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Des Zaren Gnadentag

Von Godunoff benachrichtigt, erschien Nikita Sserebrjanyi mit seinen Begleitern auf dem Hofe vor der Freitreppe des Zarenpalastes. Mit noch unverbundenen und ungeheilten Wunden bedeckt, in die verschiedensten Lumpen gehüllt, der eine im Bauernkaftan, der andere im Schafspelz, mancher in Bastschuhen, der andere wieder barfuß – so standen sie alle barhäuptig und ohne Waffen da, einer neben dem andern, und warteten geduldig auf das Erwachen des Zaren.

Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben sahen die meisten Räuber die Sloboda; hatten sie sich doch bald als Guslaspieler, bald als Bärenführer oder Bettler hier herumgetrieben, und mancher von ihnen war auch an der letzten großen Brandschatzung nicht ganz unschuldig, als Perstenj und der alte Korschun sich in das Schlafgemach des Zaren eingeschlichen hatten, um Sserebrjanyi zu befreien.

Schon über zwei Stunden standen sie alle gesenkten Hauptes vor dem Zarenpalast, ohne zu ahnen, daß Iwan sie aus einem kleinen Fenster, das sich direkt über der Freitreppe befand, beobachtete. Keiner von ihnen sprach ein Wort, weder mit dem Nebenstehenden noch mit Sserebrjanyi, der tief in Gedanken versunken etwas abseits von ihnen dastand, ohne des vielen Volkes zu achten, das sich an die Pforten und Eingänge gedrängt hatte. Unter den Neugierigen befand sich auch die Mamka des Zaren. Sie stand auf der Treppe und blickte, auf ihren Krückstock gestützt, mit ihren leblosen, fast erloschenen Augen umher.

Nachdem Iwan Wassiljewitsch sich lange genug an dem Anblick seiner Opfer geweidet und sich genau in diese vielen Menschen, die zwischen Tod und Leben schwebten und denen wahrscheinlich nicht allzu behaglich zumute sein konnte, hineinversetzt hatte, erschien er unvermutet auf der Freitreppe, von einigen seiner Tafelaufseher gefolgt.

Beim Anblick des Zaren, der in kostbarsten Goldbrokat gehüllt war und sich auf seinen wunderbar ziselierten Stock stützte, sanken die Räuber alle in die Knie und neigten ihre Köpfe, einer wie der andere, tief bis zur Erde.

Iwan sah ihnen eine Weile schweigend zu.

»Guten Tag, ihr Lumpenbrüder!« sprach er endlich und fügte, Sserebrjanyi gewahrend, hinzu, »und du, weshalb beehrst du uns hier mit deinem Besuch? Hast du wieder Sehnsucht nach dem Kerker bekommen?«

»Zar«, erwiderte Sserebrjanyi mit leiser Stimme, »nicht ich bin aus dem Kerker entwichen, sondern diese Räuber hier hatten mich gegen meinen Willen gewaltsam entführt. Sie aber sind es auch gewesen, die den Mursa Schirinskij-Schichmat aufs Haupt geschlagen haben, wie deiner Gnaden sicher bekannt ist. Vereint haben wir die Tataren besiegt, vereint liefern wir uns deinem Willen aus, laß uns hinrichten oder begnadige uns, wie es dein erhabener Wille über uns bestimmt!«

»Also um seinetwillen habt ihr euch damals in die Sloboda eingeschlichen?« fragte Iwan die Räuber. »Sagt, woher kanntet ihr ihn denn?«

»Väterchen Zar«, erwiderten die Räuber zaghaft, »er hatte einst unseren Ataman vom sicheren Tode gerettet, als man ihn zu Medwedewka aufknüpfen wollte. Er war es auch, der ihn aus dem Kerker geholt hat.«

»Zu Medwedewka?« sagte Iwan lachend. »Das war wohl damals, als du Chomjak und seine Genossen mit Peitschenhieben beehrtest? Jetzt besinne ich mich darauf! Ich erließ dir damals deine Schuld; aber für ein neues Vergehen wurdest du abermals ins Gefängnis geworfen, als du meine Leute in Morosoffs Hause angegriffen hattest. Was hast du darauf zu erwidern?«

Sserebrjanyi wollte antworten, aber die Mamka kam ihm zuvor.

»Kannst du es nicht lassen, immer alte Sünden vorzurechnen?« sagte sie zornig. »Anstatt ihn zu belohnen, weil er die Heiden verjagt und die heilige Kirche verteidigt hat, siehst du nur, wie du eine Schuld an ihm finden könntest. Hast du neulich noch nicht Blut genug getrunken in Moskau, du reißender Wolf?«

»Schweige, Alte!« rief Iwan streng. »Ich brauche mir nicht von einem alten Weibe Vorschriften machen zu lassen!«

Aber obgleich die alte Onufrewna ihn gereizt hatte, wollte er es mit ihr nicht verderben und sprach daher nunmehr zu den Räubern gewandt, die noch immer auf den Knien lagen: »Sagt einmal, ihr Galgenvögel, wo steckt denn euer Ataman? Laßt ihn vortreten!«

Sserebrjanyi kam den Räubern zu Hilfe.

»Ihr Ataman ist nicht unter ihnen, Herr! Er hat sich sofort nach der Schlacht von Rjasanj von ihnen getrennt. Ich habe ihn zu überreden versucht, mit uns zu kommen, aber er weigerte sich.«

»Er weigerte sich?« wiederholte Iwan. »Es scheint mir fast, daß jener Ataman derselbe Blinde ist, der sich mit dem Alten in mein Schlafgemach eingeschlichen hatte. Hört, ihr Lumpenbrüder, ich werde euren Ataman aufsuchen und an den Pfahl schmieden lassen!«

»Dich selbst«, murmelte die alte Mamka wütend vor sich hin, »dich selbst werden die Teufel in jener anderen Welt an den Pfahl schmieden.«

Der Zar aber tat, als hätte er ihre Worte nicht vernommen, und fuhr zu den Räubern gewandt fort: »Euch aber, die ihr euch freiwillig meinem Willen gebeugt habt, will ich begnadigen. Rollt fünf Fässer Met für sie auf den Hof heraus! – Nun, du alte Närrin? Bist du jetzt mit mir zufrieden?«

Die Greisin kaute unentwegt mit ihren welken Lippen.

»Hoch lebe der Zar!« riefen die Räuber freudig aus. »Wir werden dir treu dienen, Väterchen Zar. Mit unserem Leben wollen wir unsere Sünden wieder gutmachen!«

»Reichet jedem von ihnen«, fuhr Iwan fort, »einen guten Kaftan und eine Griwna Eine alte russische Münze. pro Kopf; ja, ich werde sie sogar in meine Opritschnina aufnehmen lassen. Nun, ihr Galgenvögel? Wollt ihr mir unter den Opritschniks dienen?«

Einige der Räuber blickten verlegen um sich, der größte Teil aber rief: »Wie du es befiehlst, Väterchen Zar, so wollen wir dir dienen!«

»Was meinst du«, sprach Iwan, sich mit selbstzufriedener Miene an Sserebrjanyi wendend: »werden sie tüchtige Soldaten abgeben?«

»Zum Kriegshandwerk taugen sie schon«, erwiderte Sserebrjanyi, »nur Herr – laß sie nicht unter deine Opritschniks aufnehmen!«

Zuerst glaubte der Zar, daß Sserebrjanyi die Räuber einer solchen Ehre nicht für würdig hielt.

»Wenn ich schon begnadige«, sprach er in feierlichem Tone, »so tue ich das nicht halb.«

»Aber was wäre das für eine Gnade für sie, Herr?« entfuhr es Sserebrjanyi.

Iwan musterte ihn mit einem erstaunten Blick.

»Herr«, fuhr Nikita zögernd und sichtlich verlegen fort, »sie haben dir treue Dienste geleistet; hätten sie sich nicht so wacker geschlagen, so wären die Tataren in Rjasanj eingefallen.«

»Ja, aber weshalb sollen sie dann nicht in meiner Opritschnina dienen?« fragte Iwan, Sserebrjanyi mit seinem Blick förmlich durchbohrend.

»Weil ...«, versetzte Sserebrjanyi zögernd, bemüht, seine Gedanken in etwas mildere Worte zu kleiden, »weil sie wohl verkommene Menschen sind, Zar ... aber ... immerhin doch weit besser als ... deine ... Leibwächter ...«

Diese unerwartete und unfreiwillige Keckheit Sserebrjanyis erfüllte Iwan mit dem größten Erstaunen. Er erinnerte sich, daß nicht zum erstenmal Nikita Romanowitsch so offen und frei vor ihm sprach. Der Zar war sich nicht klar darüber, wie er den dreisten Ausfall Sserebrjanyis aufnehmen sollte, als ein neues Schauspiel seine Aufmerksamkeit erregte.

Unter die Abenteurer hatte sich ein Fremder gemischt, der seine sechzig Jahre zählen mochte und durch seine saubere und ordentliche Kleidung unter den zerlumpten Räubern auffiel. Er schien krampfhaft bemüht, Sserebrjanyis Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ohne vom Zaren bemerkt zu werden. Schon mehrere Mal hatte er sich bis ganz nach vorne hindurchgedrängt und verstohlen die Hand ausgestreckt, um den Fürsten beim Rockschoß zu fassen; aber da es ihm nicht gelungen war, hatte er sich immer wieder hinter den anderen versteckt.

»Tretet mal etwas auseinander, ihr Leute!« sagte Iwan, »und holt mir den Alten hervor, der sich hinter euren Rücken verkriecht!«

Einige Opritschniks stürzten sich sofort in die Menge und zogen den Schuldigen hervor.

»Was ist das für ein Kerl?« fragte Iwan, den Alten mit mißtrauischen Blicken musternd.

»Ach, das ist ja mein Reitknecht, Herr!« rief Sserebrjanyi erfreut aus, der seinen alten Micheitsch erkannte. »Wir haben uns nicht gesehen, seitdem ...«

»Ja, ja, so ist es, Väterchen Zar!« bestätigte Micheitsch, der aus Angst vor dem Zaren und vor Freude, seinen Herrn wiederzusehen, anfing zu stottern. »Ja, so ist es, wie seine fürstlichen Gnaden sagt. Wir haben uns nicht mehr gesehen seit dem Tage, da man ihn gefesselt fortführte. Ach, gestatte, Väterchen Zar, daß ich mir erst meinen Bojaren wieder ordentlich ansehe! Ach, du lieber Gott, Nikita Romanyitsch, ich hatte schon geglaubt, daß ich dich überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen würde!«

»Was hattest du ihm denn zu sagen?« fragte der Zar, ihn nach wie vor mit ungläubiger Miene betrachtend, »und weshalb hast du dich hinter den Räubern versteckt?«

»Ach, ich hatte Angst, Väterchen Zar Iwan Wassiljewitsch; ich fürchtete mich so vor deinen Opritschniks. Du weißt doch selbst, Herr, das sind alles solche Leute ...«

Micheitsch biß sich auf die Zunge.

»Was für Leute sind es denn?« fragte Iwan Wassiljewitsch, bemüht, seinen Zügen einen möglichst wohlwollenden Ausdruck zu verleihen. »Rede ohne Scheu, Alter, was für Leute sind meine Opritschniks?«

Micheitsch blickte den Zaren an und beruhigte sich wieder etwas.

»Ja, solche Leute, wie wir sie bis zum litauischen Feldzuge noch nie zu sehen bekommen hatten, Väterchen Zar. Sie mögen's mir übelnehmen oder nicht, aber es ist eine ganz unzuverlässige Bande, der Teufel möge sie alle holen!«

Der Zar blickte Micheitsch unverwandt an, erstaunt, daß der Knecht in der ehrlichen Offenheit seiner Rede seinem Herrn nicht nachstand.

»Nun, was starrst du ihn so an?« schimpfte die Mamka. »Möchtest ihm wohl am liebsten gleich die Augen auskratzen? Sagt er etwa nicht die lautere Wahrheit? Hat es schon je solch ein verkommenes Gesindel gegeben in Rußland?«

Micheitsch war sichtlich erfreut, Unterstützung zu finden.

»Ja, gutes Mütterchen, so ist es, durch sie allein ist alles Elend über Rußland gekommen, und sie haben auch meinen Bojaren angeschwärzt. Glaube ihnen nicht, Herr! Trau' ihnen nicht über den Weg. Köterschnauzen haben sie am Sattel und falsches Gekläff auf den Lippen. Mein Herr aber hat dir treu gedient; Wjasemskij und Chomjak aber haben ihn bei dir schlecht gemacht. Das alte Mütterchen da hat ganz recht. Solche Bluthunde hat es noch nie in Rußland gegeben!«

»So ist also die Opritschnina nicht recht nach deinem Sinn?« fragte der Zar mit wohlwollender Miene Micheitsch.

»Wem um alles in der Welt könnte sie denn auch nach Sinn sein, Väterchen Zar! Seit unserer Rückkehr aus Litauen hat sie meinem Herrn ein Unglück über das andere gebracht. Wenn sie nicht wären, diese Blutsauger, so stände mein Bojar noch heute bei dir in Ehre und Ansehen!«

Micheitsch warf abermals einen mißtrauischen Blick auf die Leibwächter des Zaren, und dachte bei sich: ›Ach, der Teufel möge sie alle holen, wenn ich auch meinen alten Kopf dabei verliere, so habe ich doch wenigstens meinen Bojaren vor dem Zaren gerechtfertigt.‹

»Du hast einen wackeren Reitknecht«, sprach Iwan, zu Sserebrjanyi gewandt. »Ich wollte, alle meine Diener hielten so treu zu mir! Ist er schon lange in deinen Diensten?«

»Ach, Väterchen Zar Iwan Wassiljewitsch!« fiel ihm Micheitsch, bereits ganz beruhigt, ins Wort, »ich kenne ja den Fürsten von klein auf. Schon seinem seligen Vater hab' ich gedient, und mein Vater schon seinem Großvater, und wenn ich Kinder hätte, so müßten sie auch wieder seinen Kindern dienen.«

»Also hast du keine Kinderchen, Alter?« fragte Iwan freundlich.

»Ich hatte zwei Söhne, Väterchen, aber der Herr hat sie zu sich genommen. Beide haben sie in deinen Diensten vor Polotzk ihr Leben gelassen.«

»Ja, so kann es einem gehn!« meinte Iwan, den Kopf hin- und herwiegend, als nähme er innigsten Anteil an Micheitsch' Söhnen. »Ja, daran ist nun leider nichts zu ändern, Alterchen, aber wenn dir der liebe Gott schon diese beiden Kinder genommen hat, so kannst du ja wieder neue bekommen.«

»Wo soll ich sie so schnell hernehmen, Väterchen? Meine Frau ist lange tot und aus dem Ärmel kann ich mir keine neuen Kinder schütteln!«

»Nun, nun«, sagte der Zar, wie bemüht, den Alten zu trösten, »mit Gottes Hilfe wirst du schon eine andere Frau finden.«

Micheitsch fand großes Behagen an seiner Unterhaltung mit dem Zaren.

»Ja, die Sorte ist allerdings nicht schwer zu finden«, meinte er, sein Gesicht zu einem listigen Lächeln verziehend, »aber ich bin nun einmal kein allzu großer Weiberfreund und auch zu alt, um mich mit solchen Scherzen abzugeben.«

»Ja, weißt du, Frau und Frau ist etwas Verschiedenes«, bemerkte Iwan, ergriff plötzlich die alte Onufrewna, schob sie zu ihm hin und sagte: »Hier hast du eine gute Frau. Nimm sie, Alterchen, lebt in Liebe und Eintracht miteinander und mehret euch!«

Die Opritschniks, die den Scherz des Zaren verstanden hatten, brachen in schallendes Gelächter aus. Micheitsch aber blickte den Zaren hilflos an, um zu sehen, ob er nicht wie die anderen lachen würde, aber sein Gesicht war todernst. Die erloschenen Augen der Mamka sprühten zornige Blitze.

»Schamloser!« schrie sie Iwan wütend zu. »Du Gottloser! Ich werde dir zeigen, meiner zu spotten! Pfui, du gewissenloser Ketzer!«

Sie stieß ihren Krückstock erbost auf die Treppenstufen auf, und ihre spitzen Lippen fuhren fort, zornig zu murmeln; ihre spitze Nase war blau geworden.

»Nun, nun, was sperrst du dich so, Altchen, ich habe dir einen guten Mann ausgesucht, er wird dich lieben, dir Geschenke machen und deinen Verstand etwas bereichern. Und die Hochzeit wollen wir heute gleich nach der Vesper feiern. Nun, Alterchen, wie behagt dir denn deine neue Frau?«

»Um Gotteswillen, hab' Erbarmen mit mir, Herr!« flehte Micheitsch voller Entsetzen und Verzweiflung.

»Wie? Sie sollte dir nicht gefallen?«

»Die mir gefallen? Um Gottes willen, Väterchen!« stöhnte Micheitsch, entsetzt zurückweichend.

»Nun, nun, wenn ihr euch erst aneinander gewöhnt habt, werdet ihr euch auch sicher liebgewinnen«, meinte Iwan. »Außerdem bekommt sie eine gute Mitgift von mir in die Ehe.«

Micheitsch starrte Onufrewna, die der Zar noch immer am Busentuch festhielt, voller Entsetzen an.

»Väterchen Zar Iwan Wassiljewitsch«, rief er plötzlich aus, sich dem Zaren zu Füßen werfend, »laß mich hinrichten, wenn du magst, aber tu' mir das nicht an! Lieber besteige ich das Schafott, als daß ich diese alte abscheuliche Hexe heirate.«

Iwan Wassiljewitsch verharrte eine kurze Weile in Schweigen, um dann in ein anhaltendes Gelächter auszubrechen.

»Nun«, sagte er endlich, die Mamka loslassend, die schimpfend und verächtlich ausspuckend schleunigst davonhumpelte, »da ihr die große Ehre, die ich euch erweisen wollte, beide ausschlagt, so will ich euch nicht zu eurem Glück zwingen. Diene deinem Herrn weiterhin so treu wie bisher, guter Alter, und du, Nikita, komm hierher! Ich erlasse dir auch deine zweite Schuld. Und diese deine zerlumpten Helden werde ich nicht unter die Opritschniks aufnehmen, die sich sonst in ihrer Gesellschaft beleidigt fühlen könnten. Sie mögen in Schisdra ins Grenzregiment eintreten. Wenn sie so scharf auf die Tataren sind, werden sie dort sicher keine Langeweile haben. Du aber«, fuhr er in ganz besonders huldvollem Tone, ohne jeglichen Beigeschmack von Spott und Hohn fort, indem er seine Hand auf Sserebrjanyis Schulter legte, »du aber bleibe hier! Ich will dich mit meinen Opritschniks aussöhnen. Wenn du uns erst besser kennst, wirst du dich schon mit uns einleben. Wohl ist es schön, gegen die Tataren zu ziehen, aber sie sind ja leider nicht unsere einzigen Feinde; es gibt weit schlimmere als sie! Jene Feinde aber sollst du lernen mit den Zähnen zu zerreißen und mit dem Besen auszukehren!«

Und der Zar klopfte Sserebrjanyi wohlwollend auf die Schulter.

»Nikita«, fuhr er herablassend fort, ohne seine Hand von der Schulter des Fürsten fortzuziehen, »du hast ein reines Herz, und deine Zunge kennt kein Falsch. Solche Diener brauche ich. Laß dich in die Opritschnina aufnehmen; ich will dir das Amt übergeben, das bisher Wjasemskij innehatte. Ich habe Vertrauen zu dir, du wirst mich nicht betrügen.« Alle Opritschniks blickten mit scheelem Neid auf Sserebrjanyi, in dem sie bereits einen neuaufgehenden Stern sahen. Nikitas Herz aber krampfte sich bei Iwans Worten schmerzlich zusammen.

»Herr«, brachte er mühsam hervor, »ich danke dir für deine große Gnade, aber laß mich lieber auch in das Grenzregiment eintreten. Hier gibt es für mich nichts zu tun, und an die Sitten der Sloboda kann ich mich nicht gewöhnen, dort aber will ich dir nach besten Kräften treu dienen.«

»So, so«, sagte Iwan, seine Hand von Sserebrjanyis Schulter ziehend, »das soll wohl heißen, daß wir deiner Gnaden nicht recht genehm sind. Es scheint dir ehrenwerter zu sein, unter Diebsgesindel zu leben, als an meinem Hofe zu dienen. Nun gut«, fuhr er spöttisch fort, »ich dränge meine Huld keinem Menschen auf und will dich nicht mit Gewalt zurückhalten. Wenn ihr euch so aneinander gewöhnt habt, nun, so mögt ihr auch weiter zusammen bleiben! Glückliche Reise, Herr Räuberhauptmann!«

Und Sserebrjanyi einen letzten spöttischen Blick zuwerfend, wandte ihm Iwan den Rücken und begab sich in seinen Palast zurück.


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