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Dreizehntes Kapitel

Neue Wege

Durch die Kirschallee draußen in Schlachtensee schritt langsam Lilli Steffen ihrem Häuschen zu. Die Spätnachmittagsonne ließ ihr Blondhaar wie lauter blitzendes Gold aufsprühen. Tiefgeneigt war der kleine Kopf. Die braunen Augen, die sonst so übermütig zu blitzen verstanden, waren nachdenklich auf den weißgrauen Staub des Weges gerichtet.

Nanu, was war denn in Steffens Lilli gefahren, die sonst so elastisch und forsch ihres Weges einherschritt? Die Spatzen, die zu Gast in den Kirschbäumen saßen, piepsten es verwundert. Terrier, Dackel, Neufundländer und Spitze, alle die vierfüßigen Wächter der Nachbarhäuser, strichen schnuppernd am Gartengitter entlang, um der Sache auf den Grund zu kommen. Und die zweibeinigen Bewohner, soweit sie in ihren Gärten tätig waren, sahen erstaunt hinter dem jungen Mädchen drein, das sonst so freundlich grüßte. Da stimmte doch etwas nicht.

Lilli hatte Sorgen – große Sorgen. Der erste Juli stand vor der Tür. Sollte sie ihre Beamtenstellung zu Oktober kündigen? Weniger als je behagte es ihr in dem großen, nüchternen Arbeitssaal mit den vielen Schreibpulten, den unaufhörlich kritzelnden Federn und dem eintönigen Orchester von so und so vielen Schreibmaschinen. Sie, die niemals Kopfschmerzen gekannt, hatte jetzt ständig die Empfindung, als ob ein eiserner Reif ihr das Gehirn zusammenpresse. Jeden Morgen, bevor sie in die heiße, dunstige Stadt fuhr, stand sie einen Augenblick neidisch vor Goldschopfs Bauer. Wie gut hatte es der Vogel doch. Er war zwar auch gefangen, aber er hatte seinen luftigen Kerker jetzt im Sommer auf der Veranda, mitten im Grünen; er konnte singen und jubilieren, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Er brauchte nicht Saldo, Debet und Kredit zu berechnen, er hatte nichts nach Herrn Mählichs Glatze zu fragen, nichts danach, ob Fräulein Schwertfegers Knubbelnase unzufrieden die Luft durchbohrte. Keine blaßblauen Augen folgten ihm hämisch, beim kleinsten Versehen – ja, Goldschopf war wirklich beneidenswert.

Der erste Juli – er bedeutete den Schlüssel, ihren Kerker zu öffnen. Nur den Mut mußte man haben, um sich hinauszuwagen in die lockende Freiheit. Warum zögerte sie denn? Sie war doch sonst nicht feige, handelte doch sonst frisch und fröhlich nach ihren Eingebungen. Ja, da draußen außerhalb der Kerkermauern stand mahnend eine dunkle Gestalt mit ernsten Augen und schweren, drückenden Händen, die sie nach Lilli ausstreckte – die Verantwortung. Ihren leichtfüßigen Schritt machte sie langsam und schleppend, senkte ihr sonst frei erhobenes Haupt zur Erde.

Wenn sie in der Redaktion durch Doktor Reinhard nicht ankam? Oder wenn das Gehalt, das dort gezahlt wurde, nicht ausreichte, um den notwendigen Zuschuß zum Haushalt beizusteuern? Die Lebensbedingungen wurden von Tag zu Tag schwieriger. Hätte sie nur jemand gehabt, mit dem sie die Sache besprechen konnte. Ludwig, ihr Zwilling, war natürlich der nächste dazu. Aber es widerstrebte Lilli, Ludwig, für den sie im Grunde das Opfer, einen kaufmännischen Beruf zu ergreifen, gebracht hatte, es zuzugestehen, wie schwer sie unter den ihrer Wesensart fremden Pflichten litt. Die Großmama? O, die würde sofort alles, was ihrem Liliputchen eine Pein bedeutete, mit ihrem liebevollen Großmutterherzen aus dem Weg zu räumen versuchen, ohne die zwingende Notwendigkeit dabei zu berücksichtigen. Onkel Martin und Tante Gretchen waren dafür, daß sie am ersten Juli kündigte. Sie waren eigentlich am vorigen Sonntag, wo sie mit Ingeborg in Schlachtensee gewesen, die Triebfeder zu Lillis schwerwiegenden Überlegungen geworden. Tante Gretchen wollte durchaus die Rolle der guten Fee bei Lilli weiter spielen und ihr zu einem sie befriedigenden Wirkungskreis verhelfen. Und Onkel Martin, als junger Ehegatte, fand alles, was Tante Gretchen sagte, richtig, und hatte ihr daher ebenfalls geraten, »mang das Federvieh« zu gehen, wie er sich ausdrückte.

Aber was würde Mutter dazu sagen, wenn sie nach Hause kam? Zeit zum Schreiben und zur Rückantwort blieb nicht mehr. In das langentbehrte Beieinandersein der Eltern irgendwelche Unruhe, irgend einen Mißklang tragen – nein, das wollte Lilli am allerwenigsten. Sie war ja so glücklich, daß die Mutter den Vater weit über ihr Erwarten gut angetroffen hatte. Die Scheidungsstunde schlug ihnen ja so bald wieder. Was würde denn ihr Vaterchen ihr raten? Lilli furchte die Stirn und dachte angestrengt nach. Sie merkte es nicht, daß sie in Gedanken an dem weißen Lehrerhäuschen, vor dem die herrlichsten Rosen der ganzen Umgebung blühten, bereits vorüber war. Erst als sie an der nächsten Querstraße stand, machte sie verwundert halt.

Nanu? Na, das war ja noch schöner, jetzt wußte sie nicht einmal mehr, wo sie wohnte. Eine nette städtische Beamtin, die ihre Gedanken so wenig zusammen hatte.

Beschämt machte Lilli kehrt. Hoffentlich hatte niemand aus der Nachbarschaft beobachtet, daß sie an ihrem eigenen Haus vorüberlief. Das kam aber nur davon, weil Margot und Schnauzel sie nicht wie sonst vor der Gartentür erwarteten. Zum erstenmal, seitdem sie in der Stadt tätig war, standen die beiden nicht auf ihrem Posten. Trotz Wind und Wetter pflegte stets einer von ihnen, meistens der vierbeinige, ihr entgegenzulaufen. Es war doch nichts Besonderes vorgefallen, daß Margot und Schnauzel ausblieben? Lilli beschleunigte den Schritt.

Auch im Vorgarten war alles still. Nur die Rosen blühten und dufteten, als gelte es heute etwas ganz Besonderes. Die Schmetterlinge jagten sich so lustig, als hätten sie Grund, sich heute noch ausgelassener zu tummeln als sonst. Das kleine Volk der Insekten umsurrte Lillis Blondkopf mit geheimnisvollem »Summ – summ – ach, Lilli, bist du dumm!« Und gar erst der kleine steinerne Gnom auf dem Rasenrondell, der machte ein ganz verschmitztes Gesicht. Aber die dumme Lilli, die sonst so gut die Sprache der Gnomen und Tiere verstand, merkte heute nichts. Die blieb vor einer erst erblühten tiefroten Rose stehen, neigte sich und atmete den köstlichen Duft ein.

Knacks – da hatte sie den feinen Stengel geknickt. O weh, Lilli fühlte einen körperlichen Schmerz dabei. Das Tröpfchen Blut, das ihr ein Dorn geritzt, schien ihr aus der geknickten Blüte zu sickern. Die arme Rose, Vaters Lieblingsrose! Wenn sie sie wenigstens ihrem Väterchen schicken könnte! Aber bis die Blume nach dem Schwarzwald kam, war sie längst verwelkt.

An der von purpurnen Kletterrosen überwucherten Seitenwand des Hauses vorüber schritt Lilli in den Hintergarten. Ludwig hatte noch nicht gegossen, wo steckte er denn, der Junge? Auch Margots rotes Kleidchen wollte sich nicht zwischen den Büschen zeigen. Lilli wandte sich der Veranda zu, wo Goldschopf jubilierte, als könne er sich nicht genug tun. Blaue Klematis hatte die Veranda dicht eingesponnen. Aber der Durchlug vom Garten war groß genug, um so viel blicken zu lassen, daß Lillis rascher Schritt plötzlich stockte, daß ihr Herzschlag sekundenlang jäh aussetzte.

Da oben in dem bequemen Korbstuhl – ja, war es denn möglich? – da lehnte ein Herr, ein wenig bleich die Wangen, schmaler geworden das kluge Gelehrtenantlitz, der blonde Bart früh ergraut. Aber die Augen – die lieben Augen – – – »Väterchen, mein liebes Väterchen!« Wie ein Vogel durchflog Lilli die Luft, da war sie schon oben, hing am Halse des so lange sehnsüchtig Entbehrten.

»Mein Liliputchen – eine junge Dame bist du ja geworden!« Mit seiner feingeäderten Hand strich Doktor Steffen seinem Liebling zärtlich das Blondhaar aus der heißen Stirn; er konnte sich nicht satt sehen an seiner inzwischen zu voller Jugendschöne erblühten Ältesten.

Da war auch die Mutter. Mit frohen Blicken beobachtete sie das Wiedersehensglück der beiden. Die Überraschung war gelungen. Nun fand es die Gute ganz in der Ordnung, daß es Lilli gar nicht zum Bewußtsein kam, daß auch sie wieder von der Reise zurückgekehrt war. Margot lehnte an dem einen Knie des Vaters, Schnauzel an dem anderen – ja, freilich, da war es kein Wunder, daß sie heute nicht Posten gestanden hatten. Ludwig aber, der sonst so ruhige, schlang in heller Glückseligkeit den Arm um die Zwillingsschwester: »Liliputchen – Vater bleibt bei uns! Zu Oktober denkt er seine Lehrtätigkeit wieder aufnehmen zu können – nun erst ist für uns der Frieden wirklich da!«

Lilli, die lebhafte, quecksilbrige, sprach kaum ein Wort. Die Zwillinge schienen ihre Rollen ausgetauscht zu haben. Still lehnte sie, im Übermaß des Glückes an Vaters Schulter. Nur ab und zu griff sie nach seiner Hand, strich sie ihm leis über die bärtige Wange, als müsse sie sich davon überzeugen, daß nicht ein Spiel ihrer regen Phantasie sie narre, daß er leibhaftig heimgekehrt sei. Die Rose, die Lilli vorhin geknickt, hielt er in den Händen und wußte nicht, welche von den beiden die Schönere sei, die Mädchenblüte oder sie.

»Ei, Lilli, habe ich es recht gemacht, bist du mit meinem Reisegeschenk zufrieden?« fragte Frau Mieze neckend.

»Muttchen, dich habe ich ja noch gar nicht gesehen.« Lilli fuhr empor, und nun bekam die Mutter erst ihren Teil der Begrüßungsfreude. »Wie gut, daß Ingeborg bei Onkel Martin und Tante Gretchen untergekommen ist, nicht wahr, Muttchen? Vater muß Ruhe haben, und das war doch eine ewige Aufregung mit dem Mädel.«

»Ja, ich bin auch recht erleichtert, Lilli, daß wir die Verantwortung für Ingeborg in Tante Gretchens Hände gelegt haben. Tante Gretchen hat nicht solchen großen Pflichtenkreis wie wir und weiß mit ungebärdigen Kindern von ihrer Turnstunde her umzugehen. Nun werden wir unser Väterchen recht herauspflegen; Eier und Ziegenmilch haben wir ja – ach, mein Gott, bin ich dir dankbar, daß ich ihn wieder zu Hause haben kann!« Frau Mieze, die tatkräftige, die aller Sentimentalität abholde, hatte Tränen in den Augen.

»Nun ist es entschieden,« dachte Lilli, »ich bleibe an der Sparkasse. Meine erste Pflicht ist jetzt, dafür zu sorgen, daß Vater jede Bequemlichkeit und gute Verpflegung haben kann, da darf ich nicht leichtsinnig meine Stellung kündigen. Und wenn ich weiß, daß mein Vaterchen mich hier zu Hause erwartet, wird es mir auch leichter werden, die Bureaustunden, so unerfreulich sie auch sind, zu ertragen.«

Niemand dachte daran, daß Lilli noch kein Mittagbrot gegessen hatte, und sie selbst am wenigsten. Die große unerwartete Freude hatte sie satt gemacht.

Sie tummelte sich, der Mutter beim Auspacken und Einräumen behilflich zu sein, daß es eine Lust war, ihr zuzuschauen. Ihre Schaffensfreude und Tatkraft schien verzehnfacht. Sie bezog die Betten, schlug den Eierschnee zu einem Schaumomelette für den Vater und war dazwischen wie der Wind wieder auf der Veranda, um die leichte Decke über Vaters Knie zu breiten, weil es nach Niedergang der Sonne am Ende kühl werden konnte.

Der von soviel Liebe Umgebene blickte mit tiefinniger Freude auf die Seinen, die er jahrelang hatte entbehren müssen, und von denen jedes bestrebt war, ihm etwas Liebes zu erweisen.

»Hier werde ich ganz gesund werden, das fühle ich,« sagte er frohen Blickes, von einem zum anderen schauend. »Daheim zu sein, das ist das beste Heilmittel. Und noch eines. Nicht nur meine Krankheit hat an mir gezehrt, nein, vielmehr hat die Not des am Boden liegenden Vaterlandes mich niedergedrückt. Aber wenn ich euch sehe, meine Kinder, richtet sich mein Lebensmut wieder auf. Deutschland wird wieder erstarken durch seine Jugend.«

War das ein linder, wonniger Abend, durchwürzt von Rosenduft, durchtränkt von inniger Herzensgemeinschaft glücklicher Menschen!

Arm in Arm schritt Lilli in der Dämmerung mit ihrem Vater zwischen den großen glühenden Johannisbeertrauben die Gartenwege auf und nieder.

»Nun berichte mir von dir, mein Kind. Wenn man krank ist, wird man egoistisch und erzählt immer nur von sich selbst,« meinte der Vater schließlich.

»Da ist nicht viel zu berichten, Vaterchen. Ich bin eine würdige städtische Beamtin geworden, mit Pensionsberechtigung bei grauen Locken. Ich habe die Bargeldüberweisung als Spezialfach, rechne wie eine Maschine, das heißt nicht ganz so zuverlässig. Zoologisch gehöre ich ins Reich der Klapperschlangen.« Es klang heiter und harmlos. Ihr Vaterchen durfte nichts von den Schwierigkeiten, die ihr im Bureau entgegentraten, ahnen, nichts von den schwerwiegenden Überlegungen, die ihr heute den Kopf warm gemacht hatten.

Der Vater blieb stehen, hob den Kopf seines Mädels zu sich empor und sah ihm in die klaren Augen.

»Und bist du glücklich bei deiner Tätigkeit, Lilli? Fühlst du dich befriedigt durch die Pflichten, die du erfüllst?«

»Ja,« wollte Lilli rufen, »aber natürlich!« Und bekam keinen Ton heraus. Trotzdem es fast dunkel war, Vaters Augen leuchteten so hell bis in ihre tiefste Seele hinein, daß es ihr nicht möglich war, etwas Unwahres zu sagen. Wie früher als kleines Mädchen, wenn es vor Vaters Blick eine Unart einzugestehen galt, senkte sie den Blondkopf.

»Dacht' ich mir's doch,« sagte Doktor Steffen, vor sich hinnickend. »Du bist ja mein Kind!« Stumm schritten sie ein Weilchen zwischen den verdämmernden Bäumen auf und ab.

»Und was macht die Kunst, wie schaut's im Märchenland aus?« begann der Vater aufs neue.

»Ach, Vaterchen, ich wünschte, das Märchenland wäre mir verschlossen geblieben.« Leise kam Lillis Antwort. »Weil ich die Grenze der Wirklichkeit öfters mal überschreite, habe ich mich in dem nüchternen Reich der Prosa nicht recht heimisch fühlen gelernt.«

Still hörte der Vater des Kindes Klage. Er griff nach ihrer Hand. »Mein liebes Kind, ich habe mal einen gekannt, den hat's auch in jungen Jahren ins Dichterland getrieben. Aber da man dort meistens nur Nahrung für den Geist findet und selten für den Magen, Hunger aber weh tut, hat er diese Ausflüge nur für die Feiertage seines Lebens gelassen. Meinem Kinde hätte ich es gewünscht, daß seine Arbeit ihm Feiertag geworden wäre. Ich seh's ja ein, die wirtschaftlichen Verhältnisse sind augenblicklich zu schwierig. Man kann eine gute Versorgung nicht seinen Neigungen zum Opfer bringen. Besonders wenn man einen Vater hat, der jahrelang nicht für seine Familie sorgen kann.« Er seufzte.

»Nein, Vaterchen, du bist nicht schuld daran, daß ich die kaufmännische Laufbahn ergriffen habe – du ganz gewiß nicht. Es ist ja auch noch nicht aller Tage Abend. Vielleicht sattle ich noch mal um. Es ist mir von Onkel Martin und Tante Gretchen nahegelegt worden, mich um eine Sekretärinstelle bei einer Redaktion zu bewerben.« Der Wunsch, den Vater wieder froher zu stimmen, ließ Lilli alles heraussprudeln, was sie eigentlich im tiefsten Herzen bewahren wollte.

»Und warum tust du's nicht, mein Kind? Diese Tätigkeit scheint mir für mein poetisches Töchterchen entschieden geeigneter als die Beamtenstellung an der Sparkasse. Das wäre doch ein Weg, der das Land der Wirklichkeit mit dem der Phantasie verbindet. Willst du ihn nicht einschlagen, Lilli?« Doktor Steffen rief es mit der Lebhaftigkeit früherer Tage.

»Ich möchte schon, Vaterchen. Aber darf ich es auch? Ist es nicht leichtsinnig von mir, die einkömmliche Stellung am ersten Juli zu kündigen? Wer weiß, ob ich zum Oktober das Passende finde.« Da hatte sie doch wirklich in der ersten Stunde des Alleinseins mit dem Vater ihm ihr sorgenschweres Herz ausgeschüttet. Nun, wo es heraus war, kam sie sich recht unvernünftig und egoistisch vor. Vater war von der langen Reise angestrengt; auf keinen Fall hätte sie ihn mit ihren Angelegenheiten sogleich beschweren dürfen.

»Morgen besucht mich Onkel Martin, Kind, da werde ich die Sache mit ihm besprechen. Vielleicht wandert mein Liliputchen doch noch ins Dichterland.«

Das zweite Paar, das zwischen den Wegen einherwandelte, Frau Mieze und Ludwig, vertrat den in ihr Gespräch Vertieften den Weg.

»Was habt ihr denn hier für Staatsdebatten? Du willst dich wohl gleich am ersten Tage für all die Zeit, wo wir unseren Vater entbehren mußten, entschädigen, mein Mädel? Aber nun ist es Zeit zum Schlafengehen. Wir wollen vor lauter Freude nicht vergessen, daß Vater noch Schonung braucht,« mahnte die Mutter.

Wenn sie gewußt hätte, wie sehr Lilli das soeben außer acht gelassen hatte!

»Gute Nacht, mein Vaterchen. Hoffentlich schläfst du gut die erste Nacht daheim. Hat dich unser Gespräch auch nicht erregt?« forschte Lilli beim Gutnachtsagen besorgt.

»Höchstens freudig, mein Kind. Ich sehe wieder mal einen Wegweiser, der in das Land unserer Sehnsucht weist. Das ist schon mehr, als den meisten Menschen beschieden ist. So, nun mach das ganze Heer deiner kleinen Freunde, alles, was hier im Hause an guten Geistern kreucht und fleucht, mobil, Liliputchen, daß sie uns angenehme Träume senden. Gute Nacht, mein Kind.«

»Schlaf wohl, mein Mädel. Deine Suppe für morgen früh habe ich dir schon gekocht.«

Ach, war das schön, sich wieder von Vater und Mutter umsorgt zu fühlen. Lilli brauchte ihre kleinen Freunde, die guten Geister des Hauses, nicht erst in Bewegung zu setzen. Das Bewußtsein, von treuer Elternliebe umhegt zu sein, ließ sie sogleich einschlafen, traumlos und tief.

Am ersten Juli kündigte Fräulein Lilli Steffen ihre Beamtenstellung an der städtischen Sparkasse. Allenthalben wirbelte Lillis Kündigung Wogen der Erregung auf. Herrn Mählichs Glatze kam in lebhafte Bewegung, unzufrieden wiegte er seinen Kopf hin und her.

»Aber Fräulein Steffen, wissen Sie denn auch, was das heißt, eine Pensionsberechtigung irgend einer kindischen Laune wegen aufzugeben? Solange ich hier an diesem Pult sitze, hat noch keine Beamtin, wenn sie sich nicht gerade verheiratete, aus eigenem Antriebe ihre Stellung gekündigt. Ganz unüberlegt und unreif! Hören Sie auf das, was Ihnen ältere Leute raten. Sie sind keine besonders zuverlässige Beamtin, nein, das kann man nicht sagen. Aber immerhin, dumm sind Sie nicht, und deshalb werden Sie im Laufe der Jahre schon brauchbar werden. Also bis zum Bureauschluß werde ich Ihre Kündigung noch nicht weitergeben – überlegen Sie sich's.« Die Glatze bewegte sich ärgerlich zu Herrn Mählichs Worten, denn auf seine Art mochte er die junge Buchhalterin, trotz aller Schnitzer, die sie sich leistete, gut leiden. Lillis Liebreiz tat es eben einem jeden an, mochte er noch so verknöchert sein.

Fräulein Schwertfegers Rosenknospennase sah wahrhaft bekümmert drein. »Fräulein Steffen, Sie leiden an krankhaftem Ehrgefühl, Sie sind viel zu empfindlich. Einen Tadel dann und wann muß sich jeder gefallen lassen, der fremdes Brot ißt. Mir ist es nicht anders gegangen. Aber deshalb habe ich doch nicht gleich die Flinte ins Korn geworfen. Sondern habe mich nach und nach zu meinem Posten heraufgearbeitet.« Wirklich, Fräulein Schwertfeger war ernsthaft betrübt. Sie hatte sich so daran gewöhnt, Lillis liebes, freundliches Gesichtchen am Pult sich gegenüber zu sehen, daß es ihr förmlich einen Schreck einjagte, wenn sie daran dachte, daß Fräulein Liedtkes mürrische Miene dort wieder auftauchen würde.

Die Kolleginnen umringten Lilli in der Pause mit lebhaften Fragen. »Wie schade, Fräulein Steffen, daß Sie von uns fort wollen. Sie haben hier wenigstens noch etwas Leben in das Einerlei gebracht.« – »Bekommen Sie in Ihrer neuen Stellung höheres Gehalt?« – »Sind Sie pensionsberechtigt?« – »Ach, glauben Sie bloß nicht, daß Sie bei einer Redaktion kürzere Arbeitszeit haben. Da müssen Sie ständig zur Verfügung stehen, ganz gleich, ob noch Bureaustunden sind oder nicht. Ich kenn' den Rummel. Am angenehmsten ist die Beamtentätigkeit.«

Eine sprach nichts. Fräulein Liedtke hielt sich zurück. Aber ihre blonden Stirnlöckchen wippten siegesgewiß und die blaßblauen Augen blitzten triumphierend. Die hatte sie hier 'rausgegrault, die Steffen! So mußte es jedem ergehen, der sich Liebkind machen und andere in den Schatten stellen wollte.

Unberührt von all der verständnislosen Kritik und den guten Ratschlägen der Vorgesetzten, von den bedauernden Worten und frohlockenden Blicken der Kolleginnen, thronte Lilli hoch oben an ihrem Pulte. Sie fühlte sich so glücklich, so frei wie ein Vogel in der Luft. Die grauen Wände, die ihr sonst wie ein Gefängnis erschienen, bedrückten sie heute nicht. Sie sah ja schon die Tür offen, hinaus ins Freie. Ja, selbst die dickleibigen ernsthaften Folianten, in die sie ihre Eintragungen zu machen hatte, erschienen ihr heute als gute Freunde. Der bevorstehende Abschied milderte bereits ihr strenges Antlitz. Bald würde eine andere sich mit ihnen herumärgern müssen – hurra!

Und dabei keine Verantwortung – das, was Lillis Entschlußfähigkeit am stärksten gehemmt, hatten Vater und Mutter ihr abgenommen. Selbst die Mutter hatte sich mit der Änderung einverstanden erklärt, nachdem Onkel Martin nach nochmaliger Rücksprache mit Doktor Reinhard Lillis Anstellung in der Redaktion zu Oktober als ganz sicher in Aussicht stellte. Die Sekretärin eines befreundeten Kollegen, der das Feuilleton einer Berliner Zeitung redigierte, heiratete demnächst. Lilli Steffen sollte ihre Nachfolgerin werden. Freilich, die Pension später fiel fort. Aber was fragt man danach, solange man jung ist.

Der einzige Schatten, der auf all den Sonnenglanz fiel, durch den Lilli ihren künftigen Lebensweg sich schlängeln sah, ging von dem Namen Doktor Rabe aus. Rabe – natürlich, schwarz und düster, anders konnte man sich ihn gar nicht vorstellen. Verdunkelnd war selbst seine Fernwirkung auf Lillis helles Zukunftsbild. Aber nachdem sie sich davon überzeugt, daß der Betreffende einer im entgegengesetzten Flügel des weitläufigen Redaktionsbaues untergebrachten Zeitung zuerteilt war, sah sie das Kindische ihrer Furcht vor dem »schwarzen Mann« ein. Wahrscheinlich würde sie ihm nie im Leben begegnen.

Der erste Juli hatte noch einem anderen Lebensweg eine neue Richtung gegeben. Ingeborg, das Lumpenprinzeßchen, sollte aufs Land kommen.

Als Lilli aus dem Bureau heimkehrte, ohne zu Herrn Mählichs Leidwesen ihre »übereilte« Kündigung zurückgezogen zu haben, war Besuch in Schlachtensee. Tante Gretchen saß mit Mutter im eifrigen Gespräch am Kaffeetisch auf der Veranda, während Margot und Ingeborg Doktor Steffen die große Gartenschere und den Bast zureichen durften, mit denen er an seinen Rosen herumbastelte.

Gottlob, Vater war wieder bei seiner Lieblingsbeschäftigung. Ordentlich frisch sah er heute aus. Lillis ohnedies schon so frohes Herz schlug noch freudiger. Weit breitete sie ihre Arme aus, um Margot und Ingeborg, die ihr entgegenstürmten, darin aufzufangen.

»Ich war zuerst da – – –«

»Nein, ich – – –«

»Du, wirst du wohl nicht schubsen – – –« Zwischen den kleinen Mädchen erhob sich ein Streit.

Lachend trennte Lilli die Kampfhähne. »Ingeborg kommt an meinen rechten Arm, Margot an den linken – so – – –« Als »Henkeltöpfchen« begrüßte Lilli die Eltern und Tante Gretchen.

»Lilli, ick soll aufs Land mit die blonde, was deine Freundin Lena is. Aber Tante Gretchen will ma nich etwa los sein. Ne! Ick hab' ihr nur janz wenig die letzte Woche jeärgert, sagte se. Und Onkel Martin meint, ick wär' schon so artig geworden, det es schon jar nich mehr zum Aushalten mit mir is,« plauderte Ingeborg munter darauflos.

Lilli lachte herzlich. »Aufs Land sollst du, Ingeborg, das ist ja famos! Und mit Lena Ritter, ja, wie kommt denn das?« Sie wandte sich an Tante Gretchen.

»Lena Ritter begleitet in der nächsten Woche einen Trupp Ferienkinder nach Ostpreußen. Ich traf sie neulich, sie wohnt doch in unserer Gegend. Und da meinte ich, unserem Pflegekind würde es auch nichts schaden, wenn es auf die Weide nach Ostpreußen käme. Lena versprach, sich dafür zu verwenden. Ein Kind sei krank geworden und müsse zurückbleiben. Vielleicht könne man Ingeborg dafür einreihen. Und wirklich, Lena Ritter ist zuverlässig. Gestern kam sie, um uns mitzuteilen, daß sie es bei der Ferienkolonie durchgesetzt habe, daß Ingeborg mitkäme. Es wird dem Blaßschnabel gut tun. Und Onkel Martin meint, ihm wird die Erholung nicht weniger gut sein. Er hat schon genug von den Vaterfreuden.«

»Wie herrlich, daß Ingeborg aufs Land kommt! Da wird sie die dunkle Gasse, in der sie früher gelebt hat, vergessen. Und für Lena Ritter freue ich mich auch. Das fleißige Mädel bekommt so selten einen grünen Baum zu sehen. Wann geht es denn los, Ingeborg?«

»Nächsten Sonntag. Kommst du ooch mit auf 'n Stettiner Bahnhof, Lilli? Bitte, bitte! Tante Jretchen sagt, uffs Land da is noch ville scheener als hier in Schlachtensee. Und jedes Kind kriegt 'ne Kuh zu's Milchtrinken, sagt Onkel Martin. Aber det jlaub' ick nich, det redt er ma man vor, es wird woll man bloß 'ne Zicke sind.«

Steffens lachten Tränen über Ingeborg, die in ihrem Glück die Freuden des Landaufenthaltes in den merkwürdigsten Farben ausmalte.

»Uffs Land kann ick barfuß jehn wie früher, und wenn ick in de Jasse spielen will, denn brauch' ick jar nich erst Tante Jretchen um Erlaubnis zu fragen.« Wie doch die Erinnerung vergoldete. Jetzt dachte Ingeborg schon an ihr Leben in der Gasse als an ein verlorenes Paradies.

»Ich möchte auch aufs Land verschickt werden,« ließ sich Margot vernehmen. Sie fühlte sich zurückgesetzt.

»Wirklich, Margot? Fort von Vater und Mutter, von Ludwig und von mir? Hättest du tatsächlich Lust dazu?«

»Aber mächtige,« nickte Margot. »Ich komme ja wieder, wenn Winter ist.«

»Du bist hier draußen so gut wie auf dem Lande, Margot,« machte die Mutter ihrem Nesthäkchen klar.

»Aber ich hab' keine Kuh und barfuß darf ich auch nicht gehen.« Ganz betrübt klang's. »Und wenn ihr eher nach Haus gekommen wärt, hätte ich mit nach Schweden reisen können. Zehn Kinder aus unserer Klasse werden verschickt. Aber Lilli und Ludwig wollten mir nicht die Erlaubnis an eurer Stelle geben,« beklagte sich Margot.

»Na, denke mal, Margotchen, wenn der Vater jetzt nach Hause gekommen wäre und hätte dich nicht mehr gefunden. Da wäre er doch traurig gewesen.«

»Er hätte mich ja noch gesehen. Erst zu den großen Ferien fahren die Kinder nach Schweden. Und bis zum ersten Oktober dürfen sie bleiben,« berichtete Margot ein wenig neidisch.

»Na, geschadet hätte es Margot nicht, wenn sie ein wenig aufgepäppelt worden wäre. Unsere Großstadtkinder sind jetzt doch alle unterernährt,« meinte Tante Gretchen.

»Vielleicht kann man noch jetzt sein Heil versuchen. Der Direktor an eurer Schule ist ein guter Bekannter von mir. Ich werde ihn morgen mal persönlich aufsuchen.« Es war staunenswert, wie Doktor Steffens Energie und Spannkraft, die im Sanatorium ganz brach gelegen, hier zu Hause wieder erwachte.

Die Mutter sah es mit Freude. Dann aber gewann die praktische Seite der Angelegenheit wieder die Oberhand. »Wie soll ich Margot in so kurzer Zeit reisefertig machen? Sie ist aus allem herausgewachsen. Hier zu Hause kann sie ihre alten Kleidchen auftragen. Aber zu fremden Leuten mag man sie doch nicht so schlecht ausgestattet schicken,« überlegte sie.

»Die Kinder sollen nur ein ordentliches Kleid und ein Paar feste Stiefel mitbringen, und von allen Wäschestücken nur ein einziges. Sie bekommen alles in Schweden. Hurra – ich darf mit!«

»Aber Margot, das ist ja noch mehr als unsicher!« dämpfte die Mutter ihre laute Freude.

Was nützte die bedachte Überlegung der Großen der jubelnden Vorfreude eines Kindergemütes gegenüber? Margot und Ingeborg konnten sich nicht genug darin tun, sich gegenseitig im Ausmalen der sie erwartenden ländlichen Freuden zu überbieten.

»Ätsch, ich fahr' doch auf der großen Fähre mit der Eisenbahn übers Meer.«

»Und ick fahr doch mit Tante Lena, ätsch, und du doch nich.«

»Aber in Schweden gibt's jeden Tag schwedische Bombe und schwedischen Punsch, siehste!«

»Und in Ostpreußen waren doch die Russen, und in Schweden nich,« triumphierte Ingeborg wieder.

»Na ja, dafür haben wir in Schweden den König Gustav Adolf gehabt.« Weiter gingen Margots schwedische Geschichtskenntnisse nicht. Das laute Lachen von Ludwig, der den Wettstreit der beiden mitangehört hatte, machte demselben schließlich ein Ende.

Die liebe Jugend behielt mal wieder recht mit ihrer glücklichen Hoffnungsfreudigkeit.

Doktor Steffen setzte es in der Tat durch seine freundschaftlichen Beziehungen noch durch, daß sein Töchterchen mit nach Schweden verschickt wurde. Man machte umso eher eine Ausnahme, als es sich um ein Lehrerkind handelte, dessen Vater durch den Krieg jahrelang erwerbsunfähig geworden war.

Am nächsten Sonntag bot der Stettiner Bahnhof ein buntes Bild. Hunderte und aber Hunderte von Kindern, Jungen und Mädels, kribbelten dort aufgeregt durcheinander. Jedes trug ein Schild vorn am Anzug. Darauf stand die Nummer der Gruppe, sein Name und der Name des Reiseziels. Die Lehrer und Lehrerinnen, welche die kleine Gesellschaft begleiteten, waren nicht beneidenswert. Es war nicht so einfach, Ordnung in dieses aufgeregte Durcheinander zu bringen. Der blonden Lena Ritter glühten denn auch die sonst bleichen Wangen, als sie ihre Gruppe, welche die Aufschrift »Angerburg« trug, endlich glücklich in die ihnen angewiesenen Wagen des langen Ferienzuges verstaut hatte.

»Fräulein – Fräulein, wann kommt denn Mutter mit 's Jepäck?« –»Fräulein, mein jroßer Bruder wollt' mir meinen Piepmatz noch nachbringen.« – »Kiek mal, ich hab' meinen Laubfrosch ins Taschentuch einquartiert.« – »Tante Lena, wo bleibt denn bloß Tante Jretchen und Lilli? Se wollten mich doch noch wat zu futtern bringen.« Ein, zwei, drei, vier, fünf Kindergesichter erschienen in höchster Aufregung an jedem Wagenfenster und reckten sich die Hälse nach den Angehörigen aus, die noch hinter der Sperre mit Handkoffer und Rucksack harrten.

»Sie werden schon kommen – Ruhe – es kriegt noch jeder sein Gepäck,« beschwichtigte Lena die erregten Kinder.

Und sie kamen. Mütter und Väter, Brüder und Schwestern, mit Päckchen und Koffern beladen, jagten, sobald die Sperrkette gefallen war, nicht minder aufgeregt als die Kinder, suchend und rufend an dem langen Zuge entlang.

»Karlchen« – »Trudchen« – »Mariechen, wo biste denn?« – »Ach, Mäxeken, ich hätt' dir ja bald jar nich jefunden.« – »Hier bin ich, Mutter,« – »hier« – »hier!« – Das war ein Rufen und Suchen, ein Schreien und Winken und ein endlich Sichfinden. Die Väter brachten den Kindern das Gepäck hinein, aber Mutter hielt es auch nicht draußen auf dem Bahnsteig aus. Wie der Wind war sie hinterdrein, um ihren Jungen oder ihr Mädel noch einmal ans Herz zu drücken. Da erschallte das Schreckenswort: »Eltern aussteigen – der Zug geht ab!« Vor lauter Kinderfüßen war kein Herauskommen. Man überstürzte sich, drängelte, schimpfte, die Aufregung war groß. Schließlich aber standen sie alle wieder auf dem Bahnsteig, und Trudchen, Karlchen, Mäxeken, und wie sie alle hießen, zogen ihre heute ausnahmsweise sauberen Taschentücher hervor, wischten sich verstohlen die Augen, daß keiner der Kameraden sie etwa auslachte, und winkten ihren Lieben ein letztes Lebewohl zu.

Vor dem Fenster, aus dem Ingeborgs schmales Gesicht mit den altklugen Augen herausschaute, standen Tante Gretchen und Lilli.

»Nun komm mit dicken, roten Backen zurück, Ingeborg, und laß dich nicht etwa von einer Kuh auffressen,« rief Lilli lachend.

»Adscheh, Tante Jretchen! Auf Wiedersehn, Lilli. Und jrüße Marjotten noch und sage ihr, in Ostpreußen wär's doch tausendmal schöner als in ihrem ollen Schweden« – da pfiff der Zug.

»Leb wohl, Lena! Eine recht schöne Zeit auch für dich!«

Tücher wehten, Hände winkten, Augen tropften.

Ratternd rollte der Zug mit der Berliner blassen Schuljugend der ostpreußischen Weide zu.

»Es ist doch etwas Herrliches um diese segensreiche Einrichtung der ›Stadtkinder aufs Land‹«, meinte Tante Gretchen zu Lilli.

»Ja, sie wandern, wie auch ich bald, selig ins Gelobte Land. Hoffentlich wird keines enttäuscht.« Lilli sah dem Zuge gedankenvoll nach.

Acht Tage später dampfte auch Doktor Steffens Nesthäkchen nach Schweden ab.


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