Johann Joachim Winckelmann
Geschichte der Kunst des Altertums
Johann Joachim Winckelmann

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Zweites Stück

Von der römischen Männer-Kleidung

Das zweite Stück dieses Kapitels soll, wie angezeigt ist, kurze Anmerkungen enthalten über die Form der römischen Männerkleidung (denn die Kunst hat vornehmlich mit der Form zu tun), und zwar soviel ohne Figuren kann verstanden werden: das meiste gilt zugleich von der griechischen Männerkleidung. Unter der männlichen Kleidung begreife ich zugleich die Bewaffnung des Körpers, ohne mich in Untersuchung ihrer Waffen einzulassen. Zuerst ist von derjenigen Bekleidung, welche den Leib insbesondere bedeckte, und hernach von der Bekleidung einzelner Teile zu reden.

 
Unterkleid und Toga

Das Unterkleid wurde von einigen Völkern der ältesten Zeiten als eine weibliche Tracht angesehen, und die ältesten Römer hatten nichts, als ihre Toga, auf den bloßen Leib geworfen; so waren die Statuen des Romulus und des Camillus auf dem Capitolio vorgestellt. Noch in späteren Zeiten gingen diejenigen; welche auf dem Campo Martio sich zu Ehrenstellen dem Volke vorstellten, ohne Unterkleid, um ihre Wunden auf der 246 Brust als Beweise ihrer Tapferkeit zu zeigen. Überhaupt aber war nachher das Unterkleid, so wie den Griechen, die Zynischen Philosophen ausgenommen, also allen Römern gemein; und wir wissen von Augustus daß derselbe im Winter an vier Unterkleider auf einmal angelegt. An Statuen, Brustbildern und auf erhobenen Arbeiten ist das Unterkleid nur allein am Halse und auf der Brust sichtbar, weil die Figuren mit einem Mantel oder mit der Toga vorgestellt sind, und man sieht nur in den alten Gemälden des vatikanischen Terentius und Virgilius Figuren bloß im Unterkleide. Es war ein Rock mit Ärmeln, welcher über den Kopf geworfen wurde, und wenn derselbe nicht aufgeschürzt war, bis an die Waden herunterhing. Die Ärmel sind zuweilen sehr kurz und bedecken kaum die obere Muskel des Arms, wie an der schönen senatorischen Statue in der Villa Negroni; diese hießen gestumpfte Ärmel, κολόβια. Enge und lange Ärmel, die, wie an der weiblichen Kleidung, bis an die Knöchel der Hand reichen, trugen, wie Lipsius will, nur Cinaedi und Pueri meritorii. Die Knechte, welche keinen Mantel trugen, hatten ihr Unterkleid, bis über die Knie hinaufgezogen, gebunden. Auf einer gereiften Vase von Marmor in dem Palaste Farnese, welche einige tanzende weibliche Bacchanten und den Silenus, herrlich gearbeitet, vorstellt, ist das Unterkleid an einem indischen und bärtigen Bacchus sichtbar und sonderlich zu merken, weil es auf der Brust geschnürt ist: dieses findet sich nirgends anderswo.

Die Toga war bei den Römern, wie der Mantel der Griechen und wie unsere Mäntel, zirkelrund geschnitten: der Leser wiederhole, was ich im vorigen Kapitel von dem Mantel der griechischen Weiber gesagt habe. Wenn aber Dionysius von Halicarnassus sagt, daß die Toga die Form eines halben Zirkels gemacht, so bin ich der Meinung, daß er nicht von der Form derselben im Zuschnitte rede, sondern von der Form, welche dieselbe im Umnehmen bekam. Denn so wie die griechischen Mäntel vielmals doppelt zusammengenommen wurden, so wird auch das zirkelrunde Gewand der Toga auf eben die Art gelegt worden sein, und hierdurch würde alle Schwierigkeit, in welche sich hier die Erklärer der Kleidung der Alten verlieren, gehoben. Die Gelehrten wissen unter der Toga und unter dem Mantel, sonderlich der Philosophen, keinen Unterschied zu finden, als daß dieser auf dem bloßen Leibe, nicht, wie jener, über ein 247 Unterkleid getragen wurde. Andere haben sich die griechischen Mäntel viereckig vorgestellt und vier Enden desselben auf dem Kupfer der Figur des Euripides, so wie ein anderer ebensoviel Enden an dem Mantel der Figur auf der Vergötterung des Homerus im Palaste Colonna, welche neben der Höhle auf diesem Werke steht, zu sehen geglaubt. Beide aber haben sich geirrt, und die vier Enden oder Quästchen sind weder an der einen, noch an der andern Figur. Die kleine Figur mit dem Namen Euripides auf dessen Base wurde für verloren gehalten und kam vor kurzer Zeit aus der Kleiderkammer des farnesischen Palastes wiederum zum Vorschein: es ist dieselbe einige Zeit unter meinen Händen gewesen, und also kann ich davon Rechenschaft geben.

Die Toga wurde wie der Mantel über die linke Schulter geworfen, und der Haufe Falten, welcher sich zusammenlegte, hieß Sinus. Gewöhnlich wurde die Toga nicht gegurtet, wie auch andere anmerken; in einigen Fällen kann es aber dennoch geschehen sein, wie es aus unten angezeigten Stellen des Appianus zu schließen ist. Im Felde trugen die Griechen keinen Mantel und die Römer keine Toga, sondern einen leichten Überwurf, welcher bei diesen Tibenum oder Paludamentum, bei jenen Chlamys hieß und ebenfalls rund war und nur in der Größe von dem Mantel und von der Toga muß verschieden gewesen sein: was andere von verschiedenen Formen desselben vorgeben, wird durch den Augenschein widerlegt. Denn alle Statuen mit einem Panzer, auch einige andere, als ein nackender Augustus in der Villa Albani, Marcus Aurelius zu Pferde und zwei gefangene Könige von schwarzem Marmor im Campidoglio, auch die kaiserlichen Brustbilder, haben diesen Mantel, und man sieht deutlich, daß derselbe nicht viereckig, sondern rund gewesen sein muß, welches auch bloß die Falten zeigen, die anders nicht, wie sie sind, hätten können geworfen werden. Dieser Mantel wurde durch einen großen Knopf, insgemein auf der rechten Achsel, zusammengeheftet und hing über die linke Achsel, welche er bedeckte, herunter, so daß der rechte Arm frei blieb. Zuweilen aber sitzt dieser Knopf auf der linken Achsel, wie an den Brustbildern des Drusus, des Claudius, des Galba, des Trajanus, eines Hadrianus und eines Marcus Aurelius im Campidoglio.

Die Zieraten und Verbrämungen der männlichen Kleidung, welche auf Denkmalen nicht sichtbar sind, gehören nicht für diese Abhandlung; da 248 sich aber auf einem alten herkulanischen Gemälde, welches die Muse Thalia vorstellt, ein vermeinter Clavus befindet, so ist dieses wenigstens anzuzeigen. Auf dem Mantel dieser Figur ist da, wo derselbe den Schenkel bedeckt, ein länglicher viereckiger Streif von verschiedener Farbe hingesetzt, und die Verfasser der Beschreibung der herkulanischen Gemälde suchen daselbst zu beweisen, daß dieser Streif der Clavus der Römer sei, welches ein aufgenähtes oder eingewirktes Stück Purpur war und durch dessen verschiedene Breite die Würde und den Stand der Person anzeigte. Soviel habe ich zu erinnern gehabt über die Bekleidung des Leibes.

 
Hüte und Mützen

Die Bekleidung einzelner Teile betrifft das Haupt, die Beine und die Hände. Was das Haupt betrifft, so war kein Diadema unter den Römern im Gebrauche wie bei den Griechen, bei welchen diese Hauptbinden zuweilen von Erz gewesen sein müssen, wie die Binde an dem Kopfe eines vermeinten Ptolemäus von Erz in der Villa Albani zu zeigen scheint; denn in demselben sind umher längliche Einschnitte, vermutlich zum Einhaken. Der Bart wurde zuweilen unter dem Kinne in einen Knoten geschürzt, wie man an einem Kopfe im Campidoglio und an einem andern herkulanischen zu Portici sieht. Die Spartaner durften keinen Knebelbart tragen.

Das Haupt bedeckten sich die Reisenden, und die im offenen Felde sich vor der Sonne oder vor dem Regen zu verwahren hatten, mit einem Hute, welcher wie der unsrige geformt war, aber insgemein nicht mit aufgeschlagenen Krempen, und der Kopf war niedrig, wie ich bei dem Hute der Weiber im vorigen Kapitel angezeigt habe. Dieser Hut war mit Bändern, welche unter dem Halse konnten gebunden werden, und wenn man mit unbedecktem Haupte ging, wurde der Hut hinterwärts auf die Schultern geworfen und hing an dem Bande: das Band aber ist niemals sichtbar. Mit einem hinterwärts geworfenen Hute ist Meleager auf verschiedenen geschnittenen Steinen vorgestellt; und auf zwei einander ähnlichen erhobenen Werken in der Villa Borghese und Albani, welche den Amphion und Zethus mit ihrer Mutter Antiope vorstellen, hat Zethus den Hut auf der Schulter hängen, um das Hirtenleben, welches er 249 ergriffen, abzubilden. Dieses Werk habe ich auch anderwärts zuerst bekanntgemacht. Einen solchen Hut trugen auch die Athenienser in den ältesten Zeiten, welches aber nachher abkam. Es findet sich eine andere Art von Hüten mit aufgeschlagenen Krempen, welche vorn eine lange Spitze machen und an der Seite eingeschnitten sind, um dieselben vorn gerade hinaufzuschlagen, auf die Weise, wie einige Reisehüte sind, die man in Deutschland auf der Jagd trägt. Diesen Hut hat ein sogenannter indischer Bacchus auf der angeführten Vase von Marmor im Palaste Farnese: einen Hut mit weit angezogenen niedrigen Krempen, nach der Art, wie die Priesterhüte gestutzt sind, trägt eine Figur auf der Jagd auf der beschriebenen walzenförmigen Vase von Erz. Eine besondere Art von Hüten trugen die römischen Aurigatores oder diejenigen, welche auf Wagen Wette liefen; es gehen dieselben oben ganz spitz zu und sind den chinesischen Hüten völlig ähnlich. Man sieht diese Hüte an solchen Personen auf ein paar Stücken von Musaico im Hause Massini, und auf einem nicht mehr vorhandenen Werke beim Montfaucon.

Es wäre hier auch mit ein paar Worten der phrygischen Mützen zu gedenken, welche sowohl Männern als Weibern gemein waren, um eine bisher nicht verstandene Stelle des Virgilius zu erklären. In dem Hause der Villa Negroni befindet sich ein männlich jugendlicher Kopf mit einer phrygischen Mütze, und hinten von derselben geht wie ein Schleier herunter, welcher vorn den Hals verhüllt und das Kinn bedeckt bis an die Unterlippe, auf eben die Art, wie an einer Figur in Erz der Schleier gelegt ist, nur mit dem Unterschiede, daß hier auch der Mund verhüllt wird. Aus jenem Kopfe erklärt sich der Paris des Virgilius:

Maeonia mentum mitra crinemque madentem
SubnixusMit mäonischer Haube das Kinn und das triefende Haupthaar
Untergeknüpft. (Übersetzer: Joh. Heinr. Voß)
                                  (Aen. 4. v. 216.)

über welchen Ort man die vermeinten Erklärungen und Verbesserungen desselben bei unten angeführten Skribenten finden kann. 250

 
Beinkleider

Beinkleider waren bei den Römern und Griechen im Gebrauche, wie man auf herkulanischen und andern Gemälden sieht: es werden hierdurch einige Gelehrte, die das Gegenteil behauptet haben, widerlegt. Die Hosen des vermeinten Coriolanus auf dem Gemälde in den Bädern des Titus gehen der Figur bis auf die Knöchel der Füße, so daß sie an den Beinen wie Strümpfe anliegen, und sind blau. Bei den Griechen trugen die Tänzerinnen Hosen, wie [es] bei uns geschieht. Der Gebrauch der Hosen aber war bei den Männern nicht gemein, und anstatt der Beinkleider waren Binden im Gebrauche, womit die Schenkel umwunden wurden; aber auch dieses wurde für eine Weichlichkeit gehalten: diese wirft Cicero deshalb dem Pompejus vor, welcher dergleichen trug. Solche Binden um die Lenden gelegt, waren zu Trajanus Zeiten unter dem gemeinen Volke noch nicht üblich: an den Bildnissen dieses Kaisers an dem Konstantinischen Bogen sieht man die Schenkel bis unter das Knie bekleidet. Die Hosen der barbarischen Völker sind mit den Strümpfen aus einem Stück und unter die Knöchel des Fußes durch die Riemen der Sohlen gebunden. Die Strümpfe wurden nachher in späteren Zeiten von den Hosen abgeschnitten, und hierin liegt der Grund des deutschen Wortes Strumpf, welches etwas Abgestutztes bedeutet, wie Eckhart dieses in dem Ebnerischen Kleinodienkästlein zeigt. Michelangelo hat sich also wider die alte Kleidertracht an seinem Moses vergangen, da er demselben Strümpfe unter die Hosen gezogen gegeben, so daß diese unter den Knien gebunden sind.

 
Schuhe und Handschuhe

Von den mancherlei Arten von Schuhen der Alten ist von anderen umständlich gehandelt. Die Schuhe der Römer waren von den griechischen verschieden, wie Appianus angibt; diesen Unterschied aber können wir nicht zeigen. Die vornehmen Römer trugen Schuhe von rotem Leder, welches aus Parthien kam und etwa der heutige Corduan sein wird. Die edlen Athenienser trugen einen halben Mond von Silber und einige von Elfenbein auf den Schuhen, und dieses auf der Seite unter dem 251 Knöchel, wie es scheint. Ich finde weiter nichts anzumerken als die Statue des Hadrianus in der Villa Albani, welche mit einem Panzer barfuß vorgestellt ist. Diese Statue ist von mir an einem andern Orte berührt, und gezeigt, daß dieser Kaiser öfter in seiner Rüstung zwanzig Meilen zu Fuß zu gehen pflegte und dieses barfuß. Diese Statue aber ist nicht mehr kenntlich: denn man glaubte den Kopf derselben zu einer andern Statue nötig zu haben, so wurde derselbe mit einem Kopfe des Septimius Severus verwechselt, wodurch die bloßen Füße ihre Bedeutung verloren haben.

Handschuhe haben einige Figuren auf Begräbnisurnen in den Händen, welches wider den Casaubonus zu merken ist, welcher vorgibt, daß weder bei den Griechen noch Römern Handschuhe im Gebrauche gewesen. Dieses ist so irrig, daß sie gar zu Homerus Zeiten bekannt waren: denn dieser gibt dem Laertes, des Ulysses Vater, Handschuhe.

 
Panzer, Helme, Beinrüstungen

Zu der Bekleidung des Körpers gehört auch die Bewaffnung desselben, deren Stücke sind der Panzer, der Helm und die Beinrüstung. Der Panzer war bei den Alten doppelt und bedeckte die Brust und den Rücken: es war derselbe teils von Leinwand, teils von Metall verfertigt. Von Leinwand trugen ihn die Phönizier und Assyrier in dem Heere des Xerxes, auch die Karthaginenser, welchen die drei Panzer abgenommen waren, die Gelo nach Elis schickte, ingleichen die Spanier. Die römischen Heerführer und Kaiser werden wie Galba, von dem es angezeigt ist, mehrenteils dergleichen Panzer getragen haben; und die man an ihren Statuen sieht, scheinen Panzer von Leinwand vorzustellen: denn es sind in denselben oft alle Muskeln ausgedrückt, welches leichter mit Leinwand über eine Form gepreßt als in Erz konnte geformt werden. Diese Leinwand wurde mit starkem Wein oder Essig und Salz zugerichtet, acht- bis zehnmal verdoppelt. Es finden sich aber auch andere Panzer, die augenscheinlich dergleichen Rüstung von Erz vorstellen, und einige sind den Panzern unserer Cuirassier völlig ähnlich: so haben ihn unter andern ein schönes Brustbild des Titus und 252 zwei liegende Gefangene in der Villa Albani; die Panzer haben alle ihre Scharniere oder Angeln auf beiden Seiten.

Über die Helme der Alten merke ich nach dem, was bereits von andern gesagt ist, nur an, daß sie nicht alle von Metall waren, sondern es müssen auch einige von Leder oder von anderer geschmeidiger Materie gewesen sein: denn der Helm unter dem Fuße der Statue eines Helden in dem Palaste Farnese ist zusammengetreten, welches nicht mit Erz geschehen konnte.

Beinrüstungen finden sich häufig auf erhobenen Werken und geschnittenen Steinen; von Statuen aber findet sich nur eine einzige, welche diese hat, und zwar in der Villa Borghese. Unter den Etruriern und in Sardinien waren auch Beinrüstungen im Gebrauche, die anstatt des Schienbeins, wie gewöhnlich, die Wade bedeckten und auf dem Beine offen waren: von dieser Art an einer uralten sardischen Figur eines Soldaten von Erz werde ich in dem von mir in der Vorrede angezeigten Werke handeln.

Soviel von der männlichen Bekleidung der Römer und von dem, was ein Künstler von derselben zu wissen nötig hat. Hiermit beschließe ich den ersten Teil dieser Geschichte. 253

 


 


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