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Vierunddreißigstes Kapitel.
Nach der englischen Missionsstation am Südende des Victoria-Njansa.

Ankori und Karagwe zu zwei verschiedenen Zeiten gesehen. – Karagwe und der Alexandra-Nil. – Die heißen Quellen von Mtagata. – Ein von den Nubiern gefangenes junges Rhinoceros zeigt sich im Lager sehr streitsüchtig. – Verschwinden Wadi Asmani's. – Die Ansicht des Paschas über Kapitän Casati. – Dr. Parke und das Zwergenfräulein. – Benehmen des Zwergenknaben. – Kibbobora verliert bei den heißen Quellen seine Gattin. – Ankunft in Kafurro. – Die letzten Könige von Karagwe. – Kiengo und die Ähnlichkeit Nelson's mit Speke. – Der König von Uganda in Karagwe sehr gefürchtet. – Ndagara weigert sich, unsere Kranken in seinem Lande aufzunehmen. – Lager bei Utenga. – Verlust von Leuten infolge der Kälte. – Wir werfen die überflüssigen Dinge in den Urigi-See, um die Kranken befördern zu können. – Wir erreichen den District von Ihangiro und müssen von da ab unsere Lebensmittel kaufen. – Der Urigi-See. – Fathel Mulla wird im Dorfe Mutara wild gegen die Eingeborenen und wird ihnen ausgeliefert. – Das Plateau von Unjamatundu. – Halt in Ngoti; der Häuptling Muengi. – Das Gebiet Kadjumba's. – Wir erhalten einen guten Blick auf den Victoria-See. – Das Land um Kisaho. – Löwen und Menschenschädel in der Nachbarschaft unsers Lagers. – Die Ereignisse von 1888 haben uns einen friedlichen Marsch nach der Küste gebahnt. – Ankunft in Amranda und Buanga. – Die französischen Missionare und ihre Station in Usambiro. – Ankunft auf der englischen Missionsstation des Herrn Mackay. – Herr Mackay und seine Bücher. – Wir ruhen uns aus und ergänzen unsere Vorräthe u. s. w. – Die Herren Mackay und Deakes geben uns vor unserm Weitermarsche ein prachtvolles Banket. – Der letzte Brief des Herrn A. M. Mackay vom 5. Januar 1890.

 

Wer zum ersten mal in der trockenen Jahreszeit nach Ankori oder Karagwe kommt und bei einem oberflächlichen Blicke nur vom Feuer geschwärzte große Strecken, die Linien und einzelnen Massen des zu Tage stehenden grauen Gesteins, hintereinander aufsteigende hohe Gebirgsketten, alles anscheinend bis zur vollständigen Oede versengt und verbrannt, sieht, würde leicht geneigt sein, ungeduldig auszurufen: »Zeigt mir nur einen hübschen Fleck in der ganzen Gegend!« Wer das thut, ist ein alter Bekannter von mir, ein galliger, streitsüchtiger, freudloser, dünnblütiger, leberleidender Mensch, der an den Kongo, nach Ostafrika oder Betschuana-Land geht und, auf einen Ameisenhügel sich stellend, höhnisch fragt: »Und das nennt ihr Afrika? Pah!« Aber drei Wochen, nachdem das Feuer das dürre Gras zerstört und dem Lande ein so ödes Aussehen gegeben hat, schwankt schon wieder der junge Nachwuchs fröhlich im Winde und freut sich seiner Jugend, Berggipfel, Hügel und Thal sind mit hübschem Grün bekleidet und die beiden wegen ihrer Viehzucht berühmten Weideländer sehen wirklich schön aus. Ich habe sie jetzt unter zweierlei Verhältnissen kennen gelernt, gebe Ankori aber den Vorzug. Dort gibt es mächtige Ebenen, die sich wellenförmig bis in unbestimmte Fernen ausdehnen, hier und da von höckerigen, kuppenartigen Hügeln und zwerghaften Bergen unterbrochen, die durch Nebenflüsse des Alexandra-Nils, wie der Ruisi, und Zuflüsse des Albert-Edward-Sees, wie der Rusango, voneinander getrennt sind, große Flächen, welche sämmtlich innerhalb der gekrümmten Linien der großartigen mit Gras bewachsenen Gebirgsketten liegen, die das eine breite Flußbecken von dem andern scheiden. Die ganze Anordnung scheint so zu sein, als ob alles ausschließlich nach einem geschickten Plane angelegt wäre, um den Bedürfnissen der einzelnen Stämme zu genügen. Der Plan ist jedoch fehlgeschlagen, da Antari trotz der Ungeheuern Gebirgsdämme über die Becken des Ruisi, des Namiandja, des Rusango und vieler anderer Flüsse herrscht, in den letzten Jahren auch das Land Mpororo erobert hat, und wenn seine Macht nur seinem Ehrgeiz gleichkäme, wahrscheinlich auch Karagwe, Koki und Uddu bis zum Victoria-See annectiren würde.

Wir befinden uns jetzt in Karagwe. Der Alexandra-Nil, dem das Wasser aus Ruanda und Mpororo im Westen, aus Uhha im Norden, Urundi und Kischakka im Nordosten zuströmt, fließt nordwärts der westlichen Grenze von Karagwe entlang und wendet sich, sobald er Ankori erreicht, scharf nach Osten, um sich in den Victoria-See zu ergießen. Nachdem wir das schmale Thal verlassen hatten, stiegen wir in einer der für diesen Theil von Afrika so charakteristischen abfallenden engen Schluchten allmählich aufwärts und lagerten uns dann bei Unjakatera unter einer Hügelkette gleichen Namens. Wie man die Landschaft vom Gipfel dieser Hügel sieht, ist in dutzendfacher Wiederholung ganz Karagwe, es ist ein System tiefer enger Thäler, die, so weit das Auge reicht, sich zwischen langen schmalen Hügelrücken hinziehen. Im Norden von Karagwe werden die Thäler durch kleine Flüsse entwässert, welche dem Alexandra-Nil zuströmen.

siehe Bildunterschrift

Das kampflustige junge Rhinozeros im Lager

Unser zweiter Tagemarsch endete, als wir die heißen Quellen von Mtagata erreichten, die ich schon in meinem Werke »Durch den dunkeln Welttheil« beschrieben habe.

Bald nachdem wir ins Lager gekommen waren, begaben unsere Nubier sich auf die Jagd, und da das Land wegen seiner Rhinocerosse einen Ruf hatte und sie gute Schützen waren, gelang es ihnen, vier von diesen ungeheuern Thieren zu erlegen und ein Junges zu fangen und mit ins Lager zu bringen. Wir banden das Junge, das so groß war wie ein Zuchteber, an einen Baum, wo es uns einen Beweis davon gab, welch kampflustige Natur in ihm steckte. Bald hielt das Thier den Baum für einen Feind, stürmte zum Angriff heran und schlug mit seiner hornförmigen Nase eine Zeit lang auf ihn los, um dann, wenn es bemerkte, daß der Baum ihm zu viel Widerstand leistete, einen Augenblick aufzuhören, gleichsam um darüber nachzudenken, auf welch andere Weise es ihn angreifen könne; dann pflegten die unartigen Sansibaritenknaben das Thier aber mit einem langen Rohr an den Hinterschenkeln zu kitzeln, worauf es mit fürchterlichem Wuthgebrüll sich bis zur Länge des Taues auf die Missethäter stürzte. Das Rhinoceros schien mir die dümmste, bösartigste und unbändigste kleine Bestie zu sein, die ich je gesehen habe. Wenn es sich von dem Tau aufgehalten fühlte, merkte es, daß der Baum daran schuld war, worauf es wieder mit solcher Gewalt gegen denselben anstürmte, daß es zurücktaumelte; von hinten gestachelt und gekitzelt, brüllte es wieder, flog mit wunderbarer Behendigkeit herum und stürzte davon, bis es von dem Tau auf den Rücken geworfen wurde. Da wir einsahen, daß es nur eine Quälerei für das Thier sein würde, wenn wir es mit nach der Küste schleppten, übergaben wir es dem Schlächter und seinen Gehülfen.

siehe Bildunterschrift

Heiße Quelle in Mtagata.

Während des Marsches nach Kirurumo am 31. Juli legte Wadi Asmani, einer der Sansibar-Anführer, Gewehr und Kiste am Wege nieder und verschwand, ohne irgendjemand ein Wort zu sagen und ohne irgendwelchen Grund, da er Lohn für fast 30 Monate guthatte, sich in bester Körperverfassung befand und mit der ganzen Welt in Frieden lebte.

Kapitän Casati mußte wegen zunehmender Krankheit in eine Hängematte gepackt und getragen werden. Als der Pascha zu mir kam, sprach er seine Meinung dahin aus, daß Casati ein seltsamer Mensch sei. »Ich kam«, sagte er, »soeben von meinem Freunde Casati und fand ihn im Grase liegend, während die Sonne ihm mit solcher Glut auf den unbedeckten Kopf schien, daß sie mir sogar ungeachtet meines Toupet Unbehaglichkeit bereitete. Er hat vier Dienerinnen, außerdem zwei Manjema und seinen jungen Diener aus unserer Provinz, aber als ich ihn fragte, weshalb er sich nicht von seinen Leuten ein Schutzdach aus Bananenblättern herstellen ließe, die kaum 40 m von ihm entfernt waren, gab er mir zur Antwort: ›Ich habe keine Diener.‹ Ich fragte ihn dann: ›Weshalb schickten Sie nicht nach der Badewanne, die ich Ihnen versprochen hatte? Sie sollten die heißen Quellen hier benutzen.‹ ›Allerdings‹, erwiderte er, ›allein ich habe keine Leute.‹ ›Sie haben doch, soviel ich weiß, die vier kräftigen Dienerinnen.‹ ›Ja‹, entgegnete er, ›aber ich mag sie nicht gern auffordern, etwas zu thun, damit sie nicht sagen können, ich ließe sie wie Sklaven arbeiten. Sie sind Witwen, wie Sie wissen, ihre Männer sind gestorben u. s. w.‹«

Da das junge Zwergenfräulein, welches nun schon über ein Jahr bei uns gewesen war, Symptome chronischer Krankheit zu zeigen begann, mußten wir es bei dem Häuptling von Kirurumo zurücklassen. Das kleine Ding hatte Dr. Parke unterthänige Dienste geleistet, da er mit seiner sanften, milden Weise, in welcher er jedermann freundlich zulächelte, vollständig das Herz der Zwergin gewonnen hatte. Sie pflegte sein Zelt zu bewachen, und wenn er in seinen Dienstpflichten abwesend war, kauerte sie wie ein Hündchen am Eingange nieder und gestattete keinem Eindringlinge, demselben nahe zu kommen. Sie verrichtete ihre Arbeit in der bescheidensten Weise und war die einzige ihres Geschlechts, welche die Vorrechte, die wir den Frauen gewöhnlich im Lager gewährten, nicht misbrauchte. Auf dem Marsche trug sie die Büchertasche des Doctors, und bei der Ankunft am Halteplatze war sie fleißig wie eine Biene, um Brennmaterial zu sammeln und ihm eine Tasse stärkenden Thee zu bereiten, der ihm, wie sie nach geduldigem Lehren begriffen hatte, zu seinem Wohlbefinden nothwendig war. Ein anderer unserer Offiziere hatte ebenfalls einen ihrem Stamm angehörenden kleinen Burschen bei sich, der zu keinem sterblichen Menschen ein Wort sprach, ausgenommen zu seinem Herrn, und beinahe stets der erste war, der den Lagerplatz erreichte, Brennmaterial für den Herrn sammelte und Feuer anzündete. Obwol er auf dem Marsche beladen war, schien er doch nie müde oder ermattet zu sein, und machte uns niemals Schwierigkeiten. Manchmal, wenn er mit allem Fleiße einen Vorrath von Brennmaterial gesammelt hatte und einer der großen gefühllosen Grobiane letzteres dem Knaben fortnahm, gab dieser seine Noth durch Blicke kund, indessen faßte er gleich darauf wieder Muth, gab seinen ersten Vorrath auf und sammelte einen neuen Haufen, als ob die Zeit zu kostbar sei, um sie mit nutzlosen Reden über das Unvermeidliche zu vergeuden. Die Zwerge zeigten also durch ihr Benehmen, daß sie allem Besten und Edelsten in der menschlichen Natur verwandt waren.

Bei den heißen Quellen verlor Kibbobora, der Anführer der Manjema, sein Weib, worüber er in solchen Schmerz verfiel, daß wir ihn zurückhalten mußten, damit er keinen Selbstmord beging. Einsam in der Schlucht von Mtagata sitzend gab er seinen Klagen 24 Stunden lang durch Geheul Ausdruck, während seine Leute im Chor auf seine jammervollen Rufe antworteten, sodaß keiner von uns in der Nacht viel Schlaf bekam und wir alle unfreiwillige Theilnehmer an seinem Kummer wurden. Es dauerte mehrere Tage, ehe der arme Bursche sich von dem Schlage erholt hatte.

Unsern Marsch längs der grasbewachsenen Hügelrücken fortsetzend, welche parallel mit tiefen schmalen Thälern in der Richtung von Südsüdost nach Nordnordwest laufen und fast ausnahmslos die ganze Breite von Karagwe und Ruanda nach Westen einnehmen, gelangten wir in drei Tagereisen nach der Niederlassung Kafurro, einst einem Lieblingsaufenthalt der arabischen Händler.

Wie in Uganda, so haben auch in Karagwe Veränderungen stattgefunden. Mtesa, der uns zuerst durch die Kapitäne Speke und Grant bekannt geworden ist, war zu seinen Vätern versammelt worden, und nach ihm hatten im Laufe von 14 Jahren Muanga, Kiwewa, Karema und wieder Muanga auf seinem Thron gesessen. Der sanfte heidnische Rumanika, ein charakteristischer Mhuma, war ebenfalls hingegangen, um nur wenig friedlicher zu schlafen, als er gelebt hatte. Nach ihm kam sein ältester Sohn Kjensi, der nur neun Monate regierte; darauf folgte Kakoko, ein anderer Sohn, der sich mit Gewalt auf den Thron setzte, drei Jahre an der Herrschaft war und während dieser Zeit 17 Brüder erschlug und seinem jüngsten Bruder Luadjumba die Augen ausstach. Dann trat Katschikondju auf, bis Kakoko ihm, als er voll von Malwa auf seinem Lager lag, zweimal den scharfen Speer ins Herz stieß und das Land von dem Tyrannen befreite. In demselben Monat wurde Hamed den Ibrahim, der schon seit langen Jahren in Karagwe Elfenbeinhandel getrieben hatte, von seinem Sohne Seid ben Hamed ermordet. Der Nachfolger Kakoko's in den Rechten und Privilegien des Königs von Karagwe ist Ndagara oder Unjagumbwa, der zwei Namen besitzt. Er war jetzt im 16. Lebensjahre und als Sohn Kjensi's der rechtmäßige Thronfolger.

Das Willkommen, welches man der Expedition in ganz Ankori entgegengebracht hatte, wurde uns auch auf dem Marsche durch Karagwe zutheil. Auf dem Wege nach Kafurro war uns erlaubt worden, uns nach Belieben mit Bananen und Paradiesfeigen zu versorgen, und sobald Ndagara officiell von unserer Ankunft benachrichtigt worden war, sandte er uns eine genügende Menge Bananen, einen Ochsen, Hühner, Malwa, sowie einige Traglasten Bohnen, süße Kartoffeln und Getreide ins Lager. Als Gegengeschenk schickte ich ihm ein Winchestergewehr und ein paar Rollen Draht.

Kiengo, ein alter Führer Speke's und Grant's, die er von Unjanjembe nach Unjoro begleitet hat, sandte uns einen Ochsen, Bananen, Hühner und Milch und schenkte außerdem dem Kapitän Nelson, weil derselbe einige Aehnlichkeit mit »Speki« hatte, ein Fettschwanzschaf. Die einzige Abgabe, welche wir dafür zu entrichten hatten, war die Geduld, mit welcher wir seine Erinnerungen an »Speki« anhören mußten, die er nicht müde wurde zu wiederholen.

Der König von Uganda ist in Karagwe sehr gefürchtet. Ehe Muanga abgesetzt wurde, durfte kein Fremder das Land ohne seine Genehmigung passiren. Nach dem Tode Rumanika's hatten die Waganda ein so hochmüthiges Benehmen angenommen, daß sie auch die arabischen Gäste Ndagara's mit derselben Unverschämtheit mit Abgaben belegt hatten, mit der sie dieselben in Uganda erheben würden. Zwei Jahre vor unserer Ankunft waren die Waganda mit einer Truppenmacht in der Hauptstadt Ndagara's und in Kitangule erschienen, um die Fähren über den Alexander-Nil zu verlangen. In Kafurro fanden sie Bakari, einen Händler von der Küste, der den Platz Hamed ben Ibrahim's eingenommen hatte, und forderten von ihm 20 Gewehre und 20 Fäßchen Pulver; als er sie ihnen verweigerte unter dem Hinweise, daß er der Gast des Königs von Karagwe, aber nicht des Königs von Uganda sei, wurde er nebst seinen hervorragendsten Leuten auf der Stelle erschossen. In Anbetracht dieser Vorkommnisse ist es nicht wahrscheinlich, daß wir einen friedlichen Marsch durch Karagwe gehabt haben würden, wenn wir diese Route für die Befreiung Emin's gewählt hätten, da solche Mengen von Munition und Gewehren Uganda so widerspenstig gemacht haben würden, daß nur eine große militärische Macht den König zur Raison hätte bringen können.

Welche Gewalt Uganda in Karagwe ausübte, zeigte sich deutlich, als ich auf die Bitte von 26 Leuten des Paschas, ich möchte ihnen von Ndagara die Erlaubniß erwirken, bis zur Heilung ihrer Geschwüre im Lande zu bleiben, dem Könige die Mittheilung machte, daß wir mehrere Männer und Frauen bei uns hätten, die wegen zu schwerer Krankheit nicht weiter zu marschiren vermöchten. In seiner Antwort erklärte Ndagara, er könne den Leuten unter keiner Bedingung den Aufenthalt gestatten, da der König von Uganda, wenn es ihm zu Ohren käme, daß er, Ndagara, Fremden erlaube, in seinem Lande zu bleiben, böse werden und eine Truppenmacht schicken würde, um nicht nur die Fremden zu tödten, sondern auch Karagwe zu verwüsten. Ich übergab die Antwort dem Pascha, der mit seinen kranken, abgematteten Begleitern redete und ihnen die Sachlage auseinandersetzte; allein dieselben waren, wie er sagte, entschlossen zu bleiben, und da sie nur die Wahl über die Art des Todes hatten und wir schon so grausam überlastet waren, so konnten wir ihnen nicht weiter helfen.

Von Kafurro marschirten wir am 7. August nach Rosaka und am nächsten Tage zogen wir durch traurige Wüsten dürren Grases auf den Hügeln und in den Thälern. Schon am Morgen war die Luft sehr düster und regendrohend, und nachdem wir einem hohen Rücken entlang gegen den bitterkalten Wind gewandert waren, begann ein durchdringender feiner Regen zu fallen, der die Leute des Paschas vollständig lähmte. Die hinter der Hauptcolonne marschirende Nachhut sah, daß die Leute in vielen Fällen dem Zusammenbrechen nahe waren, Kapitän Nelson, der Befehlshaber derselben, ließ infolge dessen halt machen und durch seine Soldaten Feuer anzünden, allein manche von den frierenden Gestalten fielen um, ehe sie die Wärme erreichen konnten, und wurden starr und ohnmächtig, sodaß sie von den Sansibariten nach den Feuern getragen und geknetet werden mußten, worauf sie sich bald wieder erholten. Fünf Mann waren jedoch vor Kälte umgekommen, ehe die schwer in Anspruch genommene Nachhut sie zu erreichen vermochte. Die Spitze der Colonne war der letztern 8 km vorauf und vorwärts geeilt, um in den Bananenhainen des Beckens von Utenga Schutz zu suchen, sodaß es nicht möglich war sie zurückzurufen, da die Aegypter und ihre Begleiter die Gewohnheit hatten, unterwegs zu zaudern und 2-3 km hinter den Trägern zurückzubleiben, die aus langer Erfahrung wußten, daß es am besten war, möglichst rasch den Lagerplatz zu erreichen, um die Lasten los zu werden.

Am 10. August verließen wir Utenga, passirten zwei Bergketten und stiegen dann etwa 250 m nach dem schmalen Becken am obern Ende des Urigi-Sees hinab, wo wir nach Ueberschreiten des alten Seebettes einen gewundenen Pfad verfolgten, der der östlichen Uferlinie des Sees entlang lief. Nach der Ankunft im Lager gegenüber einer Stelle, wo der See die Breite von etwa 1½ km erreichte, schlachteten wir 9 Rinder zu Fleischrationen und warfen zwei Kisten Remingtonmunition ins Wasser. Der afrikanischen Seltenheiten aus der Waldregion und aller sonstigen überflüssigen Dinge hatten wir uns schon früher entledigt; jetzt mußten wir auch anfangen, die Munition zu beseitigen, um die kranken Flüchtlinge aus der Aequatorialprovinz tragen zu können.

Am 11. August verließen wir das Gebiet von Karagwe und wurden infolge der empfehlenden Einführung durch Ndagara in Ihangiro willkommen geheißen, wo man uns von einem Dorfe bis zum andern geleitete, bis wir in Kavari halt machten. Hier war jedoch das freie Leben zu Ende, denn von nun ab mußte jedes Korn und jede Banane gekauft werden. Vom Albert-Njansa bis zu diesem ersten wichtigen District in Ihangiro, eine Entfernung von über 900 km, war die Expedition umsonst und im Ueberfluß versorgt worden; von hier ab mußten wir an jedes Mitglied der Expedition, Mann, Frau und Kind, gewisse Mengen von Porzellan- und Glasperlen der verschiedensten Farben, rothe, weiße, blaue, braune und blaßrothe, als Landesmünze vertheilen, wofür die Leute sich, jeder vollständig nach seinem eigenen Belieben, Lebensmittel eintauschen konnten. Bei Leuten, welche fünftägige Rationen an einem Tage zu verzehren gewohnt waren, war es unklug, ihnen auf einmal einen Perlenvorrath für mehr als vier oder fünf Tage zu geben. Hätten wir ihnen eine Monatsration austheilen können, so würden unsere überbürdeten Träger dadurch ungeheuer entlastet und das Leben einiger Kranken gerettet worden sein, weil wir mehr von ihnen hätten in Hängematten tragen können; allein neun Zehntel unserer Leute würden ihre Geldrationen dazu verwenden, um eine Kleinigkeit Getreide, aber ungeheuere Mengen Malwa, Hühner und Ziegen anzukaufen, und schon nach zehn Tagen weitere Perlen oder Stoffe gefordert haben, sodaß die Expedition völlig an den Bettelstab und zum Stillstand gebracht worden sein würde.

siehe Bildunterschrift

Der Urigi-See.

Der Urigi-See sieht von Useni oder Kavari sehr hübsch aus. Seine hügelige Umrahmung ist zu dieser Zeit in ein volles Braun getaucht, in welchem zerstreut kleine Strecken dunkelgrüner Büsche liegen; das Wasser hat infolge des klaren blauen Himmels eine hellblaue Farbe. Die zurücktretenden Gewässer des Sees haben an beiden Seiten desselben und an den weit ins Innere der Thäler hinein sich erstreckenden Baien flache Ebenen zurückgelassen. Die Ufer und das Wasser bilden den Lieblingsaufenthalt vieler Vögel, wie Kraniche, Reiher, Pelikane, der kleinen schwarzen Parra africana, Silberreiher und Watvögel. Diese Vogelwelt findet vorzügliche Nahrung an den Enden und Ufern der zahlreichen Buchten, welche so dicht mit Pistia stratiotes bewachsen sind, daß sie aus einiger Entfernung wie grüne Rasenplätze aussehen. Flußpferde kommen hier sehr häufig vor und leider auch ganze Armeen von schwarzen Moskitos. Das östliche Ufer fanden wir mit Knochen erschlagener Thiere dicht bedeckt; wie es heißt, tödten Löwen und Hyänen sehr viel Wild. Im See findet man eine große Menge Fische, die jedoch mit Guineawürmern behaftet sind; wenigstens waren diejenigen, welche wir kauften, aus diesem Grunde vollständig ungenießbar. Der See mißt etwa 40 km in der Länge und 1½-5 km in der Breite und liegt ungefähr 360 m unter dem Durchschnittsniveau der ihn umgebenden kahlen Grasberge.

Von Kavari marschirten wir dem Seeufer entlang nach Mutara, wo sofort nach unserer Ankunft die eingeborenen Männer, Frauen und Kinder sich einstellten, um uns ihren Ueberfluß an Getreide, Honig, Fischen, Malwa, Hühnern und Bananen zu verkaufen. Die hartköpfigen Sudanesen begaben sich nach dem anderthalb Kilometer entfernten Dorfe Mutara, das sie, den am Tage vorher bei der Vertheilung der Perlen ihnen ertheilten Befehl ungehörigerweise vollständig vergessend, zu plündern und namentlich nach Malwa und Bohnen zu durchsuchen begannen. In einem Lande, wo dem Reisenden nicht das geringste Hinderniß in den Weg gelegt wird und wo man jegliches Product der Gegend für den entsprechenden baaren Werth kaufen kann, ist man selbstverständlich ebenso überrascht, wie man es in Kairo oder London sein würde, wenn man plötzlich eine Horde Männer die Läden und Marktstände plündern sähe; die Eingeborenen machten daher Einwendungen und verlangten zu wissen, was ein solches Verfahren zu bedeuten habe. Als Antwort darauf lud ein Sudanese, Fathel Mulla, sein Remingtongewehr, schoß einen Mann todt, einen andern in die Kinnbacken und einen dritten ins Bein, und da das den Eingeborenen vollständig unerklärlich war, sandten sie, anstatt sich auf der Stelle zu rächen, eine aus 50 der Ihrigen bestehende friedliche Deputation ins Lager, um mich um eine Erklärung zu bitten. Die Geschichte erschien mir so unglaublich, daß ich erst einen Offizier mit ihnen schickte, um sich mit eigenen Augen den Todten und die Verwundeten anzusehen. Als der Offizier mir dann berichtete, daß die Schilderung wahr sei, ließ ich sämmtliche Leute der Expedition zur Musterung antreten, die Namen verlesen und alle Sansibariten, Sudanesen, Manjema und Aegypter nebst ihren Begleitern auf dem freien Platze Stellung nehmen, worauf ich die Eingeborenen aufforderte, herumzugehen und den Mann zu bezeichnen, der in ihrem Dorfe wie ein Wahnsinniger gewüthet hatte, während ihre Frauen zum Handeln im Lager waren. Nachdem sie eine Weile gesucht hatten, wiesen fünf von ihnen auf Fathel Mulla als den Schuldigen; aber da mir dies noch nicht als genügender Beweis galt, richtete ich an die Sudanesen die Frage wegen des Schuldigen, worauf sein Kamerad Sururu vortrat und den Vorfall schilderte. Ein Eingeborener hatte Fathel Mulla hindern wollen, einen Krug mit Malwa zu nehmen, worauf der Sudanese ihn »Abid« und »Kelb« (Sklave und Hund) gescholten, ihn erschossen und noch drei oder viermal, ohne einen Unterschied zu machen, auf andere gefeuert hatte.

»Der Mann gehört euch, ihr könnt ihn mitnehmen. Aber wenn ihr ihn für Rinder, Stoffe, Draht, Perlen oder sonst etwas verkaufen wollt, dann werde ich ihn kaufen.«

»Nein, nein, nein, nein! Wir verkaufen unsere Leute nicht. Wir würden uns nicht für 100 Rinder von ihm trennen.«

»Aber was wird sein Blut euch nützen? Ihr könnt ihn nicht essen und er wird nicht für euch arbeiten. Nehmt fünf Rinder für ihn.«

»Nein, nein, nein, nein! Wir wollen ihn selbst, denn er hat einen vornehmen Mann in unserm Dorfe erschlagen und die andern werden vielleicht auch sterben. Wir wollen ihn mitnehmen.«

»Gut, nehmt ihn denn hin; er gehört nicht mehr mir und hat kein Recht mehr, in meinem Lager zu sein.«

Sie marschirten mit ihm fort und wir haben nie erfahren, was aus ihm geworden ist.

Am nächsten Tage zogen wir vom Urigi-See etwas mehr nach Osten durch ein rauhes, steiniges Gebiet, das unbewohnt, ohne Wasser war und zahlreiche mit verkrüppelten, zwerghaften Sträuchern bedeckte Ameisenhügel aufwies, während sich nach beiden Seiten ein dünner Wald aus traurigen, blätterlosen, verfallenden und abgestorbenen Akazien ausdehnte. Nach zwei Stunden erreichten wir den Fuß des Plateaus von Unjamatundu, und da es noch früh am Morgen war, so stiegen wir nach dem etwa 360 m über dem Urigi-See liegenden Scheitel hinauf und marschirten eine Stunde über wellenförmiges Weideland durch blühende Felder und zerstreute Niederlassungen, bis wir nach im ganzen 4½ stündigem Marsche in Ngoti halt machten.

Der dortige Häuptling Muengi war ein riesenhafter junger Mhuma, so lang wie ein Gardesoldat, aber ruhig und gesetzt, und seine Leute gehorchten ihm mit großer Schnelligkeit. Wir hielten deshalb hier einen Tag Rast, um Tauschgeschäfte zu treiben. Ein schöner Bananenbüschel wurde uns für 10 Kauris verkauft, und da die tägliche Ration der Leute 8 Kauris betrug, so konnte sich niemand über Mangel an Lebensmitteln beklagen.

Nach einstündigem Marsche von Ngoti begannen wir an der Ostseite des Plateaus hinabzusteigen, bis wir eine 270 m tiefer liegende, wellenförmige, mit blätterlosen verkrüppelten Akazien bedeckte Ebene erreichten und uns im Lande Usindja befanden.

Nachdem wir fünf Stunden marschirt waren, machten wir halt in Kimwani oder Kisinga, dem Gebiet des Häuptlings Kadjumba. Dieser war ebenfalls ein hochgewachsener Vertreter der Wahuma-Rasse, litt jedoch zur Zeit an einer Augenentzündung. Als die Waganda vor Jahresfrist in sein Gebiet eingedrungen waren, war er nach Unjaruwamba, dem Urigi-District von Ihangiro, geflohen und hatte sich auf einer im See liegenden Insel versteckt, von wo ihm, nachdem er an Uganda einen Tribut an Vieh bezahlt hatte, die Rückkehr in sein Land als Unterthan Muanga's gestattet worden war; aber bei der Rückkehr hatte er seine Bananenhaine umgehauen und sein Gebiet fast aller seiner Produkte beraubt gefunden. Für den ihm in seiner Noth gewährten Schutz beanspruchte Ihangiro Kimwani als seinen District. Außerdem verlangt Kassasura, der König von Usui, der in Kimwani eingebrochen war, Kadjumba überrumpelt und zwei Monate gefangen gehalten hatte, Gehorsam von ihm.

Kadjumba war sehr freigebig gegen uns und schickte uns 81 Bananenbüschel, eine Ziege und zwei Krüge Malwa. Da er schon an der Schwelle des Greisenalters stand, schien er zum Despotismus und Zanken geneigt zu sein, sodaß eine kleine Karavane vermuthlich anders behandelt worden wäre.

In Begleitung von Führern aus Kimwani brachen wir nach Süden auf. Etwa 5 km von dem Dorfe Kadjumba's hatten wir einen entzückenden Blick auf den Victoria-See, die Inseln Ikuta, Madjinga, Sosua, Rumondo und das ferne Mysome, und gegen Mittag lagerten wir uns bei Njamagodju am äußersten südwestlichen Ende eines Seearms, der den Lohugati, einen Ost-Usui entwässernden periodischen Fluß, aufnimmt.

siehe Bildunterschrift

Das südwestliche Ende des Victoria-Njansa.

Am nächsten Tage führte uns der Weg einer Ebene entlang, welche sich von Njamagodju bis zu einem andern Arme des Sees ausdehnte, an dessen Ende wir in einem Dorfe Kisaho das Lager aufschlugen. Der Marsch brachte uns jetzt jeden Tag über flache Ebenen, von denen das Wasser anscheinend erst während der letzten 25 Jahre zurückgetreten ist, und die mit niedrigem Gebüsch bestanden waren, das zu dieser Jahreszeit ohne Blätter ist. Der Erdboden ist trocken, ohne Wasser, hartgebacken und von Rissen durchzogen und zeigt an vielen Stellen salpeterartige Ausscheidungen. Zu unserer Rechten, wo das Land höher wird, erblickten wir auf dem etwa 15 m über den See aufsteigenden Rücken einen zwerghaften Wald, doch sieht man schon in 30 m Höhe respectable Bäume und auch das Gras wird dort nahrhafter.

Nachdem wir am 20. August quer über ein breites Vorgebirge des Landes gekommen und von der Bai von Kisaho nach einer andern Einbuchtung bei Itari marschirt waren, stellte ich in der Nähe des letztgenannten Ortes auf dem Scheitel eines hohen Rückens durch Sonnenbeobachtung und Kompaßpeilungen fest, daß wir uns sehr weit südlich von der südwestlichen Küstenlinie befanden, wie ich diese aus der Karte des Werkes »Durch den dunkeln Welttheil« angegeben habe. Von diesem hohen Hügel war auch die lange Reihe der sich voreinander schiebenden Inseln zu sehen, die wir im Jahre 1875 auf unserer Flucht vor den wilden Eingeborenen von Bumbire nicht hatten erforschen können, weil wir keine Ruder besaßen, und die ich für festes Land gehalten hatte.

Wie wir fanden, nennen die Wasindja den Victoria-Njansa Muta-Nsige, während die Wanjoro dem Albert-See und die Wasongora und Wanjankori dem Albert-Edward-See denselben Namen geben.

Beim Abmarsch von Itari bemerkten wir an der Leiche eines Zebra, das kurz vorher getödtet worden war, daß Löwen der Nachbarschaft unsers Lagers einen Besuch abgestattet hatten. Wir wunderten uns auch über die große Zahl der umherliegenden Menschenschädel und erfuhren auf unsere Frage nach der Ursache von den Führern, daß die Wasindja bei Itari den Waganda bei der jüngsten Invasion derselben Widerstand zu leisten versucht hätten. Vielleicht haben die Wasindja diese grausame Heimsuchung verdient. Mau weiß sehr gut, daß Usui eine derartige Lection nöthig hat; die letzte Laune Kassasura's bestand darin, daß er eine mit 150 Gewehren bewaffnete Karavane anhielt.

Als wir über die verschiedenen Ereignisse nachdachten, welche seit 1887 in dieser Gegend eingetreten sind, das kühne, freche Einrücken der Waganda-Truppen in Karagwe, die Erschießung der arabischen Händler und die Invasion in Usindja, sowie die Verwandlung der Gebiete von Kischakka bis zum Victoria-See in einen einzigen Schauplatz hitzigen Streites und Blutvergießens, kam uns der Gedanke, daß die Vorfälle von 1888, die Absetzung Muanga's, die Revolution und Gegenrevolution, einfach nur dazu gedient hatten, um uns die Bahn für einen friedlichen Marsch nach der Seeküste zu ebnen.

Beim Wandern über diese trockenen, wasserlosen Ebenen, deren Nacktheit die zwerghaften Akazien und starren Euphorbien kaum zu verhüllen vermochten, gewannen wir den Eindruck, daß die Bewohner des Waldes vollständig ungeeignet sind, aus ihrer schattenreichen Heimat entfernt zu werden. Wir waren gezwungen gewesen, die Hälfte von denen, die uns begleitet hatten, zurückzulassen, obwol es ihnen an Nahrung und Wasser nicht gefehlt hatte. In derselben Weise wurden die Somali, Sudanesen, Madi und Bari bald niedergeschlagen und traurig, siechten dahin und starben, wenn wir sie in den Wald brachten. Und doch habe ich in angeblich gelehrten Büchern gelesen, daß Afrika sich nur für die Afrikaner eignet!

Zu meiner größten Ueberraschung und in der That auch Freude dehnte der See sich, wie wir am 21. August beim Eintreffen in Amranda feststellten, bis 2° 48' südl. Br. aus. Der höchste Punkt, den wir nach dem Abmarsche von Njamagodju überschritten haben, lag nicht mehr als etwa 15 m über dem See, während durch die zurücktretenden Gewässer ungeheuere Strecken flachen Landes zu Tage getreten sind, die jetzt noch sehr armselig und vermuthlich noch viele Regenzeiten hindurch schlecht und unproductiv bleiben werden, ehe der Salpeter aus dem Boden vollständig fortgespült ist.

Bei dem allmählichen Aufstieg von Amranda südwärts verlassen wir nach einem Marsch von einigen Kilometern die unliebenswürdigen Ebenen und kommen zu älterm Lande hinauf, das eine bessere Qualität von Bäumen hervorbringt. Ehe wir die Höhe von 30 m über dem See erreichen, hat schon eine erhebliche Besserung stattgefunden, die Akazie ist verschwunden und überall gedeiht der »Miombo«, ein Baum, dessen Rinde sich vorzüglich zur Anfertigung der Kleiderstoffe der Eingeborenen eignet und dessen Holz zu Kisten, sowie möglicherweise auch zur Herstellung von Kanoes brauchbar ist. In Buanga, dem nächsten Dorfe, hört die Sprache der Wahuma, die wir seit unserm Abmarsche vom Albert-Njansa beständig gehört haben, auf und wir müssen uns der Wanjamwesi-Dolmetscher bedienen, eine Thatsache, welche von den skeptischen Sansibariten als Beweis begrüßt wurde, daß wir uns »Pwani« (der Küste) näherten.

Nun mußten wir uns ostwärts wenden, gerade auf das Missionshaus los, das, wie wir hören, in Usambiro liegen soll. Von Buanga bis Ujombi ist ein Marsch von 6¾ Stunden; von dort nach Kamwaga sind 5, von da nach Mpeke wieder 5, und von dort nach der verlassenen französischen Missionsstation in Usambiro 6 Stunden Wegs. Im Mittelpunkt der runden Palissadenumzäunung befand sich eine nette Kirche, auf deren Dach ein einfaches Kreuz stand, das unsere Worte und Gedanken sofort auf Christus und die Civilisation lenkte, mit denen, wie ich fürchte, die meisten von uns sich schon seit Monaten nicht mehr beschäftigt hatten.

Man muß gestehen, daß die französischen Missionare unübertrefflich sind in der Kunst, Stationen zu erbauen und aus den das allerwenigste versprechenden Materialien etwas behaglich und sauber Aussehendes zu schaffen. Wer die letzten 400-600 km in unserer Gesellschaft gewandert ist, wird bemerkt haben, daß ich mich um den Anblick des Landes fast gar nicht mehr gekümmert habe. Wir hatten es während der trockenen Jahreszeit passirt, in welcher es schwer hält, aus einer Million Hektar nur einen einzigen herauszufinden, der des Ansehens werth ist, und doch war die alleranmuthloseste Stelle diejenige, welche von der hübschen Missionsstation eingenommen wurde. Letztere bestand aus drei Reihen niedriger, mit Erde bedeckter Bauwerke, welche drei Seiten eines geräumigen Hofes einnahmen und je vier oder fünf Zimmer besaßen, die an der Innen- und Außenseite nett mit grauem Thon übertüncht waren. Mitten zwischen den Häusern standen die Kirche, welche aus den von der Nachbarschaft gebotenen Materialien vorzüglich gebaut war, und eine runde innere Palissadenumzäunung, welche die Wohnungen der Civilisirten umgaben, während ein äußerer Kreis das von den Proselyten bewohnte Dorf schützte. In Anbetracht, daß der nahe Miombo-Wald und der Erdboden in der Nachbarschaft allein das Material lieferten, hätten Plan und Ausführung nicht besser sein können; man sah, mit welcher Geduld und Liebe daran gearbeitet worden sein mußte. Der Platz hatte jedoch zwei Mängel, welche die Leute, wenn ihr Glaube nicht so groß gewesen wäre, jedenfalls vor Beginn des Baues erkannt haben würden: die Eingeborenen waren zanksüchtige, hartherzige, weltlich gesinnte Wanjamwesi, und es fehlte an Wasser, sodaß die Missionare, noch ehe sie die Station ganz vollendet hatten, die Ordre erhielten, sie aufzugeben und zu räumen.

Am nächsten Tage trafen wir, nachdem ich schon Boten vorausgeschickt hatte, damit wir Herrn Mackay, von der Kirchenmissionsgesellschaft, nicht überrumpelten, in Sicht der englischen Mission in Makolo ein. Dieselbe ist auf sanft ansteigendem Terrain im Mittelpunkte einer Gegend erbaut, die anscheinend nichts weiter als eine graue Wüste war, nach den seltsamen Haufen großer Steine und ungeheuerer Felsblöcke zu urtheilen, die in wirren Massen bis zu einem respectablen Hügel aufgethürmt liegen, sowie nach den sumpfartigen, flachen, grünen mit Papyrusdickicht bestandenen Stellen, hinter denen wir einen Wasserstreifen von einer Einbuchtung des Victoria-Njansa erblickten. Wir näherten uns der Station auf einer Wagenspur und trafen bald darauf auch den Wagen selbst, ein einfaches Ding auf hölzernen Rädern, das zum Transport des Bauholzes diente. Außer dem Sumpfe war nichts Grünes zu entdecken; das ganze Aussehen war trostlos und melancholisch, das Gras vollständig fort, die Bäume waren entweder verkrüppelt, vermodert oder abgestorben, nirgends zeigte sich die kleinste verheißende Knospe, doch war alles dies selbstverständlich eine Folge der trockenen Jahreszeit. Als wir noch etwa ¾ km von der Station entfernt waren, kam uns ein Herr in weißem Leinenanzuge und mit einem grauen Tirolerhut, von kleiner Statur und mit starkem braunen Bart und braunem Haar entgegen.

»Sie sind wol Herr Mackay? Muanga hat Sie diesmal also nicht bekommen? Was für Erfahrungen müssen Sie mit dem Mann gemacht haben! Aber Sie sehen so wohl aus, daß man sagen möchte, Sie seien vor kurzem erst in England gewesen.«

»Ach nein, ich bin jetzt im zwölften Jahre hier. Muanga hat mir gestattet mich zu entfernen, worauf Rev. Cyril Gordon meine Stelle einnahm, jedoch nicht lange, da sie alle bald nachher aus Uganda vertrieben worden sind.«

In eifriger Unterhaltung begriffen, betraten wir die aus hohen Pfählen gebaute runde Umzäunung, in welcher die Missionsstation erbaut ist. Ueberall erkannte man die Zeichen der Arbeit, der beständigen, unablässigen Geduld, des Schwitzens in der heißen Sonne, den festen Entschluß, etwas zu thun, um den Geist beschäftigt zu erhalten, damit Müßiggang sie nie unthätig und mit gefalteten Händen über die Anmuthlosigkeit der Gegend brütend fände, Verzweiflung sie ergreife und sie veranlasse, sich des raschesten Mittels zu bedienen, um ihrem Elend ein Ende zu machen. Auf dem Hofe stand ein großer solider Arbeitsschuppen mit Maschinen und Geräthschaften, die Schmiede hatten den Kessel einer Barkasse in Arbeit, draußen wurde ein Kanoe ausgebessert; auch sahen wir Sägegruben, große Blöcke hartes Holz, hohe Haufen Palissadenpfähle, in einem Winkel des Außenhofes eine Rinderhürde und einen Schafstall, Dutzende von Hühnern, welche kleine Körnchen aufpickten; aus dem europäischen Viertel strömte eine Schar kleiner Knaben und Mädchen heraus, die ungewöhnlich blank und glücklich aussahen, und die Arbeiter kamen ruhig zu uns heran und boten uns mit abgezogenen Hüten einen Guten Morgen. Nun, wenn es auf Gottes Erde irgendetwas gibt, was mehr als Arbeit geeignet ist, den Menschen glücklich zu machen, so ist es, bei einigen besondern Naturen, das Bewußtsein, daß man sein Werk beendet hat. Als ich das Missionsgebäude betrat, war meine Seele von einem solchen Gefühl durchdrungen, denn jedenfalls versprach das Willkommen, welches wir hier erhalten hatten, wenn unsere Mission auch noch nicht beendet war, doch Ruhe und Erholung.

Ich wurde in ein Zimmer in einem festen Lehmgebäude geführt, dessen Wände etwa 60 cm dick, ganz glatt übertüncht und mit auf das Missionswesen bezüglichen Bildern und Plakaten geschmückt waren. Dort befanden sich vier verschiedene Borte mit je mehrern Bietern, die vollständig mit ausgewählten nützlichen Büchern gefüllt waren. »Allah ho Akbar«, sagte Hassan, der oberste seiner Sansibar-Leute zu mir, »Bücher! Mackay hat Tausende von Büchern, im Speisesaal, im Schlafzimmer, in der Kirche, überall Bücher! Ach, Lasten über Lasten davon!« Aber während ich wirklichen Kaffee schlürfte und seit 30 Monaten zum ersten mal wieder nach heimischer Art gebackenes Brot und Butter aß, sympathisirte ich vollständig mit der Liebe Mackay's zu den Büchern, und es wurde mir ganz klar, weshalb er unter so vielen Büchern und Kindern und Arbeiten außer dem Hause keine Muße finden konnte, um verdrießlich zu werden, zu brüten und an »Langweiligkeit, Wildniß, Verzweiflung und Einsamkeit« zu denken. Ein gescheiter Verfasser hat kürzlich über einen Mann, der lange Zeit in Afrika zugebracht hat, ein Werk geschrieben, das von Anfang bis zu Ende ein einziges in die Länge gezogenes Wehklagen ist; der Verfasser wie der Held würden von allem ihren Jammer geheilt worden sein, wenn sie die Lebensweise Mackay's gesehen hätten. Er hat keine Zeit, um sich zu grämen, zu ächzen und zu klagen, obgleich weiß Gott kein Mensch mehr Ursache gehabt hätte, an »Gräber und Würmer und Vergessenheit« zu denken und sich kummervoll, einsam und traurig zu fühlen, als Mackay hatte, als Muanga seinen Tod bedeutenden Blick nach ihm richtete, nachdem er bereits seinen Bischof ermordet, seine Schüler verbrannt, seine Convertiten erdrosselt und seine dunkeln Freunde mit Knitteln zu Tode geprügelt hatte. Und dennoch begegnete der kleine Mann jenem Blicke mit seinen ruhigen blauen Augen, ohne nur mit den Wimpern zu zucken. Um einen Mann seiner Art, der zwölf Jahre lang Tag für Tag wacker gearbeitet hat, ohne mit einer Silbe zu klagen oder zu stöhnen, zu sehen und zu hören, wie er seine kleine Heerde jeden Morgen hinausführt, um ihr Gottes Liebe zu zeigen, und jeden Abend, um sie aus seine Treue aufmerksam zu machen, lohnt es sich wol, eine lange Reise zu unternehmen wegen des moralischen Muthes und der Zufriedenheit, welche man bei einem solchen Besuche gewinnt.

siehe Bildunterschrift

Mackay's Missionsstation am Victoria-See.

siehe Bildunterschrift

Stanley, Emin Pascha und die Offiziere in Usambiro.

Wir blieben vom 28. August bis zum 17. September in der Missionsstation, und die Wirkung der regelmäßigen Lebensweise und gut zubereiteten Kost, sowie der liebenswürdigen Gesellschaft und vollständigen Ruhe auf die Europäer war eine wunderbare.

Wir waren reich an Gütern aller Art, da wir etwa 200 Lasten viel Raum einnehmender Landeswährung und 40 Lasten präservirter Lebensmittel besaßen, welche Herr Stokes im Jahre 1888 von der Küste mitgebracht hatte und die seitdem im Gewahrsam des Herrn Mackay verblieben waren. 30 Lasten Stoffe wurden sofort, zum Kostenpreis berechnet, unter die Leute vertheilt, damit dieselben sich während der Ruhezeit für die in letzter Zeit gehabten Entbehrungen schadlos halten konnten. Ferner hatten wir auch 14 Packesel, welche den Begleitern des Paschas gegeben wurden, während dieser, Casati und ich uns Reitesel von den französischen Missionaren in Bukumbi kaufen konnten, welche die Liebenswürdigkeit hatten, uns mit Geschenken an Gartenproducten zu besuchen. Aus ihren Vorräthen konnten die Offiziere mancherlei ihnen sehr nothwendige Ausrüstungsgegenstände, wie Stiefel, Pantoffel, Hemden und Hüte, sich anschaffen, sodaß sie endlich einmal wieder Präsentabel wurden.

Ferner waren wir in der Lage, etwa 20 Träger zu engagiren, um bei der Beförderung der Waaren zu helfen, damit mehr Sansibariten für den Hängemattendienst verwendet werden konnten; aber dennoch hatten wir nach einem Aufenthalt von 19 Tagen mit so viel Lebensmitteln, wie jeder nur essen konnte, und von solcher Mannichfaltigkeit, wie das keineswegs schlecht versorgte Land sie zu bieten vermochte, bei der Musterung am Tage vor dem Abmarsch über 100 Leute, welche über Asthma, Brust-, Milz-, Leber- oder Lendenschmerzen klagten und nicht marschiren zu können erklärten.

Am Abend vor der Fortsetzung unserer Reise nach der Küste veranstalteten die Herren Mackay und Deakes – die beiden einzigen Mitglieder der Mission, welche in Makolo anwesend waren, da die Herren Gordon und Walker sich kurz vor unserer Ankunft nach Uganda begeben hatten – für uns ein prächtiges Mittagsmahl mit gebratenem und geschmortem Fleisch, gebratenen Hühnern, Reis mit Curry, Plumpudding und einer Flasche Medicinalwein. Und wie es in civilisirten Ländern Sitte ist, so fand auch hier das Festmahl mit Reden seinen Abschluß. Mir fiel es zu, das Hoch auf Emin Pascha auszubringen, Herr Mackay sprach einen Toast auf mich, und es befand sich kein Mitglied in unserer Gesellschaft, das nicht von allen übrigen die freundlichsten Wünsche erhielt, die, wie ich fest überzeugt bin, mit vollster Aufrichtigkeit ausgesprochen wurden.

 

Der letzte Brief des Herrn A. M. Mackay.

Usambiro, 5. Januar 1890.

Mein sehr geehrter Herr!

Ich habe nicht weniger als drei werthvolle Briefe von Ihnen erhalten, nämlich zwei aus Usongo und einen aus Ugogo datirt. Der letzte traf am 1. December hier ein.

Seitdem die französischen Priester hier vorbei passirt sind, um Ihre Expedition wieder einzuholen, habe ich keine Post nach der Küste gesandt.

Mit großem Vergnügen habe ich von Ihrem befriedigenden Vorwärtskommen gehört; ohne Zweifel sind Sie in diesem Augenblicke in civilisirtem Gebiet behaglich untergebracht und genießen nach den Strapazen und Entbehrungen des afrikanischen Marsches die mehr als wohlverdiente Ruhe. Wenn ein Mensch die Glückwünsche Europas verdient, verdienen Sie dieselben sicherlich. Sie werden aber wahrscheinlich bald des allgemeinen Gefeiertwerdens satt sein und sich voll Ueberdruß in irgendeinen entfernten Winkel zurückziehen, um den ausführlichen Bericht über Ihre merkwürdigen Abenteuer zu schreiben. Welch seltsame Einsamkeit, sowol in physischer wie in geistiger Beziehung, über diesem Platze schwebte, nachdem Sie fort waren, läßt sich nicht beschreiben. Die erwartete Post traf nicht ein, nur die Träger kehrten am 23. October von Kisokwe, aber ohne Briefe von der Küste, zurück. Obwol wir am 1. December ein Packet Briefe erhielten, bekamen wir doch keine Zeitungen und Zeitschriften. Dieselben werden später eintreffen.

Deakes ist ziemlich viel unwohl gewesen, jetzt aber vollständig wiederhergestellt, während bei Beginn der Regenzeit fast meine ganze Baganda-Colonie infolge anhaltenden starken Fiebers darniederlag. Ihr Mann Ali ben Said ist am 27. September, einer der Weißen des Paschas, Mohammed Arabi, am 20. October gestorben. Die übrigen, 8 an der Zahl, sind vollständig wiederhergestellt und befinden sich an der Arbeit.

Ich habe meine Dampfmaschine montirt und finde, daß die Pumpen vollständig sind; auch habe ich den Kessel, sowol an der äußern Wand wie am Heizkasten vernietet. Der Kessel hat uns ernstliche Arbeit gemacht, da nicht nur durch das Herumstoßen während 14 Jahren jede Platte außer Facon gerathen, sondern auch das Eisen, das ursprünglich von der besten Sorte war, so spröde und hart geworden war, daß es bei der ersten Berührung mit dem Hammer zu bersten pflegte. Mit Hülfe sorgfältigen Oelens des Ganzen gelang mir aber die Arbeit. Ich richte jetzt eine Dampfsägemühle ein, um die Planken für das neue Boot zu schneiden. Das roh gearbeitete Boot oder umgebaute Kanoe, welches Sie hier im Bau gesehen haben, ist jetzt fast vollendet und hätte schon vor einiger Zeit fertig sein sollen; ich war aber wegen Beschäftigung mit andern Arbeiten, darunter Drucksachen für Buganda, nicht im Stande, auf den Bau zu achten.

Sie werden gehört haben, daß die Christen nach heftigen Kämpfen Karema und seine Araberpartei geschlagen und Muanga wieder auf den Thron gehoben haben. Sie haben für sich selbst Besitz von allen hervorragenden Posten genommen und dieselben unter den Römisch-Katholischen und Protestanten getheilt. Ein thätiger junger Bursche Namens Kagwa Apollo, einer meiner Schüler, ist jetzt der Katekiro.

Muanga befindet sich vollständig in den Händen der neuen christlichen Häuptlinge, die ihm fortan wahrscheinlich nicht mehr gestatten werden, seinen eigenen Weg zu gehen. Es befinden sich dort jetzt fünf von den Franzosen, einschließlich ihrer Bischöfe, während unsere Mission nur durch Walker und Gordon vertreten ist.

Von der Britisch-Ostafrikanischen Gesellschaft vermag ich nichts zu erfahren, außer dem alten Gerücht vom Februar aus Sansibar, wonach sie sich in Ulu befinden sollte. Sie scheint einen Mann von Entschlossenheit und Muth an der Spitze zu brauchen, und ich werde mich sehr freuen, wenn ich höre, daß Sie es unternehmen, ihren Angelegenheiten eine gesunde Grundlage zu geben. Mit Freuden vernehme ich, daß Herr Mackinnon zum Baron erhoben worden ist; er verdient diese Ehre durchaus. Ich habe an seine Agenten in Sansibar geschrieben und ihnen auseinandergesetzt, wie thöricht es sei, den Wunsch Deutschlands zu erfüllen und die Grenzlinie westlich von diesem See, dem Breitenparallel von 1° Süd entlang, zu verlegen, da dadurch das Königreich Buganda in zwei Hälften zerschnitten würde; denn Karagwe, Usni und Usindja südlich bis Seromba sind thatsächlich ein Theil von Buganda, da sie demselben tributpflichtig sind. Keine in Berlin oder London auf dem Papier vorgenommene Abgrenzung kann diese Staaten je von ihrer Abhängigkeit von Buganda befreien. Es ist daher wenig Grund zur Eifersucht in dieser Angelegenheit vorhanden. Die einzige richtige Grenzlinie würde nach meiner Meinung von diesem Ende des langen Baches (Smith Sund) diagonal nach Südwesten bis zum Schnittpunkte des 4. Breitenparallels mit dem Meridian von 32° östl. L. und dann gerade westlich nach Bikari am Tanganika führen.

Viele Häuptlinge im Südwesten haben persönlich hier einen Besuch abgestattet, andere haben Vertreter gesandt, und ich beabsichtige diese Briefe mit ihnen nach Ujui zu senden, da die elenden Nindo-Leute zu unbescheiden für meinen Geschmack sind.

Ich habe Stoffe u. s. w. nach Nindo geschickt, um das Ihrem Boten abgenommene Gewehr auszulösen, allein der schurkische Muanangua hat sowol das Lösegeld als auch das Gewehr behalten, unter dem Vorwande eines Streites mit Stokes; ich gehe dieser Bande daher weit aus dem Wege.

Aus guter Quelle vernehme ich, daß die Banjoro, mit denen Sie gekämpft haben, keine zufällige Bande von Beutezüglern, sondern die eigene Armee Kabba-Rega's war, die er ausdrücklich, um Ihr Vorwärtskommen zu hindern, ausgesandt hatte. Er war über die Niederlage seiner Truppen so erschrocken, daß er auf eine Insel im Albert See flüchtete. Muanga hat einen Monat nach Ihrem Abmarsche eine Deputation hierher gesandt und um Ihren Beistand bitten lassen.

Die Araber scheinen jetzt vollständig geschlagen zu sein und sind aus Nagu geflohen. Muanga's Leute haben die Dhau Said den Saif's (Kipanda), welche mit Gewehren und Pulverfäßchen beladen war, erobert und das Fahrzeug zerstört. Dasselbe ist mit Sunguru's Dhau geschehen. Stokes' Boot ist in diesem Augenblick das einzige auf dem See. Die »Eleanor« habe ich, weil sie für den weitern Gebrauch zu verfault war, aufgebrochen, doch hoffe ich bald das andere Boot vom Stapel zu lassen, welches bis zur Fertigstellung der Dampfbarkasse gute Dienste leisten wird.

Von der Küste habe ich keine bestimmten Nachrichten erhalten und nur von der Wiederfestsetzung der Deutschen in Mpuapua gehört. Sie werden mit der Zeit noch Klugheit lernen, doch haben sie bisjetzt noch einen bedauernswerthen Wirrwarr aus den Angelegenheiten gemacht. Ich hoffe nur, daß sie und die Engländer das Schießpulver aus dem Lande fern halten. Auf keine andere Weise werden sie im Stande sein, irgendeine Controle über die Häuptlinge im Innern auszuüben.

»Sein oder nicht sein; das ist die Frage.« Soll es einen Weg an den See geben oder nicht? Ich sehe in Ihnen die einzige Hoffnung für diese Gegend, in der Weise, daß Sie Sir W. Mackinnon veranlassen, die Sache im richtigen Lichte zu betrachten. Ich würde keinen Sechspence für alles das geben, was die Gesellschaft nach einem halben Jahrhundert thut, wenn sie den See nicht mit der Küste durch eine Linie verbindet, wie roh dieselbe anfänglich auch sein mag. Wenn das geschehen ist, wird sie der Streitsucht der Eingeborenen das Rückgrat gebrochen haben.

Vielen, vielen Dank für Ihren freundlichen Vorschlag, den Theodolit für mich in Kisokwe lassen zu wollen. Hoffentlich wird derselbe wohlbehalten hierher gelangen. Ich werde ihn als ein Erinnerungszeichen aus Ihren Händen doppelt werthhalten.

Betrachten Sie mich mit den allerbesten Wünschen, mein geehrter Herr,

als Ihren getreuen
A. M. Mackay.

Herrn H. M. Stanley.

 

Zu meinem großen Bedauern erfahre ich, daß Herr Mackay, der beste Missionar seit Livingstone, gegen Anfang Februar gestorben ist. Gleich Livingstone weigerte auch er sich zurückzukehren, obgleich ich ernstlich in ihn drang, uns nach der Küste zu begleiten.



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