Ludwig Tieck
Die Geschichte von den Haimonskindern
Ludwig Tieck

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Sechstes Bild

Die Brüder in der Verbannung.

König Karl war von Schmerz und Erstaunen ganz bewußtlos, er versammelte schnell seine Ritter, und eilte den Flüchtigen nach. Vor dem Tore begann ein hitziges Gefecht. Haimon hielt sich mit seinen Söhnen sehr tapfer, doch wurden allen die Pferde unter dem Leibe umgebracht. Da sprangen die drei Brüder hinter Reinold auf sein Pferd Bayart, das sie alle viere so schnell davontrug, daß keiner sie ereilen konnte. Aber Haimon blieb zurück, und stritt noch lange zu Fuß, und gebrauchte sich ungemein tapfer. Aber endlich konnte er der Macht nicht länger widerstehn, und gab sich ritterlich gefangen in die Hände des Bischofs Turpin, weil er dem Könige Karl nicht allerdings traute und eine schwere Rache von ihm besorgte.

Als Karl daher den Gefangenen wollte hängen lassen, widersetzte sich Turpin und die übrige Ritterschaft, so daß Haimon nur schwören mußte, seine Söhne in die Gefangenschaft zu überliefern, so bald als es ihm möglich wäre.

Reinold kam mit seinen Brüdern auf seinem Schlosse an, sie nahmen zärtlichen Abschied von ihrer Mutter, und beluden sich mit vielen Kostbarkeiten und so entflohen sie nach Spanien; ihr Vater war ein Freund des Königs, und hatte ihm lange gedient, sie hofften daher dort eine gute Aufnahme zu finden.

Der König sah sie in der Ferne kommen, und erkannte sie sogleich an ihrem Familienwappen; er wunderte sich darüber, daß ihrer viere auf einem Pferde ritten, und beschloß, sie sogleich in seine Dienste zu nehmen, weil er sich erinnerte, wie treu und tapfer ihm ihr Vater Haimon ehemals gedient hatte. Er nahm sie daher sehr gnädig auf, versprach ihnen Sold und Unterhalt; sie freueten sich, und gaben ihm dafür ihren Schatz in Verwahrung, den sie mit sich gebracht hatten.

Solange sie am Hofe etwas Neues waren, wurden sie gut gehalten, aber bald wurde man ihrer und ihres treuen Dienstes überdrüssig, dazu warf man ihnen auch immer vor, daß sie ihren Vetter Karlmann erschlagen hätten, und deshalb landesflüchtig wären.

Reinold war im Herzen ergrimmt, daß man ihrer mit jedem Tage weniger achtete; nach drei Jahren gab man ihnen gar keinen Sold, noch Kleider, noch Unterhalt. Reinold schickte einen Knappen Wendelin an den König, und ließ sich wenigstens seinen Schatz ausbitten, um weiterziehen zu können; aber der König ließ den Abgesandten mit Schlägen zum Palast hinauswerfen, und Reinold bekam diese üble Botschaft. Er ließ daher sein Roß Bayart satteln, und vor die Stadt führen, nahm seinen Bruder Adelhart mit sich, und ging so in den Palast des Königs.

Der König saß gerade bei der Tafel, Reinold verbeugte sich demütig, und begehrte in höflichen Ausdrücken seinen Schatz, um sein Glück in einer andern Gegend versuchen zu können, aber der König schwieg tückischerweise still, und gab keine Antwort. Reinold wiederholte sein Gesuch in denselben Ausdrücken, aber der König schlug die Augen nieder, und tat, als vernähme er kein Wort. Hierauf zog Reinold sein Schwert und sagte: »Ich sehe wohl, daß bei Ew. Majestät keine Güte hilft, ich muß daher mit Ew. Majestät auf eine andere Weise sprechen, ich will Euch das Haupt abschlagen, wie ich meinem Vetter Karlmann getan habe, und solches als einen Schatz mit mir nehmen.« Da der König das Schwert sah, fing er an um Gnade zu bitten, aber es war zu spät, Reinold schlug ihm das Haupt ab, und gab es seinem Bruder Adelhart, es an den Sattel zu hängen, und es als einen Schatz mitzunehmen.

Es entstand ein großer Aufruhr in der Stadt und Reinold hatte genug zu tun, um sich und seine Brüder zu schützen. Von ihrem Rosse Bayart schlugen sie manchen Mann zu Tod, und verwundeten manchen, aber sie alle wurden ebenfalls verwundet. Doch hielten sie sich so tapfer, daß sie endlich davonkamen, und nun überlegten sie, was sie zu tun hätten. Der Entschluß fiel endlich dahin aus, daß sie nach Tarragon zum Könige Ivo gehen wollten, der ein abgesagter Feind des Königs in Spanien war; ihm wollten sie das abgeschlagene Haupt präsentieren, und er würde sie denn wahrscheinlich gütig und freundschaftlich aufnehmen.

Da sie nun in Sicherheit, und schon auf seinem Gebiete waren, da stiegen sie vom Pferde, und verbanden einer dem andern die Wunden. Dann legten sie sich nieder und schliefen, weil alle nach so hartem Drangsal der Ruhe sehr benötigt waren.


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