Ludwig Tieck
Die Geschichte von den Haimonskindern
Ludwig Tieck

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Siebentes Bild

Reinold vermählt sich.

Als die Brüder ausgeschlafen hatten, gingen sie an den Hof des Königs Ivo, und Reinold trug auf seinem Speere das Haupt des Königs mit der Krone. Der König Ivo verwunderte sich über die Maßen, als er diese Herren alle auf einem Pferde ankommen sah, er rief seine Räte ans Fenster, und alle erstaunten gleich sehr über diesen Anblick.

Reinold und seine Brüder warfen sich vor dem Könige nieder, und gaben sich zu erkennen, dann verehrten sie ihm das Haupt seines Feindes, welches er mit großer Freude annahm. Es wurde ihnen ein köstliches Mahl zubereitet, hernach gab man ihnen schöne Kleider und wies ihnen ihre Wohnungen an. Bald hernach fiel Ivo mit seinem Heere in Spanien ein, und Reinold und seine Brüder begleiteten ihn auf diesem Zuge. Das Heer war siegreich, besonders durch die Hülfe der Haimonskinder, und so zogen sie endlich wieder nach Hause.

König Karl hatte in Erfahrung gebracht, daß sich Reinold mit seinen Brüdern beim Könige Ivo aufhielte, er schickte also heimlich eine Gesandtschaft dahin, um die Auslieferung dieser Ritter zu begehren. Ivo wollte sich nicht gern gegen König Karl auflehnen, weil er dessen Macht fürchtete, aber auch nicht gern für undankbar angesehen werden, weil er durch die Hülfe der Haimonskinder so siegreich gewesen war; er berief daher seinen Rat zusammen, damit dieser entscheiden sollte, wie er sich in einer so bedrängten Lage zu betragen habe. Die meisten der Ratsherren waren den Haimonskindern ihres tapfern Betragens wegen sehr gewogen, nur einige waren ihnen entgegen, und da einer von diesen vorschlug, daß man sie ausliefern möchte, schlug ihn ein anderer von den Räten zu Boden, weil es ein unedler Antrag sei.

Reinold erschien nun selber in der Ratsversammlung, er ließ sich vor dem Könige auf ein Knie nieder, und begehrte von ihm die hohe einsame Steinklippe im Meere, um sich dort eine Wohnung zu bauen, und sicher zu sein. König Ivo bedachte sich eine Weile, und sein Rat unterstützte Reinolds Gesuch, aber einer war dagegen, und bestand darauf, daß man die Brüder zum Besten des Landes ausliefern solle, aber ein anderer redlicher Rat schlug ihn ebenfalls zu Boden. König Ivo sagte endlich: »Lieben Herren, lasset mir das, ich will dem tapfern Reinold die Steinklippe geben, wenn er mir verspricht mein ehrlicher Vasall zu sein, und mich in Kriegen und Überfällen zu beschirmen, dazu will ich ihm gleichfalls meine Tochter Clarissa zum ehelichen Gemahl geben, wenn er mir solches verspricht.« Reinold versprach es, und die Hochzeit ward in kurzem auf das prächtigste gefeiert.


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