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Theelied

        Ihr Saiten, tönet sanft und leise,
Vom leichten Finger kaum geregt!
Ihr tönet zu des Zärtsten Preise,
Des Zärtsten, was die Erde hegt.

In Indiens mythischem Gebiete,
Wo Frühling ewig sich erneut,
O Thee, du selber eine Mythe,
Verlebst du deine Blütenzeit.

Nur zarte Bienenlippen schlürfen
Aus deinen Kelchen Honig ein,
Nur bunte Wundervögel dürfen
Die Sänger deines Ruhmes sein.

Wenn Liebende zum stillen Feste
In deine duft'gen Schatten fliehn,
Dann rührest leise du die Äste
Und streuest Blüten auf sie hin.

So wächsest du am Heimatstrande,
Vom reinsten Sonnenlicht genährt.
Noch hier in diesem fernen Lande
Ist uns dein zarter Sinn bewährt;

Denn nur die holden Frauen halten
Dich in der mütterlichen Hut;
Man sieht sie mit dem Kruge walten
Wie Nymphen an der heil'gen Flut.

Den Männern will es schwer gelingen,
Zu fühlen deine tiefe Kraft;
Nur zarte Frauenlippen dringen
In deines Zaubers Eigenschaft.

Ich selbst, der Sänger, der dich feiert,
Erfuhr noch deine Wunder nicht;
Doch, was der Frauen Mund beteuert,
Ist mir zu glauben heil'ge Pflicht.

Ihr aber möget sanft verklingen,
Ihr, meine Saiten, kaum geregt!
Nur Frauen können würdig singen
Das Zärtste, was die Erde hegt.


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