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14.

Lennings Aufwand war bereits Gegenstand der allgemeinen Unterhaltung, aber die Thatsache, daß er ja der Sohn reich gewesener Eltern und an diesen Train gewohnt gewesen, rechtfertigte den letzteren. Lenning, meinte man, habe durch eigene Kraft sich wieder empor gearbeitet.

Wer seine Habe verliert, wird von Denen am meisten verspottet, die nie etwas besessen haben, das hatte auch er erfahren müssen.

Der glänzende Abschluß mit Moritzsohn gab Lenning einen Credit für gerade noch einmal so viel, wie er besaß; seine ihm anerzogenen Neigungen brachen sich wieder Bahn; er sprach mit Spott über die katzenbuckelnde Zeit seiner Abhängigkeit und verjagte die Erinnerung an die Demüthigungen, die er von Mrs. Blount und deren Tochter hatte dulden müssen.

An jener Brücke hätte ihm also kaum ein gleichgültigeres Weib begegnen können als die letztere, für deren Existenz er kaum noch eine Erinnerung hatte.

Er war immerhin noch ein junger Mann und hatte noch zur rechten Zeit die schnell gesäete und schnell gereifte Ernte geheimst.

Mag man über die sociale Gleichberechtigung der beiden Geschlechter denken, wie man will, die Schöpfung muß doch ihre bestimmten Pläne gehabt haben, da sie dem Manne noch die volle Kraft gewährt in dem Alter, wo das Weib als Mutter bereits physisch seine Schuldigkeit gethan. Lot war bekanntlich schon sehr alt, als seine Töchter ihm Wein zu trinken gaben.

Lennings Vorleben ward auch von den Anderen vergessen. Man schmeichelte ihm, weil er reich war. Man wußte auch kaum, daß das graziöse junge Mädchen, das seinen Namen trug, sein Kind sei. Er fühlte, daß er nicht das Zeug besitze, sie zu erziehen; er ließ sie deshalb wo sie war, kümmerte sich nur selten, wenn sein Weg ihn einmal an dem Institut vorüber führte, um sie, versorgte sie aber reich mit Geld.

Das war Alles, was er ihr als Vater Gutes zu thun sich im Stande glaubte, und das war nicht zum Guten, denn Stella ward im Institut der Gegenstand des Neides. Man kritisirte Alles, was sie that. Lenning verstand das nicht und Stella fühlte sich wohl in ihrem Ueberfluß.

Als der Tanz um das goldene Kalb in vollem Rasen, war er einer der Matadore der Börse geworden; er spekulirte mit enormem Glück. Und inmitten des Goldregens, der auf ihn herabfiel, kam ihm eines Tages der Gedanke, eine edle That zu üben.

Er erkundigte sich nach der Wohnung seines ehemaligen Kollegen Pfeiffer und fuhr auf seiner Promenade durch eine der armseligsten Vorstädte, in der sein stolzes Gefährt Aufsehen erregte.

Mit Abscheu stieg er die schmale, baufällige Treppe eines von den ärmsten Leuten bewohnten Hauses hinauf; aber von Pfeiffer wußte Niemand darin. Die Unglücklichen hier waren nicht gewohnt, dasselbe Dach lange über dem Kopf zu behalten. Sie blieben den Miethszins schuldig und der Executor setzte sie auf die Straße.

Nur von dem Polizeidiener, der ihm beim Heraustreten begegnete, erfuhr er, daß der unglückliche Mann, da er keine Arbeit mehr finden konnte, krank und elend ins Hospital gebracht worden. Seine Tochter sei vermutlich in irgend ein Geschäft als Verkäuferin eingetreten; man wisse nichts von ihr.

Lenning gab sich die Mühe, zum Hospital zu fahren. Pfeiffer aber war längst aus diesem entlassen; wohin er gegangen, das wußte niemand.

So war Lenning mit seiner guten Absicht denn der Mühe überhoben, sich noch weiter zu bemühen. Er hätte dem armen Mann gern eine gewisse Summe gegeben, etwa so viel wie damals abhanden gekommen, vielleicht auch die Zinsen noch. Es lohnte jetzt nicht, weiter daran zu denken.

Schade war's nur um das ganz hübsche Mädchen; vielleicht begegnete er ihr einmal und konnte ihr helfen. In dem Auf und Nieder des menschlichen Lebens ging das einmal nicht anders.

Er dachte jetzt auch zuweilen an seine eigene Tochter. Sie war erwachsen. Aber sie in sein Hauswesen nehmen? Es verkehrte allerdings Gesellschaft in seinen glänzenden Räumen, aber das Genre war kein gutes. Sie mit der Gräfin Mompach bekannt zu machen, sagte ihm auch nicht zu; überdies war dieselbe in den Bädern.

So oft er über seine Tochter nachdachte, eben so oft kam ihm die Sache wieder aus dem Sinn. Sie war ihm eben unbequem; er wollte darüber beschließen, sobald er einmal Muße habe, und die ließen ihm seine Speculationen an der Börse nicht.

Da hatte ihm Herr Blume, der Procurist der großen Holsteinschen Fabrik, kürzlich an der Börse gesagt, der Sohn der Frau Holstein, ein noch blutjunger Mensch, der als Knabe in seinem Garten gespielt, sei ganz toll in Stella verliebt, aber sie scheine nichts von ihm wissen zu wollen.

Die Partie wäre nicht schlecht gewesen; er wäre dadurch die Sorge um die Tochter los geworden. Vielleicht machte sich die Sache doch noch. Dieser Carl Holstein und Stella hatten beide keine Eile; man konnte es mit ansehen.

Wie alle reichen Leute, ward Lenning von Supplikanten belästigt. Er fand auf seinem Tische jeden Tag Dutzende von Briefen. Zurückgekommene Geschäftsleute, verarmte Beamte, verkannte Talente, namentlich Schauspielerinnen, junge und alte Wittwen, die »zu anständig« um Almosen zu betteln, Damen, die sich in das interessanteste Geheimniß hüllten, in ihren Briefen einen ganzen Roman erzählten und um Hülfe und Rettung vor der Schande und Gott weiß was sonst beschworen, geniale Köpfe, die für ihre Erfindungen oder für unfehlbar glänzende Unternehmungen sein Kapital begehrten – Alles wandte sich an ihn.

Traurig genug ist es, daß reiche Männer, die wie Lenning ein Junggesellenleben führen, die Erfahrung machen müssen, wie das Unglück vor keinem Rettungsversuch zurückschreckt.

Lenning öffnete nur die Couverte, deren Handschrift ihm einen pikanten Inhalt verrieth, und das ward eine Art Sport in seinen kurzen Erholungsstunden.

Da schrieb z. B. ein Beamter von achtungswerther Stellung, ihm sein ganzes Elend enthüllend, nur er sei seine Hoffnung; er selbst oder sein Sohn sei durch die höchste Noth gezwungen worden, sich Veruntreuungen zu Schulden kommen zu lassen in der sicheren Erwartung, dieselben noch vor Revision der Kasse decken zu können, aber Alles habe sich gegen ihn verschworen. Wenn er also nicht helfe, sei er genöthigt, seinem Leben ein Ende zu machen und seine Familie in Noth und Schande zurück zu lassen.

Da schrieb ein Anderer, ein Theaterdirector, der seine Gage nicht bezahlen konnte, um ein Darlehn, für das er ihm die zur Bühne führende Prosceniumsloge zur Disposition stelle. Er verhieß ihm allabendlich die schönsten Mysterien in dieser Loge, denn er recrutire sein Ballet bekanntlich nur aus den schönsten Gestalten der weiblichen Jugend.

Und in einem anderen Briefe schrieb ihm eine Dame von Stande, seit dem Tode ihres Mannes stehe sie heldenmüthig in ununterbrochenem Kampfe mit der Noth, aber ihre Kraft, ihr Muth erlahme, denn die Noth habe tausend Waffen, sie nur die eine: ihre Hoffnung auf Gott und seine Barmherzigkeit. Aber auch diese entreiße ihr die Verzweiflung.

» Ich will dulden, ich will entbehren, o mit Freuden,« schrieb sie, »aber mein Kind darben und weinen, mich mit den schönen, unschuldvollen Augen um Hülfe anflehen zu sehen, das vermag ich nicht mehr. O, sähen Sie dieses arme Kind, eine Tochter, rein und schön wie ein Cherub u. s. w.«

Eine junge Wittwe, deren Gatte Alles verspielt und sich dann eine Kugel vor den Kopf geschossen, bat um ein Darlehn nur für so lange, bis es ihr gelungen, durch ihrer Hände Arbeit – ihrer Hände, die niemals an diese gewöhnt gewesen! – sich ihr täglich Brot zu verdienen. Er selbst möge kommen, um sich von der traurigen Wahrhaftigkeit ihrer Klage zu überzeugen, die sie ihres Namens wegen noch der Welt verheimlichen müsse; auf ihren Knieen wolle sie ihn um Rettung anflehen u. s. w.

Man spricht von der Versuchung des armen Mannes, nicht von der des reichen, den die Versucherin hinterdrein verflucht, wenn er ein Mensch und sie ihm gelohnt, wie sie mit so überschwänglicher Bereitwilligkeit versprochen!

Im Kampf um das Leben siegt immer die Waffe, sei's Eisen oder Gold, und das letztere bricht selbst was Eisen nicht brechen kann.

So fand denn Lenning eines Tages auch ein Schreiben von Marion Christel, die sich darauf berief, er kenne sie ja, sie sei die Tochter des Gärtners Christel, er habe sie als Kind und später bei der Gräfin Mompach gesehen. Sie sei Diakonissin gewesen, aber während des Krieges durch die schnödesten Intriguen aus dem Hospital entlassen worden. Mit Abscheu habe sie diesem Beruf den Rücken gewendet, der für ein Mädchen von den festesten Grundsätzen so viel Gefahren biete. Sie habe anderweitig versucht, sich redlich durchzuschlagen, es sei ihr auch anfangs gelungen, aber alles Unglück habe sich gegen sie verschworen, in der Blüthe ihrer Jahre stehe sie hülflos da; sie bitte ihn, den reichen, seiner Wohlthaten wegen gerühmten Mann, um ein Darlehn. Wenn er sich selbst bemühen, es nicht verschmähen wolle, sie in ihrer Dachstube aufzusuchen, werde er sich überzeugen etc.

Lenning erinnerte sich des Mädchens wohl; es waren ihrer zwei im Hause aufgewachsen; die ältere war die hübschere gewesen, sie hatte Chic gehabt, und bei der Gräfin Mompach war das auch wohl nicht die beste Schule für ein junges Mädchen gewesen. Er war in diesem Falle zum Wohlthun aufgelegt und bestimmte brieflich die Stunde, um die er von ihr zu sprechen sein wolle.

* * *

Kaum hatte Lenning den Brief absenden lassen, als ihm die Gräfin Mompach gemeldet wurde.

Sie war ihm eine Geschäftsfreundin geworden; sie kam öfter, ungenirt, vertraulich und so rauschte sie auch heute in Lenning's Empfangszimmer.

Mit ihrer gewohnten aristokratisch bewußten, unternehmenden Miene, das Antlitz zu wunderbarer Frische geschminkt, das sonnigblonde Haar wie eine Aureole über der Stirn, in braunrother Seide mit großer Schleppe, ein Hütchen kokett auf der Stirn, schritt sie über den Teppich und legte mit huldvollstem Lächeln ihre kleine Hand in die seinige, sie ihm selbst zum Munde hebend.

»Ich bin freudig überrascht, Gräfin! Ich glaubte Sie noch in den Bädern!«

»Ja, in Marienbad war ich, lieber Freund! Sehen Sie nur, ich habe zehn Pfund abgenommen! Sechs Wochen lange strenge Disciplin! Bewundern Sie mich! Ich bin schlank wie eine Elfe geworden! Komme eben von der Schneiderin, die eiligst meine ganze Garderobe ändern muß, denn man erwartet mich in Ostende.«

Sie hob die Arme, zeigte ihm unter dem leichten dunklen Spitzenshawl ihre Taille, suchte dabei den großen Spiegel sich gegenüber, lächelte sich zufrieden an und ließ sich auf den ihr von Lenning nach einigen Komplimenten zugeschobenen Stuhl sinken.

Den Fächer in der Hand öffnend und wieder zuklappend, ließ sie das Auge umher schweifen.

»Was ich sagen wollte ... weshalb ich Sie aufsuchte! ... Ich störe Sie doch nicht? ... Denken Sie, was mir passiren mußte während meiner Abwesenheit! ... Aber Sie haben vielleicht schon gehört?«

Lenning schüttelte fragend den Kopf.

»Na, also hören Sie! Ich komme gestern nach Hause ... Aber ich muß von vorn anfangen! ... Mein guter Schwager, Excellenz Mompach, kam mir schon seit Neujahr so ungewöhnlich vor. Trotz seinem Podagra, das ihn ja namentlich im Frühjahr und im Herbst so arg quält, war er von einer merkwürdigen Unruhe. Sein Coupé war immer angespannt; er speiste nicht mehr bei sich, kam Nachts sehr spät, oft sogar erst Morgens nach Hause. Er sagte, er sei im Adelscasino, wenn ich ihn fragte. Auch sein Kutscher, den ich ins Gebet nahm, sagte dasselbe; er war natürlich gestempelt; es war nichts aus ihm heraus zu bringen.«

»Ich ließ nun die Sache gehen, denn ich habe mehr zu thun. Er vernachlässigt mich, weicht mir aus. Mir konnte nichts lieber sein, denn dieses ewige Kümmern um das, was ich that, dieses sauertöpfige Gesicht, wenn er Nachts einmal durch eine Gesellschaft bei mir gestört worden, war mir längst zur Last.«

»Ich reise also ab. Wie ich ihm Adieu sage, ist er ersichtlich froh, mich los zu sein und wünscht mir eine glückliche Reise. Gestern nun kehre ich zurück. Mein Diener, der das Haus gehütet, empfängt mich mit einem Seufzer der Zufriedenheit; ich höre ihn vor sich hin sagen: Gott sei Dank, daß die Gräfin wieder da ist! ... Ich frage ihn, was er damit meint, frage zugleich, warum der schöne Velour-Läufer mit den Broncestangen auf der Treppe zu meinem Schwager abgenommen ist. Er seufzt und will nicht heraus mit der Sprache.«

Die Gräfin mußte Athem holen. Sie hatte nämlich in Wirklichkeit nur fünf Pfund verloren, die andern fünf mußte das Corset wegschnüren.

»Ich frage also nach meinem Schwager und höre, er liege oben in seiner Wohnung. Ich steige die Treppe hinauf. Niemand empfängt mich. Ich schelle. Niemand öffnet. Durch die Glasthür sehe ich, daß der Corridor ausgeräumt und namentlich die große schöne Uhr, mein Eigenthum, ein uraltes französisches Werk, das ich von der Großtante geerbt, verschwunden ist.«

»Ich die Treppe wieder hinunter! Ich zwinge meinen George, die Wahrheit zu bekennen, und da erfahre ich denn schöne Geschichten von der Excellenz! Denken Sie sich ... Aber lassen Sie mich nicht erst erzählen, wenn Sie schon wissen sollten!«

Lenning lächelte, den Kopf schüttelnd.

»Ich hörte wohl so ganz flüchtig; aber nichts Näheres,« antwortete er.

»Gut also! Sie erinnern sich doch der Marion, die in meinem Dienst war? Ich brachte sie in die Diakonissen-Anstalt, einestheils um dem Mädchen eine Existenz zu verschaffen, anderntheils weil ich gegründete Ursache hatte, zu argwöhnen, daß mein Herr Schwager Excellenz in der Abendstunde, während welcher ich erlaubte, daß sie ihn pflege, das Mädchen zu corrumpiren suche. Anfangs war es mir eine Freude gewesen, wenn er ihr Talent zur Krankenpflege rühmte, und das hatte mich auch auf jene Idee gebracht, schließlich aber stieg mir doch ein Verdacht auf und der bestätigte sich durch seinen Mißmuth, als ich das Mädchen in die Anstalt geschickt.«

»Ich sah diese Marion hier im Lazareth wieder und freute mich über das hübsche frische Mädchen; aber sie war mal placée; in Kriegshospitälern soll man dergleichen Geschöpfe nicht beschäftigen. Die Folge davon war denn auch, daß man sie mit einem leicht verwundeten Offizier atrappirt, und der Chef-Arzt, der keinen Spaß verstand, schickte sie fort. Als Diakonissin war sie vorläufig unmöglich. Ich hatte keine Zeit, auch keine Lust, mich weiter um sie zu bekümmern, obgleich ich nicht so scrupulös denke. Aber hören Sie, was geschah! Mein guter Schwager besuchte das Hospital oft, fast täglich – im Interesse der verwundeten Kameraden, sagte er. Als Marion fort war, ließ er sich nicht mehr sehen, und was muß ich erleben?«

Die Gräfin machte ihrer Entrüstung Luft.

»Denken Sie sich, er kümmerte sich um das Verbleiben des Mädchens; er fand es, war von da ab kaum mehr zu Hause, gab vor, er sei immer im Casino, und was ist das Ende vom Liede? Er hat in kaum einem Dreivierteljahr mit ihr, oder wohl richtiger gesagt um ihretwillen das Bischen französische Rente durchgebracht, auch seine Pension auf zehn Jahre hinaus verpfändet – zehn Jahre! Stellen Sie sich vor! Kann er denn noch länger leben als diese zehn Jahre?« ...

»Und damit noch nicht genug: er hat Wechsel unterschrieben, die er nicht bezahlen konnte; man hat ihm seine Equipage, seine Möbel abgepfändet, sogar mein Eigenthum mit, und jetzt liegt er in der nackten Wohnung auf dem Bett, das man ihm lassen mußte. Er läßt niemanden zu sich aus Scham, mich am wenigsten, der er sich nicht zu zeigen wagt, der alte Sünder ... Puh, die Schande!«

Die Gräfin setzte ihren Fächer in Bewegung.

»Ich könnte dieses Geschöpf ins Zuchthaus bringen!« fuhr sie erschöpft fort. »Es fehlen mir nur die Beweise, daß sie es gewesen, die mir, als sie in meinem Dienst war von meinen Goldsachen einzelne Dinge wie Brochen, Ohrgehänge und dergleichen, was ich nicht mehr zu tragen pflegte, entwendet. Sie hat sie ohne Zweifel heimlich verkauft, versetzt! Aber was hülfe es, wenn ich sie unglücklich machte, mein guter Name käme da in die Criminal-Verhandlungen! Ihm, dem alten Sünder, ist ganz recht geschehen. Ich hätte aber nie geglaubt, daß eine solche Canaille in diesem Mädchen, hinter seinem scheinheiligen, prüden Gesicht stecke!«

»Aber was mich eigentlich zu Ihnen führte!« Sie erhob sich. »Verkaufen Sie mir doch morgen an der Börse Credit; ich fürchte ihren Rückgang. Ich habe heute keine Zeit, zu Moritzsohn zu fahren. Zudem brauche ich Geld für Ostende, auch meine Kasse ist leichter geworden. Ich traf in Prag meinen kleinen Liebling Tomaseo, den Tenoristen. Er hat mir einige recht heitere Tage bereitet, aber der Leichtsinnige hatte Schulden gemacht. Er bat mich und ich konnt's ihm nicht abschlagen ... Was macht Moritzsohn? Ich habe ihn noch nicht gesehen. Ich will morgen erst zu ihm! Wir müssen einmal wieder ein großes Geschäft zusammen machen, wir Drei, denn ich habe rasend viel Geld ausgegeben ... Aber jetzt Adieu, lieber Freund! Ich habe schon zu lange geplaudert; man erwartet mich!«

Zwei Knöpfe ihres Handschuhs aufreißend, bot sie ihm das weiße runde Handgelenk zum Kuß, berührte lächelnd seine Wange mit dem Fächer und rauschte hinaus.

»Marion Christel, ei sieh doch! Wo hat sie denn das Geld gelassen, das sie den Alten gekostet! ... Ich hätte ihr nicht schreiben sollen! Aber was thut's!«

Lenning nahm seinen Hut. Der Diener meldete, der Wagen erwarte ihn.

* * *


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