Ernst Wichert
Das Duell
Ernst Wichert

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Nach dem Begräbnis nahm Dürenholz von der Witwe Abschied. Er wolle nach Italien reisen und erst im Herbst zurückkehren.

»Finde ich dich dann hier?« fragte er.

»Suche mich nicht,« bat Adelheid leise. »Ich werde nie vergessen können –«

»Was. Liebste?«

Sie sah ihn mit einem traurigen Blick an. »Du ahnst es, wie ich.«

Die Hand, welche die ihre gefaßt hatte, zuckte. »Und wenn, Adelheid –!«

Da sie die Augen senkte und schwieg, fuhr er nach einer Weile fort: »Wir haben keine Gewißheit – wir werden sie nie haben können. Aber eine innere Wahrscheinlichkeit mag dafür sprechen ... Er hat mir selbst einmal angedeutet, daß er im Besitz eines Mittels sei, seinen Leiden, wenn sie unerträglich würden, ein Ende zu machen.«

»Er dachte an andere Leiden.«

»Ja. Aber auch die konnten ihm nun unerträglich erschienen sein, wenn er sich vorstellte –«

»Das war's doch nicht.«

»So giebt's nur noch eine einzige zulässige Vermutung, Adelheid: er wollte durch seinen Tod alle Hindernisse unserer glücklichen Vereinigung beseitigen.«

»Ja, das – das! Und bedachte nicht, daß er nun ewig zwischen uns stehen müßte.«

Sie brach in ein schluchzendes Weinen aus. Walther ließ ihr Zeit, sich zu beruhigen. Dann sagte er sanft: »Er that, was in seiner Macht stand, diese schreckliche Vorstellung von uns fernzuhalten. Wenn er wirklich Gift nahm, so löschte er auch absichtlich jede Spur aus, die darüber Gewißheit geben konnte. Er traf alle seine Anordnungen, als ob er den Morgen erwartete – er ließ keine Schrift zurück, die seine Absicht zu erkennen gab, sich das Leben zu nehmen, nicht eine Bleifederzeile, die darauf deutete – er legte sich zur letzten Ruhe, als dächte er ans Sterben nicht. Er wußte, daß sein plötzlicher Tod niemand überraschen könnte – auch uns nicht. Er wollte, daß auch wir selbst nicht über eine vage Vermutung hinauskamen, die uns doch nichts Schreckhaftes hätte, da sie ihn uns nur noch liebenswerter im Gedächtnis halten mußte.«

Sie schluchzte leiser: »Und wenn das sein Wille war – wie könnte dadurch unsere Schuld gegen ihn ...«

»Sie ist gewißlich vergeben,« tröstete Walther, »– auch mir. Der Zorn war verflogen. Er erfuhr von dir, worin unsere Schuld wurzelte, und – alles verstehen hieß ihm: alles verzeihen. Er konnte nun nicht mehr die Pistole auf die Brust des Freundes richten. So that er, was er in kurzem doch meinte thun zu müssen, denn sein Zustand war, wie er wußte, hoffnungslos. Und wir wollten durch übertriebene Gewissenhaftigkeit seinen Edelmut zu schanden machen? Nein, Adelheid, nein! Wir wollen glauben, daß er für uns gestorben ist, und in uns soll er allezeit leben als der edelste, gütigste und opferfreudigste Mensch. So ehrt unsere Liebe sein Andenken!«

Adelheid sank schluchzend in seine Arme.


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