Johann Joachim Winckelmann
Geschichte der Kunst des Altertums
Johann Joachim Winckelmann

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Der zweite Abschnitt

Von der Kunst unter den Phöniziern und Persern

Von der Kunst dieser beiden Völker ist, außer historischen Nachrichten und einigen allgemeinen Anzeigen, nichts Bestimmtes nach allen einzelnen Teilen ihrer Zeichnung und Figuren zu sagen; es ist auch wenig Hoffnung zu Entdeckungen großer und beträchtlicher Werke der Bildhauerei, aus welchen mehr Licht und Kenntnis zu schöpfen wäre. Da sich aber von den Phöniziern Münzen und von den persischen Künstlern 71 erhobene Arbeiten erhalten haben, so konnten diese Völker in dieser Geschichte nicht gänzlich mit Stillschweigen übergangen werden.

 
Von der Kunst der Phönizier

Die Phönizier bewohnten die schönsten Küsten von Asien und Afrika am Mittelländischen Meere, außer andern eroberten Ländern; und Karthago, ihre Pflanzstadt, welche, wie einige wollen, schon fünfzig Jahre vor der Eroberung von Troja gebaut gewesen, lag unter einem so immer gleichen Himmel, daß nach dem Berichte der neueren Reisenden zu Tunis, wo ehemals jene berühmte Stadt lag, der Thermometer alle Zeit auf dem neunundzwanzigsten oder dreißigsten Grad steht. Daher muß die Bildung dieses Volkes, welches, wie Herodotus sagt, die gesündesten unter allen Menschen waren, sehr regelmäßig und folglich die Zeichnung ihrer Figuren dieser Bildung gemäß gewesen sein. Livius redet von einem außerordentlich schönen jungen Numidier, welchen Scipio in der Schlacht mit dem Asdrubal bei Bäcula in Spanien gefangen nahm, und die berühmte punische Schönheit Sophonisba, des Asdrubals Tochter, welche zuerst mit dem Syphax und nachher mit dem Masinissa vermählt war, ist in allen Geschichten bekannt.

 
Gesellschaftliche Faktoren

Dieses Volk war, wie Mela sagt, arbeitsam und hatte sich in Kriegs- und Friedensgeschäften sowohl als in Wissenschaften und in Schriften über dieselben hervorgetan. Die Wissenschaften blühten schon bei ihnen, da die Griechen noch ohne Unterricht waren, und Moschus aus Sidon soll schon vor dem Trojanischen Kriege die Atomen gelehrt haben. Die Astronomie und Rechenkunst wurde bei ihnen, wo nicht erfunden, doch höher als anderwärts gebracht. Vornehmlich aber sind die Phönizier wegen vieler Erfindungen in den Künsten berühmt, und Homerus nennt daher die Sidonier große Künstler. Wir wissen, daß Salomon phönizische Meister kommen ließ, den Tempel des Herrn und das Haus des Königs zu bauen, und noch bei den Römern wurden die besten Geräte von Holz von punischen Arbeitern gemacht; daher sich bei ihren alten Skribenten von punischen Betten, Fenstern, Pressen und Fugen Meldung findet. 72

Der Überfluß nährte die Künste: denn es ist bekannt, was die Propheten von der Pracht zu Tyrus reden: es waren daselbst, wie Strabo an angeführtem Orte berichtet, noch zu seiner Zeit höhere Häuser als selbst in Rom; und Appianus sagt, daß in der Byrsa, dem inneren Teile der Stadt Karthago, die Häuser von sechs Gestock gewesen. In ihren Tempeln waren vergoldete Statuen, wie ein Apollo zu Karthago war; ja man redet von goldenen Säulen und von Statuen von Smaragd. Livius meldet von einem silbernen Schilde von hundertunddreißig Pfund, auf welchem das Bildnis des Asdrubal, eines Bruders des Hannibal, gearbeitet war. Es war derselbe im Campidoglio aufgehängt.

Ihr Handel ging durch alle Welt, und es werden die Arbeiten ihrer Künstler allenthalben umhergeführt worden sein. Selbst in Griechenland auf den Inseln, welche die Phönizier in den ältesten Zeiten besaßen, hatten sie Tempel gebaut: auf der Insel Thasos den Tempel des Herkules, welcher noch älter war als der griechische Herkules. Es wäre daher wahrscheinlich, daß die Phönizier, welche unter die Griechen die Wissenschaften eingeführt, auch die Künste, die bei ihnen zeitiger mußten geblüht haben, in Griechenland gepflanzt hätten, wenn andere oben gegebene Nachrichten damit bestehen könnten. Besonders zu merken ist, daß Appianus von ionischen Säulen am Arsenale im Hafen zu Karthago Meldung tut. Mit den Etruriern hatten die Phönizier noch größere Gemeinschaft, und jene waren unter andern mit den Karthaginensern verbunden, da diese zur See vom Könige Hiero zu Syrakus geschlagen wurden.

 
Bedeutende Werke

Bei jenem sowohl als diesem Volke sind die geflügelten Gottheiten gemein, doch sind die phönizischen Gottheiten vielmehr nach ägyptischer Art geflügelt, das ist mit Flügeln unter den Hüften, welche von da bis auf die Füße die Figuren überschatten, wie wir auf Münzen der Insel Malta sehen, welche die Karthaginenser besaßen: so daß es scheinen könnte, die Phönizier hätten von den Ägyptern gelernt. Die karthaginensischen Künstler aber können auch durch die griechischen Werke der Kunst, welche sie aus Sizilien wegführten, erleuchtet sein; diese ließ Scipio nach der Eroberung von Karthago wiederum zurückschicken. 73

Von Werken der phönizischen Kunst aber ist uns nichts übriggeblieben als karthaginensische Münzen, welche in Spanien, Malta und Sizilien geprägt worden. Von den ersten Münzen befinden sich zehn Stücke von der Stadt Valencia im Großherzoglichen Museo zu Florenz, die mit den schönsten Münzen von Groß-Griechenland verglichen werden. Ihre Münzen, in Sizilien geprägt, sind so auserlesen, daß sie sich von den besten griechischen Münzen dieser Art nur durch die punische Schrift unterscheiden. Einige in Silber haben den Kopf der Proserpina und einen Pferdekopf nebst einem Palmbaum auf der Rückseite: auf andern steht ein ganzes Pferd an einer Palme. Es findet sich ein karthaginensischer Künstler mit Namen Boethus, welcher in dem Tempel der Juno zu Elis Figuren von Elfenbein gearbeitet hat. Von geschnittenen Steinen sind mir nur zwei Köpfe bekannt, mit dem Namen der Person in phönizischer Schrift, über welche ich in der Beschreibung der Stoschischen geschnittenen Steine geredet habe.

Von der besonderen Kleidung ihrer Figuren geben uns die Münzen so wenig als die Skribenten von der Kleidung der Nation Nachricht. Ich entsinne mich nicht, daß man viel mehr wisse, als daß die phönizische Kleidung besonders lange Ärmel hatte; daher die Person eines Afrikaners in den Komödien zu Rom mit solchem Rocke vorgestellt wurde: und man glaubt, daß die Karthaginenser keine Mäntel getragen. Gestreiftes Zeug muß bei ihnen, wie bei den Galliern, sehr üblich gewesen sein, wie der phönizische Kaufmann unter den gemalten Figuren des Vatikanischen Terentius zeigt.

 
Jüdische Kunst

Von der Kunst unter den Juden, als Nachbarn der Phönizier, wissen wir noch weniger als von diesen, und da die Künstler dieses letzteren Volks von den Juden auch in ihren blühenden Zeiten gerufen wurden, so könnte es scheinen, daß die schönen Künste, welche überflüssig im menschlichen Leben sind, bei ihnen nicht geübt worden. Es war auch die Bildhauerei durch die mosaischen Gesetze, wenigstens in Absicht der Bildung der Gottheit in menschlicher Gestalt, den Juden untersagt. Ihre Bildung würde unterdessen, wie bei den Phöniziern, zu schönen Ideen 74 geschickt gewesen sein; und Scaliger merkt von ihren Nachkommen unter uns an, daß sich kein Jude mit einer gepletschten Nase finde, und ich habe diese Anmerkung richtig befunden. Bei dem gemeinen schlechten Begriffe von der Kunst unter diesem Volke muß dieselbe gleichwohl, ich will nicht sagen in der Bildhauerei, sondern in der Zeichnung und in künstlerischer Arbeit zu einem gewissen hohen Grade gestiegen sein. Denn Nebukadnezar führte unter anderen Künstlern tausend, welche eingelegte Arbeit machten, nur allein aus Jerusalem mit sich weg: eine so große Menge wird sich schwerlich in den größten Städten heutzutage finden. Das hebräische Wort, welches besagte Künstler bedeutet, ist insgemein nicht verstanden, und von den Auslegern sowohl als in den Wörterbüchern ungereimt übersetzt und erklärt, auch teils gar übergangen.

 
Von der Kunst der Perser

Bedeutende Werke

Die Kunst unter den Persern verdient einige Aufmerksamkeit, da sich Denkmale in Marmor und auf geschnittenen Steinen erhalten haben. Diese letzteren sind walzenförmige Magnetsteine, auch Chalcedonier, und auf ihrer Achse durchbohrt. Unter andern, welche ich in verschiedenen Sammlungen geschnittener Steine gesehen habe, finden sich zwei in dem Museo des Herrn Grafen Caylus zu Paris, welcher dieselben bekanntgemacht hat: auf dem einen sind fünf Figuren geschnitten, auf dem andern aber zwei, und mit alter persischer Schrift säulenweise untereinander gesetzt. Drei dergleichen Steine besitzt der Herr Duca Caraffa Noya zu Neapel, welche ehemals in dem Stoschischen Museo waren, und auf dem einen ist ebenfalls säulenweise gesetzte alte Schrift. Diese Buchstaben sind denen, welche an den Trümmern von Persepolis stehen, völlig ähnlich. Von anderen persischen Steinen habe ich in der Beschreibung des Stoschischen Musei geredet und denjenigen angeführt, welchen Bianchini bekanntgemacht hat. Aus Unwissenheit des Stils der persischen Kunst sind einige Steine ohne Schrift für alte griechische Steine angesehen worden; und Wilde hat auf einem die Fabel des Aristeas und auf einem andern einen Thracischen König zu sehen vermeint. 75

Daß die Perser, wie die ältesten griechischen Skribenten bezeugen, wohlgebildete Menschen gewesen, beweist auch ein Kopf mit einem Helme, erhaben geschnitten und von ziemlicher Größe, mit alter persischer Schrift umher, auf einer Paste im Stoschischen Museo. Dieser Kopf hat eine regelmäßige und den Abendländern ähnliche Bildung, so wie die von Bruyn gezeichneten Köpfe der erhoben gearbeiteten Figuren zu Persepolis, welche über Lebensgröße sind; folglich hatte die Kunst von seiten der Natur alle Vorteile. Die Parther, welche ein großes Land des ehemaligen persischen Reiches bewohnten, sahen besonders auf die Schönheit in Personen, welche über andere gesetzt waren, und Surenas, der Feldherr des Königs Orodes, wird außer anderen Vorzügen wegen seiner schönen Gestalt gerühmt, und dem ungeachtet schminkte er sich.

 
Geringes Wachstum

Da aber unbekleidete Figuren zu bilden, wie es scheint, wider die Begriffe des Wohlstandes der Perser war, und die Entblößung bei ihnen eine üble Bedeutung hatte, wie denn überhaupt kein Perser ohne Kleidung gesehen wurde (welches auch von den Arabern kann gesagt werden), und also von ihren Künstlern der höchste Vorwurf der Kunst, die Bildung des Nackenden, nicht gesucht wurde, folglich der Wurf der Gewänder nicht die Form des Nackenden unter denselben, wie bei den Griechen, mit zur Absicht hatte, so war es genug, eine bekleidete Figur vorzustellen. Die Perser werden vermutlich in der Kleidung von andern morgenländischen Völkern nicht viel verschieden gewesen sein. Diese trugen ein Unterkleid von Leinen und über dasselbe einen Rock von wollenem Zeuge; über den Rock warfen sie einen weißen Mantel. Der Rock der Perser, welcher viereckig geschnitten war, wird wie der sogenannte viereckige Rock der griechischen Weiber gewesen sein: es hatte derselbe, wie Strabo sagt, lange Ärmel, welche bis an die Finger reichten, in welche sie die Hände hineinsteckten. Die männlichen Figuren auf ihren geschnittenen Steinen haben entweder ganz enge Ärmel oder gar keine. Da aber ihren Figuren keine Mäntel, welche nach Belieben geworfen werden können, gegeben sind, welche etwa in Persien nicht üblich gewesen scheinen, so sind die Figuren wie nach einem und eben demselben Modelle gebildet: 76 diejenigen, welche man auf geschnittenen Steinen sieht, sind denen an ihren Gebäuden völlig ähnlich. Der persische Männerrock (weibliche Figuren finden sich nicht auf ihren Denkmalen) ist vielmals stufenweise in kleine Falten gelegt, und auf einem angeführten Steine in dem Museo des Duca Noya zählte man acht dergleichen Absätze von Falten, von der Schulter an bis auf die Füße: auch der Überzug des Gesäßes eines Stuhls auf einem andern Steine in diesem Museo hängt in solche Absätze von Falten oder Frangen auf das Gestell des Stuhls herunter. Ein Kleid mit großen Falten wurde von den alten Persern für weibisch gehalten.

Die Perser ließen ihre Haare wachsen, welche an einigen männlichen Figuren wie an den etrurischen in Strippe oder in Flechten über die Achseln vorwärts herunterhängen, und sie banden insgemein ein feines Tuch um den Kopf. Im Kriege trugen sie gewöhnlich einen Hut, wie ein Zylinder oder Turm gestaltet; auf geschnittenen Steinen finden sich auch Mützen mit einem hinaufgeschlagenen Rande, wie an Pelzmützen.

Eine andere Ursache von dem geringen Wachstume der Kunst unter den Persern ist ihr Gottesdienst, welcher der Kunst ganz und gar nicht vorteilhaft war: denn die Götter, glaubten sie, könnten oder müßten nicht in menschlicher Gestalt gebildet werden; der sichtbare Himmel nebst dem Feuer waren die größten Gegenstände ihrer Verehrung; und die ältesten griechischen Skribenten behaupten sogar, daß sie weder Tempel noch Altäre gehabt. Man findet zwar den persischen Gott Mithras an verschiedenen Orten in Rom, als in der Villa Borghese, Albani und am Palaste Della Valle, aber es findet sich keine Nachricht, daß die Perser denselben also vorgestellt haben. Es ist vielmehr zu glauben, daß die angezeigten und ihnen ähnlichen Vorstellungen des Mithras von der Kaiser Zeiten sind, wie der Stil der Arbeit zeigt, und daß die Verehrung dieser Gottheit etwa von den Parthern hergenommen sei, als welche nicht bei der Reinigkeit ihrer Vorfahren blieben, und sich etwa symbolische Bilder von demjenigen machten, was die Perser nicht sinnlich verehrten. Man sieht unterdessen aus ihren Arbeiten, daß das Dichten und Bilder der Einbildung hervorbringen auch unter einem Volke, wo die Einbildung nicht viel Nahrung gehabt hat, dennoch auch daselbst der Kunst eigen gewesen ist. Denn es finden sich auf persischen geschnittenen Steinen Tiere mit Flügeln und menschlichen Köpfen, welche zuweilen zackige 77 Kronen haben, und andere erdichtete Geschöpfe und Gestalten. Aus der Baukunst der Perser sieht man, daß sie häufig Zieraten liebten, wodurch die an sich prächtigen Stücke an ihren Gebäuden viel von ihrer Größe verlieren. Die großen Säulen zu Persepolis haben vierzig hohle Reifen, aber nur von drei Zoll breit, da die griechischen Säulen nur vierundzwanzig haben, welche aber zuweilen mehr als eine starke Spanne halten. Die Reifen schienen ihren Säulen nicht Zierlichkeiten genug zu geben; sie arbeiteten überdem noch erhobene Figuren an dem Oberteile derselben. Aus dem wenigen, was von der Kunst der alten Perser beigebracht und gesagt worden, kann so viel geschlossen werden, daß für die Kunst überhaupt nicht viel Unterrichtendes würde gelehrt werden können, wenn sich auch mehrere Denkmale erhalten hätten.

 
Von der Kunst der Parther

In folgenden Zeiten, da in Parthien, einem Teile des ehemaligen persischen Reiches, sich Könige aufwarfen und ein besonderes mächtiges Reich stifteten, hatte auch die Kunst unter ihnen eine andere Gestalt bekommen. Die Griechen, welche schon von Alexanders Zeiten sogar in Kappadozien ganze Städte bewohnten und sich in den ältesten Zeiten in Kolchis niedergelassen hatten, wo sie skythische Achäer hießen, breiteten sich auch in Parthien aus und führten ihre Sprache ein, so daß die Könige daselbst, wie Orodes, an ihrem Hofe griechische Schauspiele aufführen ließen. Artabazes, König in Armenien, mit dessen Tochter Pacorus, des Orodes Sohn, vermählt war, hatte sogar griechische Trauerspiele, Geschichte und Reden hinterlassen. Diese Neigung der Parthischen Könige gegen die Griechen und gegen ihre Sprache erstreckte sich auch auf griechische Künstler, und die Münzen dieser Könige mit griechischer Schrift müssen von Künstlern dieser Nation gearbeitet sein. Diese aber sind vermutlich in diesen Ländern erzogen und gelehrt worden: denn das Gepräge dieser Münzen hat etwas Fremdes und man kann sagen Barbarisches. 78

 
Zusammenfassung

Über die Kunst dieser mittägigen und morgenländischen Völker zusammengenommen können noch ein paar allgemeine Anmerkungen beigefügt werden. Wenn wir die monarchische Verfassung in Ägypten sowohl als bei den Phöniziern und Persern erwägen, in welcher der unumschränkte Herr die höchste Ehre mit niemandem im Volke teilte, so kann man sich vorstellen, daß das Verdienst keiner anderen Person um sein Vaterland mit Statuen belohnt worden wie in freien, sowohl alten als neuen Staaten geschehen. Es findet sich auch keine Nachricht von dieser einem Untertan dieser Reiche widerfahrenen Dankbarkeit. Karthago war zwar in dem Lande der Phönizier ein freier Staat und regierte sich nach seinen eigenen Gesetzen, aber die Eifersucht zweier mächtigen Parteien gegeneinander würde die Ehre der Unsterblichkeit einem jeden Bürger streitig gemacht haben. Ein Heerführer stand in Gefahr, ein jedes Versehen mit seinem Kopfe zu bezahlen; von großen Ehrenbezeugungen bei ihnen meldet die Geschichte nichts. Folglich bestand die Kunst bei diesen Völkern mehrenteils bloß auf die Religion und konnte aus dem bürgerlichen Leben wenig Nutzen und Wachstum empfangen. Die Begriffe der Künstler waren also weit eingeschränkter als bei den Griechen, und ihr Geist war durch den Aberglauben an angenommene Gestalten gebunden.

Diese drei Völker hatten in ihren blühenden Zeiten vermutlich wenig Gemeinschaft untereinander: von den Ägyptern wissen wir es, und die Perser, welche spät einen Fuß an den Küsten des Mittelländischen Meers erlangten, konnten vorher mit den Phöniziern wenig Verkehr haben. Die Sprachen dieser beiden Völker waren auch in Buchstaben gänzlich voneinander verschieden. Die Kunst muß also unter ihnen in jenem Lande eigentümlich gewesen sein. Unter den Persern scheint die Bildung das geringste Wachstum erlangt zu haben; in Ägypten ging dieselbe auf die Großheit; und bei den Phöniziern wird man mehr die Zierlichkeit und Einheit der Arbeit gesucht haben, welches aus ihren Münzen zu schließen ist. Denn ihr Handel wird auch mit Werken der Kunst in andere Länder gegangen sein, welches bei den Ägyptern nicht geschah; und daher ist zu glauben, daß die phönizischen Künstler sonderlich in Metall und Werke 79 von der Art gearbeitet haben, welche allenthalben gefallen konnten. Daher kann es geschehen, daß wir einige kleine Figuren in Erz für griechisch halten, welche phönizisch sind.

Es sind keine Statuen aus dem Altertume mehr zertrümmert als die ägyptischen, und zwar von schwarzen Steinen. Von griechischen Statuen hat die Wut der Menschen sich begnügt, den Kopf und die Arme abzuschlagen und das übrige von der Base herunterzuwerfen, welches im Umstürzen zerbrochen ist. Die ägyptischen Statuen aber, welche im Umwerfen nichts würden gelitten haben, sind mit großer Gewalt zerschlagen, und die Köpfe, die durch Abwerfen und im Wegschleudern unversehrt geblieben sein würden, werden in viele Stücke zertrümmert gefunden. Diese Wut veranlaßte vermutlich die schwarze Farbe dieser Statuen, und der daraus erwachsene Begriff von Werken des Fürsten der Finsternis und von Bildern böser Geister, die man sich in schwarzer Gestalt einbildete. Zuweilen, sonderlich an Gebäuden, ist es geschehen, daß dasjenige zerstört worden, was die Zeit nicht hätte verwüsten können, und dasjenige, was leichter durch allerhand Zufälle Schaden nehmen können, ist stehengeblieben, wie Scamozzi bei dem sogenannten Tempel des Nerva anmerkt.

Zuletzt sind als etwas Besonderes einige kleine Figuren in Erz anzuzeigen, welche auf ägyptische Art geformt, aber mit arabischer Schrift bezeichnet sind. Es sind mir von denselben zwei bekannt: die eine besitzt Herr Aßemanni, Kustos der Vatikanischen Bibliothek, und die andere ist in der Galerie des Collegii St. Ignatii zu Rom: beide sind etwa einen Palm hoch und sitzend, und die letztere hat die Schrift auf beiden Schenkeln, auf dem Rücken und oben auf der platten Mütze. Es sind dieselben bei den Drusen, Völker, welche auf dem Gebirge Libanon wohnen, gefunden. Diese Drusen, welche man für Nachkömmlinge der Franken hält, die in den Kreuzzügen dahin geflüchtet sind, wollen Christen heißen, verehren aber ganz insgeheim, aus Furcht vor den Türken, gewisse Götzenbilder, dergleichen die angezeigten sind, und da sie dieselben schwerlich zum Vorschein kommen lassen, so sind diese Figuren für eine Seltenheit in Europa zu halten. 80

 


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