Ludwig Tieck
Die Geschichte von den Haimonskindern
Ludwig Tieck

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Zwölftes Bild

Ein Wettrennen mit Pferden.

König Karl bekam Lust, das beste Pferd in seinem ganzen Lande kennenzulernen, um es für Roland zu kaufen, damit dieser sich dann desto zuverlässiger dem Reinold widersetzen könne, denn durch Roß Bayart war Reinold selbst dem mächtigen Roland überlegen. Der König setzte also die neue Krone, die er sich hatte machen lassen, zum Preise aus, für denjenigen, der mit seinem Pferde zuerst das Ziel erreichen würde, er wollte demjenigen Ritter dann die Krone für den vierfachen Preis abkaufen, dazu auch das Roß; auf diesem Wege hoffte er das beste Roß zu erhalten.

Malegys und Reinold hörten von diesem Turnier, und sie machten sich alsbald mit den Brüdern auf den Weg nach Paris. Unterwegs aber verwandelte Malegys den Reinold in einen Jüngling von vierzehn bis funfzehn Jahren, so daß ihn niemand erkennen mochte; ebenso vertrieb er dem Rosse Bayart die schwarze Farbe und machte ihn zu einem großen und starken Schimmel: über welche Kunststücke Reinolds Brüder sehr lachen mußten, denn sie erkannten selber ihren Bruder und das Roß Bayart nicht wieder. So zogen sie fort und kamen in Paris an, die Brüder aber blieben außerhalb der Stadt.

Als sie in der Herberge abgestiegen waren, ging Malegys in den Stall und band Bayart den einen Schenkel fest, so daß er nicht recht gehen konnte, dazu verwandelte er ihn auch so, daß er ein ganz dürres und mageres Ansehn hatte. Der Wirt war höchlich darüber verwundert, und sagte schmälend zu Malegys: »O du böser Geselle, der du dieses gute Roß also verdorben hast, ganz gewiß bist du Malegys und dein Geselle dort der verbannte Reinold, ich will gleich zum Könige gehn und es anzeigen.« Als Reinold diese Worte hörte, zog er sogleich sein Schwert und hieb dem verräterischen Wirte das Haupt ab.

Es war nun der Tag, an dem das Turnier gehalten werden sollte. Malegys ritt auf der andern Seite zur Stadt hinaus, und Reinold kam mit seinem dürren und hinkenden Klepper auf den Turnierplan. Alle Ritter spotteten des Jünglings und seines Pferdes, nur ein schalkhafter Knecht war unter ihnen, welcher sagte. »Wenn ich anders den Reinold je gesehen habe, so ist es dieser Jüngling, und dieses sein Roß muß Roß Bayart sein.« Bayart, der diese Worte verstand und für seinen Herrn besorgt war, schlug von hinten aus, so daß der Knecht tot niederfiel. Die Ritter sagten: »Das Roß hat recht getan, warum hat er es also belogen?«

Der Wettlauf nahm nun seinen Anfang, und die übrigen Ritter waren mit ihren Pferden schon weit voraus; da löste Reinold dem Bayart heimlich den gebundenen Schenkel, und von Stund an bekam das Pferd sein frisches und gesundes Aussehn wieder, und der König und sein ganzes Gefolge verwunderten sich über die Maßen. Das Roß trieb nun ein Springens und Laufens, wie es fast noch nie getan hatte, so daß es bald allen übrigen Pferden zuvorkam, worüber sich Reinold ungemein erfreute, denn er hatte eine große Begierde zu der Krone. Als er endlich an das Ziel gekommen war, nahm er die Krone von dem Orte weg, wo sie aufgestellt war, sprang mit dem Rosse in die Seine und schwamm behende an das jenseitige Ufer. König Karl war erstaunt und erschrocken, er rief dem Ritter nach, aber Reinold hatte drüben schon seinen Vetter Malegys gefunden und rief zurück: »Seht, ich bin Reinold, und dieses hier ist mein Roß Bayart, kein beßres gibt's in der ganzen Welt mit Laufen und Springen, es ist daher nur vergebene Mühe von Ew. Majestät, ein besseres aufsuchen zu wollen.«

König Karl erschrak heftig und bat ihn zurückzukommen, er wolle ihm und seinen Brüdern vergeben und ihnen Ämter erteilen, darneben ihm die Krone für den vierfachen Wert mit Gold abkaufen. Aber Reinold sagte: »Ich traue Eure Majestät nicht so viel, überdies, was wollt Ihr mit einer Krone? Ihr seid ja ein Roßtäuscher geworden und dürft also keine Krone tragen.« Mit diesen Worten ritt er mit der Krone fort, und keiner wagte es, in die Seine zu springen, weil sie die Kunst des Zauberers Malegys fürchteten.

Die Brüder waren sehr erfreut, als sie den Reinold mit der kostbaren Krone ankommen sahn; aber König Karl war sehr betrübt, daß er nun auch seine zweite Krone verloren hatte, die er sich erst neu hatte machen lassen.


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