Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

4

Über ihren Köpfen schlugen die Segel. Das Wasser gluckste und schwappte gegen die Wände des Bootes, das regungslos in der Sonne drusselte. Dann und wann hoben sich die Segel etwas unter einer leichten Brise, aber es war nur ein Hauch, der erstarb. Das Boot machte nicht die geringste Fahrt. Mr. Ramsay saß mittschiffs. Gleich würde er ungeduldig werden, dachte James, und Cam dachte dasselbe, als sie ihren Vater ansah, der zwischen ihnen saß in der Bootsmitte (James steuerte, Cam saß allein im Bug) und die Beine fest verschlungen hatte. Er haßte es, müßig herumzusitzen. Und richtig, nachdem er ein paar Sekunden nervös hin und her gerückt war, sagte er mit scharfem Ton etwas zu dem jungen Macalister, der die Riemen einlegte und zu rudern begann. Aber es war ihnen klar, ihr Vater würde nicht eher zufrieden sein, als bis sie dahinflogen. Er würde immerzu nach einer Brise Ausschau halten, hin und her rücken und halblaut allerlei murmeln, was Macalister und sein Junge doch hören würden; und sie beide würden sich schrecklich unbehaglich fühlen. Er hatte sie zum Mitfahren veranlaßt. Er hatte sie zum Mitfahren gezwungen. Nun hofften sie in ihrem Ärger, daß die Brise niemals aufkommen möge, daß ihm in jeder Weise ein Strich durch die Rechnung gemacht würde, da er sie gegen ihren Willen zum Mitkommen gezwungen hatte.

Auf dem ganzen Wege zum Strand hatten sie hinter ihm getrödelt, trotz seiner stummen Mahnung: »Eilt euch! Eilt euch!« Ihre Köpfe waren gebeugt, ihre Köpfe waren niedergedrückt von einem erbarmungslosen Sturm. Sprechen konnten sie nicht mit ihm. Sie mußten kommen; sie mußten folgen. Sie mußten hinter ihm dreingehen und braune Pakete tragen. Aber sie gelobten, während sie schweigend folgten, zusammenzustehen und nicht abzuweichen von dem großen Pakt – der Tyrannei zu widerstehen bis zum Tode. So saßen sie nun schweigend, der eine an diesem Ende des Bootes, die andere am anderen. Sie sprachen kein Wort, sahen ihn nur dann und wann an, wie er dasaß, die Beine gekreuzt, stirnrunzelnd und unruhig hin und her rückend, verächtliche Laute von sich gebend, leise vor sich hin schimpfend und ungeduldig auf eine Brise wartend. Und sie hofften, es würde windstill bleiben. Sie hofften, er würde eine Niederlage erleiden. Sie hofften, die ganze Unternehmung würde schiefgehen und sie müßten mitsamt ihren Paketen zum Strand zurückkehren.

Nun aber, als Macalisters Junge sie ein Stück hinausgerudert hatte, schwangen die Segel langsam herum, das Boot bekam Fahrt, streckte sich und schoß davon. Sogleich, als wäre er aus einer großen Spannung erlöst, nahm Mr. Ramsay die Beine auseinander, zog seinen Tabakbeutel hervor, reichte ihn mit einladendem Grunzen dem alten Macalister und war, das fühlten sie, vollkommen zufrieden, indessen sie dasaßen und litten. Nun würden sie stundenlang so weitersegeln, und Mr. Ramsay würde dem alten Macalister eine Frage stellen – über den großen Sturm im letzten Winter wahrscheinlich –, und der alte Macalister würde antworten, und sie würden mitsammen ihre Pfeife paffen, und Macalister würde ein teeriges Tauende in die Hand nehmen, einen Knoten machen oder lösen, und der Junge würde fischen und zu keinem auch nur ein Wort sprechen. James aber würde die ganze Zeit kein Auge vom Segel verwenden dürfen. Denn wenn er nicht achtgab, so verlor das Segel Wind und killte, und das Boot verlor Fahrt, und Mr. Ramsay würde in scharfem Ton sagen: »Paß doch auf! Paß auf!«, und der alte Macalister würde sich langsam auf seinem Sitz umdrehen. Und richtig hörten sie, wie Mr. Ramsay nach dem großen Sturm um Weihnachten fragte. »Tja, da wurde es um die Landspitze herumgetrieben«, sagte der alte Macalister und schilderte den großen Sturm um Weihnachten, als zehn Schiffe schutzsuchend in die Bucht getrieben worden waren; er hatte ›eins da, eins da und eins da‹ gesehen (sein Zeigefinger machte langsam die Runde in der Bucht. Mr. Ramsay wandte den Kopf und folgte ihm). Er hatte gesehen, wie drei Mann sich an den Mast klammerten. Dann war es gesunken.

»Und schließlich kamen wir denn ja vom Land los«, erzählte er weiter (in ihrem Ärger und ihrer Schweigsamkeit, durch die ganze Länge des Bootes getrennt, aber verbunden durch ihren Pakt, sich der Tyrannei zu widersetzen bis zum Tode, fingen sie nur dann und wann ein Wort von der Geschichte auf).

Schließlich also waren sie vom Lande losgekommen, sie hatten das Rettungsboot flottgemacht und es glücklich um die Landspitze herumgebracht – so erzählte Macalister; und wenn sie auch nur dann und wann ein Wort auffingen, so hatten sie doch während der ganzen Zeit einen sehr deutlichen Eindruck von ihrem Vater – wie er vorgebeugt saß, wie er seine Stimme auf die Macalisters einstimmte; wie er, seine Pfeife paffend und mit seinen Blicken den Weisungen des Macalisterschen Zeigefingers folgend, hierhin und dorthin blickte; er genoß die Vorstellung von dem Sturm und der finsteren Nacht und dem Kampf der Fischer. Ihn freute der Gedanke, daß Männer da nachts an der windigen Bucht sich mühen und schwitzen mußten, daß sie Muskel und Hirn einsetzen mußten gegen Wellen und Wind; ihm gefiel die Vorstellung, daß Männer sich so plagen mußten und die Frauen das Haus hüteten und drinnen am Bett der schlafenden Kinder saßen, indessen draußen die Männer im Sturm ertranken. Das merkte James, das merkte auch Cam (sie sahen ihn an, sie sahen einander an) an seiner Unruhe und seiner Wachsamkeit, am Klang seiner Stimme, an einem leichten schottischen Akzent, der plötzlich seiner Sprache anhaftete, was ihn in einen Bauern zu verwandeln schien, als er Macalister über die elf Schiffe ausfragte, die vom Sturm in die Bucht getrieben worden waren. Drei davon waren gesunken.

Er blickte stolz in die Richtung, die ihm Macalister wies, und Cam dachte, plötzlich war sie stolz auf ihn, ohne recht zu wissen, warum, wäre er dagewesen, er hätte das Rettungsboot zu Wasser gebracht, er hätte das Wrack erreicht, dachte Cam. Er war so tapfer, er war so unerschrocken, dachte Cam. Aber da fiel ihr ein: Wir haben unseren Pakt; der Tyrannei sich widersetzen bis zum Tode. Ihre Not drückte sie nieder. Er hatte sie gezwungen; er hatte sie genötigt. Er hatte sie wieder einmal überwältigt mit seinem gramvollen Blick und seiner Autorität, und sie hatten ihm den Willen tun und an diesem schönen Morgen die Pakete schleppen und mit ihm zum Leuchtturm fahren müssen, weil er es wünschte; sie mußten teilnehmen an diesen Riten, die er aus eigenem Gefallen zum Gedächtnis Toter vollzog, was sie haßten, so daß sie hinter ihm trödelten und alle Lust des Tages ihnen vergällt war.

Ja, die Brise frischte auf. Das Boot lag schräg, sein Bug schnitt scharf durchs Wasser, das in grünen Kaskaden, in Blasen, in Katarakten beiseite gedrückt wurde. Cam blickte hinab in den Schaum, in die See mit all ihren Schätzen darin, die Geschwindigkeit berauschte sie, und das Band zwischen ihr und James erschlaffte etwas. Es lockerte sich etwas. Wie rasch wir fahren, dachte sie. Wohin fahren wir? Und die Bewegung berauschte sie, während James, den Blick starr auf das Segel und den Horizont geheftet, mit Ingrimm steuerte. Beim Steuern aber setzte sich ein Gedanke in ihm fest, daß er vielleicht entfliehen, sich von allem befreien könnte. Sie könnten irgendwo landen und dann frei sein. Sie hatten beide, einander anblickend, ein paar Herzschläge lang ein Gefühl des Entkommens und der Ermutigung – zum Teil wohl von der raschen Fahrt und der Veränderung. Aber in Mr. Ramsay weckte die Brise die gleiche Erregung, und als der alte Macalister sich umdrehte, um seine Angelschnur über Bord zu werfen, rief er laut: »Wir gingen unter«, und dann: »Jeder allein.« Worauf ihn wie immer ein Anfall von Reue oder Scham packte; er gebot sich Einhalt und wies mit der Hand zum Ufer hinüber.

»Sieh nur das kleine Haus«, sagte er zu Cam und wollte, sie sollte hinsehen. Sie erhob sich widerstrebend und sah hin. Aber welches war es? Sie konnte nicht mehr unterscheiden, welches von den Häusern da auf dem Hügelhang ihr Haus war. Alles sah fern und friedlich und fremd aus. Das Ufer schien verschönt, weit weg, unwirklich. Schon die kleine Entfernung, die sie durchsegelt hatten, hatte es ihnen ferngerückt, hatte ihm das gelassene Aussehen dessen gegeben, das entweicht, an dem man nicht länger teilhat. Welches war nun ihr Haus? Sie konnte es nicht finden. »Mich aber haben wildere Wogen …«, sagte Mr. Ramsay halblaut. Er hatte das Haus entdeckt, und damit hatte er auch sich selbst dort gesehen; er hatte sich auf der Terrasse hin und her gehen sehen, einsam. Auf und ab wanderte er zwischen den Steinvasen; und er kam sich sehr alt vor und sehr gebeugt.

Er beugte sich vor im Boot, er duckte sich zusammen, sogleich spielte er seine Rolle – die Rolle eines einsamen Mannes, verwitwet, verlassen; er beschwor einen Schwarm von Menschen herauf, die mit ihm fühlten; spielte sich selbst, als er im Boot saß, ein kleines Drama vor, das Gebrechlichkeit von ihm verlangte und Erschöpfung und Trauer (er hob die Hände und betrachtete sie zur Bestätigung: ja, sie waren dünn); und dann wurde ihm in quellendem Überfluß das Mitgefühl der Frauen zuteil, und er stellte sich vor, wie sie ihn trösten und mit ihm empfinden würden: und da ihm im Traum ein Widerschein der köstlichen Lust beschieden war, die das Mitgefühl der Frauen ihm spendete, so seufzte er und sagte leise und traurig:

Mich aber haben wildere Wogen
in ihren Schlund hinabgezogen,

so daß alle im Boot die traurigen Worte deutlich hören konnten. Cam fuhr halb von ihrem Sitz hoch. Es empörte sie – es machte sie rasend. Die Bewegung rüttelte ihren Vater auf; er erschauerte, er brach ab und rief: »Seht doch! Seht doch!« – so drängend, daß auch James den Kopf über die Schulter wandte, um zur Insel zurückzublicken. Sie blickten alle hin. Sie blickten alle hinüber zur Insel.

Aber Cam konnte nichts erkennen. Sie stellte sich vor, daß alle diese Gartenwege und der Rasen, vertraut und verknüpft mit den Leben, die sie dort gelebt hatten, verschwunden wären: weggewischt wären, vergangen; unwirklich geworden; und dies hier war nun wirklich: das Boot und das Segel mit dem Flicken darauf; Macalister mit seinen Ohrringen; das Rauschen des Wassers – all dies war wirklich. Bei diesen Gedanken murmelte sie vor sich hin: »Wir gingen unter – jeder allein«; denn die Worte des Vaters drangen wieder und wieder in ihre Gedanken ein; hier begann Mr. Ramsay, da er sie unbestimmt ins Leere starren sah, sie zu necken. Ob sie denn die Richtungen der Windrose nicht kenne? fragte er. Ob sie Norden nicht von Süden unterscheiden könne? Ob sie tatsächlich glaube, sie wohnten da, wo sie jetzt hinsehe? Und er bezeichnete ihr abermals die Richtung und zeigte ihr, wo ihr Haus stand: da drüben, bei den Bäumen. Wenn sie so etwas doch nur ein bißchen genauer nehmen wollte, dachte er und sagte: »Na, wo ist Osten, wo ist Westen?« – sagte es halb lachend, halb scheltend, denn der Geisteszustand eines Menschen, der einigermaßen seine fünf Sinne beisammen hatte und die Richtungen der Windrose nicht kannte, war ihm unfaßbar. Aber sie kannte sie wirklich nicht. Und da er nun ihren leeren, jetzt etwas verstörten Blick auf einen Punkt gerichtet sah, wo überhaupt kein Haus stand, vergaß Mr. Ramsay seinen Traum; vergaß, wie er zwischen den Steinvasen auf der Terrasse auf und ab wanderte; wie sich die Arme ihm entgegenstreckten. Frauen sind doch immer so, dachte er: die Verschwommenheit ihres Denkens ist hoffnungslos; es war etwas, was er hatte nie begreifen können; aber es war so. Auch mit ihr – seiner Frau – war es so gewesen. Sie konnten nichts klar im Gedächtnis behalten. Aber es war nicht recht von ihm gewesen, deshalb ärgerlich über sie zu werden; und außerdem, war ihm nicht gerade diese Unklarheit des Denkens an den Frauen liebenswert? Sie war ein Teil ihres zauberischen Reizes. Sie soll mich anlächeln, dachte er. Sie sieht verschüchtert aus. Sie ist so schweigsam. Er verschränkte die Finger und beschloß, seine Stimme und sein Gesicht und die raschen ausdrucksvollen Gesten, mit denen er all die Jahre hindurch Mitleid und Lob der Menschen nach seinem Willen auf sich gelenkt hatte, zu bezähmen. Sie sollte ihn anlächeln. Er wollte ein paar einfache, unbefangene Worte finden, die er zu ihr sagen konnte. Aber was? Denn da er ganz in seine Arbeit verkapselt gewesen war, hatte er vergessen, was man so sagte. Aber da war ja der junge Hund. Sie hatten einen jungen Hund. Wer denn nun heute für das Hündchen sorge? fragte er. Ja, dachte James erbarmungslos und sah den Kopf seiner Schwester abgehoben vom Segel, jetzt wird sie nachgeben. Ich werde allein gegen den Tyrannen kämpfen müssen. Der Pakt mußte von ihm allein erfüllt werden. Cam würde sich niemals der Tyrannei widersetzen bis zum Tode, dachte er grimmig und beobachtete ihr Gesicht, ein trauriges, verdrossenes, willfähriges Gesicht. Und, wie es manchmal geschieht, wenn ein Wolkenschatten auf einen grünen Hügelhang fällt und Ernst niedersinkt und Düsterkeit und Trauer sich rings über alle Hügel breiten, als müßten sie selbst das Schicksal des Überschatteten, Verdüsterten erwägen, entweder voll Mitleid oder trotz ihrer Bestürzung in boshafter Schadenfreude: so fühlte auch Cam sich überschattet, als sie da zwischen ruhigen, entschlossenen Männern saß und nicht wußte, wie sie die Frage ihres Vaters nach dem Hündchen beantworten, wie sie seiner Bitte widerstehen sollte – vergib mir, hab mich lieb; während James der Gesetzgeber, auf dessen Knien die Tafeln ewiger Weisheit offen lagen (seine Hand auf der Ruderpinne war ihr zum Sinnbild geworden), ihr befahl: Widersetze dich ihm! Bekämpfe ihn! Daß er es sagte, war recht und gerecht. Denn sie mußten gegen die Tyrannei kämpfen bis zum Tode, dachte sie. Von allen menschlichen Eigenschaften verehrte sie vor allem Gerechtigkeit. Ihr Bruder war höchst gottähnlich, ihr Vater flehte aufs demütigste. Und wem sollte sie sich ergeben, dachte sie, die zwischen ihnen saß und zum Ufer starrte, wo ihr nun alles fremd war; denn der Rasenplatz, die Terrasse und das Haus, dachte sie, waren jetzt verschwunden, und Friede herrschte dort.

»Jasper«, sagte sie mürrisch; er würde für den Hund sorgen.

Und wie sie ihn denn nennen wolle? fragte der Vater hartnäckig weiter. Er habe als Junge einmal einen Hund gehabt mit Namen Frisk. Sie wird nachgeben, dachte James, als er den Ausdruck sah, der auf ihr Gesicht trat, einen Ausdruck, den er kannte. Dann blicken sie auf ihre Strickarbeit hinab, oder was sie sonst in der Hand haben, dachte er. Und plötzlich blicken sie dann auf. Es war wie ein blauer Blitz, fiel ihm ein, und jemand, der neben ihm saß, lachte und war voll Hingabe, und er ärgerte sich sehr. Das mußte seine Mutter gewesen sein, dachte er, sie saß auf einem niedrigen Stuhl, und Vater stand hochaufragend neben ihr. Und nun begann er die endlose Folge von Eindrücken zu durchforschen, wie sie die Zeit unaufhörlich mit sachter Hand auf sein Hirn gelegt hatte, Blatt auf Blatt, Falte auf Falte; zusammen mit Gerüchen und Geräuschen, Stimmen, rauhen, dumpfen, lockenden; vorüberhuschenden Lichtern und kratzenden Besen; und dem Rauschen und Raunen der Wellen, wie ein Mann auf und ab ging und dann reglos, hochaufgerichtet vor ihnen stehenblieb. Inzwischen plätscherte Cam, bemerkte er, mit den Fingern im Wasser und starrte zur Küste hinüber und sagte nichts. Nein, sie wird nicht nachgeben, dachte er; sie ist doch anders, dachte er. Na schön, beschloß Mr. Ramsay, wenn Cam nicht antworten wollte, dann würde er sie nicht weiter behelligen, und er tastete in seiner Tasche nach einem Buch. Aber sie wollte doch antworten; sie wünschte leidenschaftlich, das Hindernis zu beseitigen, das ihre Zunge lähmte, und zu sagen: O ja, Frisk. Ich will ihn Frisk nennen. Sie hätte sogar gern hinzugefügt: War das nicht der Hund, der ganz allein den Weg durchs Moor fand? Aber sosehr sie sich auch mühte, sie brachte nichts dergleichen über die Lippen, und so hielt sie trotzig und ehrlich den Pakt, wenn sie auch, unbeargwöhnt von James, ihrem Vater ein heimliches Zeichen der Liebe sandte, die sie für ihn empfand. Denn sie dachte, indessen sie mit der Hand im Wasser plätscherte (und nun hatte Macalisters Junge eine Makrele gefangen, und sie lag zappelnd mit blutenden Kiemen im Boot) – sie dachte und blickte dabei zu James hinüber, der gleichgültig den Blick aufs Segel geheftet hielt und dann und wann für eine Sekunde zum Horizont blickte: Ja, du kennst das nicht, diesen Druck, diese Spaltung des Gefühls, diese ungemeine Versuchung. Der Vater suchte in den Taschen; gleich würde er sein Buch gefunden haben. Nie hatte ein Mensch sie stärker angezogen; alles an ihm fand sie schön: seine Hände, seine Füße und seine Stimme, seine Worte, seine hastige Art und seine Heftigkeit und seine Wunderlichkeit und seine Leidenschaft und daß er ganz einfach vor jedem sagte: Wir gehen unter – jeder allein, und seine Abgerücktheit. (Jetzt hatte er sein Buch aufgeklappt.) Eines aber blieb unerträglich, dachte sie weiter, saß aufrecht da und sah zu, wie Macalisters Junge den Angelhaken aus den Kiemen eines zweiten Fisches nahm, das war seine hartköpfige Blindheit und Willkür, mit der er ihre Kindheit vergiftet und schlimme Stürme heraufbeschworen hatte, so daß sie noch jetzt nachts oft zitternd vor Wut erwachte und an einen seiner Befehle dachte, an eine seiner Anmaßungen: ›Tu dies!‹ – ›Tu das!‹; an seine Herrschsucht, an sein ›Unterwirf dich mir!‹

So sprach sie kein Wort, sondern sah störrisch und traurig zur Küste hinüber, die in einen Mantel aus Frieden gehüllt war: als wären die Menschen da drüben eingeschlafen, dachte sie; als wären sie frei wie der Rauch, könnten frei kommen und gehen wie Gespenster. Die da drüben kennen kein Leid, dachte sie.


 << zurück weiter >>