Ludwig Tieck
Die sieben Weiber des Blaubart
Ludwig Tieck

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Eilftes Kapitel.

Friederike von Bergfeld.

Peter Berner war jetzt fast unaufhörlich in Fehden verwickelt, die er aber alle glücklich beendigte. Er faßte nun den Vorsatz, sich mit dem Fräulein von Bergfeld zu verehelichen, weil er einsah, daß sich sein Unglück doch nicht zurückhalten lasse.

Friederike von Bergfeld hatte aber gerade um diese Zeit einen andern Liebhaber, einen jungen, schönen Ritter, und deshalb mißfiel ihr der Antrag des blaubärtigen Peter sehr. Sie war in der höchsten Bedrängniß, denn sie wußte, daß ihr Vater den Peter Berner sehr begünstigte, weil dieser reich und angesehen war, ihr Liebhaber im Gegentheil arm und aus keiner altadlichen Familie. Als daher Peter angekommen, warf sie sich einst ihrem Vater zu Füßen, als sie mit ihm allein war.

149 Was willst Du, meine Tochter? sagte der alte Leopold.

Daß Sie Mitleid mit Ihrem einzigen Kinde haben, rief sie aus, daß Sie nicht mein Unglück wollen.

Wie kann ich Dein Unglück wollen? Wie kannst Du nur so albern sprechen?

O mein Vater, lassen Sie mich ausreden, und dann sprechen Sie mein Urtheil.

Rede, mein Kind, und vor allen Dingen steh' von der Erde auf.

Dieser Peter Berner ist hieher gekommen, um mich zu lieben und dann zu heirathen, aber weder das Erste, noch das Letzte ist mir wohlgefällig.

Weswegen nicht?

Weil ich schon liebe, mein Vater.

Das konnt' ich mir vorstellen. Wenn Ihr ohne Gängelband gehn könnt, so fangt Ihr auch schon an zu lieben, und eben so zuversichtlich darüber zu sprechen. Ihr redet über das Verliebtseyn und über's Theetrinken mit gleichem Eifer und seht Beides auf Eine Art an. Sprich mir nicht diese abgeschmackten Wörter aus, die Du gar nicht verstehst.

Aber Sie wollten mich ausreden lassen.

Nun so sprich; wer stört Dich denn?

Ich kann diesen Berner nicht heirathen, weil er mir zuwider ist. Sehn Sie nur seine Figur, sein ganzes Wesen, seinen häßlichen blauen Bart.

Possen, mein Kind, wer wird sich an so etwas stoßen? Denn bedenke nur den Umstand, daß ich sage: Du mußt! und dann geh' in Dich, gieb Dich für's Erste zufrieden, dann betrachte ihn genauer, dann leg' Dein Vorurtheil gegen die blaue Farbe ab, 150 und so wirst Du Dich allgemach in ihn verlieben und ihn heirathen, Du weißt nicht wie, und dann ist er Dein Mann, und Du denkst so wenig daran, seinen Bart, als seinen Verstand zu untersuchen. Sieh', wenn ich ihn Dir zum Liebhaber bestimmte, so könntest Du mir mit Recht alle diese Einwendungen machen, aber so soll er Dein Mann werden, und mit Männern nimmt man's gar nicht so genau.

Ach! mein Vater, den Gesichtspunkt, den Sie mir da angeben wollen, werd' ich nie haben können.

Und warum denn nicht, Du eigensinnige Närrin? Zwing' ich Dich denn? Hab' ich Dich denn je schon zu etwas gezwungen? Und so kannst Du auch meinethalben jetzt thun, was Dich gut dünkt, ich will Dir wahrhaftig nicht im Wege seyn. Aber ich sage Dir nur so viel, daß ich Dir meinen schweren väterlichen Fluch gebe, wenn Du gegen meinen Willen handelst, daß ich Dich nicht mehr für mein Kind erkenne, daß ich Dich aus dem Hause stoße, daß Du Dein Brod vor den Thüren suchen und betteln kannst. Nun, heißt denn das in aller Welt zwingen? Antworte! Du kannst ja thun und lassen, was Du willst.

Grausamer Vater!

Das ist auch eins von den abgeschmackten Wörtern, womit Ihr keinen Sinn verbindet. Solcher Redensarten habt Ihr tausende, bloß nur die Luft anzufüllen und die Zeit hinzubringen. Ich fühle sie nicht, ich verstehe sie nicht, und ich sage Dir, bequeme Dich bald nach meinem Entschlusse, oder es soll Dich wahrlich gereuen. Ein närrischer Zustand, Vater zu seyn! Man macht die Bälge glücklich, und muß sie noch obenein zu ihrem Glücke zwingen! Ich bin es überdrüßig, länger zu reden, Du weißt nun meine Meinung.

Er setzte sich hierauf nieder; um seine Mittagsruhe zu halten, und Friederike ging auf ihr Zimmer, um zu weinen.

Peter ließ indessen auf seinem Schlosse alle Anstalten zur Hochzeit machen, denn er hatte nun die Einwilligung des starrköpfigen Vaters erhalten. Mechthilde machte die prächtigsten Anstalten, indessen Peter sich gar nicht einmal die Mühe gab, die Gunst seiner Braut zu gewinnen.

Der Hochzeitstag rückte heran; Ferdinand, der Liebhaber Friederikens, war auswärts in einer Fehde verwickelt, so daß sie keinen Trost, keine Hoffnung hatte. Sie mußte mit ihrem Vater nach Berners Schlosse reisen, die Heirath ward vollzogen und ihr Vater reisete wieder ab.

O ich Unglückselige! klagte Friederike in der Einsamkeit. Wo ist nun so plötzlich mein Lebenslauf geblieben, auf den ich mich so sehr freute! Warum bin ich nicht vor dieser Zeit gestorben, als ein treues Mädchen, als die Geliebte meines Ferdinands? Dann hätte er auf meinem Grabe weinen können, und mich noch im Tode die Seinige nennen; aber nun bin ich von ihm abgefallen, ich komme mir selber als eine Nichtswürdige vor, und das ist mein innigster Schmerz; das ist das Gefühl, worüber mich nichts zufrieden stellen kann. Die Welt kömmt mir seitdem wie eine wüste, unangebaute Einöde vor, ich irre allenthalben umher, wie in einem fremden Hause, wo ich nicht 152 hineingehöre, wo Jedermann mit Verachtung auf mich sieht.

Sie weinte heftig, Peter trat herein und fragte, was ihr fehle.

Und Du kannst noch fragen? antwortete sie schluchzend. Du unbarmherziges, tigerartiges Geschöpf bist mein Unglück; Du hast mich dem ungetreu gemacht, dem ich ewige, felsenfeste Treue angelobt hatte. Du bist die Ursach, daß das beste, zärtlichste Herz nun mich und die Welt verflucht; daß er an einsamen Waldströmen sitzt, und seinen Schmerz in stürzenden Thränen ergießt; daß er sein Blut Tropfen für Tropfen und unter einer langsamen Pein verschütten möchte, um dieses Lebens nur los zu werden. Und kann ich Dich denn lieben? Nimmermehr, Du hast mir mein Glück geraubt, und meine Seele wendet sich mit Entsetzen von Dir zurück; nie werde ich mit Dir vertraut seyn können, ja nie werde ich Dir nur trauen können. Alle Gestalten meiner Furcht sehn aus, wie Du; so ein Bild, als das Deinige, hat mich schon in den Träumen meiner Kindheit erschreckt, und darum wirst Du ewig mein Abscheu bleiben.

Ich weiß wohl, antwortete Peter kaltblütig, daß ich mit meinen Weibern nie recht glücklich seyn werde; ich muß Dir sagen, daß das schon ein altes Orakel ist, das jetzt nur anfängt, in Erfüllung zu gehn. Und sieh, eben darum ist es auch nicht zu ändern; denn wenn Du mich auch anbetetest, wenn Du mich auch so liebtest, daß es mir, als einem ernsthaften Manne, selber zur Last fiele; schau nur, so wäre es doch nimmermehr zu ändern, daß ich mit Dir unglücklich seyn und bleiben müßte; eben dieses Unglück ist der Salat, 153 den ich wider meinen Willen zu allen Dingen essen muß. Da es nun aber nicht zu ändern ist, so müssen wir uns schon in diese Fügung des Schicksals ergeben; da es das Einzige ist, was wir hierbei thun können, so werden wir es schon deswegen thun müssen. Was übrigens Deinen Geliebten anbetrifft, so sitzt er gar nicht an einsamen Waldströmen und weint, sondern er hat eine ansehnliche kriegerische Mannschaft zusammengebracht, um mich damit zu überziehn, und aus dieser Ursach muß ich jetzt auch gegen ihn in's Feld gehn. Eben darum muß ich Dich auf einige Zeit verlassen; ich denke Dich aber bald wieder zu sehn, denn sobald er todt ist, hat das nichts weiter zu sagen; und sterben wird er hoffentlich wohl, denn er ist ein ganz junger, unbesonnener Mensch, der bei weitem nicht so kaltblütig ist, als ich es bin. Lebe wohl.

Er verließ seine Frau in den tiefsten Schmerzen. Was soll ich wünschen? rief sie aus. Und was würde es mir helfen, wenn meine Wünsche auch in Erfüllung gingen? Ich bin auf immer verloren, das ist bei der Verwirrung aller meiner Sinne das Einzige, was ich weiß; aber daran weiß ich genug. O wär' ich todt, daß ich diesen Jammer nur nicht empfinden dürfte!

Sie ging oben auf das Dach des Schlosses, und sah mit beklemmtem Herzen dem Ritter und seinem Heereszuge nach. 154



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