Ludwig Tieck
Die sieben Weiber des Blaubart
Ludwig Tieck

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Achtes Kapitel.

Mechthilde.

Peter betrachtete seinen bleiernen Kopf genauer und konnte immer noch nicht begreifen, wie ein so kleines unscheinbares Ding guten Rath ertheilen könne. Er wußte nicht, ob ihn Bernard und die Fee um die 123 Wette foppten, oder ob wirklich etwas an den vorgegebenen Dingen sey. Indem er den Kopf genauer betrachtete, setzte ihn der kluge Blick und der spöttische Zug um den Mund gewissermaßen in Verlegenheit; er stellte daher den Kopf auf einen Tisch und fuhr dann in seinem Nachdenken fort.

Sollte man nicht, sagte er zu sich selber, manchmal glauben, man träume? Wahrhaftig, ich wäre jetzt im Stande, alle Feen- und Geistergeschichten zu glauben; denn wenn ich die Sache nur etwas genau überlege, so giebt es im Grunde gar keinen Aberglauben. Wer darf an den alten Orakeln zweifeln, wenn ich sogar einen bleiernen Kopf vor mir sehe, der mit einer zuversichtlichen Miene da steht und im Rathertheilen vielleicht seines Gleichen sucht.

Er ließ nun ein schönes Zimmer aufputzen, dem seinigen gegen über, das diesem Kopfe zur Wohnung bestimmt war. Er stellte ihn hier in einen schönen Schrank, und ging zu wiederholtenmalen hin, um ihm den Schlüssel anzulegen und sich Rath ertheilen zu lassen. Der Kopf gab ihm zuerst den Rath, sich eine Haushälterin zu suchen, die seiner Wirthschaft vorstehen könnte, damit er lieber von einer Person, als von vielen Knechten betrogen würde; denn, schloß der bleierne Kopf, der Betrug, den man von einem Einzigen leidet, ist kaum noch Betrug zu nennen; nehmen sich aber im Hauswesen Viele dieses nöthigen Geschäftes an, so geht darüber die gute Ordnung zu Grunde.

Peter erstaunte nicht wenig über die Weisheit des Kopfes und folgte sogleich seinem Rathe. Er reiste im Lande umher und fand endlich ein Mädchen, 124 das ihm gefiel. Sie hieß Mechthilde und war nicht mehr jung, und eben deswegen traute ihr der Ritter mehr Verstand und Erfahrung zu. Außerdem gefiel ihm ihre Schönheit, denn sie hatte schwarze, sehr lebhafte Augen, ihr Betragen war sehr gefällig und munter, so daß Peter sehr von ihr eingenommen ward. Sie schlossen den Vertrag und Peter nahm Mechthilden als Haushälterin mit auf sein Schloß.

Der Ritter glaubte, man könne einen guten Rath dadurch am bequemsten noch besser machen, daß man von seiner eigenen Klugheit etwas hinzuthue und so die fremde Weisheit mit eigener Vernunft beschlage. Aus dieser Ursache verliebte er sich sehr bald in Mechthilden, theils damit sie ihn dann um so weniger betrügen möchte, und zweitens, um eine Frau zu sparen. Auf diesem Wege dachte er am bequemsten dem geweissagten Unglücke mit den Weibern zu entgehen. Mechthilde war auch dem Ritter nicht abgeneigt, denn sie sah ein, daß er ein junger, unerfahrner Mensch sey, und daher glaubte sie, würde es ihr leicht werden, ihn zu beherrschen. Peter wollte Mechthilden nicht heirathen, damit nicht schon mit ihr sein Weiberunglück anhebe; sie hatte einen eben so starken Widerwillen gegen die Ehe, weil sie gern ihre Freiheit behalten wollte, und so kamen denn Beide endlich dahin überein, daß sie als seine geliebte Haushälterin oder seine haushälterische Geliebte bei ihm blieb. Peter setzte sein ganzes Vertrauen auf sie und bekümmerte sich seit der Zeit gar nicht um die Hauswirthschaft, so daß Mechthilde nach kurzer Zeit die eigentliche Gebieterin in der Burg wurde.

Ohngeachtet ihr Peter Alles vertraut hatte, so 125 hatte er ihr doch das Geheimniß mit dem bleiernen Kopfe verschwiegen, weil er gern Etwas für sich behalten wollte, was er nur allein wüßte; er ging aber fleißig in die Kammer und fragte seinen Freund heimlich um Rath, und richtete nach seiner Meinung alle seine kleinen Fehden und Kriege ein. Er besiegte seine Nachbarn in allen Zweikämpfen, alle Fehden gingen ihm glücklich von der Hand, so daß er wohl einsah, sein bleierner Kopf sey nicht zu verachten.

Um die Zeit wurde ihm von einem sehr reichen und mächtigen Ritter eine Fehde angekündigt. Peter ging in seine Rathsstube und hörte, was der Kopf dazu sagen würde. Dieser prophezeiete ihm alles Glück, nur schloß er seine Weissagung damit, er möchte nach geendigter Fehde schnell zurückkehren, weil er sonst in seinem eigenen Hause ein großes Unglück erleben könnte. Der Ritter versprach diesen guten Rath zu befolgen, versammelte alle seine Knechte und Reisigen und machte sich fertig, sein Schloß zu verlassen. Er hatte Mechthilden immer die Schlüssel zu allen Zimmern übergeben, ihr aber noch nie den goldenen Schlüssel anvertraut; heute aber hielt er es für unedel, gegen seine Geliebte mißtrauisch zu seyn; er übergab ihr daher auch diesen Schlüssel, verbot ihr aber bei seinem Zorn und bei seiner Ungnade, dieses Zimmer zu betreten. Mechthilde versprach es ihm feierlich, und der junge Peter reiste mit großer Zufriedenheit ab.

Indem sich Peter mit seinen Feinden herumschlug, untersuchte Mechthilde alle Zimmer der Burg, sie besann sich nicht lange, sondern ging auch in das Gemach, das zu besuchen ihr so strenge verboten war. Sie sah nichts Merkwürdiges im ganzen Zimmer und 126 wunderte sich über die Thorheit des Ritters, der mit diesem Zimmer gerade so geheim gethan hatte. Als sie sich genauer umsah, fand sie den Schrank mit dem kleinen bleiernen Kopfe. Die Sache kam ihr bedenklich vor, und sie betrachtete den Kopf sehr genau; es war im Zimmer etwas dämmerig, und sie wußte daher nicht, ob sie ihren Augen trauen solle, als es ihr vorkam, als wenn der Kopf seine Mienen veränderte. Sie hielt den goldenen Schlüssel in der Hand und legte ihn durch einen Zufall an den Kopf, indem sie fragte: Ich möchte doch wohl wissen, was der Ritter mit diesem kindischen Spielzeuge macht. – Er fragt mich um Rath, antwortete der Kopf sehr behende, denn ich weiß Alles und von mir ist viel zu lernen!

Mechthilde erschrak erst ein wenig; doch begriff sie bald das ganze Geheimniß. Sie wollte diese Entdeckung nicht ohne Nutzen gemacht haben, und fragte deswegen den kleinen Wahrsager nach ihrer Familie, nach der Zukunft, ob sie heirathen sollte und dergleichen, so daß der Kopf genug zu thun hatte, um nur die passenden Antworten hervorzubringen. Mechthilde vergaß über diese unterhaltende Conversation Mittags- und Abendessen, sie schloß sich in dem Zimmer ein und schöpfte unermüdet die geheimnißreiche Weisheit. Da sie merkte, daß der Kopf sehr gründliche Kenntnisse hatte, so ließ sie sich auch am Oberflächlichen nicht genügen, sondern fragte immer weiter nach und brachte es, als es gegen Mitternacht kam, dahin, daß sie klüger war, als ihr Lehrer. Ihr ging am Ende selbst der Kopf von dem wunderlichen Zeuge herum, ihr Geist, der plötzlich so gewachsen war, fühlte sich in ihrem Körper zu beengt, aber sie hörte doch nicht 127 eher auf, sich zu unterrichten, bis ihr Lehrer nicht mehr zu antworten wußte und bei allen Fragen stumm blieb, so daß sie wohl merken konnte, er habe sich nun mit seiner Weisheit erschöpft. Es war diesem Lehrmeister so gegangen, wie manchem Liebhaber, der sich gegen seine Geliebte ausgesprochen hat und kein Wort mehr zu sagen weiß, so daß Beiden nachher nothwendig die Zeit lang werden muß. Mechthilde legte sich nun schlafen und war in allen geheimen Künsten der Zauberei, so wie der Weltweisheit, wohl erfahren.

Am folgenden Tage kehrte der Ritter zurück; schon seit drei Tagen war der Feind aus dem Felde geschlagen, und er hatte sich nur noch auf dem Schlosse eines guten Freundes verweilt, wo er ein Fräulein hatte kennen lernen, das ihn die Rückkehr fast ganz hatte vergessen machen. Jetzt kam er wieder, um sich bei seinem Kopfe Raths zu erholen, ob er sie heirathen sollte, oder nicht. Er ging daher sogleich in das Zimmer, legte den Schlüssel an den Kopf und ihm die Frage vor. Er erstaunte nicht wenig, als der Kopf gar kein Zeichen des Lebens und Verstandes an sich spüren ließ, sondern ganz stumm und kaltsinnig die Frage anhörte. Er schlug mit der Wünschelruthe des Schlüssels an, aber vergebens; er wurde zornig und hielt den Kopf für tückisch und verstockt, daß er nur aus Eigensinn nicht antworten wollte, er berührte und schlug ihn daher mit dem Schlüssel ziemlich unsanft, aber Alles war umsonst. Er faßte endlich den Verdacht, daß Mechthilde ihm den Kopf möchte verdorben haben, da er sich überdies erinnerte, daß ihn die unterirdische Fee gewarnt hatte, nicht zu viel zu fragen, weil sich das Orakel sonst leicht erschöpfen möchte.

128 O, dies ist, rief er, das Unglück, vor dem mich der Kopf selber gewarnt hat! Nun ist es zu spät und ich bin verloren.

Er stürmte auf Mechthilden zu, die seine Wuth wohl vermuthet hatte. Nichtswürdige! schrie er heftig, schaff mir meinen Verstand, schaff mir meinen Rathgeber wieder! Seine Einsicht ist jetzt fort, er weiß kein einziges Wort mehr vorzubringen.

Er zog den Degen, um die Haushälterin zu tödten; Mechthilde fiel ihm zu Füßen. Warum bist Du in das verbotene Zimmer gegangen? schrie er laut.

Mechthilde bat um Gnade und versprach, es niemals wieder zu thun; doch damit war dem Ritter wenig geholfen. Er wollte ihr ohne weitere Umstände den Kopf abhauen, da sie ihn nur noch um eine kleine Geduld ersuchte.

Warum habt Ihr mich, sprach sie, so in Versuchung geführt? Wenn ich nicht hätte neugierig seyn sollen, so hättet Ihr mir auch keine Veranlassung zur Neugier geben müssen. Was kann ich dafür, daß ich so eingerichtet bin, wie es alle Frauenzimmer sind? Ihr selbst seyd jetzt an Eurem Unglücke Schuld. Konntet Ihr nicht Euren verwünschten Schlüssel behalten? Warum mußtet Ihr ihn denn mir in die Hände geben?

Weil ich Dir traute, sagte Peter.

Ihr hättet mir nicht trauen sollen, antwortete Mechthilde. Daß Weiber nicht neugierig seyn sollten, ist eben so unmöglich, als daß die Sonne kein Licht verleiht, daß der Tiger nicht auf Raub ausgeht, daß auf heute nicht Morgen folgen sollte, oder daß Ihr 129 einen Schimpf, den man Eurer Ehre anthut, geduldig einstecken könntet.

Also ist es Eure Natur so? fragte Peter besänftigter.

Allerdings! Und darum muß uns jeder vernünftige Mensch auch diese Neugier zutrauen. Wer aber seinen ganzen Verstand in einen bleiernen Kopf eingeschlossen hat, der verdient es freilich auch, daß er übel anläuft, und darum ist Euch in so weit ganz recht geschehn.

So verwünsch' ich Euer ganzes Geschlecht! rief Peter in der höchsten Wuth aus; so seyd Ihr nicht werth, daß Euch die Erde trägt, und ist es eine Wohlthat für alle Männer, Euch auszurotten. Ich will keiner von Euch mehr trauen, ich will so viele abstrafen, als mein Schwert nur erreichen kann, und mit Dir will ich den Anfang machen.

Mechthilde sagte ganz gelassen: Gebt Euch keine Mühe, denn dagegen habe ich eben von Euerm Kopfe Hülfsmittel gelernt. Wenn Ihr nicht mein guter Freund bleiben wollt, so weiß ich Euch wohl noch zu strafen.

Hiemit berührte sie seinen Arm, und Peter fühlte sich augenblicklich so ohnmächtig, daß er das Schwert fallen lassen mußte. Er sah Mechthilden verwundernd an, die über ihn lachte und sagte: Seht, Euer Kopf hat mich sehr gute Künste gelehrt; ich denke, wir versöhnen uns wieder.

Peter ging nachdenkend in sein Zimmer; er sah ein, daß mit Mechthilden nichts anzufangen sey, that sich aber selber den Schwur, sich dafür am ganzen weiblichen Geschlechte zu rächen. 130



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