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Einunddreißigstes Kapitel.
Der Ruwenzori und der Albert-Edward-See.

Wichtigkeit der Karten in Reisewerken. – Die Zeit, welche ich zur Herstellung meiner Karten gebrauchte. – Das trockene Bett eines Sees in der Nähe von Karimi; seine berechnete Größe. – Aus dieser wunderbaren Gegend gezogene Lehren. – Was wir durch die Beobachtung des Semliki-Thals bis zum Becken der Zwillingsseen lernen. – Ausgedehnte Ebene zwischen Rusesse und Katwe. – Die Euphorbienseriben der Wasongora. – Der vor 18 Jahren gemachte Beutezug der Waganda. – Gras und Wasser auf den weiten flachen Ebenen. – Der letzte Anblick und die südliche Seite des Ruwenzori. – Die Stadt Katwe. – Der Albert-Edward-See. – Analyse der Salzlake aus dem See bei Katwe – Umgebung des Salzsees. – Blutrothe Flecken im Wasser. – Der größere Salzsee bei Katwe, zuweilen auch der See von Mkijo genannt. – Große Berühmtheit des Katwe-Salzes. – Die Seebewohner am Albert-Edward-Njansa. – Bevwa spricht für uns mit den Eingeborenen und macht sie uns zu Freunden. – Kakuri erscheint mit einigen Wasongora-Häuptlingen. – Erforschung des großen Katwe-Sees. – Die Niederlassung Kaijura's. – Die Berge von Katwe. – Ein schwarzer Leopard. – Die Eingeborenenhütten in Mukungu. – Wir umgehen einen Arm des Sees, den sogenannten Beatrice-Golf, und machen in Muhokja halt. – Hinterhalt einiger Warasura in der Nähe des Rukoki; wir jagen sie in die Flucht. – Gefangennahme einer Wahuma-Frau. – Kapitän Nelson verfolgt mit seinen Leuten die Nachhut Rukara's. – Halt in Buruli; unsere Wakondju- und Wasongora-Freunde verlassen uns. – Krankheit infolge schlechten Trinkwassers. – Uebergang über den Nsongi-Fluß. – Gefangennahme eines Warasura. – Krankheit und Todesfälle unter den Aegyptern und Schwarzen. – Unser letztes Scharmützel mit den Warasura im Paß von Kavandare. – Bulemo-Ruigi stellt uns sein Land zur Verfügung. – Die Musterrolle des Paschas. – Ich und andere werden in der Niederlassung von Katari vom Fieber darniedergeworfen. – Die Südseite des Albert-Edward-Njansa und die den See speisenden Flüsse. – Unser erster und letzter Blick auf den See; die Farbe desselben. – Was wir vielleicht gesehen hätten, wenn der Tag klarer gewesen wäre.

 

Die Recensenten pflegen fast immer zu unterlassen, die den Reisebeschreibungen beigegebenen Karten zu erwähnen. Das ist jedoch nicht ganz gerecht; die meinigen haben mir mehr Mühe gekostet, als alle meine Notizen, Schilderungen, Skizzen und photographischen Aufnahmen zusammen. Insgesammt haben mir das tägliche Aufziehen der drei Chronometer während beinahe drei Jahren, die 300 Beobachtungen, die Berechnung und das Einzeichnen derselben in die Karte, die Aufnahme der Flußläufe, die Zeichnung der Gebirgsketten, die zahllosen Kompaßpeilungen, die Siedepunktsbestimmungen, das Ablesen der Aneroidbarometer, die Berechnung der Höhen, die Aufzeichnung der Temperatur, was alles für eine gute Karte nothwendig ist, nicht weniger als 780 Stunden ehrlicher Arbeit gekostet, was den Tag zu sechs Stunden gerechnet, 130 Arbeitstage ausmachen würde. Wenn Bücher dieser Art nicht von Karten begleitet wären, würde man kaum im Stande sein, die Beschreibung zu verstehen und die Schilderung würde eine unerträglich trockene werden. Ich vermeide die Trockenheit durch die Karten, die mir eine langwierige Beschreibung ersparen und zugleich hübsche, nothwendige und interessante Beigaben des Buches, außerdem aber auch meinem Wunsche nach verständlicher Darstellung förderlich sind; ich bin auch fest überzeugt, daß der Leser durch einen Blick auf die Profilkarte des Ruwenzori, des Semliki-Thals, des Albert-Edward- und des Albert-Sees die großartigen physikalischen Züge dieser Gegend besser kennen lernen wird, als ihm die Umgebung des Michigan-Sees bekannt ist.

Wenn wir von Karimi nach dem Becken des Albert-Edward-Sees hinabsteigen, ist das erste, was uns auffällt, daß wir uns auf dem Boden eines ausgetrockneten Sees befinden. Wir brauchen keinen gescheiten Geologen, um uns das zu sagen. Eine Erhöhung des Sees um anderthalb Meter würde den Spiegel 8 km weiter nach Norden und ebenso weit nach Süden ausdehnen. 15 m Erhöhung würde ihn aber wieder in seine alte ehrwürdige Lage zurückversetzen, als seine Wellen über den kieselbedeckten Strand unter den Waldesschatten bei Mtsora rollten. Wir finden, daß wir den Küsten des Albert-Edward-Sees wirklich diesen Besuch abstatten mußten, um die physikalischen Veränderungen gründlich zu verstehen, welche den früher großen See während der letzten wenigen hundert Jahre bis auf seine jetzigen beschränktern Grenzen verringert haben, würden uns aber eines Tadels und einer scharfen Kritik würdig machen, wenn wir versuchen wollten, einen bestimmten, festen Zeitpunkt anzugeben, wann der Albert-See sich von Norden her bis zum Walde von Awamba und der Albert-Edward-See von Süden her sich über die Ebene von Makara bis zum südlichen Rande des Waldes ausgedehnt hat. Indessen bedarf es keines geübten Mathematikers, um die Anzahl der Jahre zu berechnen, seitdem der Semliki sein Bett tief genug ausgefurcht hat, um die Makara-Ebene trocken zu legen. Das ist leicht nachzurechnen. Die salpeter- und salzhaltigen scharfen Niederschläge, welche der zurücktretende See auf der Ebene zurückgelassen hat, sind noch nicht gründlich fortgewaschen worden; das Gras ist für die abgehärteten Rinder nahrhaft genug, an den Rändern der Ebene finden sich dunkle Euphorbien, Akazien und Dornsträucher, sowie eine kleine dünne Humusschicht aus vermodertem Grase, allein neun Zehntel der Ebene ist mit Gras bewachsen und der tropische Wald von Awamba vermag ihre Grenzen nicht zu überschreiten. Dasselbe ist auf der südlichen Ebene des Albert-Sees der Fall. Dort finden wir eine über 30 km lange Strecke, welche mit armseligem, dem Vieh schädlichem Grase bedeckt ist, darauf einen etwa 13 km breiten Gürtel eines dünnen Waldes mit fallschirmähnlichen Akazien und ab und zu eine Euphorbie, und dann erst gelangt man an den uralten Wald.

In jeder Mußestunde kehren meine Gedanken zu den Lehren zurück, welche ich in dieser wunderbaren Gegend bekommen habe. Es hat einmal eine Zeit gegeben, als der Ruwenzori noch nicht vorhanden, sondern dort ein grasbewachsenes Hochland war, welches sich von Unjoro bis zum Balegga-Plateau ausdehnte. Dann kam in sehr ferner Zeit die Erhebung des Landes; der Ruwenzori stieg bis in die Wolken empor und es entstand ein gähnender Abgrund von 400 km Länge und gegen 50 km Breite von Südwest nach Nordost. Während langer Zeitperioden sind die tropischen Regen gefallen und haben den Abgrund bis zum Ueberlaufen mit Wasser gefüllt, das dann seiner Zeit einen Abfluß fand durch das heute unter dem modernen Namen Aequatoria bekannte Land. Das abfließende Wasser hat auf seinem Laufe das Erdreich bis zum Felsenbett hinab mit fortgespült und es seit langer Zeit von Secunde zu Secunde atomweise weggewaschen, um Unterägypten zu bilden und das Mittelmeer auszufüllen, während gleichzeitig der Grund der Schlucht mit dem Erdreich und den Trümmern des Ruwenzori, den Ueberresten unzähliger Generationen von Fischen und der abgestorbenen Vegetation zahlloser Jahrhunderte verstopft worden ist, bisjetzt nach dem Fortschleifen der Felsendämme und Riffe im Laufe des Weißen Nils sich zwei Seen gebildet haben. Inzwischen sind, anfänglich als Gruppen von Inselchen, dann bedeckt mit Gras, zwischen den beiden Seen weitere Felsendämme erschienen, bis sie schließlich das von den Gletschern herabgetragene Erdreich aufgefangen haben, von Fels zu Fels durch Moränen verbunden worden sind und ein Thal gebildet haben, welches ein wunderbares Wachsthum tropischen Waldes aufweist, während auf beiden Seiten des letztern Ebenen liegen, die in langsamer kristallinischer Umformung begriffen sind. An den Ufern des Sees sieht man noch das Mittelstadium in dem täglich zunehmenden Schlamm und thierischen und vegetabilischen Leben, welche das Land aufhöhen, sodaß es bald trockener fester Grund sein wird. Nun tauche man eine Stange in das flache Wasser am Südende des Albert-Sees; dieselbe wird anderthalb Meter tief in den Schlamm eindringen, der aus den Niederschlägen besteht, welche die Zuflüsse des Semliki von den Abhängen des Ruwenzori herab und durch den See in die stillen Gewässer des Albert-Sees führen. Peilt man aber die Tiefe des Albert-Edward-Sees, so dringt die Stange anderthalb Meter tief in grauen Schlick ein, an welchem Tausende von Partikeln Glimmer, winzig kleine Schuppen und pulverisirte Fischknochen hängen, die einen überwältigenden Gestank entwickeln. Atomweise wird das Felsenbett zwischen dem Awamba-Walde und dem Albert-Edward-See beseitigt und weggewaschen, bis letzterer endlich trockenes Land wird, durch dessen Mitte der Semliki sich schlängelt, nachdem er die Zuflüsse vom Ruwenzori, sowie von den Hochlanden von Ankori und Ruanda gesammelt hat. Und im Laufe der Zeit, wenn die salpetrigen und scharfen Substanzen von der Ebene vollständig fortgewaschen sind und die Humusschicht gewachsen ist, wird der Awamba-Wald sich allmählich vorschieben und seine Bäume werden Oel und Gummi ausschwitzen und gute Früchte für den Gebrauch der Menschen tragen. Das ist in kurzen Worten, was man bei der Beobachtung der Gegend vom Semliki-Thal bis zum Becken der Zwillingsseen lernt und was sich auf unserm Marsche über die zwischen Rusesse und Unjampaka liegenden Strecken des Seebettes bestätigen wird.

Zwischen Rusesse und Katwe liegt eine ausgedehnte Ebene, welche mit einer Reihe von aufeinanderfolgenden niedrigen Terrassen bis zum Njamagasani-Flusse hinabtaucht und mit Weidegras bedeckt ist. Diese terrassirte Ebene zeichnet sich aus durch das Wachsthum der Euphorbien, welche vor Generationen von Wasongora gepflanzt worden sind, um Seriben zum Schutz ihrer Heerden vor wilden Thieren und zur Vertheidigung gegen die Bogenschützen und Speerwerfer beutesüchtiger Stämme zu bilden. Diese Euphorbien finden sich überall auf der Ebene in dichten Mengen zerstreut; viele, welche im Umkreise um die Hüttengruppen gestanden haben, sind zu ehrwürdigen Patriarchen geworden und volle fünf Jahrhunderte alt; es ist daher anzunehmen, daß die Wasongora sehr lange Zeit in dieser Gegend ansässig gewesen sind und eine mächtige Nation gebildet haben, bis die Waganda und Wanjoro, die von den Arabern mit Gewehren und Büchsen versehen worden sind, auf ihren periodischen Beutezügen durch das Land fegten. Wer »Durch den dunkeln Welttheil« gelesen hat, wird sich der Geschichte von dem Beutezuge des Katekiros, der vor ungefähr 18 Jahren stattgefunden haben muß, sowie der angeblichen Wunder erinnern, welche der Feind beobachtet haben soll, als er über eine große Ebene marschirte, wo Geiser Schlamm emporwarfen, heiße Quellen, unerträglicher Durst, ungeheuerer Verlust an Menschenleben, traurige Conflicte zwischen den eingeborenen Stämmen und den Waganda vorkamen und das schlechte Wasser Hunderte tödtete. Wir befinden uns hier auf dem Gebiete, welches den Beutezug der Waganda sah und damals seiner prächtigen Viehheerden beraubt wurde. Seitdem hat Kabba-Rega mit Hülfe seiner mit Gewehren bewaffneten Warasura das Land besetzt, die Regierung des Districts an sich gerissen und sich in den Besitz einer jeden Kuh gesetzt. Wie Kapitän Casati mir mittheilt, hat derselbe einmal die Beutejäger bei der Rückkehr von Usongora und die Tausende von Rindern gesehen, welche von ihnen mitgebracht wurden.

Die weit gedehnte Ebene, welche von ausgeschiedenem Natron weiß beschlagen und voll heißer Quellen und schlammiger Geiser sein sollte, erwies sich als bloße Uebertreibung eines phantasiebegabten Knaben; wir haben von allen den erwarteten Schrecknissen weiter nichts gesehen, als vielleicht eine schrecklich monotone horizontale Ebene und gleichmäßige Gestaltung der Oberfläche, infolge der Trockenheit verdorrtes Gras und für dürren Boden charakteristische starre Euphorbien. Die Stille der Ebene ist eine Folge der Auswanderung des Stammes im großen, der Durst eine Folge der Thatsache, daß in der Nähe des Sees die Flüsse weit auseinanderliegen, und Krankheit die Folge davon, daß die Leute das in Tümpeln gefundene stagnirende Wasser zu trinken pflegen.

Das Gras bereitete uns beim Durchwandern der Ebene viel Unannehmlichkeit. Die Halme erreichten fast die Höhe von 1 m und die kleinen Aehren drangen selbst durch die dicksten Kleider, hefteten sich, während wir weiter gingen, an jedes Kleidungsstück und wurden sehr unbequem und lästig.

Die beiden besten Anblicke, welche wir von dem Ruwenzori erhielten, hatten wir in Karimi, von einem langen schmalen Thale aus, und von der Ebene in der Nähe des Njamagasani-Flusses. Der letztere Anblick war gleichsam ein Lebewohl vom großen Berge, der plötzlich sein Wolkenkleid abwarf, um uns noch einmal eine Freude zu bereiten. In einer Reihe hinter der andern stiegen die Gebirgsketten auf, bis sie im Ruwenzori gipfelten. Von Süden sieht derselbe wie eine einzige Kette von 50 km Länge mit etwa 30 abgestumpften Spitzen aus, welche durch tiefe Thäler voneinander getrennt sind. Bis dahin hatten wir die Höhe auf etwa 5200 m geschätzt, als er uns aber seine Südseite mit den bis weit hinabreichenden tiefen, reinen Schneefeldern enthüllte, stieg er nach der allgemeinen Ansicht noch um weitere 450 m. Ich benutzte die Gelegenheit, um die Scenerie zu photographiren, damit auch noch andere Augen das höchst charakteristische Bild des Ruwenzori erblicken möchten. Hier und da sieht man, wie aus Bleistiftzeichnungen, dunkle Stellen, welche die steilern Theile der Abhänge andeuten, die so schroff abfallen, daß der Schnee sich dort nicht sammeln kann. Die Sichtbarkeit größerer Schneemassen an der Südseite ist eine Folge der geringem Höhe der zwischenliegenden Bergkämme, welche auf der Nordseite den Blick auf die Schneekette verhindern.

Einige Kilometer jenseit des Njamagasani, der 12 m breit und 30 cm tief ist und krystallklares, wundervoll kühles Wasser hat, kamen wir an die Stadt Katwe, das Hauptquartier Rukara's, des commandirenden Häuptlings der Warasura. Derselbe hatte den Ort am Abend vorher mit seinen Truppen verlassen, offenbar aber in solcher Eile, daß er seine Getreidevorräthe nicht mit fortschaffen konnte.

Die Stadt Katwe muß eine große Bevölkerung, vermuthlich 2000 Seelen gehabt haben. Da das umliegende Land sich nur zur Viehzucht eignet, müssen die Bewohner ihren Unterhalt durch den Verkauf des Salzes aus den in der Nähe liegenden beiden Salzseen gewinnen. Die Stadt bestand aus einer Anhäufung von Euphorbien-Seriben, welche durch labyrinthische Gänge zwischen Rohrzäunen und Einfriedigungen miteinander in Verbindung standen.

Sie liegt auf einem schmalen grasbewachsenen Rücken zwischen dem Salzsee von Katwe und einer geräumigen Bai des Albert-Edward-Njansa; der Rücken ist etwa 3 km lang und hat eine Breite von 0,8 km vom Ufer des einen Sees bis zum andern.

Vermittelst des Siedepunktes stellten wir die Höhe des Albert-Edward-Njansa auf 1008 m fest, während der Scheitel des grasbedeckten Rückens von Katwe 1055 m und der Salzsee 995 m über dem Meeresniveau liegt, sodaß sich also der Scheitel des Rückens 60 m über den Salzsee und 47 m über den Albert-Edward-See erhebt; der Höhenunterschied zwischen den beiden Seen beträgt 13 m. Die Stadt liegt auf 0° 8' 15'' südlich vom Aequator.

Nachdem ich die Vertheilung des Getreides beaufsichtigt hatte, schritt ich über den Rücken und stieg an einem oben fast klippenartigen Abhange 60 m tief hinab, bis ich an den dunkeln sandigen Strand des Salzsees von Katwe kam, an einer Stelle, wo ganze Haufen von Salzkuchen umherlagen. Die Temperatur des Wassers betrug 20,7° R., diejenige eines schmalen Streifens schwefelhaltigen Wassers 23,1° R. Die Flüssigkeit hatte den Geschmack einer sehr kräftigen Salzlake.

 

[ Ich sandte eine Flasche dieser Salzlake behufs chemischer Analyse an das Regierungslaboratorium zu Kairo und erhielt darauf von den Chemikern folgenden Bericht:

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Der Unterschied zwischen der Gesammtsumme und 100 erklärt sich wahrscheinlich durch kleine Mengen organischer Substanzen.

Die Dichtigkeit ist 1,2702; benutzt man diese Ziffer, so ergibt sich in Gramm per Liter ausgedrückt, folgendes Resultat:

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Als wir die Probe erhielten, hatte dieselbe den Geruch von Schwefelwasserstoff, eine Folge der vorhandenen Sulfide, und eine helle blaßrothe Farbe, welche durch suspendirte Substanzen verursacht wurde. Die eingesandte Probe war zu gering, um eine Prüfung der letztern, sowie der organischen Substanzen im Wasser zu gestatten.

Das Wasser ist, da es aus einer fast gesättigten Lösung besteht, sehr merkwürdig; man findet ein natürliches Wasser von dieser Zusammmensetzung sehr selten. Das Vorkommen von Sulfiden ist auf die reducirende Wirkung von Organismen auf die Schwefelsalze zurückzuführen. Die Flasche, in welcher die Probe sich befand, war vollständig gefüllt und seit mehrern Monaten sicher verkorkt.

A. Pappe, H. Droop Richmond, Chemiker

Snow Hill Buildings, London, 12. April 1890.

Lieber Herr Stanley!

Nachstehend folgt das Resultat der quantitativen Analyse des natürlich krystallisirten Salzes, welches Sie mir vorgelegt haben:

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Wie die Basen und Säuren miteinander in Verbindung getreten sind, läßt sich unmöglich sagen, aber nach ihrer Affinität berechnet, würden sie sich folgendermaßen zu Salzen verbinden:

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In der Hoffnung, es möge Ihnen dies von Werth sein, verbleibe ich

Ihr stets ergebener

Henry S. Welcome.] [Fußnote aus technischen Gründen im Text wiedergegeben. Re.]

 

Wo der Sand aus flachen Löchern ausgegraben und das in letztere hineingeleitete Wasser verdunstet war, war ein Lager von krystallisirtem Salz, ganz steinhart und compact und fest wie grober Quarz, zurückgeblieben. Aus der Ferne sahen diese Salzbetten wie gefrorene Teiche aus. Wo das Ufer von den Salzsammlern unberührt bleibt, ist es von einem Kranze von Ukindu-Palmen, gestrüppartigem Gebüsch, Röhricht, Euphorbien und aloeartigen Pflanzen umgeben; bei Mkijo, einem von den Salzarbeitern bewohnten Dorfe, befinden sich auch ein kleiner Bananenhain und etliche Felder mit Mais und Hirsekorn. Der See sieht eigenthümlich todt und verlassen aus, doch wird er durch den schmalen grünen Gürtel am Fuße der klippenartigen Abhänge etwas gehoben. Unmittelbar hinter den grünen Pflanzen und Büschen steigen die steilen Seiten des Hügelrückens in einer Reihe von horizontalen Terrassen aus grauen dichten Ablagerungen auf, die an verschiedenen Stellen durch eine dünne Salzkruste ein weißes Aussehen erhalten haben. Ab und zu bemerkt man auch kalkähnliche Stellen, von denen eine bei der Untersuchung als aus Tropfstein bestehend sich erwies. An einer Stelle fand ich einen Elefantenzahn, Knochen von kleinen Thieren, Zähne und Muscheln etwa von der Größe der Herzmuschel. Rund um den See herum bemerkte ich mehrere Tropfsteinlager.

siehe Bildunterschrift

Der kleine Salzsee bei Katwe.

Eine bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit des Sees war die blutrothe Färbung des Seewassers oder einiger darin befindlicher Ablagerungen. Als ich ins Wasser blickte, sah ich die Niederschläge wie geronnenes Blut auf und unter der Oberfläche treiben. Ich ließ einen Mann aufs gerathewohl in den See treten, der ihm bis ans Knie reichte; als er sich bückte, hob er ein größeres Stück grobkörniges krystallisirtes Salz auf, an welchem sich ein blutrother Fleck befand. Diese rothe klebrige Substanz gibt dem See, wenn man ihn vom Scheitel des Katwe-Rückens betrachtet, ein purpurnes Aussehen, als ob rothe Farbe unter das Wasser gemischt sei.

Am Ufer lagen Hunderte von todten Schmetterlingen verschiedener Farbe. Fische waren nicht im Wasser zu sehen, obwol die Ufer des Sees ein Lieblingsaufenthalt für Silber- und andere Reiher, Störche und Pelikane zu sein schienen.

Der größere Salzsee von Katwe, der nach dem gleichnamigen Dorfe manchmal auch Mkijo-See genannt wird, ist ungefähr 5 km lang, ¾ – 1¼ km breit und etwa 1 m tief. Der kleinere See liegt in einem runden grasbewachsenen Becken 3 km weiter nach Osten und ist ein runder flacher Teich von etwa ¾ km Durchmesser.

Wer die vorstehenden Thatsachen beachtet, wird sofort bemerken, daß diese Salzbecken Theile des ursprünglichen Sees sind, welcher die durch den Zurücktritt der Wasser des Albert-Edward-Sees entstandene Einsenkung einnahm, und daß die Verdunstung das ehemalige süße Wasser zu dieser starken Salzlake umgewandelt hat.

Salz ist ein sehr werthvoller Artikel und wird von den umliegenden Stämmen eifrig begehrt. Der Ruf von diesen Lagern war sogar bis nach Kavalli gedrungen, wo ich zuerst von dem größern Salzsee von »Katto« hörte. Von Makara, Ukondju, Unjampaka, Ankori und Ruanda kommen ganze Flotillen von mit Getreide beladenen Kanoes, um Salz einzutauschen, und von dem östlichen Ukondju, dem nördlichen Usongora, Toro und Uhaijana treffen Karavanen ein, um Salz gegen Hirse, Baumrindenstoffe, Bohnen, Erbsen, Sesam, eiserne Werkzeuge, Waffen u. s. w. einzuhandeln. Die Inselbewohner des Albert-Edward-Sees befrachten ihre kleinen Fahrzeuge damit und machen mit getrockneten Fischen Reisen nach den westlichen und südlichen Küsten, wo sie durch den Austausch ihrer Producte einen guten Verdienst haben. Der Besitz der Stadt Katwe, welche die Seen beherrscht, gibt Ursache zu großer Eifersucht. Anfänglich gehörte sie den Wasongora, dann Antari von Ankori; darauf erbte der Inselhäuptling Kakuri sie, bis schließlich Kabba-Rega von den reichen Salzlagern hörte und Rukara hinschickte, um die Stadt zu besetzen.

Unser Marsch nach Ukondju hinein hatte die Warasura veranlaßt, die Ebene von Makara sofort zu räumen, und ebenso hatte Rukara mit seiner Armee von Gewehrträgern und Speerwerfern bei unserm Herannahen schleunigst die Flucht ergriffen. In unserm Lager befanden sich etwa 150 Wakondju, auch stellten sich Wasongora ein, die uns unentgeltlich mit Nachrichten versorgten.

Am Nachmittage des ersten Tages nach unserer Ankunft in Katwe sahen wir eine Kanoeflotille von einer etwa 5 km entfernten Insel dem Lande zusteuern, doch waren die Mannschaften so vorsichtig, nicht mehr als bis auf Rufweite sich dem Ufer zu nähern. Wie sie uns mittheilten, waren sie von Kakuri gesandt, um festzustellen, was das für Fremde seien, die Rukara und seine Warasura aus dem Lande fortgescheucht und damit »der ganzen Welt« gute Dienste geleistet hätten. Wir erwiderten in passenden Worten, doch stellten die Eingeborenen sich so, als glaubten sie uns nicht. Schließlich erklärten sie, daß wenn wir die Stadt Katwe in Brand steckten, sie das als einen Beweis ansehen würden, daß wir nicht Warasura seien. Infolge dessen zündeten wir die nahe am Ufer liegenden Dörfer an, was von den Bootsmannschaften mit lautem Freudengeschrei begrüßt wurde.

Dann rief der Sprecher: »Ich glaube jetzt, daß ihr Wanjawingi seid. Schlaft in Frieden und morgen wird Kakuri kommen, um euch Geschenke zum Willkommen zu bringen.«

Darauf stand Bevwa, der Häuptling unserer Wakondju, in einem auf dem See liegenden Kanoe auf und fragte: »Ach, ihr Kinder Kakuri's, des großen Häuptlings des Sees, erinnert ihr euch nicht Kuaru-Kuansi's, der Kakuri's Söhnen die Speere geliehen hat, um das Land gegen die Warasura-Räuber zu vertheidigen? Siehe, Kuaru-Kuansi, ein treuer Sohn der Wanjawingi, ist wieder hier. Freut euch, meine Freunde, Rukara und seine Diebe sind geflohen, und das ganze Land wird sich wie ein Mann erheben, um sie zu verfolgen.«

Die Mannschaften klatschten ihm mit den Händen Beifall zu und trommelten auf einem halben Dutzend kleiner Trommeln. Dann sagte der Hauptsprecher der Insulaner: »Kakuri ist ein Mann, der sich noch keinen Zahn hat ausziehen lassen und er wird sich von einem lebenden Mrasura auch keinen ausziehen lassen. Wir haben ein Dutzend Warasura gefangen, als sie vor diesen Fremden aus Makara flohen. Kakuri wird dafür sorgen, daß sie sterben, ehe die Sonne untergeht, und morgen wird er dann den Häuptling der Fremden von Angesicht zu Angesicht sehen.«

Damit ruderten sie fort und ich fragte nunmehr Bevwa über diese Wanjawingi, wer sie seien und ob sie einen Stamm bildeten?

Bevwa blickte mich scharf an und sagte:

»Weshalb fragst du? Weißt du nicht, daß wir glauben, daß ihr zu den Wanjawingi gehört? Wer ist außer den Wanjawingi und Watschwesi von euerer Farbe?«

»Was? Sind sie weiße Leute wie wir?«

»Sie haben keine Kleider wie ihr und tragen auch nichts an den Füßen, wie ihr es thut, sie sind aber große starke Männer mit langen Nasen und von blasser Farbe, und kamen, wie ich von unsern alten Männern gehört habe, von irgendwo jenseit des Ruwenzori her. Ihr kamt auch aus jener Richtung und deshalb müßt ihr zu den Wanjawingi gehören?«

»Wo leben sie aber?«

»In Ruanda, und Ruanda ist ein großes Land, das sich rundherum von Süd zu Ost bis Südsüdwest ausdehnt. Ihre Speere sind nicht zu zählen und ihre Bogen länger als ich groß bin. Der König von Usongora, Njika, war ein Mnjawingi. Es gibt einige Leute in diesen Gegenden, die Kabba-Rega nicht besiegen kann; sie leben in Ruanda, wohin sich selbst der König von Uganda nicht wagt.«

Als Kakuri am nächsten Morgen kam, brachte er uns Geschenke mit, bestehend aus mehrern Fischen, Ziegen, Bananen und Bohnen. In seiner Gesellschaft befanden sich einige Wasongora-Häuptlinge, welche sich erboten uns zu begleiten, in der Hoffnung, daß wir wie auf dem Marsche nach Toro und Uhaijana einige feindliche Horden treffen würden. Der Inselhäuptling war ein schöner Mann, unterschied sich in der Hautfarbe aber nicht von den dunkeln Wakondju, während die Wasongora in ihren Zügen so viel Aehnlichkeit mit den schönsten Somali- und den Galla-Typen hatten, als wenn sie von derselben Rasse abstammten.

Ich forderte Kakuri auf, nachmittags mit einem Kanoe zu kommen, dasselbe mit Salz zu befrachten und letzteres auf der Insel zu lagern, da ich in einem oder zwei Tagen den Marsch nach Osten würde fortsetzen müssen. Infolge dessen waren etwa 100 Eingeborene den ganzen Nachmittag mit dem Transport von Salz nach der Insel Kakuri beschäftigt, wobei die uns begleitenden Wakondju ihnen tüchtig Beistand leisteten. Die Leute schritten etwa 100 m weit in den See hinein, wo ihnen das Wasser bis ans Knie reichte, und hoben dann große Kuchen krystallisirtes Salz auf, das sie ans Land und über den Landrücken nach den Kanoes im Albert-Edward-See trugen.

Nachdem ich am 19. ein unbeholfenes, schweres, aber ziemlich großes Kanoe gefunden hatte, bemannte ich dasselbe mit 12 Ruderern und fuhr auf den See hinaus, um denselben zu erforschen. Gegen 11 Uhr vormittags war ich ungefähr 12 km weit gekommen, worauf ich vor der Niederlassung Kaijura's halt machte, einem aus 81 großen Hütten bestehenden Dorfe, das reich an Ziegen und Schafen war. Kaijura ist ein Msongora, der bis dahin noch unbesiegt von den Warasura geblieben war. Unser Fahrzeug war so plump und schwerfällig, daß wir uns nicht weiter in den See hinein wagen durften, da bei der leichtesten Brise das Wasser hineinlief, indeß befand ich mich während des größten Theils der Fahrt doch etwa 1½ km vom Lande entfernt. Ich ließ alle paar Minuten das Loth werfen, das stets beinahe einen Meter tief in den weichen Schlick einsank; die größte Wassertiefe, die ich erhielt, war 4,6 m. Ungefähr 400 m vom Lande benutzte ich eine lange Peilstange, die jedesmal 1¼ m in den Schlamm hineindrang, welcher, wenn sie wieder herausgezogen wurde, einen fürchterlichen Gestank, wie ein Abzugskanal, entwickelte.

Am frühen Morgen des nächsten Tages war die Oberfläche des Sees spiegelglatt und von graugrüner Färbung. Am Ufer sahen wir eine merkwürdig große Zahl von Schmetterlingen, von denen viele auch todt auf der Wasseroberfläche trieben.

In der Mitte der Einbuchtung von Katwe lagen zwei Inseln, die etwa 30 m aus dem See emporragten und von denen eine sich durch eine kalkfarbige Klippe bemerkbar machte. Beide trugen große Ansiedelungen und waren anscheinend stark bevölkert.

Bei der Rückkehr nach Katwe erblickte ich in etwa 250 m Entfernung einen großen schwarzen Leopard, der sich gerade vom See zurückzog, in welchem er seinen Durst gelöscht hatte. Er verschwand jedoch, bevor wir unser schwerfälliges Fahrzeug näher ans Ufer rudern konnten.

Der einzige Nutzen, den ich von dieser eintägigen Forschungstour erhielt, war eine vollständige Besichtigung der Bai und ein Blick in die jenseits des Vorgebirges von Kaijura liegende chaotische, formenlose Leere. Der Dunst war so dicht wie Nebel, sodaß man über die Entfernung von 5 km hinaus nichts erkennen konnte.

Begleitet von einer großen Zahl von Häuptlingen und Hirten der Wasongora, sowie unsern Freunden aus Ukondju, marschirte die Expedition von Katwe am 20. Juni weiter, schlug einen Pfad nach Osten ein, welcher an dem größern Salzsee entlang führte, und tauchte in das grasbewachsene runde Becken des kleinern Salzteiches hinab. Nachdem wir einen ostwärts von letzterm liegenden Rücken erstiegen hatten, ging es in eine große Ebene hinab, welche offenbar noch ganz kürzlich von den Wassern des Albert-Edward-Sees bedeckt gewesen war, da noch Tümpel und schmale Sumpfstreifen vorhanden waren. Nach einem Marsche von etwa 30 km trafen wir in Mukungu in Unjampaka bei dem Häuptling Kassesse von Toro ein, dessen Name mir schon im Januar 1876 bekannt geworden war.

Gegenüber dem halben Dutzend Seriben von Mukungu lag eine lange niedrige Insel Namens Irangara, die von einem schmalen Arm des Sees umspült wurde; zwischen ihr und Katero, Kateribba und vier oder fünf andern östlich von Irangara liegenden Inseln trieben große Massen von Pistia. In weiter Ferne tauchten über den Inseln im Nebel die Hochlande von Uhaijana auf, während wir im Süden ein sehr schwaches Bild von Kitagwenda hatten, dessen Häuptling Ruigi ist; ich wußte also, daß wir uns westlich von dem Seearm befanden, den wir den Beatrice-Golf genannt hatten.

Alles Vieh war über den See nach der Insel Irangara geschafft und jeder Werthgegenstand fortgeschleppt; eine ungeheuere Heerde war erst ganz kürzlich von Mukungu nach Buruli getrieben und durch den zurückweichenden Rukara und seine Armee zu einem Eilmarsch veranlaßt worden. Die Hütten der Häuptlinge ließen erkennen, daß diese Eingeborenen in der Kunst der ornamentalen Architektur vorgeschritten waren. Das Haus, welches der Pascha bewohnte, war das am hübschesten verzierte, welches ich bisjetzt gesehen hatte. Dasselbe war ungefähr 6 m hoch und hatte einen Durchmesser von etwa 7½ m, sowie einen Eingang, der mit bunten Farben wie eine rohe Nachahmung der Stuckarbeiten der alten Aegypter geschmückt war. Der Eingang war groß, volle 1½ m hoch, ebenso breit und mit einem hübschen Bogengang versehen. Das Innere war durch getünchte Scheidewände in verschiedene Kreissegmente getheilt, in die dreieckige und rautenförmige Figuren und Dreiecke über Rauten, alles in Roth und Schwarz gemalt, eingegraben waren. Die an dem breiten Eingange befindliche Abtheilung war zum Audienzsaal bestimmt; hinter der buntverzierten Scheidewand lag das Familien-Schlafzimmer und die Kreissegmente zur Rechten waren den Kindern zum Aufenthalte angewiesen gewesen.

Jede Seriba war nicht nur von außen von einem Dornenzaun eingefaßt, sondern auch im Innern von einem bis 1½ m hohen runden Damm aus Kuhdünger umgeben. Diese großen runden Unrath- und Düngerhaufen werden in Usongora sehr häufig angetroffen und noch nach einem Jahrhundert die Stellen bezeichnen, wo die Niederlassungen gestanden haben, wenn die Dörfer und Generationen über Generationen längst verschwunden sind.

Die Arme des Sees, die bald schmäler, bald breiter werden, schwärmen von Silber- und andern Reihern, Enten, Gänsen, Ibissen, Störchen, Pelikanen, Schnepfen, Königsfischern, Tauchern und sonstigen Wasservögeln.

Am nächsten Tage folgen wir der Spur Rukara's und seiner Truppen und Heerden und setzten den Marsch in erst westlicher und dann nördlicher Richtung um einen längern Arm des Sees, den Beatrice-Golf, herum fort, der noch vor einigen Jahren eine große Ausdehnung gehabt haben muß. Die Ebene war vollständig flach und von langen, weit ins Land hineinreichenden seichten Wasserzungen durchschnitten, die wir überschreiten mußten. Als wir mehr nach Norden kamen, traten die Berge von Toro in Sicht, doch wandten wir uns in der Nähe derselben nach Nordosten und machten nach einem Marsch von 17½ km in Muhokja halt, einem kleinen Dorfe, das ungefähr gleichweit vom See wie von den Bergen entfernt lag. Als die Kundschafter die Umgebung des Dorfes untersuchten, fingen sie einen Deserteur von Rukara's Armee, der uns mittheilte, daß die Warasura sich jetzt in Buruli befänden.

siehe Bildunterschrift

Theil eines Hauses am Albert-Edward-Njansa.

Am 22. Juni marschirten wir weiter; zu unserer Rechten lag, so flach wie eine Billardtafel, eine Ebene ausgebreitet, die etwa 12 m niedriger war als die Terrasse, auf welcher wir uns befanden; zur Linken sahen wir die südöstliche Seite der Ruwenzori-Kette, die in meist als kegelförmige Hügel endigende Vorgebirge auslief, zwischen denen weit ins Innere hineinreichende Einbuchtungen des Landes lagen. Wir überschritten mehrere kleinere und zwei größere Flüsse, den Unjamwambi und den Rukoki, von denen der erste reichlich mit großen runden Kieselsteinen besäet war, die durch das lange starke Rollen in der ungestümen Strömung ganz glatt und blank geworden waren.

Bei der Ankunft in der Nähe des Rukoki, dessen Ufer hinter hohem Röhricht verborgen liegen, wurde die Vorhut plötzlich von einer großen Anzahl in dem dichten Morast versteckter Gewehrschützen mit einer Salve empfangen. Leider bestand die Vorhut aus den Wasongora und Wakondju, die uns auf dem Wege führten und nun sich haufenweise in den Fluß stürzten, wobei sie auf ihrer eifrigen Flucht mit den scharfen Speeren mehr Unheil anrichteten, als der im Dickicht verborgene Feind. Indessen wurden die Lasten abgeworfen und schon nach wenigen Minuten waren zwei Compagnien mit bewundernswerther Unerschrockenheit durch den Sumpf gestürmt, wo sie gerade noch früh genug kamen, um die aus den Schlupfwinkeln sich zurückziehenden Warasura zu sehen. Zwar wurde noch eine Zeit lang ein lebhaftes Feuer unterhalten, jedoch in den Kämpfen mit Eingeborenen braucht man Cavalerie, da jene beständig im Laufen sind, entweder zum Angriff oder auf dem Rückzuge. Einige Warasura flohen südwärts, andere rannten, um den Kugeln unserer Gewehre zu entgehen, an den Bergen hinauf. Als die Compagnien den Feind in voller Flucht sahen, kehrten sie zurück; wir nahmen unsere Lasten wieder auf und setzten den Weg nach Buruli fort, dessen ausgedehnte Bananenhaine bald in Sicht erschienen und uns einen seltenen Ueberfluß an Lebensmitteln versprachen.

Kurz vorher, ehe wir den Hinterhalt erreichten, kamen wir an einer geschlachteten Ziege vorbei, welche quer über unsern Weg gelegt und von ein Paar Dutzend tomatenähnlicher gelber Früchte eines sehr häufig vorkommenden Strauches umgeben war. Wie wir alle wußten, bedeutete dies soviel, daß wir uns vor der Rache hüten sollten, allein unsere Eingeborenen hatten ein so großes Vertrauen zu uns, daß sie ohne Zögern weitergingen; nichtsdestoweniger erhielten sie bei dem Hinterhalt einen großen Schreck.

Nachmittags verfolgten unsere Plänkler die Warasura und stellten fest, daß dieselben ihre zerstreuten Truppen wieder sammelten und in ostnordöstlicher Richtung quer über die Ebene marschirten. Die Kundschafter, die nicht an sich halten konnten, sandten ihnen einige Kugeln nach und gaben damit ihrer Flucht einen neuen Antrieb. Die Warasura warfen ihr Gepäck fort, und wir sahen, wie sie ihre Gefangenen mit Stöcken antrieben, bis mehrere, wahnsinnig vor Furcht und Schmerz, ihre Bürden fortschleuderten und unter den Schutz der Waffen unserer Plänkler desertirten. Die Flüchtlinge hatten sich vieler Gegenstände entledigt, die von großem Werthe für uns waren; und unter den Gefangenen befand sich eine Mhuma-Frau von sehr angenehmem Aeußern, die uns viel über Rukara und seine ungeheuern Viehheerden mittheilen konnte.

Früh am nächsten Morgen sandte ich Kapitän Nelson mit 100 Büchsenschützen und 50 Wakondju- und Wasongora-Speerträgern aus, um die Nachhut Rukara's zu verfolgen und wenn möglich den Feind einzuholen. Er folgte demselben etwa 18 km weit; da er aber kein Zeichen von den Warasura zu entdecken vermochte, kehrte er nach Buruli zurück, das wir nach einem brillanten Marsche bald nach Sonnenuntergang erreichten.

Wie man mir erzählte, befanden sich in einer Entfernung von einigen Kilometern zwei heiße Quellen, von denen die eine in der Nähe eines Ortes Iwanda, Nord zu Ost von Buruli, und die andere, »heiß genug um Bananen zu kochen«, bei Luadjimba, nordöstlich von unserm Lager, liegen sollte.

In Buruli blieben wir zwei Tage, da wir auf der Ebene, wo die Wege gut, breit, frei von Dornen, Steinen, Wurzeln, rothen Ameisen und sonstigen Hindernissen gewesen waren, einen vorzüglichen Marsch gemacht hatten. Außerdem war es nicht klug, die Leute anzutreiben, wo sich Ueberfluß an Lebensmitteln bot. Ehe wir diese wohlgedeihende Niederlassung verließen, baten unsere Wakondju- und Wasongora-Freunde um die Erlaubniß, umzukehren, worauf sie, nachdem ich jedem Häuptling und Stammesältesten ein Geschenk gemacht hatte, zu unserm Bedauern Abschied nahmen. Bevwa und seine Wakondju waren jetzt fast 140 km von ihrer Heimat entfernt; ihre Gutmüthigkeit, Bereitwilligkeit und Harmlosigkeit hatten unsere ganze Sympathie gewonnen.

Ein Marsch von 19 km brachte uns am 25. Juni über eine sehr flache Ebene, die so glatt wie ein Rasenplatz war und von fünf Flüssen und breiten sumpfigen Strecken durchschnitten wurde, auf der zweiten Hälfte aber in sanften Wellen, zwischen denen breite Grasflächen lagen, wieder anstieg. Die Anhöhen waren mit dichten Akazienwäldern bestanden, während an den Rändern der flachen Vertiefungen drei Arten von Euphorbien, kräftige Fächer-, einige Borassus- und Ukindu-Palmen wuchsen. Bald nach Mittag lagerten wir uns, eine Stunde von dem Nsongi-Flusse entfernt, in einem Walde.

Diese Stelle war offenbar schon oft von den Warasura-Horden und den nach den Salzseen bestimmten Karavanen aus Toro als Lagerplatz benutzt worden, und da Trinkwasser weit entfernt war, gebrauchten die ermüdeten Köche das Wasser aus einigen Gruben, die von durstigen eingeborenen Reisenden gegraben worden waren. Dasselbe verursachte schreckliche Krankheit unter uns.

Am nächsten Tage überschritten wir den 15 m breiten und ¾ m tiefen Nsongi und begannen unmittelbar darauf zu dem hohen Tafellande von Uhaijana aufzusteigen, das mit dem östlichen Toro, Kitagwenda und Ankori die östliche Mauer des Beckens des Albert-Edward-Sees bildet. Gegen Mittag schlugen wir auf einer breiten ebenenartigen Terrasse bei Kavandare in Uhaijana, 1215 m über dem Meeresniveau und 207 m über dem Spiegel des Sees, das Lager auf.

Die Warasura waren wieder auf der Wacht und begannen von den Gipfeln der Hügel herab zu schießen, entflohen jedoch, als die Vorhut zum Angriff heranstürmte, und ließen einen kräftigen Gefangenen in unsern Händen zurück. Derselbe war gerade in dem Augenblicke, als er seinen Speer schleudern wollte, von einem unserer Plänkler, der sich hinter ihm herangeschlichen hatte, ergriffen worden.

Bevor wir die Terrasse erreicht hatten, waren wir durch Kakonja und seine aufs beste gedeihenden Felder mit weißer Hirse, Sesam, Bohnen und süßen Kartoffeln gekommen. Ost zu Nord von Kakonja liegt etwa eine Stunde Weges entfernt die sehr bedeutende Ansiedelung Karamulli.

Bald nach unserer Ankunft im Lager starb Jussuf Effendi, ein ägyptischer Offizier, an Leberverhärtung. Ich glaube, dies war schon der sechste Todesfall unter den Aegyptern, die in ihrer Provinz ein so fürchterlich ausschweifendes, zügelloses Leben geführt hatten, daß nur wenige von ihnen noch viel Kraft in sich hatten, sodaß sie unter Anstrengungen zusammenbrachen, die von unsern Sansibariten nur als mäßige betrachtet wurden.

Nachdem wir das Lager erreicht hatten, stellten sich die Wirkungen des am Tage vorher, also vor 24 Stunden getrunkenen Grubenwassers ein. Unter den Sansibariten entwickelten sich über 30 Fieberanfälle; außerdem waren zwei von den europäischen Offizieren niedergeworfen und auch ich fühlte die Krankheitssymptome herannahen. Die Leute des Paschas taumelten im Fieber umher und außer mehrern Manjema sollten auch von ihnen etliche vermißt werden.

Am 27. Juni ließ ich Rast machen und sandte Lieutenant Stairs mit seiner Compagnie zurück, um wenn möglich einige der Vermißten aufzusuchen. Mehrere derselben kamen ihm schon aus dem Wege entgegen und versuchten die Colonne wieder einzuholen. Die Frau eines der zum Gefolge des Paschas gehörenden Leute wurde mit durchbohrtem Körper aufgefunden und ein Manjema entging nur durch das rechtzeitige Eintreffen des Lieutenant Stairs demselben Schicksale. Die äußerst unbesonnenen Leute hatten, um sich den Blicken der Nachhut zu entziehen, die List angewandt, sich ins Gras hinzuwerfen und still liegen zu bleiben, bis der Offizier mit seinen Leuten vorüber war.

Insgesammt hatte die Zahl der Krankheitsfälle sich bis auf 200 gesteigert; Aegypter, Sansibarneger, Sudanesen und Manjema ächzten und stöhnten in gleicher Weise bei ihren Leiden. Auch der Pascha, Dr. Parke und Jephson waren von starken Fieberanfällen ergriffen worden.

Am 28. Juni machten wir unter Führung eines gefangenen Warasura einen kurzen Marsch über den Höhenzug von Kavandare. Die Vorhut und die Hauptcolonne kamen im Gänsemarsch unbelästigt über den Paß, dagegen hatte der Nachtrab einen wüthenden Angriff auszuhalten, obwol der Feind sich sofort zur Flucht wandte, als unsere Magazingewehre ernstlich zu antworten begannen. Dies war unser letztes Zusammentreffen mit den Beutejägern Kabba-Rega's, den sogenannten Warasura.

Am nächsten Tage erreichten wir, nachdem wir inzwischen nach der ebenen Terrasse am Fuße der östlichen Mauer des Albert-Edward-Beckens hinabgestiegen waren, Tschamlerikwa und am 1. Juli trafen wir in Kasunga-Njansa in Ost-Unjampaka ein, einem uns im Januar 1876 bekannt gewordenen Orte, wo ich damals eine Anzahl Waganda aussandte, um Kanoes zur Ueberfahrt über den von mir entdeckten See zu suchen. Der König Bulemo-Ruigi, welcher von den inzwischen vor uns über den See angekommenen Insulanern Kakuri's bereits unser Lob gehört hatte, sandte uns Boten entgegen und stellte uns sein Land zur vollen Verfügung mit dem Recht, von jedem Garten und Felde und jeder Pflanzung zu essen, was uns beliebte, nur mit der gern von uns erfüllten bescheidenen Bitte, die Bananenbäume gefälligst nicht umzuhauen.

Die Musterrolle, welche der Pascha mir an diesem Tage wie gewöhnlich zu Anfang des Monats überreichte, enthielt folgende Zusammenstellung:

tabelle

Am 3. Juli erreichten wir die Niederlassung Katari in Ankori an dem Rande des Sees. Schon im Lager am 28. Juni hatte ich die Symptome des herannahenden Fiebers gespürt, sodaß auch ich zu den von demselben Befallenen gehörte; die Krankheit wüthete wie die Pest in unsern Reihen, ohne Rücksicht auf Alter, Hautfarbe oder Geschlecht, und ich hatte bis zum 2. Juli ebenso schwer an derselben zu leiden wie alle übrigen. Als jeder von der Krankheit befallen war, ergriff sie auch Kapitän Nelson, der jetzt der Kräftigste von uns allen war. Der Verlauf war Schüttelfrost, Uebelkeit und hohes Fieber, das sich durch keine Arznei beseitigen ließ; nach zwei- oder dreitägigem ernstlichen Leiden war man matt und verwirrt, jedoch hatte kein einziger Fall mit dem Tode geendigt, obgleich fast alle am Fieber gelitten hatten.

Von dem Lager am 28. Juni, über welchem der Edwin-Arnold-Berg dem Blicke sich zeigte, waren wir dem Fuße des Hochlandes entlang marschirt und zwei Tage später in das Land der Kitagwenda gekommen. Als Ost-Unjampaka wird das Seeufer von Kitagwenda bezeichnet. Die ganze Entfernung von dort bis nach Katari in Ankori ist eine fast ununterbrochene Linie von bis an das Ufer des Sees reichenden Bananenpflanzungen und Feldern mit Mais, Zuckerrohr, Eleusine und Holcus; die Felder liegen hinter den Bananenpflanzungen ins Land hinein und sind wie diese Eigenthum von etwa einem halben Dutzend an der Küste zerstreuter Salzmarktplätze. In 5-10 km Entfernung läuft das gebirgige Hochland mit dem Seeufer parallel.

Wir sind also längs des nördlichen, des nordwestlichen und des östlichen Ufers des Albert-Edward-Sees marschirt und haben reichliche Gelegenheit gehabt, uns über die Süd- und Westküste zu unterrichten; alles was wir über den See in Erfahrung gebracht haben, ist auf der diesem Werke beigegebenen Karte sorgfältig eingetragen worden. Die Südküste des Sees, die wir zum großen Theile von dominirenden Höhen, wie diejenige von Kitete, betrachtet haben, besitzt denselben Charakter wie die flachen Ebenen von Usongora und dehnt sich 30-45 km weit bis zum Fuße der Hochlande von Mpororo und Usongora aus. Die Kanoeleute Kakuri's, die häufig Reisen nach den verschiedenen Häfen von Ruanda und der westlichen Länder, sowie rund um den See herum gemacht haben, theilten mir mit, daß die Ufer sehr flach sind, sich mehr nach Süden als nach Norden, und mehr nach Westen als nach Osten ausbreiten. Der Albert-Edward-See wird von keinem Flusse von großer Bedeutung gespeist, wenn auch mehrere solche von 6-15 m Breite und 60 cm Tiefe in denselben münden. Die beiden größten Flüsse sollen der Mpanga und der Nsongi sein; wenn dies wahr ist, würde der wichtigste Fluß vom Süden her einen gewundenen Lauf von nicht mehr als 95 km Länge haben, sodaß die entferntesten Quellen des Albert-Nils sich nicht weiter als bis nach 1° 10' südl. Br. erstrecken können.

Sowol der erste als auch der letzte Anblick, den wir von dem Albert-Edward-See hatten, war durchaus verschieden von allen denen, die wir früher auf Land und Wasser einer neuen Gegend bekommen hatten, da wir alle übrigen jungfräulichen Scenen stets bei mehr oder weniger klarer Luft betrachteten, die verschiedenen Wirkungen des Sonnenscheins sahen und uns auch an den Reizen erfreuten, welche die Fernsicht bot. Hier aber blickten wir durch federartige leicht bewegte Dunstschichten von unbekannter Tiefe, die einen undurchsichtigen Schleier bildeten, durch welchen der See wie zerstäubtes Quecksilber oder eine glanzlose Silberplatte aussah, die in der Ferne von den unbestimmten, schattenhaften Umrissen eines rothbraunen Landes begrenzt wurden. Das Bild war in jeder Beziehung höchst unbefriedigend. Wir konnten weder Entfernung, Form und Gestaltung unterscheiden, noch die Höhe des Bergrückens über dem Wasser oder die Tiefe des Sees schützen, weder eine richtige Grenze der Ausdehnung der Wasserfläche feststellen, noch zu sagen wagen, ob hier ein Binnenmeer oder ein flacher Teich war. Der Dunst oder eigentlich die Wolke schwebt wie ein grauer Mantel über ihm; wir seufzten nach Regen, damit derselbe die Luft aufkläre, und der Regen fiel auch, allein dann kam an Stelle des verdichteten Dunstes ein wirklicher Nebel, so dick, wie er London an Novembertagen zu quälen pflegt.

Die natürliche Farbe des Sees ist ein helles Meergrün, das sich jedoch schon in kurzer Entfernung vom Lande wegen des unfreundlichen Nebels in ein trübes Grau, die Farbe der Sackleinwand, verwandelt. Es gibt weder Sonnenschein noch Sonnenstrahl, nur eine todte Undurchsichtigkeit, ein Kampf durch die ungemessene Tiefe des Nebels. Wenn wir uns bemühten, unter demselben durchzublicken oder ihn zu durchdringen, um einen Blick auf das geheimnißvolle Wasser zu werfen, wurden wir von dem sich dem Auge bietenden Chaos überrascht, das auf der ruhigen Oberfläche unter der zitternden, wallenden Luft lag; es machte vollständig die Beschreibung: »Im Anfang war die Erde wüste und leer, und es war finster auf der Tiefe«, zur Wirklichkeit, und diese Ansicht verstärkte sich noch, wenn man ausblickte, um die Zusammensetzung dieses dunstartigen Nebels zu prüfen und festzustellen, ob es Dunst, Nebel oder Wolke war. Das Auge wurde bezaubert durch die Wolken von phantastischen, formlosen Gestalten, die Luftgebilde, Flocken, Häutchen, Kügelchen und ausgefransten oder wurmartigen Fäden, die in solch zahllosen Mengen umherschwebten, schwammen und trieben, daß man eine Hand voll greifen zu können meinte. Im Fieberdelirium habe ich solche, wie winzige Thierchen sich hin- und herbewegende Gestalten gesehen, welche mit der Geschwindigkeit des Gedankens ihre Form änderten und sich vor den verwirrten Sinnen zu seltsamen misgestalteten Figuren verwandelten. Allgemeiner und deutlicher gesprochen, schien die Luft mit schattenhaften, in die Länge gezogenen Organismen gefüllt zu sein, die meist eine rohe Aehnlichkeit mit wurmartig sich bewegenden Kaulquappen hatten. Während man vom Lande das unbestimmte Bild einer etwa 5 km entfernten Insel betrachtete, bemerkte man, daß dasselbe sich vertiefte oder mehr vom Nebel umhüllt wurde, je nachdem eine dünnere oder dickere horizontale Schicht dieser luftigen Gestalten sich herniedersenkte oder aufwärts schwebte; und wenn man die letztern mit festem Blicke verfolgte, bemerkte man das Vibriren derselben ebenso deutlich, wie man es von der Luft in den Sonnenstrahlen sieht. Von dem Scheitel eines grasbewachsenen Rückens, der Krone eines hohen Hügels und dem traurigen grauen Strande versuchte ich zu erkennen, was nur 5 km entfernt meinem Blicke sich zeigte, und festzustellen, ob es braunrothes Land, graue Wasserfläche oder aschfarbener Himmel sei, aber alles war vergeblich. Ich brauchte nur aus der Ferne die traurigen Weisen eines Klageliedes zu hören, um mir vorzustellen, daß auf dem windstillen See eins von Kakuri's Kanoes dort draußen ein Leichenboot sei, welches langsam mit seiner Fracht von todten Forschern dem düstern Ziele zuglitt, von dem noch kein Forscher zurückgekehrt ist.

Und ach! was hätten wir sehen können, wenn wir nur einen der wunderbar klaren Tage mit dem tiefen, reinen Azur und der blendenden Durchsichtigkeit des Aethers gehabt hätten, wie man sie in Neuyork so häufig hat! Wir hätten der Welt ein Bild von dieser unbekannten Gegend malen können, wie es noch kein Maler gemalt hat. Wir hätten ihr den See zeigen können mit seiner zartblauen Farbe, hier sich herrlich verbreiternd, dort mit seinen glitzernden weißen Armen Gruppen von tropischen Inseln umfassend oder lange Zungen silbernen, glänzenden Wassers in die ausgedehnten wiesenartigen Ebenen vorstreckend, bald runde Buchten bildend, bald den schlanken Küstenlinien entlang oder unter dem Schatten der hoch aufsteigenden Plateaumauern sich ausbreitend, ganze Flotillen von Kanoes, welche über seine helle Fläche gleiten, um ihm Leben zu verleihen, breite Bänder von grünem Sumpfgras, Palmen, Bananen, wogendem Zuckerrohr und schattenreichen Laubdomen, welche seine Ufer verschönen. Und rundherum nach jeder Richtung des Kompasses hätten wir ihr die unregelmäßige Kreislinie der Hochländer zeigen können, deren stolze Bergfürsten hoch in die klare Luft emporsteigen, mit ihren gebirgigen Vorsprüngen, den tief bis ins Becken vorgestreckten kuppenartigen Kronen, den weit in die dunkeln Bergfalten eindringenden schönen Thälern und den silberfädenartigen Flüssen, die wie Pfeile an den klippenförmigen Abhängen herabstürzen; breite Bänder von lebender grüner Masse, Strecken dunkelgrünen Waldes, der mit den drohenden grauen oder weißen Abgründen abwechselt, und fern im Norden die Alpen des Ruwenzori, die den Horizont begrenzen und meilenhoch über den Spiegel des Sees aufsteigen, in ihrem prächtigen reinen weißen Gewande, bezaubernd malerisch in ihrer Versammlung von Pics, Bataillonen von Bergtrabanten, die sich herrlich vom krystallklaren Himmel abheben.

Aber leider wandten wir die verlangenden Augen und sehnenden Blicke vergeblich nach ihrer Richtung. Das Mondgebirge schlummerte stets in seinem Wolkenzelte und der See, aus welchem der Albert-Nil entspringt, lag ewig brütend unter dem undurchdringlichen lieblosen Nebel.



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