Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 5
Julius Stettenheim

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115 Chartum.

Herrn Wippchen in Bernau.

Die uns von Ihnen zugehende Beschreibung der ersten Sitzung der egyptischen Conferenz ist ein journalistisches Meisterstück, welches nur Einen Fehler hat und zwar den allerdings sehr wesentlichen, daß wir es nicht veröffentlichen können. Alle Welt weiß, daß die egyptische Conferenz das Stadium des Projekts noch nicht verlassen hat, und daß es heute noch sehr fraglich ist, ob sie überhaupt zu Stande kommt. Noch giebt sich England alle Mühe, und Sie lassen die Vertreter der Großmächte zusammentreten und die erste Sitzung abhalten! Unmöglich! Was sollten wir zu unserer Entschuldigung sagen, wenn sofort nach dem Erscheinen Ihres Artikels die gesammte 116 Presse uns der absichtlichen Täuschung angeklagt hätte? Wir hätten es uns gefallen lassen müssen, – und das können Sie uns doch wahrlich nicht zumuthen, – daß man uns anklagte, zu einem Börsenmanöver die Hand geboten zu haben. Denn daß Sie den Vertreter Frankreichs mit den Worten aufspringen lassen: »Meine Herren, wenn England nicht binnen 24 Stunden den Pyramiden den Rücken zukehrt, so hat es sich die Folgen selbst in die Schuhe zu schreiben,« sieht doch – abgesehen von der etwas unstaatsmännischen Form dieser Erklärung – ganz so aus, als wollten Sie eine Baisse hervorrufen.

Sie um einen anderen Bericht bittend, grüßen wir Sie

ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 21. Mai 1884.

Ich und ein Börsenmanöver! Als ich dies las, fiel ich fast aus den Wolken, welche meine Stirn umwölkten. Es giebt auf der ganzen Erde kaum zwei Pole, welche so weit von einander entfernt sind, wie ich und ein Börsenmanöver. 117 Ich stehe der Berliner Börse nicht näher als etwa der Goethe im Thiergarten, und füllten mir die Naböbe die Taschen mit Kronend'ors, so würde ich doch meinen Mund nicht aufthun, um eine Baisse hervorzurufen. Niemals habe ich auch nur den Schatten eines Krieges erklärt, um wie Jago Geld in meinen Beutel zu thun. Ich weiß es ja: Die Geldkatze läßt das Mausen nicht. Aber die meinige läßt es. Wie können Sie nur so arg etwas wöhnen! Ich habe Ihnen noch nichts so wie diesen Verdacht verdacht.

Wahrlich, wenn ich jemals, um mich zu bereichern, geschrieben hätte, was ich dem Merkur an den Augen absehen konnte, so wäre ich heute gewiß ein Mann, der von Geld wie Heu lebt, auf zweispännigem Gummi durch die Straßen kutschirt und seine Zinsen von silbernen Tellern verzehrt. Statt dessen bin ich ein armer Gottseibeiuns, ein Habewenig, der häufig keinen rothen Nervus rerum in der Tasche hat, und der im Leben Nichts sparte als keine Mühe, ohne Schulden durch die Welt zu kommen. Oft weiß ich Abends nicht, woher ich am andern Tag die Hand nehmen soll, um von ihr in den Mund zu leben. Wenn mir das goldene Kalb nur ein wenig gelächelt hätte, so würde ich ganz gewiß nicht für Moses und die Propheten schreiben, sondern ich würde Sie im Gegentheil bitten, einen Andern zu suchen, der Lust hat, mein von dem Nöthigsten entblößtes Amt zu bekleiden. Das ist – verzeihen Sie das harte Wort! – keine Redensart. Es hat mich in meinen Grundvesten erschüttert, daß Sie 118 annahmen, ich hätte die egyptische Conferenz nur in die Welt geschleudert, um eine Panik hervorzurufen. Ich wollte nur meine Collegen um einige Federlängen schlagen. Denn die Conferenz wird sehr bald eröffnet, dann aber werden Sie um eine Post festum kommen, und dies wollte ich verhindern.

Indem ich Ihnen nun einliegend Chartum sende, erlaube ich mir, Ihnen eine persönliche Angelegenheit vorzutragen. Ich lese, daß auch auf den Geldmünzen Bakterien entdeckt sind, und will nun die Sache untersuchen. Zu diesem Zweck bitte ich Sie, mir drei Zwanzigmarkstücke, welche bereits längere Zeit in Umlauf waren, als Vorschuß zu senden. Ich möchte doch meine Neugierde nicht alt werden lassen.

* * *

Chartum, den 15. Mai 1884.

W. Es war eine unglückliche Idee von mir, dem General Gordon hierher zu folgen. Vorwitz ist der Vater der Dummheit, wie die Weisheit die Vorsicht Mutter nennt. Ich habe über und übereilt gehandelt. Dies wird erklärlich, wenn man weiß, was für ein Mann Gordon ist. Er sucht förmlich nach einem Vorwand, um mit dem Kopf hindurch zu rennen. Nichts scheint ihm in seinem sechsten Eigensinn unmöglich, und er redet sich ein, seine Quere sei so vorzüglich, daß ihm nichts in dieselbe kommen könne. Ein Engländer, wie man sich ihn vollblütiger nicht denken kann. Daß ihn 119 für seine Rechnung einmal der Wirth fehlen könnte, das kommt ihm nicht in den Sinn. Er glaubte, mit einem Kameel, das mit mehreren Centnern Sterling beladen war, den Sudan erobern zu können, aber das Kameel ist bis auf die Nagelprobe geleert, und wir sitzen bis an die Ohren gefangen.

Unsere Situation ist schrecklich. Jeden Augenblick kann der Mahdi kommen, und ebenso kann jeden Augenblick der Engländer nicht kommen. Auch müssen wir darauf gefaßt sein, daß die Chartumer über uns herfallen und uns um einen Kopf kleiner machen, als wir ohnedies schon sind. Wir können uns also kaum öffentlich sehen lassen, ohne zu fürchten, daß irgend ein Anhänger des Mahdi uns hängt. Anhänger ist nämlich wörtlich zu nehmen. Auf unsere Köpfe sind je zweihundert Pfund gesetzt, wieviel auf unsere übrigen Gliedmaßen, das haben wir noch nicht zu erfahren vermocht.

Selbstverständlich hat Gordon noch immer alle Säcke voll großer Rosinen. Fortwährend will er den Mahdi auf das Standrechtlichste erschießen lassen, und jeder Rebell soll mit dem Tode davonkommen. Keiner, so schreit er, soll mir ungestraft unter Palmen wandeln! Wir suchen diesen Heißsporn dann dadurch abzukühlen, daß wir ihm sagen, ein Gefangener könne doch kein solches Blutbad anrichten. Dann lacht er uns aus, so daß ich einmal leise seinen Landsleuten zuflüsterte: »Caviare to the general Gordon!«

Ich bin recht verzagt. Es ist die Fama zu uns gedrungen, man ginge in England mit dem Plan um, uns 120 auf Subscription zu befreien, und die Sammlung fiele auch sehr reichlich aus. Aber wir fragen uns doch: Wird der Mahdi so lange warten, bis die nöthige Summe complet ist? Und dann schütteln wir uns einander die Köpfe.

Gott erhalte mich!


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