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Das Ende

»... Und,« schalt der Inspektor wütend, »wenn Sie nur das Abc Ihrer Pflicht gekannt hätten, so würden Sie die beiden Verfolger hierhergebracht haben.«

Amber wärmte sich vor dem großen Feuer, das in der Polizeistube brannte; dem jungen Polizisten wurde es vor dem Pulte des Inspektors unbehaglich zumute.

»Es läßt sich halt nicht ändern, Inspektor,« bemerkte Amber in heiterer Laune, »ich weiß nicht, ob ich, wenn ich an des Konstablers Stelle gewesen wäre, mich anders benommen hätte. Ein nächtlicher Einbrecher, der auf Strümpfen entflieht, was? Und ehrenwerte Herren, die sich's blutsauer werden lassen, ihn einzuholen; was würden Sie getan haben?«

Der Inspektor lächelte.

»Nun,« gab er zu, »die Strümpfe hätten mir als Beweis gegolten.«

Amber nickte und begegnete dem dankbaren Blick des Polizisten, indem er ihm flüchtig zulächelte.

»Ich glaube, das Warten hat gar keinen Zweck,« sagte Amber. »Unsere Freunde sind dem Schutzmann ausgekniffen. Zweifellos haben sie die Rückkehr in das Hotel auf ihre Weise ausgenutzt. Ihre Leute hätten sie nicht kurzerhand verhaften dürfen?«

Der Inspektor schüttelte den Kopf.

»Die Anklage lautet auf Verschwörung und Einbruch, nicht wahr?« fragte er, »dazu wäre eine Vollmacht erforderlich. Ein Polizist könnte die Verantwortung auf sich nehmen, kurzerhand zu verhaften, aber nur sehr wenige würden dies riskieren wollen.«

Ein Bote hatte Ambers Schuhe und Überzieher gebracht, und er war nun zum Fortgehen bereit.

»Ich werde dem Gerichtshof die nötigen eidlichen Aussagen zugänglich machen, es ist an der Zeit, reinen Tisch zu machen. Ich weiß genug von ihnen, um sie zu hängen, ohne mich auf ihre letzte Eskapade zu berufen – ihre weitverästelten Betrügereien, die sie seit Jahren betreiben, sind gerade Unrecht genug; sie geben falsches Papiergeld aus, wenn sie nicht selbst Falschmünzer sind – das ist vom juristischen Standpunkt ein Verbrechen. Die Jury hat den Fall in ihren Gesetzen vorgesehen.«

Er hatte den Wagen nach Maidstone zurückgeschickt, damit er Sutton herbringe. Er war nicht überrascht, als er zum Frühstück ins Hotel kam, zu hören, daß nicht nur Frank Sutton, sondern auch seine Schwester angekommen war. Er erzählte ihnen ganz kurz seine nächtlichen Abenteuer.

»Wir werden Schluß mit ihnen machen,« sagte er entschlossen. Sie reizen mich nicht mehr. Ein Steckbrief wird heute erlassen werden, und vielleicht werden wir sie heute abend schon haben.«

*

Lambaire und Whitey hatten inzwischen den einstweiligen Hafen erreicht; sie hatten sich in das Bloomsbury-Hotel begeben, wo Lambaire wohnte. In kritischen Augenblicken war immer Whitey der führende Kopf gewesen, und so nahm er auch jetzt die Sache in die Hand.

Er fand in der City einen Laden, der früh aufgemacht hatte, und kaufte Koffer für die bevorstehende Reise. In einem anderen Laden versah er sich mit den Garderobestücken, die er schlechterdings nicht entbehren konnte. Er wagte nicht, in sein Hotel zurückzukehren, um sein Gepäck, das er dort gelassen hatte, zu holen.

Lambaire war zunächst nicht zu gebrauchen. Er saß in dem Wohnzimmer, das Whitey gemietet hatte, schnitt seine Fingernägel und fluchte hilflos.

»Es hat gar keinen Zweck zu fluchen, Lambaire,« belehrte ihn Whitey. »Es ist eben vorbei damit – vorbei mit der Aussicht, ehrlich zu werden. Wir sind peleli – wie die Kaffern sagen – fertig. Hol dein Scheckbuch heraus.«

»Könnten wir uns nicht herausschwindeln?« fragte der Dicke kläglich. »Könnten wir nicht einen Bluff ins Werk setzen –?«

»Schwindel, Bluff!« höhnte Whitey, »dazu bist du verdammt gut zu gebrauchen! Versuch's, eine Jury anzuschwindeln! Wo ist das kleine Kontobuch?«

Widerstrebend brachte es Lambaire zum Vorschein, und Whitey nahm eine kurze Prüfung der Finanzen vor.

»Sechstausenddreihundert – das ist die Bilanz,« sagte er beifällig, »und obendrein eine sehr gute Bilanz. Wir wollen alles bis auf einhundert Pfund abheben. Das Löschen des Kontos hält uns zu lange auf.«

Er nahm das Scheckbuch und schrieb mit seiner eckigen Handschrift eine Anweisung, sechstausendzweihundert Pfund an den Überbringer zu zahlen. Über das Wort Direktor setzte er seinen Namen und schob das Scheckbuch Lambaire hin. Der andere zögerte, unterzeichnete dann aber.

»Warte mal,« brummte Lambaire, als sein Freund nach dem Scheckbuch griff, »wer geht hin und hebt das Geld ab?«

»Ich,« sagte Whitey.

Lambaire blickte ihn argwöhnisch an.

»Warum nicht ich?« fragte er, »die Bank kennt mich.«

»Du – du Dieb!« sprudelte Whitey hervor, »du Schofelinski! Habe ich dir nicht getraut?«

»Das ist eine heikle Sache,« bemerkte Lambaire übelgelaunt.

Whitey brachte es fertig, seinen Groll hinunterzuschlucken.

»Geh und hol das Geld,« polterte er. »Ich habe keine Angst, daß du damit durchbrennst – eil dich nur –, die Banken machen im Augenblick auf.«

»Ich wollte nicht – ich habe keinen Verdacht gegen dich, Whitey,« lenkte Lambaire ein, freundlich, wenn es ihm auch schwer fiel, »aber Geschäft ist und bleibt Geschäft.«

»Geh – schwätz nicht,« fuhr ihn sein Kompagnon an.

Um die Wahrheit zu sagen, Whitey erkannte, daß es jetzt für sie gefährlich geworden war, zur Bank zu gehen. Es bestand die Möglichkeit, daß schon ein Steckbrief ergangen war und daß die Bank beobachtet werden würde. Es bestand aber auch die Möglichkeit, daß die Sache sich noch etwas verzögert hatte, und in seiner alten, ritterlichen Weise hatte er das Risiko auf sich nehmen wollen.

Lambaire suchte sein Zimmer auf, ehe er zur Bank ging, und blieb eine halbe Stunde aus. Er traf Whitey, wie er nachdenklich mit dem Rücken gegen das Feuer gewandt stand.

»Hier bin ich wieder, wie du siehst.« In Lambaires Ton lag ein leichter Spott. »Ich bin nicht durchgebrannt.«

»Nein,« gab Whitey zu. »Ich traue dir mehr, als du mir – obschon du halb entschlossen warst, dich mit der Beute davonzumachen, als du aus der Bank herauskamst.«

Lambaires Gesicht wurde rot.

»Wie – wie kannst du das wissen – was meinst du?« fragte er lärmend.

»Ich bin dir einfach nachgefahren,« bekannte Whitey, »in einem Auto.«

»Und das nennst du mir trauen?« fragte Lambaire bitter.

»Nein,« sagte Whitey, ohne sich zu schämen, »ich nenne das, vernünftig auf der Hut sein.«

Lambaire lachte, was er sehr selten tat. Er zog aus seinen Brusttaschen zwei dicke Bündel Banknoten.

»Hier ist dein Anteil, und hier ist der meine,« entschied er; »es sind lauter Fünfziger – ich will sie dir vorzählen.«

Er fingerte die Noten so gewandt und schnell, wie ein Buchhalter die Blätter seines Hauptbuches umdreht. Es waren zweiundsechzig.

Whitey faltete sie und steckte sie in seine Tasche.

»Was hast du nun vor?« fragte Whitey.

»Ich gehe nach dem Kontinent,« betonte Lambaire. »Ich benutze die Harwich-Route nach Holland – es ist besser, wenn wir uns trennen.«

Whitey nickte.

»Ich nehme den Weg nach Irland,« log er.

Er sah auf seine Uhr. Es war gleich zehn.

»Ich werde dich – vielleicht – einmal aufsuchen,« sagte er, als er das Zimmer verließ, und drehte sich dabei um; Lambaire nickte. Als er zurückkam, war der schwerfällige Lambaire verschwunden.

Es geht von Victoria um elf Uhr ein Zug nach dem Kontinent – ein sehr gefährlicher Zug, wie Whitey wußte, denn er wird streng überwacht. Um dieselbe Zeit ging ein anderer von Holborn ab – dieser hielt in Herne Hill.

Whitey beschloß, auf einem Büro in Ludgate Hill ein Rundreisebillet zu nehmen und ein Auto, das ihn nach Herne Hill bringen sollte.

Er kaufte die Fahrkarte, und beim Verlassen des Büros kam ihm plötzlich ein Gedanke.

Er ging zu dem Schalter hinüber, wo der Geldwechsler saß. »Wechseln Sie mir hundert Pfund in französisches Geld um.«

Er nahm zwei Fünfzig-Pfundnoten und gab sie zu dem Schalter hinein.

Der Beamte betrachtete sie, befühlte sie und sah dann Whitey an.

»Kommen sie Ihnen nicht komisch vor?« fragte er trocken.

»Nein.«

Eine schreckliche Ahnung stieg in Whitey auf.

»Sie sind beide gleich numeriert,« stellte der Beamte fest, »und sie sind gefälscht.«

Mechanisch nahm Whitey das Bündel Noten aus seiner Tasche und untersuchte sie. Sie hatten alle dieselbe Nummer.

Seine Bestürzung, die er nicht verbergen konnte, rettete ihn vor Fragen, die ihn in Verlegenheit gebracht hätten.

»Sie sind betrogen worden?«

»Ich bin betrogen worden,« murmelte der überlistete Spießgeselle. Er nahm die Noten, die ihm der Beamte hinhielt, und ging hinaus.

Ein vorüberfahrendes Auto, das er herangewinkt hatte, hielt. Er ließ sich nach Lambaires Wohnung fahren.

Lambaire aber war fort, als er ankam: er hatte wahrscheinlich kurz vor Whiteys Ankunft die Wohnung verlassen. Harwich war eine Finte – Whitey wußte das.

Er ging in Lambaires Zimmer. Lambaire hatte bei seiner Flucht viele Dinge zurückgelassen. In einen der Koffer, die dageblieben waren, steckte Whitey die gefälschten Banknoten. Wenn er verhaftet werden sollte, würde man wenigstens nicht diese unableugbaren Beweise eines Schurkenstreichs in seinem Besitz finden. Die Durchsuchung des Zimmers ergab zunächst keinen Anhaltspunkt für das Reiseziel Lambaires; da stieß Whitey zufällig auf einen Reiseführer. Da eine Seite darin öfters als alle andern befragt worden war, öffnete sich der Führer an der Stelle wie von selbst.

»Winterausflüge nach den Niederlanden, ah?« schmunzelte Whitey; »das ist kein schlechtes Reiseziel, Lammie: keine Detektive überwachen solche Sonderzüge.«

Der Zug verließ Holborn ein Viertel vor elf Uhr über Queensborough-Flushing. Er sah auf seine Uhr: es fehlten noch fünf Minuten, und den Zug zu erreichen schien eine Unmöglichkeit. Da kam ihm ein Gedanke. In der Diele des Hotels war ein Telephon, das aber gewöhnlich stark in Anspruch genommen wurde. Er hatte Glück; als er in die Diele kam, war es zufällig gerade nicht besetzt. Ein noch größeres Glück aber war es, daß er sofort mit dem Auskunftsbüro der Eisenbahn verbunden wurde.

»Ich möchte gern wissen,« fragte er rasch, »ob der Zug zehn Uhr fünfundvierzig ab Holborn auf einem Londoner Bahnhof hält?«

»Auf jedem,« war die prompte Erwiderung, »bis Penge: wir nehmen alle Vorstädte mit.«

»Wann fährt er in Penge ab?«

Er verging vor Ungeduld, bis der Beamte in dem Fahrplan nachgesehen hatte.

»Elf Uhr achtzehn,« war die Antwort.

Es bedeutete immerhin noch genügend Zeit. Gerade etwas über eine halbe Stunde. Er flog aus dem Haus. Kein Auto war in Sicht; aber nicht weit war ein Platz, wo immer Autodroschken hielten. Er war jedoch noch nicht weit gegangen, als ihn ein leerer Wagen überholte.

»Penge-Bahnhof,« rief er. »Ich werde Ihnen einen Sovereign über ihre Taxe geben, wenn Sie in einer halben Stunde dort sind.«

Das Gesicht des Chauffeurs ließ Zweifel erkennen. »Ich will es versuchen,« erwiderte er.

An diesem Tage raste durch London ein Auto, dessen Geschwindigkeit erheblich die erlaubte Kilometerzahl überschritt. Als es das von Verkehr wimmelnde West-End hinter sich hatte, war die Straße von jedem Hindernis so gut wie frei, aber doch war es siebzehn Minuten nach elf, als der Wagen vor dem Penge-Bahnhof hielt.

Der Zug stand schon in der Halle, als Whitey, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinaufraste.

»Fahrkarte,« fragte der Schaffner.

»Ich habe keine – ich löse sie im Zug nach.«

»Ohne Fahrkarte können Sie nicht durch, mein Herr,« bremste der Mann.

Der Zug stand kaum ein paar Schritt von ihm entfernt und setzte sich langsam in Bewegung; Whitey machte einen Satz, aber plötzlich packte ihn eine kräftige Hand und drängte ihn zurück. Das Gatter wurde ihm vor der Nase zugeschlagen.

Er lehnte sich gegen die Mauer, seine Finger zuckten krampfartig und sein Gesicht wurde kreideweiß.

Etwas in seiner Erscheinung rührte den Schaffner.

»Es ist nichts dran zu ändern, mein Herr,« bemerkte er. »Ich hatte –«

Er hielt inne und blickte nach dem Zug, der soeben abgefahren war.

Geschwind bückte er sich und schloß die Tür auf.

»Da – rasch,« feuerte er ihn an, »die Maschine hat vor der Station gebremst – ihr Signal steht auf Halt. Sie können den Zug noch gerade erreichen.«

Die letzten Wagen waren noch nicht ganz aus der Halle heraus, und Whitey, der jetzt den Bahnsteig entlangsauste, erklomm den Wagen des Zugführers gerade in dem Augenblick, als der Zug sich wieder in Bewegung setzte. Er sank auf den Sitz des Zugbeamten nieder.

Whitey war ein Mann von beträchtlicher Lebenskraft. Für gewöhnlich hätten ihm die außergewöhnlichen Anstrengungen, die er sich zugemutet, nicht geschadet, aber jetzt peinigte ihn etwas, was mehr als physische Qual war.

»Auf mich!« murmelte er wieder und immer wieder, »ausgerechnet auf mich sie abzuladen.«

Nicht der Verlust des Geldes schmerzte ihn, nicht Lambaires Treulosigkeit – er kannte Lambaire durch und durch. Was ihn so furchtbar kränkte, war die Unterschiebung der Noten und die furchtbare Gefahr, die sein ehrenwerter Freund für ihn heraufbeschworen hatte.

Whitey hatte sich in seiner gemütskalten Art entschieden. Er hatte ein eigenes Gesetzbuch. Gegen Amber hegte er keinen Groll. Soweit Gedanken an ihn in seinem Kopfe Raum fanden, waren sie sogar schmeichelhafter Natur. Er erkannte das Meisterhafte in ihm und zollte der Überlegenheit eines Mannes, der ihn auf seinem eigensten Interessengebiet geschlagen hatte, den schuldigen Tribut der Anerkennung.

Noch grollte er dem Gesetz, das ihn verfolgte – denn sein Instinkt sagte ihm, daß er jetzt von Amber keine Schonung mehr zu erwarten habe.

Nur gegen Lambaire war seine ganze Wut gerichtet. Lambaire, dessen rechte Hand er gewesen war in mehr denn zwanzig schändlichen Unternehmungen. Sie waren zusammen bei Falschmünzergesellschaften beteiligt gewesen; sie hatten Großhandel mit ›spanischem Silber‹ getrieben; sie waren in ihren Falschmünzer- und Falschspielersystemen höchst großzügige gegenseitige Beteiligungen eingegangen. Die Banknoten, mit denen Lambaire ihn zum besten gehalten hatte, gehörten einem alten Vorrat an.

Der Drucker hatte den Schnitzer begangen, allen Noten die gleiche Nummer zu geben.

»Sie waren für die Öffentlichkeit nicht gut genug – aber gut genug für mich,« murmelte Whitey finster und stützte seinen Kopf nachdenklich auf.

Der Zugführer versuchte, sich mit seinem Fahrgast zu unterhalten, aber dieser sagte nichts als ›ja‹ oder ›nein‹.

Es regnete stark, als der Zug in Chatam einlief, und Whitey, der den Mantelkragen hochschlug, den Hut tief in die Stirn drückte und ein Taschentuch vor den Mund hielt, verließ den Wagen des Zugführers und ging rasch am Zuge entlang.

Die Wagen dritter Klasse waren nur spärlich besetzt. Derartige »Winterausflüge« schienen beim Publikum wenig Anklang zu finden.

Whitey beachtete die dritte Klasse kaum – er hatte nur ein Auge für die Wagen erster Klasse, die in der Hauptsache leer waren. Er fand seinen Mann in der Mitte des Zuges – allein. Er erkannte ihn auf den ersten Blick und ging weiter. Das Signal zur Abfahrt ertönte, und als der Zug sich in Bewegung setzte, machte er Kehrt, öffnete die Tür des Wagens und stieg ein.

*

Es gab noch andere Leute, die wußten, daß Lambaire in dem Zuge war. Amber eilte durch Kent so schnell, als ihn ein 90- PS-Wagen fortbewegen konnte. Er hätte in Penge den Zug erreichen können, hätte er nur darum gewußt. Es würde für zwei gewisse Leute besser gewesen sein, wenn er es getan hätte.

Mit ihm fuhr ein Inspektor vom Scotland Yard, dem Polizeigerichtshof, – ein ruhiger, gelassener Herr mit Namen Fells.

»Wir wollen es jetzt tun, denke ich,« schlug Amber vor und sah auf seine Uhr; »Sie haben doch für alle Fälle Leute zur Hand?«

Der Inspektor nickte. Sprechen war eine Anstrengung bei dem Tempo, mit dem der Wagen dahinfuhr.

Er schwang sich nur dazu auf, seiner Überraschung darüber Ausdruck zu geben, daß Amber die Mühe der Reise auf sich genommen habe.

Aber Amber, der den Anfang des Abenteuers mit eigenen Augen erlebt hatte, war nicht der Mann danach, das Ende von einem andern sich erzählen zu lassen. Er hatte sich auf den Weg gemacht, der Sache ein Ende zu bereiten, komme was wolle. Sie erreichten den Kaibahnhof, als der Sonderzug einlief, und eilten das schlüpfrige Ufer entlang. Die ersten Passagiere schifften sich bereits ein. An jedem Fallreep standen zwei Kriminalschutzleute.

Der letzte Passagier war an Bord.

»Sie sind nicht dabei,« sagte Amber enttäuscht. »Wenn –«

In diesem Augenblick kam ein Eisenbahnbeamter auf sie zugerast.

»Sind die Herren von der Polizei?« fragte er. »In einem der Wagen muß sich etwas Furchtbares zugetragen haben ...« – er ging voran und berichtete zusammenhanglos – »... ein Herr will nicht aussteigen.«

Sie langten an dem Wagen an, und Amber öffnete die Tür ...

»Komm her, Whitey,« forderte er diesen ruhig auf.

Aber der Mann, der in einer Ecke des Wagens saß und langsam zwei dicke Pack Banknoten zählte, sah und hörte nichts.

»Das ist eine gute,« murmelte er, »und das ist eine gute – wie, Lammie? Diese sind alle gut – aber die anderen waren alle falsch. Was für ein Narr – Narr – Narr! Oh, mein Gott, was für ein Narr bist du immer gewesen!«

Er stöhnte bei den Worten, und sein Körper wand sich in Qualen.

»Komm heraus,« befahl Amber scharf.

Whitey sah ihn und stand von seinem Sitz auf.

»Hallo, Amber,« rief er und lächelte. »Ich komme schon ... was macht unser Diamantenfluß, he? Hier gibt's ein schönes Geschäft – hier ist Geld – schau her!«

Er warf eine Handvoll Banknoten heraus, und Amber schreckte zurück, denn sie waren mit Blut besudelt.

»Diese hier sind gut,« fuhr Whitey fort. Seine Lippen zitterten, und in seinen farblosen Augen flackerte ein Licht, wie es keiner je gesehen hatte. »Die anderen waren falsch. Ich mußte Freund Lammie töten – er hat mich schnöde betrogen.«

Und er lachte fürchterlich.

Unter dem Sitz fanden sie Lambaire, mitten durchs Herz geschossen.


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