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Siebzehntes Kapitel.
Überlegungen

»Presse und Öffentlichkeit fallen schlimm über uns her,« sagte Bromley Kay, »und wenn sich nicht bald etwas zu unserem Gunsten ereignet, wird man uns noch mehr angreifen. Hast du die heutige Morgenausgabe des ›Planeten‹ gesehen?«

Er hielt Sir Gregory Haverstock die Zeitung hin, aber der wehrte ungeduldig ab.

»Ich habe sie schon gesehen, es ist immer die alte Geschichte von der Unfähigkeit der Polizei. Aber es ist leicht kritisieren, wenn man es selbst nicht besser machen kann. Sachliche Kritik wäre mir immer willkommener.«

»Vor allen Dingen kann ich nicht verstehen, wie sich ein Mann Pagson so überlisten lassen konnte,« fügte er hinzu.

»Nach dem, was Drake und Bell mir erzählt haben,« bemerkte Bromley Kay, »hätte es jedem passieren können. Vor Miß Forrests Wohnung erschien eine Taxe, fuhr langsam in die Seitenstraße, die zum Hintereingang führt; hier hielt sie an, und der Schofför stieg aus. Natürlich folgten unsere Leute ihm und begannen, ihn auszufragen. Der Taxischofför konnte nichts anderes sagen, als daß er telefonisch hierherbestellt worden sei. Während sie ihn am hinteren Eingang verhörten, war der andere Wagen vor der vorderen Haustür vorgefahren, und wenn nicht der Hund angefangen hätte zu heulen und dadurch die Aufmerksamkeit der Leute erregt hätte, wäre der Wagen unbemerkt geblieben. Das Ergebnis kennst du ja: Pagson ist tot, und Drake hat eine Kugel im Arm.«

»Und der Taxischofför?«

Ist in Gewahrsam, aber es ist ziemlich sicher, daß er nicht daran beteiligt ist. Wir werden ihn wohl wegen mangelnder Beweise entlassen müssen.«

»Und warum wurde Comstock getötet?«

»Das ist ziemlich klar,« sagte Kay, »er hatte keine Aussicht zu entkommen. Wenn der ›Würger‹ angehalten hätte, um ihn zu befreien, wäre er selber auch gefangen worden. Er hat sicher an die Verhaftung Bill Scarfes gedacht und daran, daß ein Toter nichts mehr verraten kann. Darum erschoß er ihn.«

»Ein kaltblütiger Lump.«

»Es bleibt die Tatsache, daß Miß Forrest verschwunden ist, und die Folge davon ist, daß zwei Männer mir das Leben unerträglich machen.«

»Ich nehme an, daß der eine Ferris Mance ist, und wer ist der andere?«

»George Emmerson,« sagte Kay, und Sir Gregory schaute überrascht auf.

»Wieso?«

»Es gibt im allgemeinen nur einen Grund, weshalb ein Mann an einem Mädchen Interesse hat,« erwiderte Kay trocken.

Sir Gregory nickte abwesend: »Ich habe schon immer an Emmerson gezweifelt.«

»Ich auch,« gab Bromley Kay zu, »ich zweifle augenblicklich an jedem. Wenn es sich herausstellte, daß Pagson oder selbst du der ›Würger‹ bist, würde ich mich gar nicht wundern.«

»Dein Verdacht hilft dir nicht mehr als mir. Ich überlege gerade, ob sich in den verschiedenen Fällen nicht ein gemeinsamer Zug zeigt.

»Wissen wir etwa, wer an dem Verbrechen des ›Würgers‹ beteiligt war?«

»Nein. Bill Scarfe zum Beispiel erscheint in dem Fall Camden Hale, er spielte auch beim Plutarch-Raub eine untergeordnete Rolle, aber schließlich mußte er sterben, um den anderen als abschreckendes Beispiel zu dienen. Emmerson ist in den verschiedensten und seltsamsten Situationen betroffen worden, doch du kannst ihm nichts anhängen. Comstock war an der Plutarch-Affäre beteiligt – darüber besteht nunmehr kein Zweifel – und er half bei der Entführung Miß Forrests, aber er ist nun ebenso wie Bill Scarfe tot. Beide sind getötet worden, so daß sie nicht mehr sprechen können. Und nun ich darüber nachdenke: es war Comstock, der zuerst von zwei gelben Wagen gesprochen hat. Auf Grund seiner Aussage kamen wir zu der Annahme, daß zwei Wagen dagewesen wären.«

»Du bringst mich auf etwas anderes,« bemerkte Kay, »es war George Emmerson, der zuerst auf die Möglichkeit hinwies, daß dort nur ein Wagen gewesen sein könnte und er in Erfahrung brachte, daß Comstock verschwunden sei.«

»Ja, und in dem Augenblick, da Comstock wieder erscheint, wird er erschossen. Siehst du nicht, welcher Schluß sich daraus ziehen läßt?«

»Daß er nicht lebend in die Hände der Polizei kommen durfte, um nicht alles zu verpfeifen. Aber am meisten Gedanken mache ich mir über Miß Forrest. Wir sind hilflos. Es sieht aus, als ob sie sich in Luft verwandelt habe. Wenn ein geschickter Verbrecher nur dafür sorgt, daß er keine Spuren zurückläßt, dann sind wir geschlagen. Wir sind ja auch nur Menschen, und die Schlußkraft hat ja nur dann Wert, wenn man etwas hat, woraus man seine Schlüsse ziehen kann. Wenn dies so weiter geht, reiche ich mein Rücktrittsgesuch ein.«

»Das würde ich nicht tun,« sagte Sir Gregory, »ich kann deine Ansicht nicht teilen. Schließlich haben wir doch noch eine schwache Hoffnung.«

»Und die wäre?«

»Der Mann, der den Namen ›grauer Bock‹ führt. Laß ihn dauernd beobachten! Früher oder später wird er uns mit dem ›Würger‹ in Berührung bringen.«

»Er hat andere mit ihm in Berührung gebracht, und wie ist es ihnen ergangen? Scarfe und Comstock starben. Wir haben auch schon einen Toten, und ich wette, bevor dieser Fall beendet ist, werden noch mehr dran glauben müssen.«

»Du siehst zu schwarz –,« begann Sir Gregory, als das Telefon läutete.

Kay nahm den Hörer ans Ohr und sprach.

»Es ist Ferris Mance,« wandte er sich an Sir Gregory, indem er die Hand auf die Muschel legte, »er hat einen dritten Drohbrief bekommen und will wissen, was er tun soll.«

»Er soll herkommen,« sagte Sir Gregory unbehaglich, und Kay teilte dem anderen die Aufforderung mit.

»Sie drohen damit,« sagte er, als er seinen Platz wieder einnahm, »daß es Miß Forrest schlecht ergehen werde, falls das Geld nicht abgeliefert wird. Armer Mance! Es geht ihm wirklich schlecht.«

»Er tut mir leid.«

»Ich glaube, daß er auf unser Mitleid wenig Wert legen wird,« schloß Sir Gregory, »er würde lieber sehen, daß etwas geschieht.«


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