Edgar Wallace
Die gelbe Schlange
Edgar Wallace

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

30

Als Joan Bray wieder zu sich kam, fühlte sie ein schmerzhaftes Hämmern in ihrem Kopf. Bei jedem Schlag zuckte sie zusammen. Es dauerte lange, bevor es ihr klar wurde, daß sie allein war.

In der einen Ecke des Raumes befand sich ein irdener Abguß. An den Wänden gab es keine Fenster, nur in der Decke war eine verglaste Öffnung, durch die das trübe Licht eines unfreundlichen Regentages hereinfiel. Ihre Blicke schweiften umher und fielen auf den Abguß. Lange schaute sie auf den schmutzigen Messinghahn, von dem beständig das Wasser herabtropfte.

Sie stand auf, schwankte, und da sie sich nur schwer im Gleichgewicht halten konnte, stützte sie sich gegen die Wand. Mit größter Anstrengung ging sie vorwärts, bei jedem Schritt schmerzte ihr Kopf. Endlich erreichte sie den Wasserhahn, drehte ihn auf, fing das Wasser mit ihren Händen auf und löschte ihren brennenden Durst. Dann tat sie etwas, wozu die meisten Frauen sich wahrscheinlich schwer entschlossen hätten: sie hielt ihren Kopf unter den kalten Wasserstrahl und war froh, daß sie der Mode gefolgt war und die Haare kurz trug. Sie richtete sich auf, nachdem sie das Wasser aus ihrem Haar gepreßt hatte. Ihre Kopfschmerzen hatten sich gebessert. Joan sah sich nach einem Handtuch um und fand ein ganz neues, sauberes, das über einer Rollvorrichtung befestigt war. Sie hatte die dunkle Vorstellung, daß es besonders zu ihrem Gebrauch hingehängt war. Als sie sich oberflächlich abgetrocknet hatte, wurde sie in ihren Gedanken allmählich klarer. Jetzt war sie davon überzeugt, daß dieser Raum für sie hergerichtet worden war. Neben dem alten Feldbett, auf dem sie vorhin gelegen hatte, stand ein Stuhl, und auf diesen hatte man ein gedecktes Tablett mit Kaffee und Brötchen gesetzt.

Wieviel Uhr mochte es sein? Sie sah nach ihrer Armbanduhr: es war halb fünf. Als sie den verhängnisvollen Gang zu Madame Ferroni machte, war es drei gewesen. Eine und eine halbe Stunde waren also seitdem vergangen – und wohin hatte man sie in dieser Zeit gebracht?

Sie setzte sich auf die Bettkante und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und einen Überblick über ihre Lage zu gewinnen. Unter dem Bett schaute ein Stück schmutzige, grüne Sackleinwand hervor. Sie konnte drei Buchstaben lesen: »Maj«. Entschlossen zog sie den Sack hervor und las die verblaßte Inschrift: »Major Spedwell, S. & M. Puna.« Wer war Major Spedwell? Sie überlegte. Sie hatte ihn irgendwo getroffen . . . natürlich, er war der dritte Mann bei jenem Essen im Bureau von Mr. Narth, das Clifford Lynne so plötzlich unterbrochen hatte. War sie noch in Fitzroy Square? Und wenn sie nicht mehr da war, wo befand sie sich jetzt, und wie war sie hierhergekommen? . . . Das Deckenfenster war aus mattem Glas, aber sie konnte sehen, wie der Regen in kleinen Bächen daran niederfloß und konnte das Rauschen des Windes hören.

Sie machte sich keine Illusionen darüber, in wessen Gewalt sie gefallen war. Unwillkürlich brachte sie das dunkle Gesicht der Madame Ferroni mit den geschlitzten Augen und dem entsetzten Gesichtsausdruck des gelben Mannes in Verbindung, den sie in dem grellen Licht der aufblitzenden Magnesiumflamme gesehen hatte. Sie wurde von Fing-Su bewacht! Ein stechender Schmerz durchzuckte sie bei diesem Gedanken. Und Stephen Narth hatte sie zu diesem schrecklichen Ort geschickt . . . Diese Erkenntnis tat ihr weh, denn obgleich sie ihn nicht liebte, hatte sie ihn doch niemals einer solchen Gemeinheit für fähig gehalten.

Sie stand schnell auf, als die Tür sich öffnete. Sie erkannte sofort den Mann wieder, hinter dem sich die Tür schloß.

»Sie sind Major Spedwell?« sagte sie und erschrak selbst über ihre heisere Stimme.

Er war einen Augenblick verblüfft.

»Jawohl, ich bin Major Spedwell – Sie haben ein sehr gutes Gedächtnis.«

»Wo bin ich?« fragte sie.

»An einem sicheren Ort. Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen. Es wird Ihnen nichts geschehen. Ich habe zwar viel auf dem Gewissen« – er zögerte einen Augenblick – »vom Betrug bis zum Totschlag – aber ich bin doch noch nicht so heruntergekommen, daß ich es zulassen würde, daß Fing-Su Ihnen etwas zuleide täte. Sie sind hier nur als Gast.«

»Warum?« fragte sie.

»Das ist eben Sache des Schicksals.« Sein Lächeln war gerade nicht humorvoll. »Sie wissen doch alles – Fing-Su braucht eine bestimmte Aktie von Clifford Lynne – ich vermute, daß er bereits mit Ihnen darüber gesprochen hat. Sie wissen auch, daß dieses Papier eine äußerst wichtige Sache für uns ist.«

»Und glauben Sie denn, daß Mr. Lynne es geben wird als Lösegeld für mich?«

»Das ist doch der Sinn der ganzen Sache«, sagte Spedwell mit einem verwunderten Blick auf ihr nasses Haar. »Wir machen es ein wenig wie die Banditen: wir halten Sie hier fest, um ein Lösegeld herauszuschlagen.«

Ihre Lippen kräuselten sich.

»Ihr Freund hat scheinbar eine hohe Meinung von der Ritterlichkeit Lynnes.«

»Oder von seiner Liebe!« antwortete Spedwell mit großer Ruhe. »Fing-Su ist der Meinung, daß Clifford Lynne Sie über alles liebt und die Aktie herausgeben wird, ohne viel Schwierigkeiten zu machen.«

»Dann kann ich mich nur mit dem Gedanken trösten, daß Fing-Su eine schwere Enttäuschung erleben wird«, sagte sie. »Mr. Lynne und ich lieben einander nicht, und was nun gar die Heirat angeht, so ist sie nicht mehr nötig, denn –«

Aber bevor sie die Rückkehr Joe Brays verriet, hielt sie erschreckt inne.

»Die Hochzeit ist nicht mehr nötig, weil dieser alte Joe lebt, was? Ich kenne die Zusammenhänge ganz genau«, antwortete er und lächelte dabei sarkastisch. Sein Gesichtsausdruck wechselte manchmal mit unglaublicher Schnelligkeit. »Wir sind über alles genau informiert und gerade deshalb sage ich, daß Clifford Lynne stark in Sie verliebt ist. Da gebe ich Fing-Su vollkommen recht!«

Es war nutzlos, dieses Thema noch weiter zu verfolgen. Sie stellte noch einmal die Frage, wo sie jetzt sei.

»In Peckham. Ich wüßte nicht, warum Sie es nicht wissen sollten. Wenn es Ihnen gelingen wird, von hier fortzukommen, wird Ihnen das jeder Polizist ohne weiteres sagen. Dies hier ist einer der Umkleideräume von den Mädchen, die im Kriege die Granaten füllten. Er ist gerade nicht sehr behaglich eingerichtet, aber wir konnten im Augenblick nichts Besseres für Sie finden. Glauben Sie mir, Miß Bray, Sie haben nichts zu fürchten. Ich allein habe den Schlüssel zu diesem Gebäude, und Sie sind genau so sicher, als ob Sie in Ihrem Zimmer in Sunni Lodge wären.«

»Sie werden mich doch nicht hier lassen, Major?« Sie nannte ihn absichtlich bei seinem Titel, und er war nicht unangenehm berührt durch die Erinnerung an seine ehrenvolle Vergangenheit. Trotzdem erriet er ihre Absicht.

»Ich hoffe, Sie sind vernünftig«, sagte er. »Wenn Sie an meine Ritterlichkeit und all dergleichen appellieren und mich daran erinnern, daß ich in den Diensten des Königs stand, so können Sie sich diese Mühe sparen. Ich habe ein sehr dickes Fell. Früher wurde ich wegen Betrugs aus der Armee gestoßen, und ich bin jetzt so weit gekommen, daß ich mich nicht einmal mehr vor mir selber schäme.«

»Das ist ein langer Weg, Major!« sagte sie ruhig.

»Ja, ein langer Weg –« gab er zu. »Das einzige, was ich Ihnen versprechen kann, ist, daß Ihnen kein Leid zugefügt wird – solange ich lebe«, fügte er hinzu, und trotz allem glaubte sie ihm.

Er schloß die Türe zu und verließ das Gebäude auf der Rückseite, wo sein Wagen wartete.

Fing-Su war in seinem Bureau in Tower Hill, als Spedwell ankam. Unruhig ging er auf und ab, die Ungewißheit quälte ihn. Er hatte noch keine Nachricht bekommen, daß es geglückt war, Miß Bray ohne Zwischenfall nach Peckham zu bringen. Es war doch ein etwas waghalsiges Unternehmen am hellichten Tage.

»Jawohl,« sagte Spedwell verdrießlich, »sie ist dort gut untergebracht.« Er nahm eine Zigarre aus der offenen Kiste auf dem Tisch, biß das Ende ab und steckte sie in Brand.

»Wie lange wollen Sie sie gefangen halten?«

Fing-Su spreizte seine lange, dünne Hand aus.

»Wie lange wird Clifford Lynne mich warten lassen?« fragte er. »Und dann« – fügte er hinzu, »was macht der Detektiv?«

»Nahezu tot«, war die lakonische Antwort. »Aber es ist möglich, daß er sich wieder erholt. Allein wegen dieser Sache hing es an einem seidenen Faden, daß man uns beide hängte, Fing-Su.«

Das Gesicht des Chinesen wurde aschgrau.

»Tot?« sagte er heiser. »Ich habe ihnen doch gesagt, daß –«

»Sie haben ihnen den Auftrag gegeben, daß sie ihn niederschlagen sollten. Und das haben sie so gründlich besorgt, daß er um ein Haar gestorben wäre«, sagte der andere in seiner kurzen, direkten Art. »Ein Detektiv-Sergeant ist gerade keine besondere Persönlichkeit, aber wenn man ihn totschlägt, so ist das ein kleines Versehen, das ganz Scotland Yard auf die Beine bringt. Sobald gemeldet wird, daß man ihn vermißt, geht die Hölle los. Dann werden sie sowohl mich wie Sie um Aufklärung bitten.

»Welche Aufgabe hatte denn der Detektiv?« fragte der andere.

»Er wollte Miß Bray bewachen – ich habe Sie ja schon vorher gewarnt. Das einzige, was uns jetzt noch übrigbleibt, ist, daß wir ihn auf das Schiff bringen. Unglücklicherweise können wir ihn jetzt nicht transportieren, vielleicht ist es aber später möglich. Sie könnten ihn dann zu einem Ihrer sicheren Plätze bringen, bis die ganze Angelegenheit vorüber ist.«

Spedwell nahm einen Briefbeschwerer vom Tisch, und seine Aufmerksamkeit schien ganz durch das vielfältig geschliffene Kristall gefesselt zu sein.

»Werden Sie noch andere Passagiere haben?«

»Vielleicht fahre ich selbst mit«, sagte Fung-Su. »Und in diesem Fall machen Sie natürlich die Reise auch mit.«

»Müssen Sie denn nicht auf Clifford Lynnes Aktie warten?«

Der Chinese zuckte die Achseln.

»Die wird morgen schon in den Händen meines Agenten sein«, sagte er zuversichtlich. »Natürlich darf ich bei der Sache nicht in Erscheinung treten. Wenn ich erst auf hoher See bin, kann man mich nicht mehr damit in Zusammenhang bringen.«

Major Spedwell lachte rauh.

»Wird Sie Miß Bray oder Stephen Narth nicht belasten?«

Fing-Su schüttelte den Kopf.

»Nicht mehr nach heute abend«, sagte er mit leiser Stimme. Spedwell biß sich auf die Lippe, er hatte seine eigenen Gedanken.

»Nach heute abend nicht mehr?« Wie würde denn seine eigene Lage ›nach heute abend‹ sein? Er kannte den Mann, der ihm gegenübersaß, genau. Fing-Su zahlte gut, das war aber auch alles. In der letzten Zeit hatte er an gewissen Anzeichen bemerkt, daß er nicht mehr in Gunst bei seinem Chef stand – so gewisse Untertöne in der Stimme, ein zufälliger Blick zwischen Fing-Su und seinen gelben Assistenten, den er aufgefangen hatte – Major Spedwell war ein schlauer, scharfsichtiger Mann, der ein feines Gefühl für unausgesprochene Dinge hatte.

»Und was wird aus Leggat?« fragte er.

»Leggat mag zum Teufel gehen – ich bin mit ihm fertig. Ich habe immer gewußt, daß er unzuverlässig war. Nachher hatten wir ja noch viel Mühe, den Beweis dafür beizubringen.«

»Haben Sie ihn aufgefordert, heute abend zur Loge zu kommen?« fragte Spedwell.

»Nein«, antwortete Fing-Su kurz.

Dann aber, als ob er eingesehen hätte, daß seine brüske Antwort den Verdacht des anderen wachrufen könnte, fügte er freundlich hinzu:

»Wir können Leggat nicht länger brauchen – er ist ein Trinker und deshalb sehr gefährlich. Sie aber, lieber Major, sind mir unentbehrlich. Ich wüßte nicht, was ich ohne Sie anfangen sollte. Haben Sie die Konstruktion der Landmine schon beendet?«

Er hatte versucht, äußerst liebenswürdig zu sein, aber der Major ließ sich nicht täuschen.

»Was für eine geniale Erfindung!« sagte Fing-Su. Dabei sah er ihn mit seinen dunklen Augen bewundernd an. »Sie sind ein Genie! Ich kann Ihre Dienste unmöglich entbehren!«

Spedwell wußte nur zu genau, daß nichts Geniales an seiner Landmine war – es war eine einfache Zeitbombe in großem Maßstabe. Sie kam zur Explosion, wenn sich eine Säure zur Bleikammer durchfraß und sich dort mit einer anderen vermischte. Es war ein Kriegsmittel, wie es jeder Militäringenieur genau kannte. Aber Fing-Sus Schmeichelei ließ ihn nachdenklich werden.

Major Spedwell hatte ein kleines Anwesen in Bloomsbury. Seiner Erziehung und seinem Studium nach war er Ingenieur, später wurde er Artillerist. Aber seine größten Erfolge verdankte er seiner Klugheit und seiner instinktiv klaren Beurteilung jedweder Lage. Unstreitig war er ein großer Stratege. Jetzt fühlte er, daß Gefahr im Anzuge war. Er wußte, daß ein gewaltiger Umschwung in seinem Leben bevorstand, und er hatte sich damit abgefunden, daß es nicht zum Besseren sein würde.

In den paar Stunden, die ihm noch blieben, bevor er sich umkleiden mußte, um Stephen Narth zu treffen, nahm er Bleistift und Papier und schrieb systematisch alle Möglichkeiten auf, die sich aus dieser Lage entwickeln konnten. Dann suchte er eine Lösung. Allmählich sah er klarer und fand einen Ausweg, der zwar nicht alles wieder gutmachen konnte, aber doch die Möglichkeit bot, eine Person aus dieser Katastrophe zu retten, vielleicht auch zwei – dabei war er natürlich eingeschlossen.

Er verbrannte sofort das Papier an dem Kamin und ging in den kleinen anstoßenden Raum, der ihm als Werkstatt diente. Dort arbeitete er eine Stunde lang fieberhaft. Um halb sieben trug er eine rechteckige Kiste auf die Straße und einen schweren Rucksack, setzte beides sehr vorsichtig in seinen Wagen und fuhr nach Ratcliff Highway. Indem er sich durch die engen Gassen wand, die zum Fluß führten, kam er zum Ufer. Glücklicherweise fand er sofort einen Bootsmann, der ihn gegen Entschädigung zu einem der schwarzen Dampfer ruderte, die im Pool vor Anker lagen. Ein Chinese mit undurchdringlichem Gesicht grüßte ihn vom Fallreep. Er bot sich an, die Pakete für ihn an Bord zu tragen, aber der Major lehnte ab.

Auf dem Schiff war ein schwarzer Kapitän und ein schwarzer Zahlmeister. Der letztere war ein gutmütiger Mann, dem Spedwell früher einmal das Leben gerettet hatte. Damals hinderte er Fing-Su daran, seinen Zorn an dem schwarzen Offizier auszulassen, und dadurch wurde viel Blutvergießen vermieden. Denn die Kru-Neger halten untereinander stark zusammen. Als Spedwell nun an Bord kam, ließ er den Zahlmeister rufen.

»Sie brauchen Fing-Su nicht zu sagen, daß ich an Deck gewesen bin«, sagte er. »Ich habe hier etwas, das ich zur Küste mitnehmen will.«

»Fahren Sie auch mit, Herr Major?« fragte der Zahlmeister.

»Es ist leicht möglich, daß ich auch mitkomme«, antwortete er. »Ich weiß es noch nicht genau. Die Hauptsache ist aber, daß niemand erfährt, daß ich diese Sachen an Bord gebracht habe.«

Der Zahlmeister nahm ihn mit sich zu einer großen Kabine auf dem vorderen Wellendeck.

»Wie lange ist denn dieser Raum schon für Passagiere benutzt worden?« fragte der Major mit einem Stirnrunzeln.

»Er ist noch nie benutzt worden«, antwortete der schwarze Offizier, »aber Fing-Su hat Auftrag gegeben, daß er für einen Passagier hergerichtet werden soll.«

»Nicht für ihn selbst – denn er hat die Kapitänskabine. Wer soll denn diese Fahrt mitmachen?«

Aber das wußte der Zahlmeister auch nicht. Er gab Spedwell einen Platz an, wo er die Gepäckstücke, die er mitgebracht hatte, unterbringen konnte. In der Kabine war eine verhältnismäßig kleine schwarze Truhe mit zwei Krampen für Vorhängeschlösser an der Wand befestigt. Spedwell setzte sein Gepäck vorsichtig auf dem Boden der Kabine nieder.

»Ich will die Vorhängeschlösser für Sie holen«, sagte der Offizier und verschwand.

Seine Abwesenheit war Spedwell sehr erwünscht, denn er mußte noch gewisse heikle Justierungen vornehmen, bei denen der Zahlmeister nicht zusehen sollte. Als das erledigt war, füllte er die Truhe mit quadratischen braunen Kuchen, die er aus seinem Rucksack nahm. Sie waren in dem zur Verfügung stehenden Raum kaum alle unterzubringen. Aber er hatte seine Arbeit gerade vollendet und die Truhe eben geschlossen, als der schwarze Offizier zurückkehrte.

Spedwell richtete sich auf und klopfte den Staub von seinen Knien.

»Nun hören Sie gut zu, Haki. Wer bedient Ihre drahtlose Station?«

»Entweder ich oder einer meiner Chinesenboys. Die Anlage befindet sich in meiner Kabine. Warum fragen Sie?«

Spedwell gab ihm den Schlüssel für die Truhe zurück.

»Stecken Sie ihn ein, und lassen Sie ihn niemals herumliegen. Wenn Sie ein Radiotelegramm von mir bekommen, das lautet: ›Alles in Ordnung‹, dann nehmen Sie den ganzen Inhalt aus der Kiste heraus und werfen ihn über Bord. Wahrscheinlich werden Sie meine Botschaft erhalten, bevor Sie den Kanal verlassen. Haben Sie alles richtig verstanden?«

Haki nickte und machte vor Verwunderung große Augen.

»Ich verstehe den Zusammenhang zwar nicht, aber ich werde das tun, was Sie mir gesagt haben, Herr Major. Wollen Sie etwas herausschmuggeln?«

Aber Spedwell gab keine weitere Auskunft. Er sagte Haki nicht, daß er unter gewissen Umständen ein anderes Radiotelegramm erhalten würde. Dazu war noch Zeit genug, wenn die Krisis wirklich kommen sollte.

»Aber angenommen, Sie reisen mit uns?« fragte der Neger hartnäckig.

»In dem Fall«, sagte Spedwell mit einem schlauen Lächeln, »würde ich Ihnen die Botschaft ins Ohr sagen können, wenn ich mitreise – und am Leben bin.«

 


 << zurück weiter >>