Johann Joachim Winckelmann
Geschichte der Kunst des Altertums
Johann Joachim Winckelmann

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Viertes Stück

Von dem mechanischen Teile der griechischen Bildhauerei

Endlich folgt, nach Anzeige der Ursachen des Vorzuges der griechischen Kunst und zweitens des Anfangs und des Wesentlichen derselben, nebst der Untersuchung des Wachstums und des Falles der Kunst, das vierte Stück dieses Kapitels, welches die Betrachtung des mechanischen 208 Teiles derselben enthält. Dieser Teil der Kunst begreift erstlich die Materie, in welcher die griechischen Bildhauer gearbeitet haben, und zum zweiten die Art der Ausarbeitung selbst.

 
Das Material in der griechischen Plastik

Von der verschiedenen Materie zu Statuen der Griechen sowohl als anderer Völker ist überhaupt im ersten Kapitel eine historische Anzeige gegeben worden; hier ist insbesondere von dem Marmor zu reden. Garofalo hat in einem besondern Werke von den verschiedenen Arten Marmor, deren die alten Skribenten gedenken, mit umständlicher Anführung aller Stellen, welche er [hat] finden können, nebst ihrer Übersetzung gehandelt, und dessen Arbeit wird vornehmlich von denen geschätzt, die bloß auf die Belesenheit gehen; mit aller Mühe aber, die er sich gegeben hat, lehrt er nicht, worin der Wert des schönsten Marmors bestehe, und es sind demselben viel merkwürdige Stellen alter Skribenten unbekannt geblieben.

Es ist bekannt, daß die Antiquarii, wenn sie den Wert einer Statue oder ihre Materie erheben wollen, sagen, daß sie von parischem Marmor sei, und Ficoroni zeigt nicht leicht eine Statue oder eine Säule an, die er nicht für parischen Marmor hält. Dieses ist aber wie ein angenommenes und geschwornes Handwerkswort, und wenn es etwa zutrifft, daß es wirklich dieser Marmor wäre, so ist es Zufall ohne Kenntnis. Woher Belon wissen wollte, daß die Pyramide oder das Grabmal des Cestius aus Marmor von Thasus sei, ist mir unbekannt.

Die vorzüglichsten Arten des griechischen weißen Marmors sind der parische, von den Griechen auch λύγδινος von dem Gebirge Lygdos in der Insel Paros, genannt, und der penthelische, dessen Plininus keine Meldung tut, welcher bei Athen gebrochen wurde; und aus diesem waren zehn Figuren gegen eine aus jenem gearbeitet, wie die Anzeigen des Pausanias dartun können. Den Unterschied dieser beiden Arten aber wissen wir nicht eigentlich.

Wettläuferin
Römische Marmorkopie nach einem klassischen Werk

Es gibt weißen Marmor von kleinen und großen Körnern, das ist, aus feinen und gröbern Teilen zusammengesetzt; je feiner das Korn ist, desto vollkommener ist der Marmor; ja es finden sich Statuen, deren Marmor 209 aus einer milchigen Masse oder Teig gegossen scheint, ohne Schein von Körnern, und dieser ist ohne Zweifel der schönste. Da nun der parische der seltenste war; so wird derselbe diese Eigenschaft gehabt haben. Dieser Marmor hat außerdem zwei Eigenschaften, welche dem schönsten karrarischen nicht eigen sind: die eine ist dessen Mildigkeit, das ist, er läßt sich arbeiten wie Wachs und ist der feinsten Arbeit in Haaren, Federn und dergleichen fähig, da hingegen der karrarische spröde ist und ausspringt, wenn man zuviel in demselben künsteln will; die andere Eigenschaft ist dessen Farbe, welche sich dem Fleische nähert, da der karrarische ein blendendes Weiß hat. Aus dem schönsten Marmor ist das erhobene Brustbild des Antinous, etwas über Lebensgröße, in der Villa Albani.

Es ist also irrig, wenn Isidorus vorgibt, der parische Marmor werde nur in Stücken gebrochen von der Größe, welche zu Gefäßen dienen können. Perrault, welcher den großkörnigen für parischen Marmor hält, hat sich nicht weniger geirrt; er konnte aber dieses, ohne aus Frankreich gegangen zu sein, nicht wissen. Die großen Körner im Marmor glänzen wie Steinsalz, und ein gewisser Marmor, welcher Salinum heißt, scheint ebenderselbe zu sein und seine Benennung vom Salze bekommen zu haben.

 
Die Bearbeitung des Materials

Von der Art der Ausarbeitung ist zuerst allgemein und hernach insbesondere von der Materie, dem Elfenbeine, dem Steine und soviel man von der Arbeit in Erz wissen kann, zu reden. Was die Ausarbeitung überhaupt betrifft, so ist uns von einer besondern Art, in welcher die griechischen Bildhauer verschieden von den neuern Künstlern und von unserer Vorstellung können gearbeitet haben, nichts Besonderes bekannt; gewiß aber ist, daß sie zu ihren Werken Modelle gemacht. Ein berühmter Skribent glaubt, Diodorus habe das Gegenteil anzeigen wollen, wo derselbe sagt, daß die ägyptischen Künstler nach einem richtigen Maße gearbeitet, die Griechen aber nach dem Augenmaße geurteilt haben. Das Gegenteil von dieser Meinung kann ein geschnittener im Stoschischen Museo dartun, auf welchem Prometheus den Menschen, welchen er bildet, mit dem 210 Blei ausmißt. Man weiß, wie hoch die Modelle des berühmten Arcesilaus, welcher wenige Jahre vor dem Diodorus geblüht hat, geschätzt wurden; und wieviel Modelle von gebranntem Ton haben sich erhalten und werden noch täglich gefunden! Der Bildhauer muß mit Maß und Zirkel arbeiten; der Maler aber soll das Maß im Auge haben.

Die meisten Statuen von Marmor sind aus einem Stücke gearbeitet, und Platon gibt seiner Republik sogar ein Gesetz, die Statuen aus einem einzigen Stücke zu machen. Aus zwei Stücken waren außer dem im zweiten Kapitel angeführten ägyptischen Antinous zwei Statuen, des Hadrianus und des Antoninus Pius in dem Palaste Ruspoli, wie die deutliche Spur der Fugung an dem erhaltenen Oberteil zeigt. Merkwürdig ist, daß an einigen der besten Statuen in Marmor schon anfänglich, bei ihrer Anlage, die Köpfe besonders gemacht und angesetzt worden sind: dieses ist augenscheinlich an den Köpfen der Niobe und ihrer Töchter, welche in die Schulter eingefugt sind, und es findet hier kein Verdacht einer Beschädigung oder Ausbesserung Platz. Der Kopf der mehrmals angeführten Pallas in der Villa Albani ist ebenfalls eingesetzt, sowie die Köpfe der unlängst gefundenen vier Karyatiden. Es wurden auch zuweilen die Arme eingefugt, wie die Pallas und ein paar gedachter Karyatiden dieselben haben.

Über die Ausarbeitung der Materie ist erstlich des Elfenbeins zu gedenken. Elfenbein zu Statuen scheint auf der Drehbank gearbeitet zu sein, und da Phidias sich vornehmlich in dieser Arbeit hervorgetan, welcher die Kunst, die bei den Alten Toreutike, d. i. das Drechseln, heißt, erfunden, so könnte dies keine andere Kunst sein als diejenige, welche das Gesicht, die Hände und die Füße ausdrechselte. Auf der Drehbank arbeitete man auch das Schnitzwerk an Gefäßen, wie dasjenige von dem göttlichen Alcimedon beim Virgilius war, welches als ein Preis unter zwei Schäfer ausgesetzt wurde.

Die Ausarbeitung in Absicht auf den Stein geht vornehmlich den Marmor, den Basalt und den Porphyr an. Figuren von Marmor wurden entweder mit dem bloßen Eisen geendigt, ohne sie zu glätten, oder sie wurden, wie es jetzt geschieht, geglättet. Es ist nicht zu sagen, ob dieses oder jenes älter sei, da die ältesten ägyptischen Figuren aus den härtesten Steinen auf die mühsame Art geglättet worden. Es finden sich aber einige 211 der schönsten Statuen in Marmor, denen die letzte Hand bloß mit dem Eisen, ohne Glätte, gegeben worden wie die Arbeit am Laokoon, an dem borghesischen Fechter des Agasias, an dem Zentaur in eben der Villa, an dem Marsyas in der Villa Medicis und an verschiedenen andern Figuren zeigt. Am Laokoon sonderlich kann ein aufmerksames Auge entdecken, mit was für meisterhafter Wendung und fertiger Zuversicht das Eisen geführt worden, um nicht die gelehrtesten Züge durch Schleifen zu verlieren. Die äußerste Haut dieser Statuen, welche gegen die geglättete und geschliffene etwas rauhlich scheint, aber wie ein weicher Sammet gegen einen glänzenden Atlas, ist gleichsam wie die Haut an den Körpern der alten Griechen, die nicht durch beständigen Gebrauch warmer Bäder, wie unter den Römern bei eingerissener Weichlichkeit geschah, aufgelöst und durch Schabeisen glatt gerieben worden, sondern auf welche eine gesunde Ausdünstung, wie die erste Anmeldung zur Bekleidung des Kinns schwamm. Die zwei großen Löwen von Marmor, welche am Eingang des Arsenals zu Venedig stehen und von Athen dahin gebracht worden, sind ebenfalls mit dem bloßen Eisen ausgearbeitet; es ist aber diese Art solchen und so großen Werken in Marmor mehr eigen. Die kolossische Statue aber, von welcher im Campidoglio beide Füße, Stücke von den Armen und eine Kniescheibe übrig sind (die von dem Colossus des Apollo, welchen Lucullus aus Apollonien nach Rom führte, sein sollen), war geschliffen und geglättet. Die Füße sind neun Palme lang und die Nägel der großen Zehe achthalb Zoll, und diese Zehe selbst hat im Umkreis über vier Palme. Die Geschicklichkeit und Fertigkeit der Ausarbeitung mit dem bloßen Eisen hat nicht anders als durch lange Übung erlangt werden können, zu welcher unsere Zeiten nicht Gelegenheit genug haben.

Die meisten Statuen in Marmor aber wurden geglättet, und man wird ungefähr auf eben die Art wie jetzt verfahren sein. Einer von den Steinen, welcher zur Glättung diente, kam aus der Insel Naxus, und Pindarus sagt, er sei der beste hierzu. Alle Statuen werden wie bei den Alten noch jetzt mit Wachs geglättet: aber dieses Wachs wird völlig abgerieben und bleibt nicht wie ein Firnis eine Oberhaut auf demselben. Die unten angeführten Stellen sind von allen irrig vom Abputzen der Statuen verstanden worden. 212

Der schwarze Marmor kam später als der weiße in Gebrauch: die härteste und feinste Art desselben wird insgemein Paragone, Probierstein, genannt. Von ganzen griechischen Figuren aus diesem Steine haben sich erhalten ein Apollo in der Galerie Farnese, der sogenannte Gott Aventinus im Campidoglio, beide größer als die Natur, zwei Zentaure des Herrn Kardinal Furietti, von Aristeas und Papias aus Aphrodisium gearbeitet, und ein junger Faun in Lebensgröße, in der Villa zu Nettuno gefunden.

In Basalt, sowohl in dem eisenfarbigen als in dem grünlichen, haben sich die griechischen Bildhauer zu zeigen gesucht; es hat sich aber von ganzen Statuen keine einzige erhalten. Ein Sturz von einer männlichen Figur in Lebensgröße in der Villa Medicis ist übrig, und dieser Rest zeugt von einer der schönsten Figuren aus dem Altertume; man kann denselben sowohl in Absicht der Wissenschaften als der Arbeit nicht ohne Verwunderung betrachten. Die übriggebliebenen Köpfe von diesem Steine veranlassen zu glauben, daß nur besonders geschickte Künstler sich an denselben gemacht haben: denn es sind dieselben in dem schönsten Stile und auf das feinste geendigt. Außer dem Kopfe des Scipio, von welchem ich im zweiten Teile Meldung tue, ist im Palaste Verospi ein Kopf eines jungen Helden und ein weiblicher idealischer Kopf, auf eine alte bekleidete Brust von Porphyr gesetzt, in der Villa Albani; das Schönste aber unter diesen Köpfen würde der von einem jungen Menschen in Lebensgröße sein, welchen der Verfasser besitzt, woran aber nur die Augen nebst der Stirn, das eine Ohr und die Haare unversehrt geblieben sind. Die Arbeit der Haare an diesem sowohl als an dem verospischen Kopfe ist verschieden von der an den männlichen Köpfen in Marmor, das ist, sie sind nicht wie an diesen in freie Locken geworfen oder mit dem Bohrer getrieben, sondern wie kurz geschnittene und fein gekämmte Haare vorgestellt, so wie sie sich an einigen männlichen idealischen Köpfen in Erz finden, wo gleichsam jedes Haar insbesondere angedeutet worden. An Köpfen in Erz, welche nach dem Leben gemacht sind, ist die Arbeit der Haare verschieden, und Marcus Aurelius zu Pferde und Septimius Severus zu Fuß, dieser im Palaste Barberini, haben die Haare lockig, wie ihre Bildnisse in Marmor. Der Herkules im Campidoglio hat die Haare dick und kraus, wie am Herkules gewöhnlich ist. In den Haaren des zuletzt 213 genannten verstümmelten Kopfs ist eine außerordentliche und ich möchte fast sagen unnachahmliche Kunst und Fleiß: fast mit eben der Feinheit sind die Haare an dem Sturze eines Löwen von dem härtesten Basalte in dem Weinberge Borioni gearbeitet. Die außerordentliche Glätte, welche man diesem Steine gegeben, auch hat geben müssen, nebst den feinen Teilen, woraus derselbe zusammengesetzt ist, haben verhindert, daß sich eine Rinde, wie an dem glättesten Marmor geschehen, angesetzt, und diese Köpfe sind mit ihrer völligen ersteren Glätte in der Erde gefunden.

Von der Arbeit in Porphyr ist zum dritten besonders zu reden. Hierin sind unsere Künstler weit unter den Alten, nicht, daß jene den Porphyr gar nicht zu arbeiten verständen, wie insgemein von unwissenden flattrigen Skribenten vorgegeben wird, sondern darin, daß die Alten hier mit größerer Leichtigkeit und mit uns unbekannten Vorteilen zu Werke gegangen sind. Daß die alten Künstler besondere Vorteile in dieser Arbeit erlangt gehabt, zeigen ihre Gefäße in Porphyr, welche wirklich auf der Bank ausgedreht sind. Der Herr Kardinal Alexander Albani besitzt die schönsten in der Welt, und zwei unter denselben sind über zwei römische Palme hoch, von welchen das eine von Papst Clemens XI. mit dreitausend Scudi bezahlt worden. Die heutigen Künstler, soweit sie in Bearbeitung des Porphyrs gelangt sind, haben das Wasser nicht, welches Cosmus, Großherzog von Toskana, soll erfunden haben, die Eisen zu härten, sie verstehen aber dennoch, diesen Stein zu bändigen. Es sind auch in neuern Zeiten nicht allein große Werke in Porphyr gearbeitet, wie der schöne Deckel der herrlich großen alten Urne in der Kapelle Corsini zu St. Johann Lateran ist, sondern auch verschiedene Brustbilder der Kaiser, unter welchen die Köpfe der zwölf ersten Kaiser in der Galerie des Palastes Borghese sind. Hierin besteht die größte Schwierigkeit und der besondere Vorzug der alten Künstler nicht, sondern, wie gesagt ist, im Ausdrehen der Gefäße. In kleinern Arbeiten hat man zu unsern Zeiten angefangen, diesen Stein zu drehen, aber größere Gefäße sind entweder nicht hohl gemacht, wie die im Palaste Verospi von grünlichem Porphyr sind, oder wenn sie hohl sind, wie die im Palaste Barberini und in der Villa Borghese, so sind sie zylindrisch ausgehöhlt, ohne Bauch und ohne Falze und Hohlkehlen. Daß aber das elliptische Ausdrehen der Gefäße von Porphyr nach Art der Alten kein verlorenes Geheimnis sei, hat der 214 Herr Kardinal Alexander Albani in einem wohlgelungenen Versuche zeigen lassen, welcher der Arbeit der Alten nichts nachgibt, indem der Porphyr bis auf die Dicke einer Feder ausgedreht ist; aber das Ausdrehen kostet dreimal so viel als die Form des Gefäßes, und es ist dasselbe dreizehn Monate auf dem Drehgestelle gewesen.

Man merke hier, daß sich an Statuen von Porphyr weder Kopf noch Hände und Füße aus ebendemselben Steine finden, sondern sie haben diese äußeren Teile von Marmor. In der Galerie des Palastes Chigi, welche jetzt in Dresden ist, war ein Kopf des Caligula in Porphyr; er ist aber neu und nach dem von Basalt im Campidoglio gemacht; in der Villa Borghese ist ein Kopf des Vespasianus, welcher ebenfalls neu ist. Es finden sich zwar vier Figuren, von welchen zwei und zwei zusammenstehen, aus einem Stücke am Eingang des Palastes des Dogen zu Venedig, welche ganz und gar aus Porphyr sind; es ist aber eine Arbeit der Griechen aus der spätern oder mittlern Zeit, und Hieronymus Magius muß sich sehr wenig auf die Kunst verstanden haben, wenn er vorgibt, daß es Figuren des Harmodion und Aristogiton, der Befreier von Athen, seien.

Was endlich die Arbeit in Erz betrifft, so waren schon lange vor dem Phidias viele Statuen darin gearbeitet, und Phradmon, welcher älter als jener war, hatte zwölf Kühe in Erz gemacht, die von den Thessaliern als eine Beute entführt und am Eingange eines Tempels gestellt wurden. In den ältesten Zeiten und vor dem Flore der Kunst wurden, wie Pausanius berichtet, Figuren von Erz aus Stücken zusammengesetzt und durch Nägel verbunden, wie ein Jupiter zu Sparta von einem Learchus aus der Schule des Dipoenus und Skyllis gewesen. Fast auf eben die Art aber und stückweise sind sechs herkulanische weibliche Figuren von Erz in und unter Lebensgröße gearbeitet: Kopf, Arme und Beine sind besonders gegossen, und der Rumpf selbst ist kein Ganzes. Diese Stücke sind bei ihrer Vereinigung nicht gelötet, als wovon sich beim Ausputzen derselben keine Spur gefunden, sondern sie sind durch eingefügte Hefte, welche in Italien von ihrer Form Schwalbenschwänze (Code di rondine) heißen, verbunden. Der kurze Mantel dieser Figuren, welcher ebenfalls aus zwei Stücken besteht, einem Vorder- und Hinterteile, ist auf den Schultern, wo er geknöpft vorgestellt ist, zusammengesetzt. An einer jugendlich männlichen 215 Statue, von welcher der Kopf ehemals in dem Museo der Kartäuser zu Rom war und jetzt in der Villa Albani ist, war die Scham besonders eingepaßt, welches vermutlich ein wiederholter Guß sein wird. Es verdient angemerkt zu werden, daß innerhalb der Scham, an dem Stücke, wo der Haarwuchs sein würde, drei griechische Buchstaben Ι Π Χ von einem Zolle lang stehen, welche nicht sichtbar sein könnten, wenn die Figur ganz gefunden worden wäre; dieses Stück ist in den Händen des Verfassers. Montfaucon ist übel berichtet, wenn er sich hat sagen lassen, daß die Statue des Marcus Aurelius zu Pferde nicht gegossen, sondern mit dem Hammer getrieben worden sei.

Mit Löten arbeitete man an den Haaren und an freihängenden Locken, wie man an einem der ältesten Köpfe aus dem ganzen Altertume in dem herkulanischen Museo zu Portici sieht. Es ist derselbe ein weibliches Brustbild und hat vorwärts über der Stirn bis an die Ohren fünfzig Locken wie von einem starken Drahte, beinahe eine Schreibfeder dick, eine lange und eine kurze neben- und übereinander hängen, jede von vier bis fünf Ringeln: die hintern Haare gehen geflochten um den Kopf herum und machen gleichsam das Diadema. Ein anderer männlicher Kopf daselbst mit einem langen Barte, welcher etwas von der Seite gewandt ist und unterwärts sieht, hat die krausen Locken in den Schläfen ebenfalls angelötet. Dieser idealische Kopf, welcher mit dem Namen des Platon bezeichnet wird, ist für ein Wunderwerk der Kunst zu achten, und wer denselben selbst nicht aufmerksam betrachtet, dem kann kein Begriff davon gegeben werden. Das seltenste Stück aber in dieser Art ist ein männlicher jugendlicher Kopf und eine Abbildung einer bestimmten Person, welcher achtundsechzig angelötete Locken um den Kopf herum hat und im Nacken unter jenen noch andere Locken, welche nicht frei hängen und mit dem Kopfe aus einem Gusse sind. Jene Locken gleichen einem schmalen Streifen Papier, welches gerollt und hernach auseinandergezogen wird: diejenigen, welche auf der Stirn hängen, haben fünf und mehr Windungen, die im Nacken haben bis an zwölf, und auf allen laufen zwei eingeschnittene Züge herum. Man könnte glauben, es sei ein Ptolemäus Apion, welchen man auf Münzen mit langen hängenden Locken sieht.

Die besten Statuen in Erz sind unter andern drei in eben diesem 216 Museo, und zwar in Lebensgröße: ein junger sitzender und schlafender Satyr, welcher den rechten Arm über den Kopf gelegt und den linken hängen hat: ein alter trunkener Satyr auf einem Schlauche liegend, über welchen eine Löwenhaut geworfen ist. Er stützt sich mit dem linken Arme und schlägt mit der erhobenen rechten Hand ein Knipchen, wie die Statue des Sardanapalus zu Anchialus, zum Zeichen der Freude, wie noch jetzt im Tanzen gewöhnlich ist. Die vorzüglichste unter den dreien ist ein sitzender Mercurius, welcher das linke Bein zurückgesetzt hat und sich mit der rechten Hand stützt, mit vorwärts gekrümmtem Leibe. Unter den Fußsohlen ist der Heft der Riemen von den angebundenen Flügeln wie eine Rose gestaltet, anzudeuten, daß diese Gottheit nicht zu gehen, sondern zu fliegen habe. Von dem Caduceo ist in der linken Hand nur ein Ende geblieben; das übrige hat sich nicht gefunden, woraus zu schließen ist, daß diese Statue auswärts hergebracht sei, wo dieses Stück muß verloren gegangen sein: denn da dieser Mercurius, den Kopf ausgenommen, ohne alle Beschädigung gefunden worden, hätte sich auch dessen Stab finden müssen.

Viele öffentliche Statuen von Erz wurden vergoldet, wie das Gold noch jetzt zeigt, welches sich erhalten hat an der Statue des Marcus Aurelius zu Pferde, an den Stücken von vier Pferden und einem Wagen, die auf dem herkulanischen Theater standen, sonderlich an dem Herkules im Campidoglio. Die Dauerhaftigkeit der Vergoldung an Statuen, welche viele hundert Jahre unter der Erde verschüttet gelegen, besteht in den starken Goldblättern: denn das Gold wurde bei weitem nicht so dünn als bei uns geschlagen, und Buonarroti zeigt den großen Unterschied des Verhältnisses. Daher sieht man in zwei verschütteten Zimmern des Palastes der Kaiser auf dem Palatino in der Villa Farnese die Zieraten von Gold so frisch, als wenn dieselben neulich gemacht worden; ungeachtet diese Zimmer wegen des Erdreichs, womit sie bedeckt sind, sehr feucht seien: die himmelblauen und bogenweise gezogenen Binden mit kleinen Figuren in Gold können nicht ohne Verwunderung gesehen werden. Auch in den Trümmern zu Persepolis hat sich noch die Vergoldung erhalten.

Im Feuer vergoldet man auf zweierlei Art, wie bekannt ist; die eine Art heißt Amalgema, die andere nennt man in Rom 217 allo Spadaro, d. i., nach Schwertfeger Art. Diese geschieht mit aufgelegten Goldblättern, jene Art aber ist ein aufgelöstes Gold in Scheidewasser. In dieses von Gold schwangere Wasser wird Quecksilber getan, und alsdann wird es auf ein gelindes Feuer gesetzt, damit das Scheidewasser verrauche, und das Gold vereinigt sich mit dem Quecksilber, welches zu einer Salbe wird. Mit dieser Salbe wird das Metall, wenn es vorher sorgfältig gereinigt worden, geglüht bestrichen, und dieser Anstrich erscheint alsdann ganz schwarz; von neuem aber aufs Feuer gelegt, bekommt das Gold seinen Glanz. Diese Vergoldung ist gleichsam dem Metalle einverleibt, war aber den Alten nicht bekannt; sie vergoldeten nur mit Blättern, nachdem das Metall mit Quecksilber belegt oder gerieben war, und die lange Dauer dieser Vergoldung liegt, wie ich gesagt habe, in der Dicke der Blätter, deren Lagen noch jetzt an dem Pferde des Marcus Aurelius sichtbar sind.

Auf dem Marmor wurde das Gold mit Eiweiß aufgetragen, welches jetzt mit Knoblauch geschieht, womit der Marmor gerieben wird, und alsdann überzieht man den Marmor mit dünnen Gipse, auf welchen die Vergoldung getragen wird. Einige bedienen sich der Milch der Feigen, welche sich zeigt, wenn sich die Feige, die zu reifen anfängt, von dem Stengel ablöst. An einigen Statuen von Marmor finden sich noch jetzt Spuren von Vergoldung an den Haaren, wie oben gedacht worden, und vor vierzig Jahren fand sich das Unterteil eines Kopfs, welcher einem Laokoon ähnlich war, mit Vergoldung; diese aber ist nicht auf Gips, sondern unmittelbar auf den Marmor gesetzt.

Zur Arbeit in Erz gehören auch die Münzen, deren Gepräge unter den Griechen verschieden ist, nach dem verschiedenen Alter der Kunst. In den ältesten Zeiten ist es flach, und in dem Flore der Kunst sowohl als in den folgenden Zeiten mehr erhoben; dort zum Teil sehr fleißig, hier groß ausgeführt. Von den ältesten Münzen mit zwei Stempeln habe ich oben zu Anfang des dritten Stückes dieses Kapitels geredet.

Ich füge hier eine noch nicht bekanntgemachte Inschrift in der Villa Albani bei, in welcher der Vergoldung der Münzen gedacht wird: 218

                  D. M.
FECIT. MINDIA. HELPIS. IVLIO. THALLO.
MARITO. SVO. BENE. MERENTI. QVI. FECIT.
OFFICINAS. PLVMBARIAS. TRASTIBERINA.
ET. TRICARI. SVPERPOSITO. AVRI. MONETAE.
NVMVLARIORVM. QVI. VIXIT. ANN. XXXII. M. VI.
ET. C. IVLIO. THALLO. FILIO. DVLCISSIMO. QVI. VIXIT.
MESES. IIII. DIES. XI. ET. SIBI. POSTERISQVE. SVIS.
D. M. (Mit gottgweihten Händen) hat Minthia Helpis (= poetisch: die duftende Minze – Minthia Helpis = weibliche Vornamen) [diese Münze] angefertigt dem Julius Thallus, ihrem hochverdienten Ehegatten, dem Vorgesetzten der Münzbeamten in der Münzvergolderei, der die Bleiwerkstätten am Tiber und zu Tricario (Städtename) geschaffen hat, der 52 Jahre, 6 Monate gelebt hat, und ihrem allerherzigsten (innigstgeliebten) Sohn Julius Thallus, der 4 Monate, 11 Tage gelebt hat und ihm nachfolgte.

 


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