William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis, Band 1
William M. Thackeray

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Achtzehntes Kapitel

Pendennis von St. Bonifaz

Unser Freund Pen war nicht eben betrübt, als sein Mentor am zweiten Tage nach ihrer Ankunft in Oxbridge von dem jungen Herrn Abschied nahm, und wir können versichert sein, daß der Major seinerseits sehr froh war, seiner Pflicht ledig zu sein und sie vom Halse zu haben. Mehr als drei Monate seiner 322 kostbaren Zeit hatte dieser Märtyrer von Major seinem Neffen gewidmet. War je ein egoistischer Mensch aufgefordert worden, ein größeres Opfer zu bringen? Kennt der Leser viele Leute oder Majors, die so viel tun würden? Ein Mann wird sein Haupt auf den Block legen oder sein Leben für seine Ehre hinwerfen, aber hüten wir uns, ihn zu bitten, seine Bequemlichkeit oder einen Herzenswunsch aufzugeben. Nur sehr wenige von uns können diese Probe bestehen. Aber wir wollen dem Major gebührende Ehre wegen seines Benehmens im letzten Vierteljahr zuteil werden lassen und ihm zugestehen, daß er vollkommen das Recht dazu hat, sich zu freuen, nun einmal Ferien zu haben. Foker und Pen sahen ihn in der Kutsche abfahren, und der erstgenannte junge Herr gab dem Kutscher den ganz besonderen Auftrag, auf den Gentleman immer gehörig acht zu haben. Es gefiel dem älteren Pendennis, seinen Neffen in der Gesellschaft eines jungen Mannes zu wissen, der ihn in die besten Kreise der Universität einführen würde. Der Major eilte nach London und von dort nach Cheltenham, von welchem Badeorte er nach einigen großen Landhäusern in der Nachbarschaft hinabstieg, deren Familien nicht ins Ausland gereist, und wo gute Jagd und angenehme Gesellschaft zu haben waren.

Wir wollen aber des jungen Pens akademische Laufbahn nicht zu genau verfolgen. Ach, das Leben solcher Knaben verträgt es nicht, daß alles daraus erzählt wird! Ich wollte, es wäre möglich. Ich frage dich, lieber Leser, kann man es bei dem deinen? Soweit das, was wir unsere Ehre nennen, unbefleckt ist, vermute 323 ich, daß dein Herz ziemlich leicht ist. Frauen sind rein, aber nicht Männer. Frauen sind selbstlos, aber nicht Männer. Und ich möchte von dem armen Arthur Pendennis nicht sagen, daß er schlechter war als seine Nachbarn, sondern nur, daß seine Nachbarn zum größten Teile nichts taugten. Seien wir wenigstens so aufrichtig, das zuzugestehen. Können Sie mir zehn fleckenlose Leute Ihrer Bekanntschaft zeigen? Die meine ist ziemlich ausgebreitet, aber ich kann in der Liste nicht zehn Heilige herausfinden.

Während des ersten Semesters seines akademischen Lebens besuchte Herr Pen klassische und mathematische Vorlesungen mit leidlichem Fleiße, aber als er nach Verlauf nicht sehr langer Zeit inne wurde, daß er wenig Geschmack oder Fähigkeit zur Verfolgung der strengeren Wissenschaften habe, und da es ihn vielleicht auch ziemlich verdroß, daß ein paar sehr geringe junge Leute, die nicht einmal Stege in ihren Hosen trugen, um ihre abscheulich dicken und groben Schuhe und Strümpfe zu bedecken, ihn im Auditorium mit ihrem Wissen vollständig aufs Trockene setzten, gab er es auf, diesen Kursus anzuhören, und zeigte seiner zärtlichen Mutter an, daß er sich vorgenommen, sich ausschließlich der griechischen und römischen Literatur zu widmen. Frau Pendennis war ihrerseits ganz zufrieden damit, daß ihr Liebling den Zweig der Gelehrsamkeit verfolgen wollte, für den er die größte Neigung fühlte, und sie bat ihn nur inständig, seine Gesundheit nicht durch zu vieles Studieren zu zerstören, denn sie hätte die traurigsten Geschichten von jungen Studenten gehört, die durch übermäßige Anstrengung sich 324 Gehirnentzündungen zugezogen hätten und vor der Zeit mitten in ihrer akademischen Laufbahn ins Grab gegangen wären. Und auf seine Gesundheit, die stets sehr zart gewesen, müßte Pen, wie sie mit Recht bemerkte, vor allen anderen Rücksichten und eitelen Ehren Gewicht legen.

Obwohl Pen nichts von irgendeinem verborgenen lauernden Uebel gewahr wurde, das sein Leben möglicherweise hätte in Gefahr bringen können, versprach er dennoch seiner Mama mit freundlichen Worten, nicht zu lange in die Nacht hinein aufsitzen zu wollen, und er hielt in dieser Hinsicht sein Wort mit weit zäherer Entschlossenheit, als er bei irgendwelchen anderen Gelegenheiten an den Tag legte, wenn er vielleicht ein bißchen schläfrig war.

Bald begann er auch zu finden, daß er in den klassischen Sprachen nicht viel Gescheites lernen könnte. Seine Kommilitonen waren ihm darin zu einfältig, wie sie in der Mathematik zu gescheit für ihn waren. Herr Buck, der Studiendirektor, war kein besserer Gelehrter als mancher Junge auf der fünften Bank bei den »Grauen Brüdern«; er mochte einige dumme verworrene Begriffe vom Metrum und der grammatischen Konstruktion einer Stelle des Aeschylus oder des Aristophanes haben, aber er hatte von Poesie nicht mehr Ahnung, wie Frau Binge, seine Aufwärterin; und Pen wurde es langweilig, die einfältigen Studenten und den Lehrer ein paar Zeilen eines Schauspiels durchstümpern zu hören, das er in dem zehnten Teil der Zeit, den sie dazu brauchten, ganz durchlesen konnte. Alles in Betracht gezogen, war ein Privatstudium, 325 wie er zu bemerken begann, das einzige Studium, das einem Menschen wirklichen Nutzen brachte; und so kündigte er seiner Mama an, daß er selbst weit mehr, aber in den öffentlichen Unterrichtsstunden viel weniger studieren werde. Diese ausgezeichnete Frau wußte von Homer nicht mehr als von Algebra, aber sie war mit Pens Einteilung hinsichtlich seiner Studien vollkommen zufrieden und hatte völliges Vertrauen, daß ihr geliebtes Kind den Platz erlangen würde, den es verdiente.

Pen kam erst nach Weihnachten heim, ein bißchen zur Enttäuschung seiner zärtlichen Mutter und Lauras, die sich nach ihm sehnte, um mit ihm eine schöne Schneefestung zu bauen, wie sie es vor drei Wintern zusammen getan hatten. Aber er war nach Logwood zu Lady Agnes Foker eingeladen, wo ein Privattheater spielte und eine lustige Weihnachtsgesellschaft sehr feiner Leute anwesend war, unter denen sich einige befanden, die Major Pendennis keinesfalls gern von seinem Neffen hätte vernachlässigt sehen mögen. Indessen brachte er doch die letzten drei Wochen der Ferien zu Hause zu, und Laura hatte Gelegenheit, zu bemerken, was für eine Menge feiner neuer Anzüge er mit sich brachte, und seine Mutter bewunderte sein hübsches Aussehen und seinen männlichen und entschiedenen Ton.

Er kam zu Ostern nicht nach Hause, aber als er zu den großen Ferien ankam, brachte er noch mehr schmucke Garderobe mit; des Morgens erschien er in wundervollen Jagdjoppen mit seltsamen Knöpfen, und des Abends in prachtvollen Samtwesten, mit 326 reichgestickten Krawatten und wunderbarer Wäsche. Und als sie sich in seinem Zimmer umsah, sah sie, ach, ein so schönes Toilettennecessaire mit silbernen Beschlägen und einer Menge feiner Ringe und Juwelen. Und er trug eine neue französische Uhr mit goldener Kette anstatt des großen alten Chronometers mit seinem Bündel hin und her baumelnder Petschafte, das aus der Uhrtasche von John Pendennis herausgehangen und mit dessen Beihilfe der selige Doktor seinerzeit manchem Patienten den Puls gefühlt hatte. Es waren nur erst wenige Monate vergangen, wo Pen sich nach dieser Uhr inständig gesehnt, die er für den prächtigsten und herrlichsten Zeitmesser in der Welt gehalten hatte, und gerade, als er zur Universität ging, hatte sie Helene aus ihrem Schmuckkästchen (wo sie seit ihres Gatten Tode unaufgezogen gelegen hatte) herausgenommen und sie Pen mit einer feierlichen und der Gelegenheit entsprechenden kleinen Rede über die Tugenden seines Vaters und die gehörige Benutzung der Zeit übergeben. Diesen dicken und wertvollen Chronometer erklärte Pen nun für altmodisch und stellte sogar einen Vergleich zwischen ihm und einer Wärmflasche an – was Laura für despektierlich hielt – und ließ schließlich die Uhr in einer Schublade zurück, wo sie sich in Gesellschaft schmutziger gelber Handschuhe, abgedankter Krawatten und jener anderen Schuluhr befand, die schon einmal in dieser Geschichte erwähnt worden ist. Unsere alte Freundin Rebekka erklärte Pen als nicht mehr stark genug für sein Gewicht, und gab sie um ein Spottgeld für ein anderes kräftigeres Pferd weg, für das er eine ziemlich 327 schwere Summe Geldes zu zahlen hatte. Frau Pendennis gab dem Jungen das Geld für das neue Pferd, und Laura weinte, als Rebekka fortgebracht wurde.

Desgleichen brachte Pen eine große Kiste Zigarren mit den Zeichen Colorados, Afrancesados, Telescopios, Fudson Oxford Street oder mit ähnlichen wundersamen Titeln versehen, mit und begann diese nicht nur in den Ställen und Gewächshäusern, wo sie sehr gut für Helenes Pflanzen waren, sondern auch in seinem eigenen Arbeitszimmer zu vertilgen, – welches Gebahren seine Mutter zuerst nicht guthieß. Aber er arbeitete, wie er sagte, an einem Preisgedicht und konnte ohne seine Zigarre nicht dichten; zugleich zitierte er ihr die Verse des kürzlich verschiedenen tief betrauerten Lord Byron zugunsten der Gewohnheit des Rauchens. Da er zu einem so guten Zweck rauchte, konnte ihm seine Mutter natürlich ihre Erlaubnis nicht versagen; ja, als die gute Seele eines Tages ins Zimmer kam, während Pen in seine Arbeiten versunken war (er studierte eine eben erschienene Novelle, denn es gehörte sich für jeden Studenten, die leichte Literatur seines eignen Vaterlandes sowohl wie die der fremden Nationen zu kultivieren), als Helene also eines Tages ins Zimmer kam und Pen auf dem Sofa über seiner Arbeit fand, ging sie, anstatt ihn zu stören, nach einer Zündhölzchenschachtel und seinem Zigarrenkistchen, die sich in seinem anstoßenden Schlafzimmer befanden, steckte ihm richtig die Zigarre in den Mund und zündete das Hölzchen an, an dem er sie in Brand setzte. Pen lachte und küßte die Hand seiner Mutter, die zärtlich über der 328 Lehne des Sofas hing. »Liebe alte Mutter,« sagte er, »wenn ich dich dies Haus niederbrennen hieße, so glaube ich wahrhaftig, du würdest es auch tun.« Und es ist sehr wahrscheinlich, daß Herr Pen recht hatte und daß die törichte Frau sicher so viel, wie er sagte, für ihn getan haben würde.

Außer den Werken englischer »leichter Literatur«, die der fleißige Student verschlang, brachte er Kisten voll leichter Literatur des benachbarten Frankreichs mit, auf deren Blättern Helene, als sie darin blätterte, Dinge las, daß sie die Augen vor Verwunderung weit auftat. Aber Pen erklärte ihr, daß er ja nicht diese Bücher geschrieben hätte, obwohl es absolut notwendig wäre, daß er sein Französisch durch die Bekanntschaft mit den berühmtesten Schriftstellern des Tages verbesserte, und daß es ebenso seine Pflicht wäre, den hervorragenden Paul de Kock zu lesen wie Swift oder Molière zu studieren. Und Frau Pendennis gab mit einem Seufzer der Verwunderung nach. Aber Fräulein Laura wurde vor diesen Büchern gewarnt, sowohl durch seine ängstliche Mutter, als durch den strengen Moralisten, Herrn Arthur Pendennis selbst, welcher, obwohl es sein Beruf sein mochte, jeden Literaturzweig zu studieren, um seinen Geist zu bilden und seinen Stil zu vervollkommnen, doch einer jungen Dame, deren Aufgabe im Leben ganz verschiedener Art wäre, solch einen Lesekursus durchaus nicht vorschreiben wollte.

Im Laufe dieser langen Ferien trank Herr Pen das Faß Claret aus, welches sein Vater hingelegt hatte, und von dem wir den Sohn bemerken hörten, daß man 329 auch nach einem Oxhoft keinen Katzenjammer bekäme, und als dieser Wein erschöpft war, schrieb er um weitere Zufuhr an »seine Weinhändler«, die Herren Binney und Latham von Mark Lane, London, von denen tatsächlich der alte Doktor Portman unseren Pen, als er auf die Universität abging, seinen Bedarf an Portwein und Sherry zu beziehen empfohlen hatte. »Sie werden ohne Zweifel Ihre jungen Freunde im Bonifaz manchmal mit Wein zu traktieren haben,« hatte der würdige Rektor zu dem jungen Menschen bemerkt. »Dergleichen war zu meiner Zeit auf der Universität üblich, und ich möchte Ihnen raten, sich eines ehren- und achtenswerten Hauses in London wegen Ihres kleinen Weinvorrates zu bedienen, anstatt zu den Oxbridger Händlern Ihre Zuflucht zu nehmen, deren Wein, wenn ich mich recht erinnere, sowohl von schädlicher Beschaffenheit als auch übermäßig teuer war.« Und der gehorsame junge Gentleman nahm des Doktors Rat an und ward auf des Rektors Vorschlag ein Gönner der Herren Binney und Latham.

So deutete denn auch Herr Pen, als er die Ordre für einen Weinvorrat, der nach den Kellern von Fairoaks kommen sollte, schrieb, an, daß die Herren B. und L. seine Rechnung für den auf der Universität bezogenen Wein ebenfalls zugleich mit der Fairoakser Rechnung einschicken möchte. Die arme Witwe war erschrocken über die Höhe derselben. Aber Pen lachte über ihre altmodischen Ansichten, sagte, die Rechnung wäre mäßig, jeder tränke jetzt Claret und Champagner, und so bezahlte schließlich die Witwe, wobei sie freilich unbestimmt fühlte, daß die Ausgaben 330 ihres Haushalts sich beträchtlich vergrößerten und ihr kleines Einkommen kaum zur Deckung derselben hinreichen würde. Aber sie waren ja auch nur gelegentlich. Pen kam nur auf ein paar Wochen in den Ferien nach Hause, und Laura und sie konnten es sich absparen, wenn er fort war. Und mußten sie ihn nicht in der kurzen Zeit, wo er bei ihnen war, glücklich machen?

Arthurs eigene Geldquellen flossen in dieser Zeit reichlich, ja, viel reichlicher, als die der Söhne begüterterer Leute. Vor Jahren schon hatte der haushälterische und besorgte John Pendennis, dessen Lieblingsprojekt es immer gewesen war, seinem Sohne Universitätsbildung und jene Vorzüge zuteil werden zu lassen, deren ihn selbst die Verschwendung seines eigenen Vaters beraubt, einen Geldvorrat anzusammeln begonnen, den er »Arthurs Erziehungsfonds« nannte. Jahr auf Jahr fanden die Vollstrecker seines Testaments in seinen Büchern Summen eingetragen, die mit A. E.-F. bezeichnet waren, und während der Periode, die auf den Tod ihres Gatten folgte, und bevor Pen die Universität bezog, hatte die Witwe beträchtliche Summen zu diesem Fonds hinzugefügt, so daß derselbe, als Pen nach Oxbridge ging, keine unbeträchtliche Höhe erreichte. Versehen wir ihn mit einem reichen Wechsel, war Major Pendennis' Grundsatz. Lassen wir ihn sein erstes Entrée in die Welt als Gentleman machen und seinen Platz bei Leuten von gutem Range und Stande einnehmen; wenn wir ihm das gegeben haben, so wird es seine eigene Pflicht sein, es sich zu erhalten. Es gibt kein übleres Verfahren, als mit einem Jungen zu knausern oder ihn in 331 Geldsachen schlechter zu stellen, als seine Kollegen. Arthur wird bald der Welt ins Auge sehen und für sich selbst kämpfen müssen. Inzwischen werden wir ihm gute Freunde verschafft haben, eine Lebensart wie ein Gentleman, ihn für die Zeit, wo der eigentliche Kampf kommt, wohl gedeckt und verwahrt haben. Diese liberalen Ansichten brachte der Major wahrscheinlich aus zwei Gründen vor, erstens, weil sie gerecht waren, und zweitens, weil sein eigenes Geld dabei nicht im Spiele war.

So sah denn der junge Pen, der einzige Sohn eines begüterten Landedelmannes, mit einem guten Wechsel und einer Lebensart und Erscheinung, ähnlich wie der eines Gentleman, wie ein junger Mensch aus, hinter dem sich viel mehr vermuten ließ, als wirklich der Fall war; und er galt denn auch bei den Oxbridger Autoritäten, Kaufleuten und niederen Würdenträgern als vollendeter junger Stutzer und Mitglied der Aristokratie. Sein Benehmen war frei, mutig und vielleicht ein bißchen impertinent, wie es einem hochveranlagten jungen Menschen zukommt. Er war durchaus freigiebig und griff mit allen Händen in sein Geld, das ziemlich reichlich vorhanden zu sein schien. Er liebte Lustbarkeiten und hatte eine gute Singstimme. Bootwettfahren wurde zu Pens Zeiten noch nicht mit so tollem Eifer betrieben, ein Sport, der, wie man uns berichtet hat, seitdem auf der Universität aufgekommen ist; Reiten und Tandemfahren war damals die Mode der geistreichen Jugend. Pen ritt gern auf die Jagd, erschien in rotem Rocke, wie es einem jungen Stutzer zukam, und wenn er auch nicht besonders 332 extravagant in equestrischen oder ähnlichen Vergnügungen war, so brachte er es doch dahin, daß bei Nile, dem Pferdeverleiher, und bei einer Anzahl anderer derartiger Anstalten eine hübsche Summe auflief. In der Tat fand dieser glückliche junge Gentleman fast an allen Sachen in beträchtlichem Grade Geschmack. Er war ein großer Freund von Büchern aller Art. Doktor Portman hatte ihm die Vorliebe für seltene Ausgaben beigebracht, und sein eigener Geschmack brachte ihn dazu, schöne Einbände gern zu haben. Es war staunenswürdig, was für dicke Handschriften, was für Vergoldungen und Marmorierungen und was für blindgepreßte Einbände die Buchhändler und Buchbinder auf Pens Bücherregale stellten. Er hatte einen sehr guten Geschmack in Kunstsachen und ausgesprochenen Gefallen an Kupferstichen aus guter Schule – keine Bilder eurer französischen Operntänzerinnen oder buntflimmernden Wettrennen, wie sie die einfachen Augen seines Vorgängers, Herrn Spicers, entzückt hatten – sondern euren Stranges und Aetzungen nach Rembrandt und Wilkies vor der Subskription, mit denen seine Gemächer bald im vollkommensten guten Geschmack geziert waren, soweit solcher an der Universität, wo dieser junge Mann sich keinen geringen Ruf erwarb, überhaupt möglich war. Wir haben bereits erwähnt, daß er eine gewisse Neigung für Ringe, Juwelen und hübsche Fassungen aller Art an den Tag legte, und man muß dem Herrn Pen auch zugestehen, daß er während seiner Universitätszeit stets sehr frei gekleidet war und es liebte, sich in glänzendem Aufzuge zu zeigen. Er und seine vornehmen Freunde 333 kleideten sich, wenn sie auf ihren Zimmern miteinander speisten, mit ebensoviel Sorgfalt an, wie es andere Leute tun würden, die eine Geliebte bezaubern wollen. Man sagte, er pflegte über seinen Glacéhandschuhen Ringe zu tragen, was er aber stets leugnete; aber welche Torheiten begeht die Jugend nicht mit ihrer bewunderungswürdigen Ernsthaftigkeit und Einfalt? Daß er parfümierte Bäder nahm, ist wahr, und er pflegte zu sagen, er nähme sie, wenn er in der Hall gewisse Leute sehr untergeordneter Art getroffen hätte.

In Pens zweitem Jahre, wo Fräulein Fotheringay ihr größtes Aufsehen in London machte und Hunderte und Tausende von ihren Bildern veröffentlicht wurden, hatte Pen eines derselben in seinem Schlafzimmer aufgehängt und vertraute den Leuten seines Verkehrs an, wie ungeheuer, wie wild, wie toll, wie leidenschaftlich er dies Weib geliebt hätte. Er zeigte ihnen im Vertrauen die Verse, die er auf sie gemacht, und seine Augenbrauen pflegten sich zusammenzuziehen, seine Augen zu rollen, seine Brust vor Erregung zu wogen, wenn er diese verhängnisvolle Periode seines Lebens schilderte und das Weh und die Qualen beschrieb, die er erlitten hatte. Die Verse wurden abgeschrieben, herumgegeben, bespöttelt, bewundert, von Clique zu Clique geschickt. Es gibt wenig Dinge, die einen jungen Mann in der Schätzung seiner Kameraden höher heben, als der Ruf, heftige und romantische Leidenschaft gehabt zu haben. Vielleicht ist in allen Fällen etwas Edles daran – unter sehr jungen Leuten wird es als heroisch betrachtet – Pen wurde jedenfalls als ein verteufelter Kerl proklamiert. 334 Es hieß, er hätte beinah Selbstmord begangen und mit einem Baronet ihretwegen ein Duell gehabt. Die Füchse zeigten ihn sich untereinander. Wenn er, umgeben von seinen Freunden, um die Promenadenzeit, d. h. um zwei Uhr, aus dem Kollegium hinausschlenderte, so war er prächtig anzuschauen. Er war sorgfältig gekleidet. Er pflegte die Damen zu beäugen, die an der Universität die Löwinnen des Tages spielten und vor ihm an den Armen glücklicher Studenten vorbeipassierten, und über ihre persönlichen Reize oder ihre Toiletten sein Urteil mit der Würde eines Kritikers abzugeben, dessen Erfahrung ihn berechtigt, als Autorität zu sprechen. Die Studenten pflegten sich eines Spazierganges mit Pendennis zu rühmen und waren ebenso froh, in seiner Gesellschaft gesehen zu werden, wie mancher von uns sein würde, wenn er in Pall Mall mit einem Herzog spazieren ginge. Er und der Pedell zogen, wenn sie einander begegneten, die Kappen vor einander, als ob sie Nebenbuhler in der Gewalt wären, und die Studenten wußten kaum, wer von beiden der größere sei.

Kurz, Arthur Pendennis war im Laufe seines zweiten Jahres einer der Tonangeber der Universität geworden. Es ist spaßhaft, die leicht zu erringende Bewunderung und einfache Treue der Jugend zu beobachten. Sie hängt sich an einen Anführer, bewundert ihn, liebt ihn und ahmt ihm nach. Kein Junge edlen Gemütes lebte wohl je, wie ich glaube, der nicht etwas Staunenswertes oder Bewundernswertes an irgendeinem anderen Knaben fand, und Herr Pen in Oxbridge hatte seine Schule, seinen treuen Kreis von Freunden 335 und seine Nebenbuhler. Wenn die jungen Leute in den Läden der Schnittwarenhändler hörten, daß Herr Pendennis von Bonifaz eben ein karmoisinrot seidenes Halstuch bestellt habe, so konnte man noch in derselben Woche ein paar Dutzend karmoisinrot seidene Halstücher in der Mani Street herumspazieren sehen; und von Simon, dem Juwelier, war's bekannt, daß er nicht weniger als zwei Gros von Pendennisnadeln – so genannt nach einem Muster, das der junge Gentleman in seinem Laden ausgesucht hatte – losgeworden war.

Wenn nun irgend jemand, der ein guter Rechenmeister ist, sich die Mühe geben will, auszurechnen, was für eine Summe Geldes es einem jungen Manne kosten muß, sich ungeniert all diesen Neigungen hinzugeben, die Pen, wie gesagt, einmal besaß, so wird man sehen, daß ein junger Mann mit so teurem Geschmack und so kostspieligen Vergnügungen notwendigerweise im Laufe von zwei oder drei Jahren eine recht hübsche Summe Geldes vertan haben oder schuldig geblieben sein muß. Wir haben bereits gesagt, daß unser Freund Pen kein guter Rechenmeister war. Keine einzige seiner Neigungen war über die Maßen verschwenderisch, und es steht fest, daß Paddingtons Schneiderrechnung, die Rechnung von Guttleburys Koch für Diners, Dilley Tendys Rechnung bei Fine, dem Kunsthändler für Raffael-Morghens und echte Landseers, ferner Wormalls Zahlung an Parkton, den großen Buchhändler, für Aldinische Ausgaben, Folianten in Mönchsschrift und reichgemalte Meßbücher aus dem 16. Jahrhundert, endlich Snaffles oder Fokers 336 Pump bei Nile, dem Pferdeverleiher, jede einzeln oder alle miteinander, unvergleichlich größer waren als irgendeine von den kleinen Rechnungen, die Pen bei irgendeinem der obenerwähnten Geschäftsleute hatte auflaufen lassen. Aber Pendennis von Bonifaz hatte vor all diesen jungen Gentlemen, seinen Freunden und Genossen, voraus, daß sein Geschmack universeller Art war. Und während der junge Lord Paddington nicht zwei Pence für das schönste Kunstblatt wegwarf und in keinen Goldrahmen sah, der nicht einen Spiegel umschloß, und Guttlebury sich nicht im mindesten um seinen Anzug kümmerte, und eine Aversion, ja eine Todesangst vor allen Reitübungen hatte, und Snaffle nie gedruckte Bücher außer seinem »Wettrennkalender« oder »Bells Leben« las, oder sich um irgendeine andere Handschrift kümmerte, als um sein eigenes schmieriges kleines Gekritzel in einem Rennbuche, beschäftigte sich unser junger Freund, dessen Gemüt für allerhand Raum hatte, wie die katholische Kirche, mit jedem einzelnen Zweige dieser obenerwähnten Wissenschaften oder Vergnügungen und zeichnete sich leidlich in jedem einzelnen aus.

Davon erlangte der junge Pen einen ungeheuren Ruf an der Universität und wurde als eine Art Crichton gepriesen; den Preis für ein englisches Gedicht, mit dem Pen sich, wie wir gesehen haben, in Fairoaks eifrig beschäftigte, trug allerdings in diesem Jahre zwar nicht Pen, sondern Jones aus dem Jesuskollegium davon, aber die Studenten hielten Pens Verse für viel schöner, und er hatte sie auch auf eigene Kosten drucken lassen und in einem vergoldeten 337 Maroquinumschlage an seine Bekannten verteilt. Ich fand neulich einen Abdruck davon in einem staubigen Winkel von Herrn Pens Bücherschrank und habe ihn in diesem Augenblicke vor mir liegen; er ist mit einer Sammlung alter Abhandlungen von Oxbridge, Universitätsstatuten, Preisgedichten siegreicher oder abgewiesener Bewerber, Deklamationen, vorgetragen in der Kapelle des Kollegiums, Reden, gehalten im allgemeinen Debattenverein und von Arthur mit der Aufschrift seines Namens und Kollegiums: Pendennis-Bonifaz versehen oder von ihm seinem geliebten Freunde Thompson oder Jackson, dem Verfasser, verehrt. Wie wunderlich die Aufschriften in diesen halb knabenhaften Handschriften aussehen und was für ein sonderbares Gefühl einem der Anblick dieser Dokumente nach Verlauf weniger Jahrzehnte hervorruft! Wie hat das Schicksal seitdem die einen weggenommen, die anderen entfremdet, mit allen wunderbar geschaltet! Manche Hand ist kalt geworden, die diese freundlichen Zeilen der Erinnerung schrieb und die wir mit dem vertrauenden und edelen Drucke jugendlicher Freundschaft umfaßten! Wie leidenschaftlich waren unsere Freundschaften in diesen alten Tagen, wie ungekünstelt und ohne Zweifel! Wir wurde der Arm, den ihr nie müde wurdet, in dem euren zu haben unter den schönen Baumgängen oder am Ufer des Flusses, wo er den Magdalenengarten oder die Wiesen der Christuskirche bespült oder sich am Trinity- oder Kingskollegium vorbeischlängelt – wie wurde er gezwungen herausgerissen, als ihr bald darauf in die Welt tratet und einer sich vom anderen trennte, um für sich allein 338 durch das große Gedränge auf dem Wege des Lebens sich durchzudrängen und zu kämpfen. Sind wir jetzt noch dieselben Menschen, die diese Widmungen schrieben, die diese Gedichte lasen und die diese Abhandlungen und Reden vortrugen oder anhörten, die so einfältig, so pomphaft, so verschwenderisch feierlich waren, so unbefangen anderen Büchern nachgeschrieben, die mit so vollen Backen und solch einer bewundernswerten Nachäffung von Weisheit und Ernst gesprochen wurden? Hier liegt das Buch vor mir; es ist kaum fünfzehn Jahre alt. Hier ist Jack, der voll Verzweiflung und byronischem Weltschmerz stöhnt, Jack, dessen Laufbahn auf der Universität eine Laufbahn ungemischten Milchpunsches war. Hier ist Toms kühne Abhandlung zur Verteidigung des Selbstmordes und des Republikanismus im allgemeinen, im Hinblick auf den Tod Rolands und der Girondisten – Toms, der jetzt die steifste Halsbinde im ganzen Sprengel trägt, und sich eher eine Backpfeife geben lassen, als Freitag in den Fasten ein Beefsteak verspeisen würde. Hier ist Bob, aus dem Bezirke von –, der sich in Eisenbahngeschäften ein Vermögen erworben hat und mit Tankred und Gottfried mit donnernder Stimme ausruft: »In die Bresche, ihr Krieger mit dem Zeichen des Kreuzes! Erklimmt den roten Wall und durchschwimmt den hemmenden Graben! Spannt eure Armbrust gut, ihr unverzagten Schützen! Auf, Hellebarde, Streitaxt, Schleuder! Stoße, vernichtender Mauerbrecher und zerstörendes Katapult! Jerusalem ist unser – id Deus vult. Hierauf folgt eine honigsüße Beschreibung der Gärten von Saron 339 und der Mädchen von Salem, eine Weissagung, daß Rosen das ganze Land von Syria bedecken sollen und daß bald ein Königtum des Friedens aufgerichtet werden wird – alles in untadeligen fünffüßigen Jamben und mit der wunderlichsten Nachäffung von Sinn, Empfindung und Poesie. Und hier sind unter diesen würdevollen Parodien und knabenhaften Versuchen (die zugleich so frei und falsch, so spaßhaft und in gewisser Beziehung so traurig sind) auch Abhandlungen und Gedichte von jugendlichen Händen, die nie mehr schreiben werden. Das Schicksal ist düster dazwischen getreten, die jungen Stimmen sind verstummt, der feurige Geist hat aufgehört zu arbeiten. Dieser hatte Genie und großen Scharfsinn und schien zu Ehren bestimmt, die jetzt für ihn keinen Wert mehr haben; jener war tugendhaft, gelehrt, talentvoll, hatte jede Fähigkeit und Begabung, mit der man sich sicher Liebe, Bewunderung und weltlichen Ruf erwirbt; ein unbekannter und einsamer Friedhof umschließt das Grab mancher zärtlichen Hoffnungen und den pathetischen Denkstein, der ihnen Lebewohl sagt. Ich sah, als im letzten Jahr das Laub fiel, die Sonne darauf scheinen und hörte den lieblichen Chor der Dorfkirche seinen Wechselgesang darüber anstimmen. Was ist für ein Unterschied, ob es Westminster oder ein kleines Denkmal auf einem Dorfkirchhofe ist, der eure Asche deckt, oder ob euch die Welt ein paar Tage früher oder später vergißt?

Inmitten dieser Freunde also und als ein Wirt und Gast mehr verlebte Pen mehr als zwei glänzende und glückliche Jahre seines Lebens. Er hatte 340 Vergnügen und Beliebtheit in Fülle. Kein Mittags- oder Abendessen war vollzählig, wo er nicht dabei war, und Pens lustige Laune, seine Lieder, seine erstaunliche Beherztheit, sein freies und mannhaftes Benehmen bezauberten alle Studenten. Obgleich er der Liebling und Führer der jungen Leute wurde, die ihm an Reichtum und Lebensstellung weit überlegen waren, war er doch von viel zu edlem Sinne, als daß er versucht hätte, sie sich durch irgendeine Erniedrigung oder Kriecherei seinerseits geneigt zu machen, und er würde auch nicht den geringsten seiner Bekannten zu dem Zwecke vernachlässigt haben, um sich dadurch die Gunst eines der reichsten jungen Granden auf der Universität zu erwerben. Sein Name wird im allgemeinen Debattenklub noch immer als der eines der glänzendsten Redner seiner Zeit im Andenken behalten. Beiläufig gesagt, wenn er in seinem Fuchsjahre ein glühender Tory gewesen war, so nahmen seine Grundsätze plötzlich eine andere Wendung, und er wurde ein Liberaler von der heftigsten Färbung. Er gestand selbst zu, ein Verehrer Dantons zu sein, und behauptete, Ludwig der Sechzehnte sei mit Recht abgetan worden. Und was Karl den Ersten betraf, so schwur er, daß er das Haupt dieses Herrschers mit seiner eigenen rechten Hand abhauen wollte, wenn er jetzt im Klub des allgemeinen Debattenvereins sich befände und Cromwell keinen anderen Scharfrichter für den Verräter hätte. Er und Lord Magnus Charters, der Sohn des vorerwähnten Lord Runnymede, waren die entsetzlichsten Republikaner ihrer Tage.

Ein berühmter Name dieser Art macht sich ganz 341 unabhängig von der Hierarchie der Kollegien in der Republik der Studenten. Jemand kann in den Ehrenlisten berühmt und doch den Studenten ganz unbekannt sein. Sie wählen sich Könige und Häuptlinge aus ihrer Mitte, die sie bewundern und denen sie gehorchen, ganz wie die Neger einer Pflanzung ihren geheimen schwarzen, aus ihrem Kreise hervorgegangenen Herrschern, denen sie außer der Unterwürfigkeit, die sie öffentlich ihren Herrn und Aufsehern beweisen, noch besonders gehorsam sind. Unter den jungen Leuten wurde Pen berühmt und populär; nicht weil er viel tat, sondern weil man allgemein die Ueberzeugung hatte, daß er viel tun könnte, wenn er Lust dazu hätte. »Ach, wenn Pendennis von Bonifaz es nur versuchen wollte,« sagten die Studenten, »dann würde er alles Mögliche vollbringen.« Er wurde zurückgewiesen mit der griechischen Ode, bei der Smitt aus dem Trinity College den Preis bekam; alle Welt war gewiß, er werde bei der Preisbewerbung um den besten lateinischen Hexameter siegen, und dennoch trug ihn Brown von St. Johns-Colleg davon. Und so verlor er eine der akademischen Ehren nach der anderen, bis Herr Pen seine Bewerbungen einstellte, nachdem ihm der Sieg zwei- oder dreimal entgangen war. Aber er gewann einen Deklamationspreis in seinem eigenen Kollegium und brachte seiner Mutter und Laura nach Fairoaks eine Reihe Prämienbücher mit nach Hause, die mit dem vergoldeten Kollegiumswappen versehen und so dick, schön gebunden und prächtig waren, daß diese Damen dachten, niemals wäre zuvor in einem Kollegium ein solcher Preis wie der Pens verteilt 342 worden, und er habe die allerhöchste Ehre erlangt, die Oxbridge zu gewähren imstande wäre.

Als aber Ferien auf Ferien vergingen und Halbjahr auf Halbjahr verflossen, ohne daß die ersehnte Nachricht eingetroffen war, Pen habe ein Stipendium oder einen akademischen Grad erlangt, wurde Doktor Portman bedeutend kühl in seinem Benehmen zu Arthur und nahm eine Miene verdrießlicher Großartigkeit gegen ihn an, die Pen mit einem Hochmut ähnlicher Art erwiderte. In den einen Ferien besuchte er den Doktor überhaupt nicht, sehr zum Verdruß seiner Mutter, die es für ein Vorrecht hielt, in der Rektorei zu Clavering Zutritt zu haben, und auf Doktor Portmans uralte Witze und Geschichtchen, wenn sie auch hundert- und aber hundertmal schon zum besten gegeben waren, mit nimmermüder Verehrung horchte. »Ich kann des Doktors Gönnermiene nicht ausstehen,« sagte Pen. »Er ist zu gütig zu mir, viel zu väterlich. Ich habe in der Welt vornehmere Leute als ihn gesehen und habe keine Lust mich zu langweilen, indem ich auf seine einfältigen abgedroschenen Geschichten höre.« Diese schweigende Fehde zwischen Pen und dem Doktor machte die Witwe ängstlich, so daß sie Portman ebenfalls auswich und sich fürchtete, nach der Rektorei zu gehen, wenn Arthur zu Hause war.

Eines Sonntags in den letzten großen Ferien trieb der unselige Knabe seinen rebellischen Geist so weit, daß er nicht einmal in der Kirche erschien und am Tor vom »Schild zu Clavering« gesehen wurde, wie er der frommen Gemeinde, als sie aus der Kirche zu St. Mary herauskam, eine Zigarre ins Gesicht rauchte. 343 Das machte ein schreckliches Aufsehen im Städtchen; Portman prophezeite nach diesem Verbrechen Pens Untergang und seufzte im Geiste über den rebellischen jungen Gottlosen.

Ebenso zitterten Helene und die kleine Laura in ihren Herzen. Laura war in dieser Zeit zu einem hübschen Backfischchen aufgewachsen, anmutig und schön; sie hing sehr an Helene und verehrte sie mit leidenschaftlicher Liebe. Beide Frauen empfanden, daß ihr Arthur verändert sei. Er war nicht mehr der unbefangene Pen der alten Zeit, der so wacker, so offenherzig, so stürmisch und zärtlich gewesen war. Sein Gesicht sah sorgenvoll und verstört aus, seine Stimme hatte einen tieferen Klang und sarkastischere Töne. Sorgen schienen ihn zu verfolgen, aber er lachte nur, wenn ihn seine Mutter darüber zur Rede stellte, und parierte ihre ängstlichen Fragen mit irgendeinem spöttischen Scherz. Auch verbrachte er nicht viele Tage seiner Ferien zu Hause; er ging zu dem einen oder dem anderen vornehmen Freund auf Besuch und erschreckte das stille Paar zu Fairoaks durch Geschichten aus den großen Häusern, wohin er eingeladen gewesen war, und dadurch, daß er von verschiedenen Lords sprach, ohne ihnen ihre Titel zu geben.

Der wackere Herr Foker hatte Arthur Pendennis' Einführung in jene Kreise junger Leute auf der Universität vermittelt, von deren Gesellschaft und deren Verbindungen Arthurs Onkel sich so großen Nutzen für den jungen Menschen versprochen hatte. Bei seiner ersten Abendgesellschaft hatte er Arthur zum ersten Mal zum Singen aufgefordert und ihn im Klub der 344 Barmeiden vorgestellt, wo nur die allerersten Leute von Oxbridge Zutritt fanden (er bestand zu Pens Zeit aus sechs hohen Adligen, acht Pensionären erster Klasse und zwölf der auserwähltesten Studenten der Universität). Dieser Foker also sah sich bald von dem jungen Fuchse in der feinen Welt von Oxbridge weit überflügelt; da er aber ein gutmütiger und wackerer Junge war, der nicht ein Fünkchen Neid in seinen Adern hatte, so war er über die Erfolge seines jungen Schützlings außerordentlich erfreut und bewunderte Pen grade ebensosehr, wie dies alle übrigen jungen Leute taten. Jetzt war er es, der Pen nachahmte und seine Aussprüche nachsprach, seine Lieder lernte und sie bei kleineren Abendgesellschaften vortrug und es nie satt bekam, sie aus des begabten jungen Dichters eigenem Munde zu hören; denn ein ansehnlicher Teil der Zeit, die Herr Pen viel nützlicher auf das Treiben regelmäßiger gelehrter Studien hätte verwenden sollen, wurde mit der Verfertigung weltlicher Balladen vergeudet, die er nach Studentenbrauch bei Abendgesellschaften sang.

Es würde sehr gut für Arthur gewesen sein, wenn der wackere Foker noch längere Zeit auf der Universität geblieben wäre, denn trotz all seiner Lebenslust war er ein kluger junger Mann, der Pens Hang zur Verschwendung oft in seine Schranken zurückwies; aber Fokers akademische Laufbahn erstreckte sich nicht sehr weit über Arthurs Eintritt in Bonifaz hinaus. Wiederholte Differenzen mit den Autoritäten der Universität veranlaßten Herrn Foker, Oxbridge vor der Zeit zu verlassen. Er bestand darauf, den Wettrennen 345 auf der benachbarten Hungerforder Haide beizuwohnen, obwohl ihm dies von seinen akademischen Vorgesetzten untersagt wurde. Er konnte nie dazu gebracht werden, die Kapelle des Kollegiums mit jener regelmäßigen Frömmigkeit zu besuchen, die die Alma mater von ihren Kindern verlangt; Tandems, die in den Augen von Studiendirektoren und Universitätslehrern ein Greuel sind, waren Fokers größtes Entzücken, und er fuhr sorglos darauf los, und die Unfälle und Zusammenstöße mit seiner »Spritze« waren so häufig, daß Pen eine Fahrt mit ihm die »Kreuz- und Quersprünge Purleys« nannte; endlich traf es sich bei einem Gelage auf seinen Zimmern, wo Foker einige Londoner Freunde bewirtete, daß Herrn Foker nichts mehr spaßhaft genug war, und er Herrn Bucks Tür scharlachfarben anstreichen mußte, bei welchem Ulk er aber vom Pedell erwischt wurde; und wenn auch der junge Black Strap, der berühmte Negerboxer, der einer von Herrn Fokers ausgezeichnetsten Gästen war und der den Farbentopf hielt, während der junge Künstler an der Tür arbeitete, zwei von den Begleitern des Pedells zu Boden schlug und Wunder der Tapferkeit verrichtete, so schadeten diese Heldentaten Foker doch mehr, als sie ihm nützten, denn der Pedell kannte ihn recht gut, und er wurde mit dem Pinsel in der Hand erwischt, vor Gericht gefordert und schließlich von der Universität relegiert.

Der Direktor schrieb über die Angelegenheit einen sehr höflichen und gefühlvollen Brief an Lady Agnes, indem er vorausschickte, daß jedermann seine Freude an dem Jüngling hätte, daß er nie einem sterblichen 346 Wesen hätte weh tun wollen, daß er seinerseits entzückt gewesen wäre, den harmlosen, kleinen, kindlichen Scherz zu verzeihen, aber daß es die unselige Veröffentlichung desselben unmöglich gemacht hätte, den Spaß zu übersehen, und er sprach die heißesten Wünsche für das Wohlergehen des jungen Menschen aus – ohne Zweifel aufrichtige Wünsche, da Foker, wie wir wissen, aus einer hochadligen Familie mütterlicherseits stammte und väterlicherseits Erbe vieler Tausende von Pfund jährlichen Einkommens war.

»Mache mir nichts draus,« sagte Foker, als er mit Pen darüber redete; »ein bißchen früher oder später, was ist dabei? Ich würde im Examen doch wieder durchgefallen sein, ich weiß das – das viele Latein kann ich nun einmal nicht in meinen Kopf pfropfen, und die Angst meiner Frau Mama würde nächstes Halbjahr in hellen Flammen ausgebrochen sein. Der Hofmeister wird freilich japsen wie ein alter Walfisch, das weiß ich – na, wir müssen eben warten, bis er wieder zu Atem kommt. Ich werde wahrscheinlich ins Ausland gehen und meinen Geist am Reisen in fremden Gegenden bilden. Ja parly voo's soll mein Ziel sein. Italien oder so etwas. Ich werde nach Paris gehen, tanzen lernen und meine Erziehung vervollständigen. Aber nicht um mich habe ich Sorge, Pen! Solange Leute Bier trinken, habe ich keine Sorge; um dich, mein Junge, aber habe ich welche. Du gehst zu schnell und kannst nicht Schritt halten, das sage ich dir. Es ist nicht wegen der fünfzig, die ich dir gepumpt habe – bezahle oder bezahle sie mir nicht, wie es dir paßt, – sondern es ist, weil du Tag 347 für Tag zu viel vertust; und ich sage dir, das bricht dir den Hals. Du lebst, als ob der Säckel zu Haus nie ein Ende nähme, du solltest keine Diners geben, du solltest dir welche geben lassen. Die Kerls sind froh, wenn du nur dabei bist. Du solltest keine Schulden bei den Pferdephilistern machen, du solltest anderer Leute Mähren reiten. Du verstehst vom Wetten nicht mehr als ich von der Algebra! Die Schlingel werden dir dein Geld sicherlich abnehmen, so wie du es treibst. Ich will mich hängen lassen, wenn du nicht allen Quark versuchst. Ich sah dich letzte Woche bei Trumpington beim Ecarté sitzen und nach Ringwoods Abendessen zu knobeln anfangen. Sie werden dich dabei auf den Sand setzen, Pen, mein Junge, selbst wenn sie ehrlich spielen, wobei ich weder sage, daß sie es nicht tun, noch behaupte, daß sie es tun, versteh mich wohl. Aber ich würde nicht mit ihnen spielen. Du kommst ihnen nicht gleich; du nimmst es nicht mit ihnen auf. Es ist, wie wenn der kleine Black Strap es mit Tom Spring aufnehmen würde, – der Black ist ein ziemlich guter Boxer, aber, Gott steh mir bei, sein Arm ist ja nicht einmal lang genug, um Tom auch nur zu berühren, – ich sage dir also, du fängst mit Leuten an, die dir über sind. Paß mal auf, wenn du mir versprechen willst, nie mehr zu wetten noch Würfelbecher oder Karten anzurühren, so laß ich dir die beiden Ponies da.«

Aber Pen sagte lachend, er wollte auf keinen Fall, obwohl es ihm im Augenblick nicht passe, die beiden Ponies zu bezahlen, Schulden erlassen haben, die er einmal gemacht hätte. Und so schieden er und Foker 348 von einander, nicht ohne mancherlei trübe Ahnungen von Seiten des letzteren über seinen Freund, den Harry sich eilig auf dem Wege zum Untergang weiterschreitend dachte.

»Man muß mit den Wölfen heulen,« sagte Pen mit dandyhafter Miene, indem er mit ein paar Sovereigns in seiner Westentasche klimperte. »Ein kleines ruhiges Spielchen Ecarté kann einem Menschen, der ziemlich gut spielt, nichts schaden; kam ich doch um vierzehn Sovereigns reicher von Ringwoods Abendessen heim, und, zum Teufel, ich brauchte das Geld.« – Und damit ging er, nachdem er sich von dem armen Foker verabschiedet, der ohne Sang und Klang abzog und dem nicht mal das Anerbieten, ihn zu begleiten, gemacht wurde, seines Weges, um die Vorbereitungen zu einem kleinen Diner zu überwachen, das er in seinen Zimmern im Bonifaz geben wollte, bei welchen Schmäusen der Koch des Kollegiums, der einen großen Respekt vor Herrn Pendennis hatte, sich immer ganz besondere Mühe für seinen jungen Günstling gab.



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