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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Seit Anbruch der Dämmerung trieb sich Sascha vor dem Palast Anna Pawlownas umher. Er sah die letzten Vorbereitungen zum Fest, wie in der Einfahrt die Teppiche gelegt und die Blumen aufgestellt wurden. Darauf begab er sich zum letztenmal in das Haus des Popen und hinunter in den Keller, wo er eine Kerze anzündete und mit dem Licht in den Stollen kroch. Wie erstaunte er, als er das Wasser, welches sich in dem engen Graben in großer Menge angesammelt hatte, gefroren fand. Der ganze Gang war mit Eis und Reif überzogen; wo der Schein von Saschas Kerze hinfiel, war's ein Flimmern und Funkeln, als ob sämtliche Brillanten der Welt um den Nihilisten aufgehäuft lägen.

Sascha fand das Sprengmaterial an Ort und Stelle; wie eingemauert steckte es im Gestein! Auch der Zündfaden war in bester Ordnung und vollkommen trocken, so daß er vortrefflich brennen würde und von einem Anstecken der Mine vermittels Lunten nicht länger die Rede zu sein brauchte. Hierüber völlig beruhigt verließ er den Stollen.

Im Keller stieß er auf Colja, der ihn suchte und ihm ein Billett vom Exekutivkomitee überbrachte, das Sascha las und dann, trotzdem es in einer Geheimschrift geschrieben war, sorgfältig über dem Lichte verbrannte.

»Höre, Colja.«

Colja hörte.

»Wenn du Wladimir Wassilitsch siehst, so sage ihm doch, daß ich den Befehl erhalten hätte, gleich nach Mitternacht, gleich nachdem die Sache geschehen – du verstehst – nach Petersburg abzureisen. Bestelle ihm das.«

Colja verstand und Colja wollte es Wladimir Wassilitsch bestellen – wenn er ihn sehen sollte.

»Natürlich siehst du ihn, wenn du in den Keller kommst, um ihm zu sagen, daß Wera auf der Straße das Zeichen gegeben hat.«

Richtig; natürlich sah Colja Wladimir Wassilitsch. Er hatte es ganz vergessen.

»Und dann sage Wladimir Wassilitsch doch, daß das Wasser im Stollen gefroren sei; auch der Faden ist ganz trocken, die Lunten sind unnötig.«

Diese Nachricht regte sogar Colja auf. Er murmelte und brummte und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. Was? Das Wasser im Stollen gefroren? Auch der Faden ganz trocken? Die Lunten waren nicht mehr nötig? Das wäre denn doch – –

»Ja,« meinte Sascha, »man kann jetzt ganz ruhig sein. Furcht ist unnötig.«

Als ob Colja Furcht gehabt hätte? Als ob er nicht ruhig gewesen wäre?!

Dann schickte sich Sascha zum Gehen an.

»He, Colja, kommst du nicht mit?«

Nein, Colja wollte bleiben, er mußte ja auf Wladimir Wassilitsch warten.

»Den siehst du später. Daß du ja auf der Straße bist, wenn Wera das Zeichen gibt.«

Colja versprach, alles zu rechter Zeit zu tun; jetzt wollte er noch im Keller bleiben. Er würde dann schon hinaufgehen und aufpassen.

Als Sascha gegangen war, löschte Colja das Licht, steckte es in die Tasche, wo er auch die Zündhölzer hatte und setzte sich auf eines der von ihm mit Erde gefüllten Fässer. Er war vollständig verwirrt im Kopfe. Die Nachricht, daß das Wasser im Stollen gefroren sei und man die Mine mittels des Fadens anzünden konnte, verschob auf einmal alle seine Begriffe. Er hatte sich alles so prächtig ausgedacht; mit solcher Mühe und solchem Aufwand von Schlauheit, daß seine Geisteskräfte vollständig erschöpft waren. Was bedeutete das nun wieder? Was hatte das Wasser zu frieren und der Zündfaden trocken zu sein? Welcher Unsinn! Wie die Dinge standen, konnte Wladimir Wassilitsch jetzt die Mine wunderschön anzünden, ohne daß ihm dabei ein Haar gekrümmt würde. Nun gut! Wladimir Wassilitsch würde es tun, die Mine würde aufspringen, die Menschen würden sterben, von Wladimir Wassilitsch umgebracht werden. Dann war er ein Mörder. Aber das Täubchen Tania Nikolajewna sollte mit ihren süßen, heiligen Lippen keinen Mörder küssen, und der Wunderknabe sollte keinen Totschläger zum Vater haben; also durfte Wladimir Wassilitsch die Mine nicht anzünden; statt seiner mußte es ein anderer tun – Colja natürlich! Soweit war die Sache ganz klar; doch nun kam der Wirrwarr. Denn Colja konnte für Wladimir Wassilitsch den Todschlag begehen und trotzdem am Leben bleiben; war das Wasser doch gefroren, war der Faden doch trocken. Was waren das für Geschichten! Seit Wochen hatte er sich darauf vorbereitet, für das Glück des Täubchens Tania Nikolajewna zu sterben, er hatte bereits von dem Täubchen feierlichen Abschied genommen, sich zum Abschied von dem Täubchen küssen lassen und nun sollte plötzlich alles anders werden? Daraus mochte ein Klügerer klug werden! Zum Glück bekam Colja in dieser höchsten Not einen ganz besonders schlauen Einfall. Wenn er die Mine mittels des Fadens anzündete und am Leben blieb, so mußte er mit Tania Nikolajewna nach Eskowo. Dagegen blieb Wladimir Wassilitsch in Moskau zurück, und es würde die alte Geschichte werden mit dem Minenlegen, dem Sengen und Morden nämlich! Kam aber Colja bei der Sache um, so mußte Wladimir Wassilitsch Tania Nikolajewna nach Eskowo begleiten, denn Wera war ja eingesperrt, und Sascha sollte, gleich nachdem die Sache geschehen war, nach Petersburg. Wer anders als Wladimir Wassilitsch konnte also mit dem Täubchen nach Eskowo – wenn nämlich kein Colja mehr da war. Denn natürlich mußte Wladimir Wassilitsch doch das Täubchen und den Wunderknaben in Sicherheit bringen. War er über erst einmal mit Tania in Eskowo, wer weiß, wie dann alles wurde, ob er dann nicht die Lust an der Sache verlor. Denn wie konnte man mit Tania Nikolajewna in Eskowo auf der Steppe sein und dennoch wieder nach Moskau zurück wollen!

Colja atmete auf. Die Heiligen seien gelobt, das wäre also in Ordnung! Wie er es sich ausgedacht, so war es am besten, überdies hatte er sich's nun einmal in den Kopf gesetzt, es ginge gar nicht anders, als daß er für das Täubchen Tania Nikolajewna sterben müßte, und was dieser Colja sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, das war so leicht nicht wieder herauszubringen.

Noch an eines mußte er denken, wahrend er im Dunkeln saß und den weisen Entschluß faßte, sich an das gefrorene Wasser und den trockenen Faden einfach gar nicht zu lehren. Man hatte ihm gesagt, eine ganze Menge von Menschen würde sterben, wenn die Mine zu rechter Zeit aufsprang. Warum gleich eine ganze Menge – –? Colja wollte sich die Sache überlegen.

Als Sascha sich wieder auf der Straße befand, zauderte er nicht länger, die Tat, die er beschlossen hatte, zur Ausführung zu bringen. Anna Pawlowna sollte sterben. Sie war von dem Exekutivkomitee verurteilt worden und sie sollte gerichtet werden; nur in einer anderen, weniger gräßlichen Weise: er selbst wollte an ihr das Urteil vollstrecken. Ihr herrlicher Leib sollte nicht in Stücke gerissen, ihr himmlisches Antlitz nicht grauenvoll verstümmelt werden; es sollte eine schöne, eine wunderschöne Tote sein, nur mit einer kleinen, ganz kleinen, blutroten Wunde über dem Herzen, als hätte der Tod, in Liebe für sie erglühend, sie auf das Herz geküßt.

Sascha mußte eilen; es war die höchste Zeit. Sobald die ersten Gäste anlangten, war es zu spät; auch wurde dann wahrscheinlich die Straße vor dem Palast für das Volk abgesperrt.

Sascha begab sich nach der Hinterseite des Palastes, wo sich der Eingang für die Dienerschaft befand. Er wollte sich gerade einschleichen, als ihm eine Frau entgegentrat; sie hatte einen langen dunklen Mantel übergeworfen und den Kopf mit einem Tuche verhüllt.

»Alexander Dimitritsch!«

»Was wollen Sie? Wer sind Sie?«

Es war die Wirtin der Teeschenke, Maria Carlowna und sie wollte mit ihm reden.

»Ich habe jetzt keine Zeit, Sie sehen ja! Später also!«

»Nein, jetzt.«

»Aber so gehen Sie doch! Wie Sie zudringlich sind! Ich habe im Palast Petrowsky zu tun.«

»Bei Anna Pawlowna?«

»Ganz recht; bei Anna Pawlowna.«

»Sie sind ihr Liebhaber?«

»Was kümmert Sie das?«

»Ich wollte es nur wissen, von Ihnen selber wissen.«

»Nun gut; aber jetzt gehen Sie mir aus dem Weg.«

Doch Marja Carlowna blieb vor ihm stehen.

»Sie erinnern sich meiner?«

»Sie sind wunderlich, Marja Carlowna.«

»Ich habe Sie geliebt und ich bin vor Ihnen auf den Knien gelegen und Sie haben mich liegen lassen. Sie haben mich verschmäht und sind der Liebhaber Anna Pawlownas geworden, die mit Ihnen gespielt, die Sie aufgenommen und dann fortgewiesen hat, die jetzt Sie verschmäht und verachtet. Aber Sie, Sie lieben sie immer noch.«

»Ich frage Sie nochmals: Was geht das Sie an?«

»Sie bereuen nicht, was Sie mir angetan haben?«

»Was sollte ich zu bereuen haben? – – Aber nun ist es genug.«

Die beiden hatten dieses Gespräch mit unterdrückter Stimme geführt; dann schob Sascha die Wirtin fort und ging, hart an ihr vorüber, ins Haus. Ohne angehalten zu werden, gelangte er in das zweite Stockwerk hinauf, bis vor die Tür von Anna Pawlownas Toilettenzimmer; er hörte sie drinnen mit der Kammerfrau reden.

Entweder wollte er sich in der Nähe verbergen, bis sie heraustrat, ober er wollte hineingehen und es drinnen tun, seinethalben im Beisein der Kammerfrau. Einen Augenblick zauderte er, dann trat er entschlossen auf die Tür zu, faßte den Griff – –

Die Tür war unverschlossen, Sascha öffnete, trat ein, machte hinter sich zu.

»Wer ist da? – – Was wollen Sie, was unterstehen Sie sich?«

»Ich habe mit Ihnen zu reden, Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen. Schicken Sie Ihre Kammerfrau hinaus.«

Anna Pawlowna war aufgestanden und maß ihn mit ihren Blicken. Sie sah seine Entschlossenheit, seinen furchtbaren Ernst und gebot: »Geh hinaus, Anuschka!«

Die Kammerfrau ging, Sascha verschloß hinter ihr die Tür, stellte sich Anna Pawlowna gegenüber und sah sie an.

Sie war bereits in voller Toilette. Er erblickte ihre stolze Gestalt wie in einem glanzvollen Nebel, aus dem sich gespenstisch ihre marmorblassen Schultern hoben, und das weiße Antlitz mit dem leuchtenden Haar, welches sie zu einer Krone aufgesteckt hatte. Eine vollaufgeblühte, mächtige, dunkelrote Rose lag gleich einem Blutfleck auf dem goldigen Schimmer.

Sie war bei Saschas Eintritt im Begriff gewesen, sich ihre Diamanten umhängen zu lassen, hatte der Kammerfrau den Schmuck abgenommen und hielt ihn in der Hand.

Fremd und kalt ruhten ihre Augen auf dem Eindringling. Er will mich töten, dachte sie. Aber sie fühlte keine Furcht.

»Ich frage Sie noch einmal, was Sie von mir wollen?« fragte sie laut, ohne das leiseste Beben in ihrer Stimme. »Zwischen uns ist alles aus, wie Sie wissen.«

»Ich weiß es.«

»Ersparen Sie mir daher jede Auseinandersetzung; sie würde zu nichts führen.«

»Zu gar nichts.«

»Also was wollen Sie?«

»Wie Sie reden! Als ob Sie mich niemals geliebt hätten.«

»Niemals!«

»Dann haben Sie gelogen.«

»Ja!«

»Warum lügen Sie?«

»Ich belog mich selbst. Nun wissen Sie es und jetzt gehen Sie!«

Da er keine Bewegung machte, auch nichts sagte, wandte sie ihm den Rücken, trat an den Spiegel und begann, ohne sich im geringsten um ihn zu kümmern, ihre Diamanten anzulegen. Sascha faßte nach der Brusttasche seines Rockes, darin sein Revolver steckte, und schlich sich hinter sie. Sie bemerkte im Spiegel alles, ihr Blick wurde starr, ihre Hand schwer und eiskalt. Aber sie fuhr fort, das schwere Halsband zuzuhaken.

»Anna,« rief Sascha mit unterdrückter Stimme, »Anna, warum hast du dich selbst belogen?«

Sie blieb stumm.

»Antworte!«

Sie wußte, daß es in ihrer Macht stand, ihn von neuem zu belügen. Sie brauchte sich nur umzuwenden, ihn anzusehen, und sie würde am Leben bleiben. Aber sie sah starr in den Spiegel und bedeckte ihren Hals mit den Brillanten.

Sascha zog das Pistol hervor und spannte den Hahn.

Sie sah im Spiegel jede seiner Bewegungen; die Kälte und die Schwere durchdrangen jetzt ihren ganzen Körper.

»Anna!«

Er trat dicht hinter sie.

»Schieß nur!« flüsterte sie und nickte ihm zu.

»Anna! Anna! Anna!«

Aber sie sagte nichts mehr.

Da riß er sie an sich, setzte ihr das Pistol auf die Brust, drückte ab.

Sie blieb an seiner Brust ruhen, blickte ihn an, seufzte und starb. Sascha ließ sie sanft auf den Teppich niedergleiten, stand vor ihr und betrachtete sie.

Sie war schön, eine wunderschöne Tote!

Niemand mußte den Schuß gehört haben, niemand kam. Sascha löschte die Lichter, tastete sich zur Tür, schloß auf und entfernte sich langsam.

Wladimir und Natalia befanden sich unter dem Volk, das sich aufgestellt hatte, um den Zaren in den Palast Petrowsky einfahren zu sehen. Niemand wußte mit Sicherheit zu sagen, ob der Kaiser kommen würde. Man wußte im Volk nicht einmal, ob der Monarch überhaupt in Moskau eingetroffen sei.

Die Nihilisten wußten es.

Die beiden hatten sich so aufgestellt, daß sie sowohl den Palast wie das ehemalige Kloster übersehen konnten; sie wollten nur kurze Zeit unter der Menge bleiben und sich sodann, ehe die Straße gesperrt wurde, in das Haus des Popen begeben. Welches Glück, daß als Zeichen zum Aufstiegen der Mine das Zertrümmern einer Scheibe bestimmt worden war; sollte Colja nicht auf der Straße Posten nehmen können, so erreichte er seinen Zweck ebensogut, wenn er sich im Flur des Popenhauses versteckt hielt, wo er das Klirren des brechenden Glases deutlich vernehmen mußte.– – Daß Wera das Zeichen nur nicht früher gab, als bis der Kaiser den Saal betreten! Doch sie hatte die bestimmtesten Instruktionen erhalten, war klug und würde gehorsam sein.

Wie gut war es, daß die Mine gelegt worden war; wie viel besser, als wenn sie dem Kaiser eine Bombe geworfen hätten. Massenmord war immer sicherer!

Also sowohl Anna Pawlowna wie Boris Alexeiwitsch glaubten wirklich, daß man nicht wagen würde, etwas Großes zu unternehmen, wähnten wirklich, daß der Nihilismus eine leere Redensart, daß man unentschlossen, furchtsam und feige sei – – – Welche Verachtung des Volksgeistes sprach sich in diesem Glauben aus, welche Verhöhnung einer Sache, der sie doch angehört hatten. Allerdings ließ die Prinzessin Palast und Umgebung einer genauen Untersuchung unterziehen; aber sie hatte sich doch, als man nichts vorfand, vollkommen beruhigt, sich in dem Glauben gewiegt, daß sie nichts unternehmen, daß sie es nicht wagen. Nun, sie sollte an den Nihilismus glauben müssen.

Die gewaltige Tatsache, daß der Nihilismus kein leerer Wahn sei, hatte Wladimirs und Natalias letztes Gespräch gebildet, als beide sich auf dem Weg nach dem Palast Petrowsky befanden – auf ihrem letzten Gange. Nun schwiegen sie und fühlten sich im Vergleich zu den wütenden Aufregungen der letzten Wochen sehr ruhig. Beide beobachteten sich selbst und beide waren erstaunt, daß man in der letzten Stunde seines Lebens, vor einem Ende, wie es ihnen bevorstand, so gelassen sein konnte.

Dann kam das Ostergeläut, dann kam der Auferstehungsjubel des Volkes, dann war es Zeit, daß die beiden »Auferstandenen« sich in ihre Gruft begaben.

»Da steht Wera bereits am Fenster,« flüsterte Natalia Wladimir zu.

»Die Aufregung wird sie auf ihren Wachtposten treiben, denn es ist ja noch viel zu früh! Noch ist nicht ein einziger Gast da.«

»Doch; einer ist schon da, einen sehe ich.«

»Wen?«

»Boris Alexeiwitsch.«

»Wo ist er?«

»Im Saal, dort oben dem Fenster Weras gerade gegenüber.«

»Was bedeutet das? Er wird sie erkennen! Warum bleibt sie stehen?!«

»Ich glaube, er hat sie bereits erkannt. Er blickt steif zu ihr hinüber und jetzt – jetzt macht er ihr Zeichen.«

»Teufel!«

In diesem Augenblick marschierten Polizisten auf und drängten die Menge zurück. Plötzlich entstand ein Tumult.

»Was ist geschehen?« rief Wladimir.

Irgendwer rief einem anderen zu: »Sie haben ihn festgenommen.«

»Einen Taschendieb?«

»Einen Nihilisten! Der Kerl wollte unserem Väterchen, dem Zaren, an sein heiliges Leben.«

Kaum war das bekannt geworden, als das Volk in ein Wutgeheul ausbrach. Alles drängte nach der Stelle hin, wo die Polizisten den Mann, der sich gar nicht zu wehren schien, ergriffen hatten.

Wladimir und Natalia wurden mit fortgerissen.

Man schrie in der Menge: »Er hat einen Revolver bei sich! Er wollte den Zaren töten! Schlagt ihn tot, den Hund! Nieder mit dem verdammten Nihilisten! Nieder!«

Nun sahen Wladimir und Natalia den Gefangenen.

Es war Sascha.

Die Polizisten hatten einen dichten Kreis um ihn gebildet und verteidigten ihn gegen das Volk, welches wie rasend war. Ein Trupp Männer brachte ein junges Weib herbei, es war Marja Carlowna! Sie führten die Wirtin im Triumph herbei, denn sie war es, die den Nihilisten entdeckt und ihn der Polizei angegeben hatte.

Plötzlich ertönten schreckliche Schreie aus dem Palast Petrowsky: »Die Prinzessin ist ermordet worden!«

Der wahnsinnige Aufschrei eines Weibes folgte diesem Ruf. Dann stürzte Marja Carlowna zu den Polizisten, die Sascha umringten: »Er ist unschuldig! Ich habe ihn fälschlich angeklagt: Laßt ihn frei! Er ist unschuldig, unschuldig – –«

Sie gebärdete sich wie von Sinnen; aber niemand achtete auf sie; ihr Jammergeschrei verschlangen die Stimmen des erregten Volkes: »Mörder! Mörder! Man hat die Prinzessin gemordet! Man wollte den Zaren morden! Mörder! Mörder!«

Was war das?

Die Menge kreischte auf vor Entsetzen und stob auseinander. Ein gewaltiger Krach, dem ein furchtbares Getöse folgte. Sämtliche Fensterscheiben des Palastes und der zunächstliegenden Häuser zersprangen, der Boden bebte, die Mauern schienen zusammenzustürzen, aus dem ersten Stockwerk des Palastes wälzte sich Dampf.

»Die Nihilisten!«

Es war wie ein einziger Schrei.

Ja, die Nihilisten! – Die Mine war aufgeflogen – viel zu früh!


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