Johann Joachim Winckelmann
Geschichte der Kunst des Altertums
Johann Joachim Winckelmann

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Die Zeichnung bekleideter Figuren

Von diesem ersten Teile des zweiten Stücks dieses Kapitels, das ist von der Betrachtung der Zeichnung des Nackenden in der griechischen Kunst, gehe ich zu dem zweiten Teile, welcher von der Zeichnung bekleideter Figuren handelt. Die Untersuchung dieses Teiles der Kunst ist in einer Lehrgeschichte derselben um so viel nötiger, da die bisherigen Abhandlungen von der Kleidung der Alten mehr gelehrt als unterrichtend und bestimmt sind, und ein Künstler würde, wenn er dieselbe gelesen hätte, vielmals unwissender sein als vorher: denn dergleichen Schriften sind von Leuten zusammengetragen, die nur wußten aus Büchern, nicht aus anschaulicher Kenntnis der Werke der Kunst. Unterdessen muß ich bekennen, daß es schwer ist, alles genau zu bestimmen.

Eine umständliche Untersuchung über die Bekleidung der Alten kann ich hier nicht geben, sondern ich will mich auf weibliche Figuren einschränken, weil die meisten männlichen Figuren griechischer Kunst auch nach dem Zeugnisse der Alten unbekleidet sind. Was von der männlichen griechischen Bekleidung besonders anzumerken ist, wird im folgenden Kapitel bei der römischen Tracht mit anzubringen sein, wo ich von der männlichen Kleidung handle, so wie die weibliche Kleidung unter den Römern zugleich bei der griechischen berührt wird.

Es ist erstlich von dem Zeuge, zweitens von den verschiedenen Stücken, Arten und von der Form der weiblichen Kleidung und zum dritten von der Zierlichkeit derselben und von dem übrigen weiblichen Anzuge und Schmucke zu reden. 164

 
Das verwendete Material

In Absicht des ersten Punktes war die weibliche Kleidung teils von Leinwand oder von anderem leichten Zeuge, teils von Tuch und sonderlich unter den Römern in spätern Zeiten auch von Seide. Die Leinwand ist in Werken der Bildhauerei sowohl als in Gemälden an der Durchsichtigkeit und an den flachen kleinen Fältchen kenntlich, und diese Art der Bekleidung ist in den Figuren gegeben, nicht sowohl weil die Künstler die nasse Leinwand, mit welcher sie ihr Modell bekleideten, nachgemacht, sondern weil die ältesten Einwohner von Athen, wie Thukydides schreibt, und auch andere Griechen sich in Leinwand kleideten, welches nach dem Herodotus nur von dem Unterkleide der Weiber zu verstehen wäre. Leinwand war noch die Tracht zu Athen nicht lange vor den Zeiten besagter Skribenten und war den Weibern eigen. Will jemand an weiblichen Figuren das, was Leinwand scheinen könnte, für leichtes Zeug halten, so ändert sich dadurch die Sache nicht: unterdessen muß die Leinwand eine häufige Tracht unter den Griechen geblieben sein, da in der Gegend um Elis der schönste und feinste Flachs gebaut und gearbeitet wurde.

Das leichte Zeug war vornehmlich Baumwolle, welche in der Insel Kos gebaut und gewirkt wurde, und es war sowohl unter den Griechen als unter den Römern eine Kleidung des weiblichen Geschlechts; wer sich aber von Männern in Baumwolle kleidete, war wegen der Weichlichkeit beschrien: dieses Zeug war zuweilen gestreift, wie es Chärea, der sich als ein Verschnittener verkleidet hat, in dem vatikanischen Terentius trägt. Es wurden auch leichte Zeuge für das weibliche Geschlecht aus der Wolle gewebt, welche an gewissen Muscheln wächst, aus welcher noch jetzt, sonderlich zu Taranto, sehr feine Handschuhe und Strümpfe für den Winter gearbeitet werden. Man hatte dermaßen durchsichtige Zeuge, daß man sie daher einen Nebel nannte, und Euripides beschreibt den Mantel, welchen Iphigenia über ihr Gesicht her geschlagen, so dünn, daß sie durch denselben hat sehen können.

Die Kleidung von Seide erkennt man auf alten Gemälden an der verschiedenen Farbe auf eben demselben Gewande, welches man eine sich ändernde Farbe (Colore cangiante) nennt, wie dieses 165 deutlich auf der sogenannten Aldrovandischen Hochzeit und an den Kopien von anderen in Rom gefundenen und vernichteten Gemälden, welche der Herr Kardinal Alexander Albani besitzt, zu sehen ist; noch häufiger aber auf vielen herkulanischen Gemälden erscheint, wie in dem Verzeichnisse und in der Beschreibung derselben an einigen Orten angemerkt worden. Diese verschiedene Farbe auf den Gewändern verursacht die glatte Fläche der Seide und der grelle Widerschein, und diese Wirkung macht weder Tuch noch Baumwolle, aus Ursache des wolligen Fadens und der rauhen Fläche. Dieses will Philostratus anzeigen, wenn er von dem Mantel des Amphion sagt, daß derselbe nicht von einer Farbe gewesen, sondern sich geändert. Daß das griechische Frauenzimmer in den besten Zeiten von Griechenland seidene Kleider getragen, ist aus Schriften nicht bekannt; aber wir sehen es in den Werken ihrer Künstler, unter welchen vier zuletzt im Herculano entdeckte Gemälde, welche unten beschrieben sind, vor der Kaiser Zeiten gemalt sein können: man könnte sagen, es hätten die Maler ein seidenes Gewand gehabt, ihre Modelle damit zu bekleiden. In Rom wußte man bis unter den Kaisern nichts von dieser Tracht; da aber die Pracht einriß, ließ man seidene Zeuge aus Indien kommen, und es kleideten sich auch Männer in Seide, worüber unter dem Tiberius ein Verbot gemacht wurde. Eine besondere sich ändernde Farbe sieht man auf vielen Gewändern alter Gemälde, nämlich Rot und Violett oder Himmelblau zugleich, oder Rot in den Tiefen und Grün auf den Höhen oder Violett in den Tiefen und Gelb auf den Höhen; welches ebenfalls seidene Zeuge andeutet, aber solche, an welchen der Faden des Einschlags und des Aufschlags jeder besonders eine von beiden Farben muß gehabt haben, welche an geworfenen Gewändern nach der verschiedenen Richtung der Falten eine vor der andern erleuchtet worden. Der Purpur war insgemein Tuch; man wird aber vermutlich auch der Seide diese Farbe gegeben haben. Da nun der Purpur von zweifacher Art war, nämlich violett oder himmelblau, welche Art Farbe die Griechen durch ein Wort andeuten, welches eigentlich Meerfarbe heißt, und der andere und kostbare Purpur, nämlich der tyrische, welcher unserm Lack ähnlich war, so scheint es, daß man seidene Zeuge aus diesen zwei Arten von Purpurfarbe gewebt habe.

Das Gewand von Tuch unterscheidet sich an Figuren augenscheinlich 166 von der Leinwand und von andern leichten Zeugen; und ein französischer Künstler, welcher keine andern als sehr feine und durchsichtige Zeuge in Marmor bemerkt, hat nur die Farnesische Flora gedacht und an Figuren, welche auf ähnliche Art gekleidet sind. Man kann hingegen behaupten, daß sich in weiblichen Statuen wenigstens ebensoviel Gewänder, welche Tuch, als welche feine Zeuge vorstellen, erhalten haben. Tuch ist kenntlich an großen Falten, auch an den Brüchen, in welche das Tuch im Zusammenlegen geschlagen wurde; von diesen Brüchen wird unten geredet.

 
Die Kleidungsstücke

Was den zweiten Punkt der weiblichen Kleidung, nämlich ihre verschiedenen Stücke, Arten und die Form derselben betrifft, so sind zuerst drei Stücke, das Unterkleid, der Rock und der Mantel zu merken, deren Form die allernatürlichste ist, die sich denken läßt. In den ältesten Zeiten war die weibliche Tracht unter allen Griechen ebendieselbe, das ist die dorische; in folgenden Zeiten unterschieden sich die Ionier von den übrigen; die Künstler aber scheinen sich in göttlichen und heroischen Figuren an die älteste Tracht vornehmlich gehalten zu haben.

Das Unterkleid, welches statt unsers Hemdes war, sieht man an entkleideten oder schlafenden Figuren, wie an der Farnesischen Flora, an den Statuen der Amazonen im Campidoglio und in der Villa Mattei, an der fälschlich so genannten Kleopatra in der Villa Medicis und an einem schönen Hermaphroditen im Palaste Farnese. Auch die jüngste Tochter der Niobe, die sich in den Schoß der Mutter wirft, hat nur das Unterkleid; und dieses hieß bei den Griechen Χιτών, und die allein im Unterkleide waren, hießen μονόπεπλοι. Es war, wie an angeführten Figuren erscheint, von Leinwand oder sehr leichtem Zeuge, ohne Ärmel, so daß es auf den Achseln vermittelst eines Knopfes zusammenhing, und bedeckte die ganze Brust, wenn es nicht von der Achsel abgelöst war. Oben am Halse scheint zuweilen ein gekräuselter Streifen von feinerem Zeuge angenäht gewesen zu sein, welches aus Lykophrons Beschreibung des Männerhemdes, worin Klytämnestra den Agamemnon verwickelt, um so viel mehr auf Unterkleider der Weiber kann geschlossen werden. 167

Die Mädchen scheinen über ihr Unterkleid sich unter der Brust mit einer Binde festgeschnürt zu haben, um ihr Gewächs schlank zu machen, zu erhalten und sichtbarer zu zeigen, und diese Art von Schnürbrust hieß bei den Griechen σηϑόδεσμος und bei den Römern Castula. Man findet auch, daß das griechische Frauenzimmer, die Fehler des Gewächses zu verbergen, den Leib mit dünnen Bretterchen von Lindenholz gepreßt habe. Der Gebrauch, sich zu schnüren, muß auch bei den Etruriern gewesen sein, wie sich auf einer alten Paste an einer Scylla zeigt, deren Leib gegen die Hüfte wie eine Schnürbrust enger zuläuft. An entkleideten Personen bis auf das Unterkleid ist dieses mit einem Gürtel gebunden, welches im völligen Anzuge, wie es scheint, nicht geschah.

Der weibliche Rock war gewöhnlich nichts anders als zwei lange Stücke Tuch ohne Schnitt und ohne andere Form, welche nur in der Länge zusammengenäht waren und auf den Achseln durch einen oder mehr Knöpfe zusammenhingen: zuweilen war anstatt des Knopfs ein spitziges Heft, und die Weiber zu Argos und Ägina trugen dergleichen Hefte größer als zu Athen. Dieses war der sogenannte viereckige Rock, welcher auf keine Weise rund geschnitten sein kann, wie Salmasius glaubt (er gibt die Form des Mantels dem Rocke und des Rocks dem Mantel), und es ist die gemeinste Tracht göttlicher Figuren oder aus der Heldenzeit. Dieser Rock wurde über den Kopf geworfen. Die Röcke der spartanischen Jungfrauen waren unten auf den Seiten offen und flogen frei voneinander, wie man es an einigen Tänzerinnen in erhobener Arbeit sieht. Andere Röcke sind mit engen genähten Ärmeln, welche bis an die Knöchel der Hand reichen, und die daher καρπωτοί, von καρπός, der Knöchel, genannt wurden. So ist die ältere von den zwei schönsten Töchtern der Niobe gekleidet; die vermeinte Dido unter den etrurischen Gemälden wie auch die meisten weiblichen Figuren der ältesten erhobenen Arbeiten haben eben dergleichen Ärmel. Vielmals gehen die Ärmel nur über das Oberteil des Arms, welche Kleidung daher παράπηχυς genannt wird: sie haben Knöpfe von der Achsel herunter, und am männlichen Unterkleide waren sie noch kürzer. Wenn die Ärmel sehr weit sind wie an der schönen Pallas in der Villa Albani, sind sie nicht besonders geschnitten, sondern aus dem viereckigen Rocke, welcher von der Achsel auf den Arm heruntergefallen, vermittelst des Gürtels in Gestalt der Ärmel gezogen 168 und gelegt. Wenn solcher Rock sehr weit ist, und die Teile dessen oben nicht zusammengenäht sind, sondern durch Knöpfe zusammenhängen, so fallen alsdann die Knöpfe auf den Arm herunter: weitläufige Röcke trug das weibliche Geschlecht an feierlichen Tagen. Man findet im ganzen Altertume keine weiten und nach heutiger Art an Hemden aufgerollten Ärmel, wie Bernini der heiligen Veronika in St. Peter zu Rom gegeben.

Die Röcke sowohl als die Mäntel hatten insgemein an ihrem Saume umher eine Besetzung, welche auch gewirkt oder gestickt sein konnte, von einem oder mehr Streifen: dieses sieht man am deutlichsten auf alten Gemälden; es ist aber auch in Marmor angezeigt. Dieses Zierat hieß bei den Römern Limbus und bei den Griechen πεζὰς, κύκλας und περιπόδιον und war mehrenteils von Purpur. Einen Streifen hatten die gemalten Figuren in der Pyramide des C. Cestius zu Rom; zwei gelbe Streifen sieht man auf dem Rocke der Harfenschlägerin der sogenannten Aldobrandinischen Hochzeit; drei rote Streifen, mit weißem Blumenwerk auf demselben, hat der Rock der Roma im Palaste Barberini, und vier Streifen sind an einer Figur auf einem von denjenigen herkulanischen Gemälden, welche mit einer Farbe auf Marmor gezeichnet sind.

Die Jungfrauen sowohl als Weiber banden den Rock nahe unter den Brüsten, wie noch jetzt an einigen Orten in Griechenland geschieht, und wie die jüdischen Hohenpriester denselben trugen, dieses hieß hochaufgeschürzt, βοϑύζωνος, welches ein gemeines Beiwort der griechischen Weiber beim Homerus und bei anderen Dichtern ist. Dieses Band oder Gürtel, bei den Griechen Strophium, auch Mitra genannt, ist an den meisten Figuren sichtbar, und von den beiden Enden desselben auf der Brust hängen drei Kügelchen an so viel Schnüren herunter, an einer kleinen Pallas von Erz in der Villa Albani. Es ist dieses Band unter der Brust in eine einfache, auch doppelte Schleife gebunden, welche man an den zwei schönsten Töchtern der Niobe nicht sieht: der jüngsten von diesen geht das Band über beide Achseln und über den Rücken, wie es die vier Karyatiden in Lebensgröße haben, welche im Monat April 1761 bei Monte Portio unweit Frascati gefunden worden. An den Figuren des vatikanischen Terentius sehen wir, daß der Rock auf diese Art mit zwei Bändern gebunden wurde, die oben auf der 169 Achsel befestigt gewesen sein müssen: denn sie hängen an einigen Figuren aufgelöst auf beiden Seiten herunter, und wenn sie gebunden wurden, hielten die Bänder über den Achseln das Band unter der Brust in die Höhe. An einigen Figuren ist dieses Band oder Gürtel so breit als ein Gurt, wie an einer fast kolossalischen Figur in der Cancelleria, an der Aurora an dem Bogen des Constantinus und an einer Bacchante in der Villa Madama außer Rom. Die tragische Muse hat insgemein einen breiten Gürtel, und an einer großen Begräbnisurne in der Villa Mattei ist derselbe gestickt vorgestellt; auch Urania hat zuweilen einen solchen breiten Gürtel.

Die Amazonen allein haben das Band nicht nahe unter der Brust, sondern wie dasselbe an Männern ist, über den Hüften liegen, und es diente nicht sowohl, ihren Rock fest oder in die Höhe zu binden, als vielmehr sich zu gürten, ihre kriegerische Natur anzudeuten (gürten heißt bei Homerus, sich zur Schlacht rüsten); daher dieses Band an ihnen eigentlich ein Gürtel zu nennen ist. Eine einzige Amazone unter Lebensgröße im Palaste Farnese, welche verwundet vom Pferde sinkt, hat das Band nahe unter den Brüsten gebunden.

Die völlig bekleidete Venus ist in Marmor allezeit mit zwei Gürteln vorgestellt, von welchen der andere unter dem Unterleibe liegt, so wie denselben die Venus mit einem Porträtkopfe neben dem Mars im Campidoglio und die schöne bekleidete Venus hat, welche ehemals in dem Palaste Spada stand. Dieser untere Gürtel ist nur dieser Göttin eigen und ist derjenige, welcher bei den Dichtern insbesondere der Gürtel der Venus heißt; dieses ist noch von niemand bemerkt worden. Juno bat sich denselben aus, da sie dem Jupiter eine heftige Begierde gegen sich erwecken wollte, und sie legte denselben, wie Homerus sagt, in ihren Schoß, das ist um und unter den Unterleib, wo dieser Gürtel an besagten Figuren liegt: die Syrer gaben vermutlich auch daher den Statuen der Juno diesen Gürtel. Gori glaubt, daß zwei von den drei Grazien an einer Begräbnisurne diesen Gürtel in der Hand halten, welches nicht zu beweisen ist.

Einige Figuren im bloßen Unterkleide, welches von der einen Achsel abgelöst niederfällt, haben keinen Gürtel: an der Farnesischen Flora ist derselbe auf den Unterleib schlaff heruntergesunken; Antiope, die Mutter des Amphion und Zethus, in eben diesem Palaste, und eine Statue an dem 170 Palaste der Villa Medicis haben den Gürtel um die Hüften liegen. Ohne Gürtel sind einige Bacchanten auf Gemälden in Marmor und auf den geschnittenen Steinen, ihre wollüstige Weichlichkeit, sowie Bacchus ohne Gürtel ist, anzudeuten, daher auch die bloße Stellung einiger verstümmelten weiblichen Figuren ohne Gürtel uns dieselben für Bacchanten anzeigt; eine von solchen ist in der Villa Albani. Unter den herkulanischen Gemälden sind zwei junge Mädchen ohne Gürtel, die eine mit einer Schüssel Feigen in der rechten Hand und mit einem Gefäße zum Eingießen in der linken; die andere mit einer Schüssel und mit einem Korbe; welche diejenigen vorstellen könnten, die denen, welche in dem Tempel der Pallas speisten, aufwarteten, und Δειπνοφόροι, Speisenträgerinnen, genannt wurden. Die Erklärer dieser Gemälde haben hier keine Bedeutung der Figuren angegeben, und dieselben bedeuten nichts ohne jene Bedeutung.

Das dritte Stück der weiblichen Kleidung, der Mantel (bei den Griechen Peplon genannt, welches Wort insbesondere dem Mantel der Pallas eigen ist und hernach auch von dem Mantel anderer Götter und Männer gebraucht wird), war nicht viereckig, wie sich Salmasius eingebildet hat, sondern ein völlig rund geschnittenes Tuch, so wie auch unsere Mäntel zugeschnitten sind; und eben die Form muß auch der Mantel der Männer gehabt haben. Dieses ist zwar der Meinung derjenigen, welche über die Kleidung der Alten geschrieben haben, zuwider; aber diese haben meistenteils nur aus Büchern und nach schlecht gezeichneten Kupfern geurteilt, und ich kann mich auf den Augenschein und auf eine vieljährige Betrachtung berufen. In Auslegung alter Skribenten und in Vereinigung oder Widerlegung ihrer Erklärer kann ich mich nicht einlassen, und ich begnüge mich, jene der von mir angegebenen Form gemäß zu verstehen. Die meisten Stellen der Alten reden überhaupt von viereckigen Mänteln, welches aber keine Schwierigkeit veranlaßt, wenn nicht Ecken, das ist ein in viele rechte Winkel geschnittenes Tuch, sondern ein Mantel von vier Zipfeln verstanden wird, welche sich nach ebensoviel angenähten kleinen Quästchen im Zusammennehmen oder im Anlegen warfen.

An den meisten Mänteln an Statuen sowohl als an Figuren, auf geschnittenen Steinen, beiderlei Geschlechts sind nur zwei Quästchen 171 sichtbar, weil die andern durch den Wurf des Mantels verdeckt sind; oft zeigen sich deren drei, wie an einer Isis in etrurischem Stil gearbeitet, an einem Aesculapius, beide in Lebensgröße, und an dem Mercurius auf einem der zwei schönen Leuchter von Marmor, alle drei im Palaste Barberini. Alle vier Quästchen aber sind an ebensoviel Zipfeln sichtbar: an dem Mantel einer von zwei ähnlichen etrurischen Figuren in Lebensgröße in gedachtem Palaste, an einer Statue mit dem Kopfe des Augustus im Palaste Conti und an der tragischen Muse Melpomene auf der angeführten Begräbnisurne in der Villa Mattei. Diese Quästchen hängen offenbar an keinen Ecken, und der Mantel kann keine Ecken haben, weil, wenn derselbe in Viereck geschnitten wäre, die geschlängelten Falten, welche auf allen Seiten fallen, nicht könnten geworfen werden: ebensolche Falten werfen die Mäntel etrurischer Figuren, so daß dieselben folglich eben die Form müssen gehabt haben . . .

Hiervon kann sich ein jeder überzeugen an einem mit etlichen Stichen zusammengehefteten Mantel, wenn derselbe als ein rundes Tuch nach Art der Alten umgeworfen wird. Es zeigt auch die Form der heutigen Meßgewänder, welche vorne und hinten rundlich geschnitten sind, daß dieselben ehemals völlig rund und ein Mantel gewesen, ebenso wie noch jetzt die Meßgewänder der Griechen sind. Diese wurden durch eine Öffnung über den Kopf geworfen und zu bequemerer Handhabung bei dem Sakramente der Messe über die Arme hinaufgeschlagen, so daß alsdann dieser Mantel vorn und hinten in einem Bogen herunterhing. Da nun mit der Zeit diese Meßgewänder von reichem Zeuge gemacht wurden, so gab man denselben teils aus Bequemlichkeit, teils zur Ersparung der Kosten diejenige Form, welche sie hatten, wenn sie über die Arme hinaufgeworfen wurden, das ist, sie bekamen die heutige Form.

Der runde Mantel der Alten wurde auf vielfältige Art gelegt und geworfen: die gewöhnlichste war, ein Viertel oder ein Drittel überzuschlagen, welches, wenn der Mantel umgeworfen wurde, dienen konnte, den Kopf zu decken: so warf Scipio Nasica beim Appianus den Saum seiner Toga (κράσπεδον) über den Kopf. Zuweilen wurde der Mantel doppelt zusammengenommen (welcher alsdann größer als gewöhnlich wird gewesen sein und sich auch an Statuen zeigt), und dieses findet sich von alten Skribenten angedeutet. Doppelt gelegt ist unter andern der Mantel 172 der schönen Pallas in der Villa Albani und an einer andern Pallas ebendaselbst. Von einem so gelegten Mantel ist das doppelte Tuch der Zyniker vermutlich zu verstehen, ungeachtet es sich an der Statue eines Philosophen dieser Sekte in Lebensgröße in gedachter Villa nicht doppelt genommen findet: denn da die Zyniker kein Unterkleid trugen, hatten sie nötiger als andere, den Mantel doppelt zu nehmen, welches begreiflicher ist als alles, was Salmasius und andere über diesen Punkt vorgebracht haben. Das Wort doppelt kann nicht von der Art des Umwerfens, wie jene wollen, verstanden werden; denn an angezeigter Statue ist der Mantel wie an den meisten Figuren mit Mänteln geworfen.

Die gewöhnlichste Art, den Mantel umzuwerfen, ist unter dem rechten Arm, über die linke Schulter. Zuweilen aber sind die Mäntel nicht umgeworfen, sondern hängen oben auf den Achseln an zwei Knöpfen, wie an einer vermeinten Juno Lucina in der Villa Albani und an zwei andern Statuen mit Körben auf dem Kopfe, das ist Karyatiden in der Villa Negroni, alle drei in Lebensgröße. An diesen Mänteln muß man wenigstens das Drittel über- oder untergeschlagen annehmen, so wie man es deutlich sieht an dem Mantel einer weiblichen Figur über Lebensgröße in dem Hofe des Palastes Farnese, dessen oberwärts untergeschlagenes Teil mit dem Gürtel gefaßt und gebunden ist. Von einem solchen angehängten Mantel ist der Schweif heraufgenommen und unter den Gürtel gesteckt an einer weiblichen Statue über Lebensgröße in dem Hofe der Cancelleria und an der Antiope in dem Gruppo des sogenannten Farnesischen Ochsen. Zuweilen war der Mantel auch unter den Brüsten an zwei Zipfeln durch ein Heft zusammengehängt, so wie Mäntel einiger ägyptischer Figuren und der Isis insgemein zusammengebunden sind, welches im zweiten Kapitel angezeigt worden. Es ist etwas Besonderes, daß der Sturz einer weiblichen Statue in der Villa des Herrn Grafen Fede, in der Villa Hadriani bei Tivoli, über ihren Mantel, welcher wie der Mantel der Isis auf der Brust gebunden ist, einen Überhang, wie ein Netz gestrickt, geworfen hat.

Anstatt dieses großen Mantels war auch ein kleiner Mantel im Gebrauch, welcher aus zwei Teilen bestand, die unten zugenäht waren und oben auf der Achsel durch einen Knopf zusammenhingen, so daß die 173 Öffnungen für den Arm blieben, und dieser Mantel wurde von den Römern Ricinium genannt: bisweilen reicht dieser Mantel kaum bis an die Hüften, ja es ist derselbe oft nicht länger als unsere Mantillen. Diese sind auf einigen herkulanischen Gemälden wirklich also gemacht, wie das Frauenzimmer dieselben zu unsern Zeiten trägt, das ist ein leichtes Mäntelchen, welches auch über die Arme geht, und vermutlich ist dieses dasjenige Stück der weiblichen Kleidung, welches Enkyklion oder Kyklas, auch Anaboladion und Ampechonion genannt wurde. Als etwas Besonderes ist ein längerer Mantel, ebenfalls aus zwei Stücken, einem Vorder- und Hinterteile, an der Flora im Campidoglio zu merken: es ist derselbe an beiden Seiten von unten herauf zugenäht und oberwärts geknöpft, so daß eine Öffnung gelassen ist, die Arme durchzustecken, wie der linke Arm tut; der rechte Arm aber hat das Gewand übergeworfen, man sieht aber die Öffnung.

Die Kleidung der Alten wurde zusammengelegt und gepreßt, welches sonderlich muß geschehen sein, wenn dieselbe gewaschen wurde: denn mit den weißen Gewändern der ältesten Tracht des weiblichen Geschlechts mußte dieses öfter geschehen; es geschieht auch der Kleiderpressen Meldung. Man sieht dieses an den teils erhobenen, teils vertieften Reifen, welche über die Gewänder hinlaufen und Brüche des zusammengelegten Tuches vorstellen. Diese haben die alten Bildhauer niemals nachgeahmt, und ich bin der Meinung, daß, was die Römer Runzeln (Rugas) an den Kleidern hießen, dergleichen Brüche, nicht geplättete Falten waren, wie Salmasius meint, welcher von dem, was er nicht gesehen, nicht Rechenschaft geben konnte.

 
Zierlichkeit

In der Zierlichkeit, als dem zweiten Punkte der Betrachtung über die Zeichnung bekleideter Figuren, liegt viel zur Kenntnis des Stils und der Zeiten. Die Zierlichkeit in der Kleidung, welche bei den Alten vornehmlich nur den weiblichen Kleidern zukommt, besteht in der Kunst sonderlich in den Falten. Diese gingen in den ältesten Zeiten mehrenteils gerade oder in einem sehr wenig gezogenen Bogen: ein in diesen Sachen sehr wenig erleuchteter Skribent sagt dieses von allem Faltenschlage der Alten. Da nun die etrurischen Gewänder mehrenteils in kleine Falten 174 gelegt sind, welche, wie im vorigen Kapitel angezeigt worden, fast parallel nebeneinander liegen, und da der älteste griechische Stil, welchem der etrurische ähnlich war, es also auch in der Bekleidung gewesen ist, so kann man auch ohne Überzeugung aus überbliebenen Denkmalen schließen, daß die griechischen Gewänder des älteren Stils jenen ähnlich gewesen sein werden. Wir finden noch an Figuren aus der besten Zeit der Kunst den Mantel in platte Falten gelegt, welches an einer Pallas auf Alexanders des Großen Münzen deutlich ist; daher solche Falten allein kein Zeichen des ältesten Stils sind, wofür sie insgemein genommen werden. In dem höchsten und schönsten Stile wurden die Falten mehr in Bogen gesenkt, und weil man die Mannigfaltigkeit suchte, wurden die Falten gebrochen, aber wie Zweige, die aus einem Stamme ausgehen, und sie haben alle einen sanften Schwung. An großen Gewändern beobachtete man, die Falten in vereinigte Haufen zu halten, in welcher großen Art der Mantel der Niobe, das schönste Gewand aus dem ganzen Altertume, ein Muster sein kann. An die Bekleidung derselben, nämlich der Mutter, hat ein neuerer Künstler in seinen Betrachtungen über die Bildhauerei nicht gedacht, wenn er vorgibt, daß in den Gewändern der Niobe eine Monotonie herrsche, und daß die Falten ohne Verständnis in der Einteilung sind. Wenn aber der Künstler Absicht war, die Schönheit des Nackenden zu zeigen, so setzten sie derselben die Pracht der Gewänder nach, wie wir an den Töchtern der Niobe sehen: ihre Kleider liegen ganz nahe am Fleische, und es sind nur die Hohlungen bedeckt; über die Höhen aber sind leichte Falten als Zeichen eines Gewandes gezogen. In eben diesem Stile ist eine Diana auf einem geschnittenen Steine, mit dem Namen des Künstlers ἙΙΟΣ, gekleidet: die Schreibart des Namens setzt diesen Hejus in die ältern Zeiten. Ein Glied, welches sich erhebt, und von welchem ein freies Gewand von beiden Seiten herunterfällt, ist alle Zeit wie in der Natur ohne Falten, welche sich dahin senken, wo eine Hohlung ist. Vielfältig verworrene Brüche, die von den meisten neueren Bildhauern, auch Malern gesucht werden, wurden bei den Alten für keine Schönheit gehalten: an hingeworfenen Gewändern aber, wie das am Laokoon ist, und ein anderes über eine Vase geworfen, von der Hand eines Erato in der Villa Albani, sieht man Falten auf mancherlei Weise gebrochen. 175

 
Schmuck

Zur Kleidung gehört der übrige Schmuck des Kopfs, der Arme und der Anzug der Füße. Von dem Haarputze der älteren griechischen Figuren ist kaum zu reden; denn die Haare sind selten in Locken gelegt wie an römischen Köpfen; und an griechischen weiblichen Köpfen sind die Haare alle Zeit noch einfältiger als an ihren männlichen Köpfen. An den Figuren des höchsten Stils sind die Haare ganz platt über den Kopf gekämmt, mit Andeutung schlangenweis fein gezogener Furchen, und bei Mädchen sind sie auf dem Wirbel zusammengebunden oder um sich selbst in einen Knauf, vermittelst einer Nestnadel, herumgewickelt, welche aber an ihren Figuren nicht sichtbar gemalt ist. Eine einzige römische Figur findet sich bei Montfaucon, an deren Kopfe man dieselbe sieht; es ist aber keine Nadel, die Haare ordentlich in Locken zu legen (Acus discriminalis), wie dieser Gelehrte meint. Bei Weibern liegt dieser Knauf gegen das Hinterteil des Kopfs zu; und mit einer solchen Einfalt trat alle Zeit die erste weibliche Person in den griechischen Trauerspielen auf. Zuweilen sind die weiblichen Haare, wie an etrurischen Figuren beiderlei Geschlechts, hinten lang gebunden und hängen unter dem Bande in großen nebeneinander liegenden Locken herunter: also sind dieselben an der vielmals angeführten Pallas in der Villa Albani, an einer kleinern Pallas bei Belisario Amidei, an den Karyatiden in der Villa Negroni und an der Etrurischen Diana zu Portici. Gori, welcher so gebundene Haare für eine Eigenschaft Etrurischer hält, ist also zu widerlegen. Flechten um den Kopf gewickelt, wie Michelangelo den zwei weiblichen Statuen an dem Grabmale Papst Julius II. gegeben, finden sich an keiner alten Statue. Aufsätze von fremden Haaren sieht man an Köpfen römischer Frauen, und Lucilla, Gemahlin [des] Kaisers Lucius Verus, im Campidoglio, hat dieselben von schwarzem Marmor, so daß man dieses Stück abnehmen kann.

Göttliche Figuren haben zuweilen ein doppeltes Band oder Diadema, wie die oft angeführte Juno Lucina in der Villa Albani, welche um die Haare ein rundes Seil gelegt hat, und dasselbe ist nicht gebunden, sondern hinten einigemal untereinander gesteckt; das andere Band, als das eigentliche Diadema, ist breit und liegt über dem Haarwuchs auf der Stirne. 176 Den Haaren gab man vielmals eine Hyazinthenfarbe; an vielen Statuen sind dieselben rot gefärbt, wie an der angeführten Etrurischen Diana zu Portici, und eben daselbst an einer kleinen Venus von drei Palmen welche sich ihre benetzten Haare mit beiden Händen ausdrückt, und an einer bekleideten weiblichen Statue mit einem idealischen Kopfe in dem Hofe des Musei daselbst. An der Mediceischen Venus waren die Haare vergoldet wie an dem Kopfe eines Apollo im Campidoglio; am deutlichsten aber fand es sich an einer schönen Pallas in Lebensgröße von Marmor unter den herkulanischen Statuen zu Portici, und das Gold war in so dicken Blättern aufgelegt, daß dasselbe konnte abgenommen werden; es waren die abgelösten Stückchen noch vor fünf Jahren aufgehoben.

Besagte Weiber ließen sich zuweilen die Haare abscheren, wie die Mutter des Theseus und eine alte Frau auf einem Gemälde des Polygnotus zu Delphos waren, welches vermutlich bei Witwen ihre beständige Trauer anzeigte, wie an der Klytämnestra und der Hekuba; auch Kinder schnitten sich die Haare ab, über den Tod ihres Vaters. Auf Münzen und auf Gemälden finden sich weibliche, auch göttliche Köpfe, mit einem Netze bedeckt, welche noch jetzt die Tracht der Weiber in Italien im Hause ist: es hieß eine solche Art Hauben κεκρύφαλος und ich habe davon an einem anderen Orte geredet.

Ohrgehänge haben zwar etliche Statuen, als die Venus des Praxiteles, getragen, wie dieses auch die Löcher an den Ohren der Töchter der Niobe, der Mediceischen Venus, der angeführten Juno Licina und an einem schönen Kopfe etwa einer Juno von grünlichem Basalte, in der Villa Albani, anzeigen; es sind aber nur zwei Figuren in Marmor bekannt, an denen die Ohrgehänge, welche rund sind, mit im Marmor gearbeitet worden, ungefähr auf eben die Art, wie dieselben an einer ägyptischen Figur sind. Die eine ist von den Karyatiden in der Villa Negroni, die andere war in dem Eremo des Kardinals Passionei bei den Calmuldulensern, über Frascati; diese ist halb Lebensgröße und nach Art etrurischer Figuren gekleidet und gearbeitet. Auf dem Landhause des Graf en von Fede in der Villa Hadriani sind ein paar Brustbilder von gebrannter Erde mit ebensolchen Ohrgehängen.

Insgemein ging das weibliche Geschlecht mit unbedecktem Haupte; in der Sonne aber oder auf der Reise trugen sie einen thessalischen Hut, 177 welcher den Strohhüten der Weiber in Toskana, die einen sehr niedrigen Kopf haben, ähnlich ist. Mit einem solchen Hute führte Sophokles die jüngste Tochter des Ödipus, Ismene, auf, da sie aus Theben nach Athen ihrem Vater nachgereist war; und eine Amazone zu Pferde im Streit mit zwei Kriegern, auf einem irdenen Gefäße gemalt, in der Sammlung alter Gefäße des Herrn Mengs, hat diesen Hut, aber auf die Schulter heruntergeworfen. Das, was uns ein Korb scheint auf den Köpfen der Karyatiden in der Villa Negroni, kann eine Tracht in gewissen Ländern gewesen sein, wie noch jetzt die Weiber in Ägypten tragen.

Der Anzug weiblicher Füße sind teils ganze Schuhe, teils Sohlen. Jene sieht man an vielen Figuren auf herkulanischen Gemälden, wo sie zuweilen gelb sind, so wie sie Venus hatte, auf einem Gemälde in den Bädern des Titus, und [wie sie] die Perser trugen, und in Marmor an der Niobe, welche letztere nicht rund wie jene vorn zulaufen, sondern breitlich sind. Die Sohlen sind mehrenteils wenigstens einen Finger dick und bestehen aus mehr als einer Sohle; zuweilen waren fünf zusammengenäht, wie durch ebensoviel Einschnitte an den Sohlen der albanischen Pallas angedeutet worden, welche zwei Finger dick sind. Die Sohle war nicht selten von Kork (das Korkholz hat daher den Namen Pantoffelholz bekommen) und war unten und oben mit einer Sohle von Leder belegt, welche über das Holz in einem Rand hervortritt, wie es sich an einer kleinen Pallas von Erz in der Villa Albani zeigt; in Italien tragen noch jetzt einige Nonnen dergleichen Sohlen. Es finden sich indessen auch Schuhe aus einer einzigen Sohle, welche die Griechen ἁπλᾶς und μονόπλεμα ὑποδήματα nannten, und solche Sohlen haben die Statuen der beiden gefangenen Könige im Campidoglio, und bestehen aus einem Stück Leder, welches um den Fuß obenher geschnürt oder gebunden wird, wie dergleichen noch unter den Landleuten zwischen Rom und Neapel gebräuchlich sind. Es trugen auch die Alten, sowohl männlichen als weiblichen Geschlechts, Sohlen aus Stricken zusammengelegt, wie dieselben noch jetzt unter den Licanern üblich sind; diese Stricke gehen in länglichen Kreisen umeinander herum, und es war auch das Stück, welches die Ferse bedeckte, aus Stricken an der Sohle befestigt: verschiedene solcher Sohlen, auch von Personen vom zarten Alter, haben sich im Herculano gefunden. Der Cothurnus war eine Sohle von verschiedener Dicke oder Höhe, mehrenteils aber eine 178 Handbreit hoch, welcher insgemein der tragischen Muse auf erhabenen Werken gegeben ist, und diese Muse steht in Lebensgröße unerkannt in der Villa Borghese, wo sich die eigentliche Form des Cothurnus zeigt, welcher fünf Zoll eines römischen Palms hoch ist. Diesem wahrhaften Augenschein gemäß müssen die Stellen der Alten, die wider alle Wahrscheinlichkeit von einer ungewöhnlichen Erhöhung der Person auf dem Theater zu reden scheinen, verstanden werden. Von dem tragischen Cothurno aber ist eine Art Stiefel, welche ebenso hieß, zu unterscheiden; diese ging bis auf die Hälfte der Wade und war bei Jägern, wie jetzt noch in Italien, gebräuchlich: Diana und Bacchus pflegen dieselben zuweilen zu tragen. Die Art des Bindens der Sohlen ist bekannt, und an der mehrmal angeführten Etrurischen Diana zu Portici sind die Riemen rot wie auch an einigen andern Figuren der alten Gemälde daselbst. Hier will ich nur den Querriem an der Mitte der Sohle anmerken, unter welchem der Fuß konnte hineingesteckt werden. Dieser Riem findet sich selten an göttlichen weiblichen Figuren, auch liegt derselbe, wie er ist, unter dem Fuße, und zwar unter dem Bug der Zehen, und man sieht nur das Ohr davon auf beiden Seiten des Fußes, um nicht durch diesen Riem etwas an der zierlichen Form desselben zu verbergen. Es ist besonders, daß Plinius von den Sohlen der sitzenden Statue der Cornelia, der Mutter der beiden Gracchen, anmerkt, daß dieselben ohne besagten Riem gewesen.

Die Armbänder haben insgemein die Gestalt von Schlangen, auch mit dem Kopfe, wie dergleichen verschiedene in dem herkulanischen Museo zu Portici in Erz und in Gold befindlich sind. Es liegen dieselben teils um den Oberarm, wie an den beiden schlafenden Nymphen im Vaticano und in der Villa Medicis, welche daher für eine Kleopatra angenommen und beschrieben worden sind. Andere Armbänder liegen über den Knöcheln der Hand, und eine von den Töchtern des Kekrops, in dem alten beigebrachten Gemälde, hat dasselbe in zwei Ringen; eine von den angeführten Karyatiden in der Villa Negroni hat dasselbe in vier Umkreisen. Zuweilen ist dieses Armband eine gedrehte Binde, wie man es an einer Figur in der Villa Albani sieht; und diese Art Armbänder sind diejenigen, welche στρεπτοί hießen. Die sogenannten Periscelides oder Bänder um die Beine . . . finden sich zuweilen in fünf Reifen, wie 179 um das rechte Bein an ein paar Victorien auf irdenen Gefäßen, in dem Museo des Herrn Mengs: dergleichen Ringe um die Beine tragen noch jetzt die Weiber in den Morgenländern.

 

 
Die Bedeutung dieser Betrachtung für Kunstschaffen und Kunstwissenschaft

An der Zeichnung bekleideter Figuren hat zwar der feine Sinn und die Empfindung, sowohl im Bemerken und Lehren als im Nachahmen, weniger Anteil als die aufmerksame Beobachtung und das Wissen; aber der Kenner hat in diesem Teile der Kunst nicht weniger zu erforschen als der Künstler. Bekleidung ist hier gegen das Nackende, wie die Ausdrücke der Gedanken, das ist wie die Einkleidung derselben, gegen die Gedanken selbst; es kostet oft weniger Mühe, diesen als jene zu finden. Da nun in den ältesten Zeiten der griechischen Kunst mehr bekleidete als nackte Figuren gemacht wurden, und dieses in weiblichen Figuren auch in den schönsten Zeiten derselben blieb, also daß man eine einzige nackte Figur gegen fünfzig bekleidete rechnen kann: so ging auch der Künstler Suchen zu allen Zeiten nicht weniger auf die Zierlichkeit der Bekleidung als auf die Schönheit des Nackenden. Die Grazie wurde nicht allein in Gebärden und Handlungen, sondern auch in der Kleidung gesucht (wie denn die ältesten Grazien bekleidet gebildet waren), und wenn zu unsern Zeiten die Schönheit der Zeichnung des Nackenden aus vier oder fünf der schönsten Statuen zu erlernen wäre, so muß der Künstler die Bekleidung in hundert derselben studieren. Denn es ist schwerlich eine der andern in der Bekleidung gleich, da sich hingegen viele nackte Statuen völlig ähnlich finden, wie die meisten Venus sind; ebenso scheinen verschiedene Statuen des Apollo nach eben demselben Modelle gearbeitet, wie drei ähnliche in der Villa Medicis und ein anderer im Campidoglio sind, und dieses gilt auch von den meisten jungen Figuren. Es ist also die Zeichnung bekleideter Figuren mit allem Rechte ein wesentlicher Teil der Kunst zu nennen. 180

 


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