Ludwig Tieck
Die Geschichte von den Haimonskindern
Ludwig Tieck

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Viertes Bild

Das Roß Bayart.

Die Söhne mußten sich nun in dem Saal versammeln, wo sie ihr Vater zu Rittern schlug, erst den Ritsart, dann Writsart, hierauf Adelhart, und endlich Reinold. Als er zu diesem kam, hatte der sich die goldnen Sporen schon angelegt, und das Schwert umgehängt, und so ging er stolz und übermütig einher. Der Vater schenkte ihm seine Schlösser Pirlapont und Falkalon, weil er ihn für den Würdigsten hielt.

Haimon ließ nun seinen Söhnen mehrere schöne Pferde vorführen, und das schönste gab er dem Reinold; dieser sah es an, und da es ihm schwach vorkam, schlug er es mit der Faust vor dem Kopf, daß es gleich tot niederfiel: hierauf sagte er zu seinem Vater: »Das Roß ist viel zu schlecht, mich zu tragen, gebt mir ein beßres.« Seine Mutter sagte: »Auf die Art mein Sohn, möchtest du wohl alle Pferde zu Tode schlagen, und keins könnte dir gerecht sein.« Aber Haimon ließ ein größeres und stärkeres vorführen; dem tat Reinold eben wie dem vorigen, man brachte ein noch höheres, da sprang er hinauf, daß er dem Pferde den Rückgrat zerbrach, so daß es bald nachher starb. »Vater«, sagte er betrübt, »was soll ich machen, wenn sich keins der Pferde für mich schicken will!« Haimon aber war über die ungemeine Stärke seines Sohnes sehr erfreut, und sagte: »Mein Sohn, ich wüßte wohl noch ein anderes Pferd für dich, wenn du es nur zähmen könntest, es ist in einem festen Turm verwahrt, mein Vetter Malegys hat es mir geschenkt, und heißt Roß Bayart; es ist schwarz wie ein Rabe, und hat kein Haar und Mähne, und ist wohl stärker, als zwanzig andre Pferde.« – »Gebt mir das Pferd«, rief Reinold, »und ich will es bezähmen.«

Der Vater riet ihm hierauf einen Harnisch anzulegen, dessen Reinold sich erst schämte, da er es nur mit einem Pferde zu tun haben sollte; wie er aber hörte, daß Bayart Steine wie Heu zerreißen könne, panzerte er sich doch und ging dann mit einem tüchtigen Prügel nach dem Turme, in dem Bayart stand. Viele Ritter und Frauen folgten ihm, um zu sehen, wie er mit dem Roß hantieren würde.

Als er in den Turm gekommen war, stellte er sich hin, um Bayart zu betrachten, wie er es mit den übrigen Pferden gemacht hatte, aber Bayart gab ihm einen solchen Schlag, daß er zu Boden fiel. Die Mutter weinte und schrie: »Ach, mein Sohn Reinold ist tot, Bayart hat ihn erschlagen, nachdem er selbst drei andre Pferde erschlagen hat.« – Haimon trat auf Reinold zu, und schüttelte ihn und sprach: »Sei wohlgemut, mein Sohn, ich schenke dir das Roß, wenn du es bezwingst, denn ich gönne es keinem lieber, als dir.« »Nun«, sagte Aja, »Wie soll er denn das Roß bezwingen, da er tot ist?« – »Schweig, Frau«, antwortete Haimon, »ist er mein Sohn, so wird er gewiß wieder aufstehn.« – Indem ermunterte sich Reinold wieder, und ging mit seinem Prügel auf Bayart los, Bayart aber nahm ihn und warf ihn vor sich in die Krippe. Es entstand hierauf ein gewaltiger Kampf zwischen dem jungen Ritter und dem Rosse; endlich packte Reinold Bayart beim Halse, und schwang sich auf ihn. Dann ließ er ihm die Sporen fühlen, so daß Bayart mit gewaltigen Sprüngen zum Turm hinausarbeitete, und über das Feld hin und über breite Gräben setzte. Dann ritt Reinold mit dem Pferde zurück, stieg ab, streichelte es und wischte ihm den Schweiß ab, und Bayart stand und zitterte vor dem Ritter; so hatte Reinold das Pferd bezwungen, und er legte ihn nun auch ein schönes Gebiß an, und putzte es so auf, wie man mit andern Pferden zu tun pflegt.


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