regieren. Er hatte diesen Sohn außer mehrern andern Kindern mit der Königin Mama Oello Huaco, seiner rechtmäßigen Gattin und Schwester, erzeugt. Außer diesem besaß er eine Anzahl Kinder von seinen Beischläferinnen, die er unterhalten hatte, weil, wie er sagte, es dem Staate zum Heile gereichte, wenn mehrere Kinder der Sonne vorhanden wären. Die Söhne und Töchter, welche ihm die Königin Mama Oello Huaco geschenkt hatte, wurden miteinander verheurathet, um das Stammblut oder wie sie sagten das Geschlecht der Sonne rein zu erhalten; es wurden deßhalb auch die, welche sich rühmen konnten von diesem Blute ohne Beimischung abzustammen, hoch in Ehren und für göttlich gehalten; dagegen nannte man jedes andere Geschlecht menschlich, selbst das der vornehmsten Herren und Vasallen, die den Namen Curaca trugen. Der Inca Siuchi Roca heurathete seine älteste Schwester Mama Oello, und diese Sitte, daß der Bruder die Schwester zur Frau nahm, wurde stets gewissenhaft beobachtet. Der erste Inca Manco Capac wurde von seinen Unterthanen sehr betrauert. Sie balsamirten ihn ein, um ihn stets bei sich zu haben, beteten ihn an als den Sohn der Sonne und brachten ihm Schafe, Lämmer, Hammel, Kaninchen, Vögel, Getreide und Früchte als Opfer dar. – Außer den angeführten Titeln legte man dem Inca noch den Namen Intip-cutin, d.h. Sohn der Sonne, bei; der Sohn des Königs und alle seine männlichen Nachkommen heißen Auqui, Prinzen. Sie behielten diesen Namen bis zu ihrer Verheurathung, wo man sie dann mit dem Titel Inca beehrte. Die rechtmäßige Königin führte den Titel Coya, d. h. Königin oder Kaiserin; man gab ihr auch den Namen Mamanchic, d. h. unsere Mutter, weil sie gegen alle ihre Verwandten und Unterthanen die Mutterpflichten übte; auch ihre Töchter nannte man Coya. Die Beischläferinnen des Königs, die mit ihm verwandt waren, sowie alle anderen aus königlichem Blute stammenden Frauen hießen Palla, d. h. Frauen von königlichem Blute; fremde Beischläferinnen, sowie Frauen welche nicht aus dem königlichen Stamme waren, nannte man Mamacuna, d. h. Matrone oder noch genauer bezeichnet eine Frau, welche die Verbindlichkeit hat Mutterpflichten zu erfüllen. Die Töchter des Königs sowie alle übrigen Töchter seines Namens trugen den Namen Nusta, was ein Fräulein aus königlichem Blute bedeutet; jedoch mit dem Unterschiede daß man Nusta einfach die hieß, welche rechtmäßig von dem König abstammten, während man den unehelichen Töchtern des Königs noch den Namen der Provinz, wo ihre Mutter geboren war, beifügte, wie Colla Nusta, Huanca Nusta, Quito Nusta.– Sobald die Töchter verheurathet waren, nahmen sie den Titel Palla an.

Nach der Behauptung der Indianer liegt kein einziger Fall vor, daß jemals ein Inca von königlichem Blute öffentlich bestraft worden wäre, weil er sich durch irgend ein Verbrechen einer bedeutenden Strafe schuldig gemacht hätte. Der einzige Grund, den man als Ursache dieser Erscheinung angibt, ist, daß die Lehre ihrer Väter, das Beispiel ihrer Vorfahren, die öffentliche Meinung, die sie als Söhne des Himmels betrachtete, welche zur Erde kamen um die Menschen zu unterrichten und ihnen wohlzuthun, sie stets in den Gränzen einer so großen Mäßigung hielten, daß sie ihrem Staate als ein vollkommenes Muster der Weisheit dienten. Die Indianer fügen bei, daß die Incas sich fast niemals täuschen, noch die nämlichen Fehler wie die übrigen Menschen begehen könnten, weil sie denselben Versuchungen nicht ausgesetzt seyen, indem die Liebe zu den Frauen, die Gier nach Reichthümern und die andern Leidenschaften des Herzens ihnen fremd blieben. Wenn der Inca nach Frauen sich sehne, so sey es ihm erlaubt jede ohne Ausnahme zu besitzen, und sey ein Mädchen auch noch so schön, so dürfte er sie nur von dem Vater verlangen, und dieser, weit entfernt sie ihm zu verweigern, bedanke sich noch demüthig bei ihm, daß er sich so weit herabgelassen habe sie zu seiner Beischläferin und Dienerin zu nehmen. Dasselbe behaupten sie bezüglich der Reichthümer; ihre Incas seyen niemals genöthigt gewesen sich das Gut anderer anzumaßen noch Zwietracht um Eigenthum hervorzurufen, denn an jedem Orte wo sie sich befänden, stünden alle Reichthümer, welche im Besitzthum der Sonne und der Incas ihrer Söhne seyen, ihnen zu Gebot, und die obersten Beamten und Verwalter der Städte seyen gehalten ihnen alles zu liefern was sie bedürften. Auch hätten die Incas ganz und gar keine Gelegenheiten im Zorn oder auch aus Rache irgend Jemanden zu morden, weil man so weit entfernt davon sey sie zu kränken, daß man ihnen den ersten Platz nach der höchsten Gottheit, d. h. nach der Sonne einräume und sie anbete. Wenn Jemand den Inca in Zorn bringe, so sey dieß eine Gotteslästerung, und man bestrafe dieß eben so strenge als wenn er die Sonne feindlich angegriffen hätte. Auch kann man versichern, daß niemals ein Indianer bestraft wurde, weil er einen Inca an seiner Person, an seinen Gütern oder an seiner Ehre verletzt hatte, weil Niemand es je wagen würde dieß zu thun und weil alle Landeseingebornen die Incas als Götter betrachteten.

Das Reich der Incas war in vier Haupttheile getheilt, und in jedem dieser Theile hatte der erste Inca drei Räthe eingesetzt: einen für die Angelegenheiten des Kriegs, einen zweiten zur Handhabung der Gerechtigkeit und einen dritten für die Sicherheit des Besitzthums. – Jeder Rath hat seine untergeordneten Beamten, deren geringste die Decurionen (Zehnmänner) waren. Diese Beamten mußten von Stufe zu Stufe bis zu den höchsten Räthen über alles was im Lande vorging Rechenschaft geben. Außerdem hatte man vier Vicekönige in den vier Landestheilen, welche in den Ratsversammlungen ihres Gebietes den Vorsitz führten. Diese Vicekönige waren in ihren Provinzen unumschränkte Herren und nur über das was in ihrem Bezirke vorging, dem Inca Nachricht schuldig. Sie mußten übrigens rechtmäßige Incas und in den Geschäften des Kriegs und des Friedens wohl erfahren seyn. Auch konnten nur Incas in dem Staatsrath fetzen, und sie allein empfingen aus dem Munde des regierenden Inca die Befehle, welche sie stets befolgen mußten. Sie benachrichtigten von diesen Befehlen ihre Minister und diese theilten dieselben von Stufe zu Stufe den andern Beamten bis zu dem letzten mit.

Außer der Binde, von der wir schon weiter oben gesprochen, trugen die spätern Incas auf dem Kopfe, als auszeichnenden Schmuck der ihnen allein zustand, die beiden längsten Federn von dem Flügel eines Vogels, den die Indianer Corequenque nennen und der von der Größe eines Falken ist. Diese Federn die schwarz und weiß gefleckt sind, dürfen nicht von demselben Flügel, sondern müssen die eine von dem rechten und die andere von dem linken seyn. Die Vögel halten sich in der Wüste Villcanuta, 32 Stunden von Cuzco, am Fuße der großen Schneegebirge an einem kleinen Sumpfe auf. Der Sage nach sah man stets nur zwei dieser Vögel auf einmal, ein Männchen und ein Weibchen; die Incas waren davon fest überzeugt und betrachteten sie als ein Sinnbild der ersten Incas, des Manco Capac und seiner Gemahlin. Ihnen zu Ehren schmückten sie sich mit diesen Federn, hielten sie für heilig, und schätzten sie so hoch daß niemand außer ihnen sie tragen durfte.

Um diese Federn zu bekommen gehen die Indianer auf die Jagd und fangen die Vögel so sanft als nur immer möglich; haben sie ihnen diese Federn ausgerissen, so geben sie ihnen wieder die Freiheit; sie stellen diese Jagd jedesmal an wenn ein neuer Inca den Thron besteigt, denn der neue Herrschen trägt niemals den Schmuck seines Vorgängers, weder die Federn noch sonst ein Abzeichen desselben.


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