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Dreiunddreißigstes Kapitel.
Durch Ankori nach dem Alexandra-Nil.

Die Routen nach der Küste, über Uganda, durch Ankori. durch Ruanda und von dort nach dem Tanganika-See. – Wir entscheiden uns für die Ankori-Route. – Halt in Kitete, wo wir im Namen des Königs Antari willkommen geheißen werden. – Unterhaltung mit Masakuma und seinen Frauen. – Frohe Botschaft von der Mutter des Königs Antari. – Die Waganda-Christen Samuel und Zacharias erscheinen im Lager; letzterer erzählt mir die erstaunlichen Ereignisse, welche in Uganda passirt sind. – Muanga. König von Uganda, und sein Verhalten. – Unsere Leute erholen sich von der Fieberepidemie. – Marsch in dem Thale zwischen der Iwanda- und der Denny-Kette. – Lager bei Wamaganga. – Dessen Bewohner. – Uebergang über den Ruisi-Fluß. – Ein Geschenk von der Mutter des Königs. – Die durch skandalöse Handlungen einiger unserer Leute hervorgerufene Stimmung der Eingeborenen. – Ein Vorfall zur Illustrirung der verschiedenen Auffassungen der Menschen von den Dingen. – Halt im Thal von Rusussu. – Auszug aus meinem Tagebuche. – Fortsetzung des Marsches durch das Namianga-Thal. – Die feindlichen Eingeborenen wenden sich gegen uns, werden aber von den Leuten des Prinzen Utschunku gezüchtigt. – Blutsbrüderschaft mit dem Prinzen. – Die Verwunderung des Prinzen über das Maximgeschütz. – Eine zweite Deputation von den Waganda-Christen; langes Kreuzverhör derselben; Auszug aus meinem Tagebuche. – Meine Antwort an die Christen. – Ankunft im Thal von Mavona. – In Sicht des Alexandra-Thals. – Der Alexandra-Nil.

 

Am Abend des 3. Juli berief ich die Offiziere der Expedition zu meinem Freunde, um mir bei dem Entschluß über die Frage, welche der drei folgenden Routen wir auf dem Marsch nach der Küste einschlagen sollten, zu rathen. Ich sagte ihnen Folgendes:

»Meine Herren! Wir sind hier zusammengekommen, um zu entscheiden, welche Route wir für den Marsch nach der See wählen sollen. Es kommt Ihnen zu, bei dieser Entscheidung Ihre Stimme abzugeben, ich werde Ihnen daher unparteiisch auseinandersetzen, was für und gegen eine jede derselben zu sagen ist.

»1. Haben wir die Route über Uganda, meiner alten Straße nach der Mündung des Katonga entlang. Wenn der König, wie in frühern Zeiten freundlich gesinnt wäre, könnte ich die Expedition nach Dumo am Victoria-See bringen, wo ich Mittel finden würde, um seine Kanoes zu leihen, damit dieselben uns nach Kavirondo bringen, von wo wir nach Beschaffung von Rindern und Getreide nach Kikuju und von dort nach Mombas aufbrechen könnten. Allein Muanga ist nicht Mtesa, und der Mörder des Bischofs Hannington kann nicht unser Freund sein. Wenn wir nach Uganda gingen, würden wir die Alternative haben: entweder zu kämpfen oder unsere Waffen abzuliefern. Thäten wir das eine oder das andere, so würden wir alle Mühen nur durchgemacht haben, um diejenigen nutzlos zu opfern, welche wir unter unserer Obhut haben.

»2. Südwärts die Route direct durch Ankori. Im Jahre 1876 bezahlte der König Antari dem König von Uganda Tribut und er gibt denselben ohne Zweifel noch jetzt. In der Hauptstadt müssen ganze Scharen von Waganda sein, und sie sind klug genug, um zu hoffen, daß sie sich die Gunst Muanga's erringen würden, wenn sie ihm etliche hundert Gewehre und Munition überliefern könnten. Was sie durch List nicht durchzusetzen vermögen, werden sie vielleicht mit Gewalt versuchen. Lange bevor wir den Alexandra-Nil erreicht hätten, würde eine Armee von Waganda und Wanjankori unsere Flucht aufgehalten und ein entscheidender Kampf stattgefunden haben. Antari selbst ist sehr wohl im Stande, uns an dem Durchmarsch durch sein Land zu verhindern, da er nach meiner Schätzung im Falle einer Invasion 200 000 Speerträger wird aufstellen können, während 10 000 schon vollständig genügen würden, um unsere kleine Truppe aufzuhalten. Was er thun wird, weiß kein Mensch. Mit 50 Sansibariten würde ich meinen Weg durch die Wildniß finden können, aber mit 600 Leuten beschwert, wie der Pascha sie bei sich hat, ist die Wildniß unmöglich. Wir müssen daher auf das Schlimmste vorbereitet sein.

»3. Die beiden ersten Routen führen an jenen Plateaumauern hinauf, die Sie dort sehen. Die dritte und letzte läuft einen Tagemarsch am Fuß derselben entlang und wendet sich dann südwärts nach Ruanda, durch dieses Land nach Uzige und an den Tanganika, von wo wir Boten nach Udjidji oder Kavele senden könnten, um Kanoes oder Boote zu erhalten. Wir könnten dann von Udjidji über Unjanjembe nach Sansibar oder nach dem Südende des Sees und von dort nach dem Njassa und so weiter den Schire und Sambesi hinab nach Quelimane gehen. Allein lange bevor wir den Tanganika erreicht hätten, würden alle unsere Künste auf die Probe gestellt worden sein. Bei den Arabern ist es, wie ich weiß, beinahe schon zum Sprichwort geworden, daß es leichter ist, nach Ruanda hineinzukommen, als wieder heraus. Eine arabische Karavane ist vor 18 Jahren hineinmarschirt, aber nie zurückgekehrt, und Mohammed, Tippu-Tib's Bruder, hat mit 600 Gewehrträgern vergeblich versucht, durch Ruanda vorzudringen. Ich glaube nicht, daß in Ruanda Truppen genug sind, um uns aufzuhalten, und wenn es keinen andern Weg gäbe, dann würden wir nicht weiter zu berathen haben, was wir thun sollen, sondern geradeaus marschiren. Es ist ein interessantes Land und ich möchte gern seinen König und sein Volk kennen lernen; allein es ist eine lange Reise.

»Sie haben also den kürzesten Weg über den Victoria-See und Kavirondo, hier aber mit den Waganda zu rechnen. Dann haben Sie den nächstkürzesten Weg über Ankori und Karagwe, aber mit den vereinigten Waganda und Ankori. Die längste Route führt durch Ruanda.«

Nach einer sehr lebhaften Discussion wurde beschlossen, mir die Entscheidung zu überlassen, worauf die Ankori-Route gewählt wurde.

Ich erließ infolge dessen den Befehl, Lebensmittel für fünf Tage vorzubereiten, um mit dem am Njansa umsonst erhaltenen Proviant ziemlich weit nach Ankori hineinzukommen, ehe wir mit der Vertheilung von Perlen und Stoffen an etwa 1000 Leute begannen. Ferner zog ich die Erlaubniß, daß jeder sich nach Belieben mit eßbaren Dingen versehen könne, zurück und ließ durch die Ausrufer in den verschiedenen Sprachen im ganzen Lager bekannt machen, daß an jedem, der bei der Beraubung von Pflanzungen betroffen oder der Plünderung der Dörfer überführt werde, öffentlich ein Exempel statuirt werden sollte.

Am Morgen des 4. Juli wandten wir dem Albert-Edward-Njansa den Rücken und schlugen einen Weg ein, der uns S. z. O. über die Ebene führte. Nach etwa einer Stunde nahm die bis dahin flache Ebene einen wellenförmigen Charakter an und war mit Gruppen von Gebüsch und einigen wenigen Bäumen bedeckt. Ein Marsch von einer weitern Stunde auf diesem Terrain brachte uns an den Fuß der ersten Linie von Hügeln, an denen wir auf- und abstiegen, bis wir um Mittag in Kitete halt machten, wo wir die Höhe von 305 m über dem Njansa erreicht hatten. Wir wurden freundlich empfangen und im Namen des Königs Antari bewillkommnet. Fast gleichzeitig mit uns waren Boten von Masakuma, dem Gouverneur der Seeprovinz von Ankori, eingetroffen, der befahl, daß wir mit jeglicher Gastfreundschaft und allen Ehren aufgenommen und stationsweise zu ihm geführt werden sollten. Die Macht der Abgesandten der Regierung war eine so große, daß sie alle Dorfbewohner aus ihren Hütten beorderten mit Rufen, wie: »Platz für Antari's Gäste! Platz für Masakuma's Freunde! Ha, ihr Schurken, hört ihr nicht? Heraus mit Sack und Pack!« und ähnlichen Rufen, wobei sie uns hin und wieder listig anblickten, um zu sehen, ob wir die Art und Weise ihres Verfahrens auch gehörig bewunderten. Wir waren noch nicht lange in Ankori, als wir die Lage auch gründlich erkannt hatten: Ankori war das Eigenthum des Königs. Die Leute, mit denen wir zu thun haben würden, waren nur die Gouverneure, Wakungu genannt, und der König, seine Mutter, Brüder, Schwestern, Onkel, Tanten u. s. w. Ankori war eine Copie von Uganda.

siehe Bildunterschrift

Ein Dorf in Ankori.

Von Kitete zeigte sich ein beträchtlicher Theil des Südostendes des Albert-Edward-Sees unsern Blicken. Wir befanden uns hier 305 m über demselben, die Sonne schien stark, und zum ersten male sahen wir etwa 15 km weit durch den Dunst. In 312½° bis 324° vom magnetischen Meridian wurden die untenliegenden Ebenen von weit hineinreichenden schmalen Einbuchtungen des Sees durchschnitten, der eine große Anzahl kleiner niedriger Inseln umspülte; unter 17½° vom magnetischen Meridian erhob sich der Nsinda-Berg 760 m über den Wasserspiegel, und weiter zurück, etwa 5 km entfernt, stieg die Kette von Kinjamagara auf, während an der Ostseite eines tiefen Thals, das dieses Gebirge von den Hochlanden von Ankori trennte, die westliche Seite der steilen grauen drohenden Felsmauern der Denny-Kette sich zeigte.

Der Weg führte uns am 5. Juli beständig aufwärts in ostnordöstlicher Richtung nach Kibwiga am Fuße der Denny-Kette, von wo der Nsinda-Berg jetzt nach Nordnordwest lag. Dem Dorfe gegenüber war der Kinjamagara. In dem dreieckigen Thale zwischen den beiden Bergen entdeckten wir die ersten Heerden der Wanjankori.

siehe Bildunterschrift

Aufstieg an der Felswand von Ankori.

Am 7. Juli marschirten wir in sehr geschlossener fester Ordnung den Paß zwischen den Ketten des Kinjamagara- und des Denny-Gebirges hinauf, bis wir den Gipfel der erstern in der Höhe von 1878 m erreicht hatten, wo wir es infolge der kühlen Winde ungewöhnlich kalt fanden; dann ging es beinahe 250 m am östlichen Abhange der Kette wieder hinab, bis wir an das Hauptdorf Masakuma's, des Gouverneurs der Seeprovinz von Ankori, kamen.

siehe Bildunterschrift

Zug der Expedition durch das Thal von Ankori.

Wir fanden in Masakuma einen prächtigen alten Burschen, der von allen unsern Treffen mit den Warasura sehr gut Bescheid wußte. Bei einer am Nachmittage abgehaltenen großen, feierlichen Versammlung bestand er darauf, daß wir selbst unsere Geschichte erzählen sollten, damit seine Unterhäuptlinge und Aeltesten erführen, wie die Wanjoro bei Mboga, Utuku, Awamba, Ukondju und Usongora geschlagen und bei Toro vollständig in die Flucht gejagt worden waren. »Seht«, sagte er, »das ist die Art und Weise, wie die Diebe von Unjoro aus allen Ländern vertrieben werden sollten, die sie geplündert haben. Ach, wenn wir nur gewußt hätten, welches tapfere Werk ihr ausführtet, wir wären bis Mruli mit euch gegangen«, eine Bemerkung, die mit lautem Beifall ausgenommen wurde.

Dann kamen die Frauen des Häuptlings heraus und statteten uns eine Staatsvisite ab. Sie waren mit aus Perlen gearbeiteten Kappen mit Perlentroddeln, sowie einer dicken Rolle von Halsbändern und breitem Brustzierath, ebenfalls aus hübscher Perlenarbeit, geschmückt, sagten uns viele schöne Complimente wegen des von uns vollbrachten guten Werks und baten uns, den Ausdruck ihrer Dankbarkeit entgegenzunehmen. »Ankori ist in Zukunft euer Land; kein Unterthan Antari's wird euch die rechte Hand der Kameradschaft verweigern, denn ihr habt euch als echte Wanjawingi erwiesen.«

Darauf traten die Aeltesten vor, grauköpfige, schwache Männer, vom Alter gebeugt und schon fast kindisch, und sagten mit ausgestreckten Händen, die Handfläche nach oben erhoben: »Wir begrüßen euch mit Freuden. Wir haben heute zum ersten mal erblickt, was unsere Väter nie gesehen haben, die wirklichen Watschwesi und die echten Wanjawingi. Seht sie euch an, ihr Leute; das sind die, von denen wir gehört haben, daß die Warasura bei ihrem Anblick den Rücken gewendet haben und geflohen sind, als ob sie Flügel an den Füßen gehabt hätten.«

Als wir am Abend des 8. Juli über die Straße beratschlagten, welche wir einschlagen sollten, hatten wir nicht geahnt, daß uns ein solcher Empfang zutheil werden würde, und wenn die Ausdrücke Watschwesi und Wanjawingi auch nicht gerade sehr wohlklingend waren, so waren es doch jedenfalls Ehrentitel, die von bewundernden Blicken begleitet waren, welche der Häuptling Masakuma und die den ganzen Tag Wasser tragenden und sonstige kleine Arbeiten verrichtenden halbnackten Sklavinnen uns zuwarfen.

Am folgenden Tage brachte man uns über 300 Bananenbüschel und mehrere Krüge mit Bananenwein zu unserer Verwendung während unsers Aufenthalts. Auch trafen aus den benachbarten Niederlassungen Deputationen ein, denen Masakuma aufs neue die Geschichte von der Verjagung der Warasura und der Befreiung der Salzseen erzählte, worauf uns nochmals für die geleisteten Dienste öffentlich gedankt wurde. In der That wunderten wir uns in Anbetracht der vielen Stämme, welche von unserer Dazwischenkunft Nutzen zogen, nicht so sehr über die allgemein gezeigte Freude. Die Geschichte war das Zaubermittel zu der ungetheilten Aufmerksamkeit und Zuneigung der Wanjankori.

Gegen Sonnenuntergang kehrten die nach der Hauptstadt gesandten Läufer von der Mutter des Königs mit einer Botschaft zurück, die allerdings diplomatisch war, von uns aber sehr gut verstanden wurde. Dieselbe lautete:

»Masakuma wird euch Führer geben, um euch den Weg nach Karagwe zu zeigen. Ihr werdet in jedem Lager Lebensmittel erhalten, solange ihr in Ankori seid. Man wird euch reichlich Ziegen und Rinder geben. Reist in Frieden. Die Mutter des Königs ist augenblicklich krank, hofft aber wieder wohl genug zu sein, um euch zu empfangen, sobald ihr das Land nochmals besucht. Aber von heute an gehört das Land euch, und alles was darinnen ist. Der König Antari ist auf einem Kriegszuge abwesend, und da seine Mutter krank und bettlägerig ist, hat sie niemand, der würdig ist, euch zu empfangen.«

In der Hauptstadt hatte man infolge der Erzählungen Bevwa's und Kakuri's unsere Stärke und Zahl übertrieben, immerhin war aber auch unsere im Gänsemarsch ziehende lange Colonne sehr imposant. Auch das fürchterliche Maximgeschütz hatte einen moralischen Einfluß ausgeübt, und die Thatsache, daß wir die Wanjoro oder Warasura aus so vielen Ländern vertrieben und Ruigi, König von Kitagwenda, für uns gesprochen hatte, hatten in Verbindung mit der Natur des Dienstes, den wir dadurch geleistet, daß sie so viele Ladungen Salz mit so geringen Kosten hatten bekommen können, zu unsern Gunsten gesprochen. Wenn die königliche Familie deshalb herzlich und freundlich zu sein geneigt war, so war sie gleichzeitig doch auch nicht vollständig ohne Furcht, daß die Colonne, welche durch das südliche Unjoro marschirt war, in gewisser Weise auch für Ankori eine Gefahr bilden könne.

Die arme Königin-Mutter! Hätte sie gewußt, wie froh ich insgeheim über die beste Botschaft war, die ich in ganz Afrika erhalten habe, sie würde sich gewiß keine Sorge darüber gemacht haben, wie ich ihre Botschaft aufnehmen würde. Denn wenn wir auch mit Stoffen und Perlen für die Eingeborenen ziemlich reichlich versehen waren, so waren wir doch arm an Gaben, die eines Königthums von solchen Ansprüchen wie in Ankori würdig waren.

Das Land soll von Löwen und Leoparden unsicher gemacht werden, doch hörten wir während der Nacht nichts von denselben. Dagegen brach am ersten Abend unsers Aufenthalts bei Masakuma eine Hyäne in unser Lager ein und schleppte eine Ziege fort.

Zwei kurze Tagemärsche von 4¾ und von 3 Stunden brachten uns nach Katara, wo wir am 11. Juli eintrafen. Der Weg hatte uns durch ein langgewundenes Thal geführt, in welchem wir die Denny-Kette zur Rechten und den Iwanda zur Linken gehabt hatten. Die Bäche, welche wir hier überschritten, waren die Quellen des Rusango, der nordwärts nach dem Edwin-Arnold-Berg fließend, sich mit dem nach Süden strömenden, aus den Schluchten des Gordon-Bennett- und des Mackinnon-Berges kommenden Mpanga vereinigt. Letztern überschritten wir, als wir parallel mit der Ostküste des Albert-Edward-Sees marschirten.

Bald nach unserer Ankunft im Lager stellten sich mit Erlaubniß von Antari zwei Waganda-Christen, Namens Samuel und Zacharias, mit einer beträchtlichen Zahl von Begleitern bei uns ein und sagten, nachdem sie uns begrüßt hatten, sie wünschten mir einige Mittheilungen zu machen, wenn ich eine ruhige Stunde für sie übrig hätte. In der Erwartung, die üblichen Lobsprüche auf ihren König Muanga zu hören, mit denen jeder getreue Mganda, wie ich die Leute kennen gelernt hatte, nur allzu bereitwillig bei der Hand war, verschoben wir die Unterredung bis zum Abend. Sie lieferten ein Packet Schießpulver und Zündhütchen, die sie am Wege gefunden hatten und welche das Eigenthum eines Manjema waren, an mich ab, was mich sehr zu ihren Gunsten stimmte; ich legte beides in der Nähe meines Stuhles nieder, doch schon nach wenigen Minuten war es von einem langfingerigen Moslem gestohlen.

Als es Abend geworden war, übernahm es Zacharias, mir die erstaunlichen Ereignisse, welche im letzten Jahre in Uganda passirt waren, zu erzählen. König Muanga, der Sohn Mtesa's, hatte es schlimmer und immer schlimmer getrieben, bis die eingeborenen Mohammedaner sich mit den »Amasia« genannten Christen vereinigten, um den grausamen Tyrannen wegen seiner unbarmherzigen Hinrichtungen abzusetzen. Die Christen fühlten sich einstimmig veranlaßt, sich den Mohammedanern, Proselyten der arabischen Händler, anzuschließen, nicht nur weil Muanga ihre Religionsgenossen ebenfalls abgeschlachtet, sondern auch weil er in jüngster Zeit geplant hatte, sie vollständig auszurotten. Er hatte nämlich eine große Anzahl Ziegen auf eine Insel bringen lassen und dann die Christen aufgefordert, sich in seinen Kanoes einzuschiffen, um die Ziegen zu fangen. Hätten sie seine Einladung angenommen, so würde er nach der Landung mit seinen Kanoes fortgefahren sein und die Christen zurückgelassen haben, die dann zunächst von den Ziegen leben, schließlich aber verhungern mußten. Einer seiner Pagen hatte indeß seine Pläne verrathen und die christlichen Häuptlinge vor der Absicht des Königs gewarnt. Sie hatten deshalb seine Einladung abgelehnt.

Die Vereinigung der beiden Parteien im Königreich Uganda führte bald zu einem erfolgreichen Absetzungsversuche. Muanga leistete mit seinen Getreuen kurze Zeit Widerstand, wurde dann aber, als seine beiden Hauptstädte Rubaga und Ulagalla genommen waren, gezwungen, das Land zu verlassen. Er fuhr mit Kanoes nach dem Südende des Victoria-Sees und suchte Zuflucht bei Said ben Saif, alias Kipanda, einem Händler und alten Freunde von mir aus dem Jahre 1871, der sich in Usukuma niedergelassen hatte. Der Araber Said mißhandelte aber den entthronten König, sodaß dieser im geheimen weiter floh, bis er bei den französischen Missionaren in Bukumbi Schutz fand. Früher waren sowol die englischen wie die französischen Missionare von Muanga aus Uganda vertrieben und bis auf ihre Unterkleider aller ihrer Habseligkeiten beraubt worden. Die Franzosen hatten sich dann in Bukumbi und die Engländer in Makolo in Usambiro, am äußersten südlichen Ende des Victoria-Sees, niedergelassen

Nach der Entfernung Muanga's aus Uganda wählten die siegreichen moslemitischen und christlichen Proselyten Kiwewa zum König. Kurze Zeit verlief alles ganz glatt, bis man entdeckte, daß die moslemitische Partei bei dem neuen König eine feindselige Stimmung gegen die Christen hervorzurufen sich bemühte. Jene sprengten das Gerücht aus, daß, da England von einer Königin regiert werde, die Christen nun ebenfalls beabsichtigten, eine von den Töchtern Mtesa's auf den von Kiwewa eingenommenen Thron zu erheben. Der König lehnte sich infolge dessen an die Moslemin an und gab die Christen auf; jenen beliebte es jedoch, Zweifel an die Anhänglichkeit des Königs an sie und ihren Glauben auszudrücken, und sie wollten sich nicht eher von seiner Aufrichtigkeit überzeugen lassen, als bis er formell die Ceremonie der Beschneidung an sich vornehmen ließe. Die Nothwendigkeit hiervon wollte aber der König nicht einsehen, und die Moslemin beschlossen daher, die Operation gewaltsam an ihm ausführen zu lassen, und wählten 12 Watongoli (Obersten), welche dieselbe vornehmen sollten. Unter diesen Obersten befand sich auch mein Freund Sabadu, dem ich die mündlich überlieferte Geschichte von Uganda verdanke. Vgl. »Durch den dunkeln Welttheil«. Kiwewa erhielt jedoch Kenntniß von dem Plane und füllte sein Haus mit Bewaffneten, die, als die Obersten hereindrangen, diese ergriffen und einen nach dem andern mit den Sperren erstachen. Die Nachricht hiervon verbreitete sich rasch in der Hauptstadt; es wurde sofort ein Angriff auf den Palast und seinen Hof gemacht und bei dem Kampfe wurde Kiwewa gefangen und erschlagen.

Die Rebellen erwählten dann Karema, einen Bruder des erschlagenen Kiwewa und des entthronten Muanga, zum König von Uganda; dieser saß noch jetzt auf dem Throne.

Die Christen hatten die Truppen Karema's wiederholt angegriffen und ihre Sache im allgemeinen gut, zuweilen mit Erfolg behauptet; allein in der vierten Schlacht erlitten sie eine Niederlage, worauf die Ueberlebenden nach Ankori geflohen waren, um Zuflucht bei Antari zu suchen, der, ihrer Meinung nach, die Hülfe einer solchen Schar von Kriegern bei seinen verschiedenen Kämpfen mit Mpororo und Ruanda nicht verachten würde. Es lebten jetzt etwa 2500 Christen in der Hauptstadt von Ankori und weitere 2000 zerstreut in Uddu.

Als die Christen in Uddu erfuhren, daß Muanga Christ geworden und während seines Aufenthalts bei den französischen Missionaren in Bukumbi von diesen getauft worden sei, boten sie sich ihm als Unterthanen an, worauf er in Gesellschaft eines englischen Händlers Namens Stokes nach Uddu kam, um sie zu sehen; allein da seine Mittel zur Wiedergewinnung seines Thrones zu geringfügig waren, nahm er Besitz von einer nicht weit von der Murchison-Bai entfernten Insel, wo er mit etwa 250 Gewehrträgern noch jetzt sein sollte, während Stokes, wie man glaubte, nach der Küste zurückgekehrt war, um zur Unterstützung Muanga's in Sansibar Gewehre und Munition gegen Elfenbein einzutauschen. Bisjetzt stand das Festland von Uganda noch unter der Herrschaft Karema's, während die Inseln Muanga anerkannten, dem auch die ganze Flotille von Uganda, mehrere hundert Kanoes, zur Verfügung stand.

Wie meine Gäste mir ferner mittheilten, war ihr Erscheinen in meinem Lager dem Umstande zuzuschreiben, daß sie in der Hauptstadt von der Ankunft weißer Männer gehört hatten und von ihren Landsleuten aufgefordert worden waren, uns um unsern Beistand zu bitten, um Muanga wieder auf den Thron von Uganda zu setzen.

Da nun dieser König infolge seiner Excesse, Ausschweifungen und der in niederträchtigster und barbarischster Weise ausgeführten Christenmorde einen wenig beneidenswerthen Ruf erworben hatte und Schuld daran war, daß Bischof Hannington durch Luba von Usoga ermordet und mehr als 60 seiner armen sansibaritischen Begleiter niedergemetzelt wurden, so hatte ich, wenngleich die Geschichte Zacharias' und Samuel's ziemlich klar und ohne Zweifel wahr war, doch starke Gründe, weshalb ich nicht sofort ein unbedingtes Vertrauen in die Bekehrung und Reue Muanga's setzen oder auch nur die Enthüllungen der Convertiten als vollständig glaubwürdig anerkennen konnte. Ich hatte nur zu genaue Kenntniß von der Doppelzüngigkeit der betrügerischen Waganda und ihrer merkwürdigen Geschicklichkeit im Täuschen, um mich auf dieses in Aussicht gestellte Abenteuer einzulassen; aber selbst wenn ich geneigt gewesen wäre, die Mission, Muanga wieder auf den Thron zu erheben, anzunehmen, so verhinderte doch meine noch unerfüllte Pflicht, den Pascha und seinen Freund Casati, sowie die Aegypter und ihr Gefolge nach der See zu geleiten, jeden Gedanken daran. Es ist aber nicht leicht, den afrikanischen Eingeborenen zu erklären, weshalb man ihre vom Impuls eingegebene Wünsche nicht erfüllen kann; und wenn die Waganda-Natur irgendwie ähnlich geblieben war, wie ich sie im Jahre 1876 kennen gelernt hatte, dann waren die Waganda sehr wohl einer Intrigue mit Antari fähig, um meinen Marsch aufzuhalten. Wer die Kapitel über die Waganda in meinem Werke »Durch den dunkeln Welttheil« gelesen hat, wird meine Behauptung nicht bezweifeln. Ich theilte Zacharias und Samuel daher mit, ich würde mir die Sache überlegen und ihnen meine definitive Antwort geben, wenn wir einen Ort in der Nähe des Alexandra-Nils erreicht hätten, wo genügende Vorräthe von Lebensmitteln zu haben seien für die Leute, welche ich zurücklassen müßte, um ihren Wünschen nachzukommen; es würde daher am besten sein, wenn sie zu den Waganda zurückkehrten, um festzustellen, wo Muanga zur Zeit sich befinde und ob Nachrichten von Herrn Stokes eingetroffen seien.

In Katara starb Mohammed Cher, ein ägyptischer Offizier. Abdul Wahid Effendi hatte vorgezogen, in Kitega zurückzubleiben, und Ibrahim Telbaß war nach dem Abmarsche von letzterm Orte mit seinen Begleitern im hohen Grase verschwunden und, wie wir annahmen, umgekehrt, um bei seinem kranken Landsmann zu bleiben.

Unsere Leute erholten sich jetzt wieder einigermaßen von der Fieberepidemie, welche so viele von uns niedergestreckt hatte. Der Pascha, Kapitän Casati, Lieutenant Stairs und Jephson waren aber diejenigen, welche in dieser Zeit am meisten gelitten hatten. In der Nacht vorher hatten wir in der Höhe von 1753 m über dem Meere geschlafen; die lange Denny-Kette war noch 213 m höher, und an diesem Morgen bemerkte ich, daß der Boden mit Reif bedeckt war. Während des Marsches an diesem Tage fanden wir an dem Weg im Gebüsch Brombeeren, eine Frucht, die ich schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte.

Bei dem dritten Marsche in dem Thale hinauf, welches wir zwischen dem Iwanda-Berg und der Denny-Kette verfolgt hatten, erreichten wir das Ende desselben, worauf wir einen schmalen Landrücken überschritten und dann zum Becken des Ruisi hinabstiegen. Allmählich begann die nebelige Luft dieser Gegend sich aufzuklären, sodaß wir jetzt etwa 8 km weit sehen und die Umrisse des hohen Weidelandes von Ankori erkennen konnten. Dasselbe zeigte sich aber keineswegs von seiner besten Seite, da wir uns schon ziemlich tief in der trockenen Jahreszeit befanden. Dieselbe hatte bereits vor zwei Monaten begonnen, und alle Hügelketten, steilen Felsen, Anhöhen und Ebenen waren mit für das Feuer reifem Grase bedeckt. Die Zahl der Heerden war eine große und die Rinder waren so fett, als wenn sie sich um einen Preis bewerben sollten. In dem Thale zwischen der Denny- und der Iwanda-Kette waren wir an mehr als 4000 Rindern einer langhornigen Rasse vorübergekommen. Das Becken des Ruisi, in dem wir uns jetzt befanden und welches das Herz von Ankori bildet, besaß Dutzende von Heerden.

Am 11. Juli lagerten wir uns in Wamaganga, dessen Bewohner aus Watusi-Hirten und Wanjankori-Ackerbauern bestehen. Dieselben repräsentiren die beiden Klassen, in welche die Bevölkerung von Ankori zerfällt, und nicht nur diese, sondern alle Stämme der Weideregionen, von dem Graslande am Ituri bis Unjamjembe und von den westlichen Ufern des Victoria-Sees bis zum Tanganika. Die Frauen der Watusi trugen Halsbänder aus kupfernen und an den Knöcheln Ringe von kleinen eisernen Schellen. Die Sprache war diejenige von Unjoro, doch war ein geringer dialektischer Unterschied vorhanden; sie hatten in ihrem Wortschatze einen besondern Ausdruck für Dankbarkeit und benutzten häufig das Wort »Kasingi« in diesem Sinne.

Hier starb einer unserer Leute, den wir sehr bedauerten, infolge einer Krankheit, die mit Lähmung endete, und ein anderer, ein Nubier, verschwand in dem hohen Grase und ging uns verloren.

Am 12. Juli marschirten wir den Ruisi entlang und überschritten nach anderthalbstündigem Marsche den Fluß, der sich dort zu einem 1½ km breiten Sumpf ausdehnte und mit üppigem Dickicht von Papyrus überwachsen war. Bei dem Uebergang über diesen Morast verringerte sich unsere Viehheerde um 24 Stück. Eine Stunde Weges von diesem schrecklichen Sumpf entfernt lagerten wir uns in der Ansiedelung Kasari.

Die Mutter des Königs sandte uns hier vier und der König drei Rinder, sowie einen prachtvollen Elefantenzahn mit der freundlichen Botschaft, er hoffe, daß er und ich uns durch Blutsbrüderschaft verbinden würden. Unter den Boten befand sich auch ein Prinz von königlichem Geblüt aus Usongora, ein Sohn des Königs Njika, von so reiner äthiopischer Abstammung, wie man sie sich nur wünschen kann. Die Boten hatten den Auftrag, uns mit allen Ehren zu geleiten und unterwegs für gastfreundliche Aufnahme für uns zu sorgen.

Obwol es sehr billig ist, Gast eines mächtigen afrikanischen Königs zu sein, hat dies doch auch seine Schattenseiten, da die Unterthanen über die ihrem Vermögen auferlegte große Steuer unwillig und unzufrieden werden. Sie belästigen uns daher beständig mit Klagen, von denen einige jedoch erfunden sind. Auch nehmen unsere Leute, kühn gemacht durch die ihnen gegebenen Vorrechte, weit mehr als ihnen zukommt und sie in strenger Gerechtigkeit verlangen können. Sie nahmen den Wanjankori die Milch fort; auch wird es als großes Verbrechen angesehen, wenn jemand, der an Pflanzenkost gewöhnt ist, ein Milchgefäß mit den Lippen berührt, und ebenso wird, wer seine Nahrung kocht, als untauglich angesehen, ein solches anzurühren, weil dadurch der Tod des Viehes und andere schlimme Folgen herbeigeführt werden sollen. Sieben von unsern Leuten waren dieser schrecklichen Verbrechen angeklagt; die Hirten, welche ebenso proceßsüchtig sind, wie die Somali in Aden, geriethen in Weißgluthitze, als sie mir ihre Beschwerden vortrugen, und es kostete mir große Mühe, um die Leute abzuurtheilen und die durch solch skandalöse Vorgänge verwundeten Gefühle zu besänftigen.

Am 14. Juli trafen wir in Njamatoso, einer großen wohl gedeihenden Niederlassung ein, welche am nördlichen Fuße der Ruampara-Kette liegt. Wegen des Ueberflusses von Bananen in der Umgegend gab ich Befehl, hier Bananenmehl auf sieben Tage zu bereiten.

Südsüdwestlich von diesem Orte liegt Mpororo, das vor einigen Jahren von Antari angegriffen und besetzt worden ist; nach mehrern blutigen Zusammenstößen sind die Bevölkerung und ihr König den Antari tributpflichtig geworden. Ruanda beginnt an einer nach Westsüdwest gezogenen Linie und wird von dem König Kigeri beherrscht, doch vermag man nicht viel mehr Auskunft über das Land zu erhalten, als daß es groß sein und so weit wie von Njamatoso bis Kafurro reichen soll. Die Bevölkerung wird als zahlreich und kriegerisch beschrieben und gestattet nie Fremden, das Land zu betreten, oder wenn sie hineinkommen, dasselbe wieder zu verlassen.

Einer unserer Offiziere, der durch die häufigen Fieberanfälle sehr geschwächt war, sprach sich an diesem Tage sehr böse über die Wanjankori aus, und ich führe diesen Zwischenfall hier an zum Beweise, wie verschieden die Menschen über Dinge urtheilen und wie unbedeutende Ereignisse sie gegen eine Rasse einnehmen können. »Gestern«, sagte er, »war die Sonne, wie Sie wissen, glühend heiß, und die Hitze, der weite Marsch und ein leichtes Fieber verursachten mir ein Gefühl, daß ich alles für einen Trunk kühlen Wassers gegeben hätte. Ich kam dann zu jenem kleinen Dorfe auf der Ebene und bat einen Mann, der vor der Thür seiner Hütte stand und uns unverschämt anglotzte, um etwas Trinkwasser. Glauben Sie, daß er es mir gab? Er wies nach dem Sumpf und zeigte mit dem Speer nach dem schwarzen Schlamm, als ob er sagen wollte: »Da ist Wasser, nimm dir, was du brauchst!« Wie können Sie diese Leute eine gute Rasse nennen? Ich verstehe nicht, woher Sie Ihre Begriffe nehmen. Ist das gut, einem Menschen einen Trunk Wasser zu verweigern? Wenn der Mann bekäme, was er verdiente – doch, es nützt ja nichts, darüber zu sprechen.«

»Mein lieber, guter Freund«, antwortete ich, »haben Sie ein wenig Geduld und ich werde Ihnen eine andere Ansicht mittheilen, die man von dem Mann haben könnte. Haben Sie Ihren Taschenspiegel verloren? In diesem Falle werde ich Ihnen den meinigen leihen, und Sie werden ein höchst unliebenswürdiges Gesicht sehen, umrahmt von Borsten, unrasirt, halb verhungert und krankhaft. Ihre Augen sind kleiner denn je und glanzlos und sehen krank aus. Ihr schlaffer Körper ist in Lumpen gehüllt. In London war ich von Ihrer Erscheinung entzückt, Adonis war nichts gegen Sie, aber jetzt leider! Entschuldigen Sie, aber wir haben alle ein höchst ungraziöses Aussehen. Und nun Sie gar, der Sie im Fieber sind! Bitte, sehen Sie in einen Spiegel und überzeugen Sie sich selbst! Nun, dieser Eingeborene hat einen solchen Mann mit einem so unliebenswürdigen Aeußern auf sich zukommen sehen. Wie haben Sie ihn gefragt? Lächelten Sie in Ihrer liebenswürdigen Weise dabei, die einen Büffel von seinem Angriffe abhalten würde? Ich bezweifle es. Sie waren ermüdet, fieberisch, durstig – Sie sagten befehlshaberisch »Gib mir einen Trunk Wasser«, und Ihre Geberden fügten hinzu »Sofort oder –«. Weshalb sollte er als freier Mann vor seiner eigenen Schwelle einem solchen Befehle Folge leisten? Er kannte Sie nicht von Adam her und schloß wahrscheinlich aus Ihrer Erscheinung, daß es nicht ganz angenehm sein würde, Ihre Bekanntschaft zu pflegen. Wollen Sie sich auch der Clique von Reisenden anschließen, welche niemals das Gute zu erkennen vermögen, das in Afrika und in dem Afrikaner steckt? Zu Ihrer äußersten Beschämung, Sie Unglücklicher, lassen Sie mich Ihnen ein Ereigniß erzählen, das gestern einem Ihrer persönlichen Freunde passirt ist. Der Mann, von dem die Geschichte handelt, war vielleicht ein Bruder oder Vetter desselben Individuums, das Ihr allerhöchstes Misfallen erregt hat.

»Dieser andere Offizier bekam einen bösen Fieberanfall; er wurde vom Schwindel ergriffen, taumelte und sank am Wege ins Gras nieder. Der Befehlshaber der Nachhut bemerkte ihn nicht und schritt an ihm vorbei, ohne alle Ahnung, daß ein kranker Kamerad von ihm einer Ohnmacht nahe und fast bewußtlos am Wege lag. Bald darauf kam ein eingeborener Krieger, bewaffnet mit Speer, Bogen und Pfeilen, vorbei und sah, daß etwas im Grase sich bewegte; er ging hin und fand einen unserer Offiziere hülflos im Grase liegen. Wenn er ein Thier gewesen wäre, hätte er ihm den scharfen Speer durch die Brust treiben können und wir würden einen der Unserigen verloren haben. Aber dieser Mann – passen Sie auf – that nichts dergleichen, sondern ging, obwol er niemals die Geschichte vom barmherzigen Samariter gehört hat, hin und kehrte nach einer halben Stunde mit einer einen halben Liter fassenden Kalebasse mit frischer kühler Milch zurück und gab ihm zu trinken, sodaß unser Freund nach einiger Zeit sich gestärkt erheben und ins Lager marschiren konnte, wo er mir die Geschichte von der Freundlichkeit des Eingeborenen erzählt hat. Dieser gehörte nicht zur Gesellschaft vom Rothen Kreuz, und alle die freundlichen Lehren von Barmherzigkeit und Wohlthun, welche man den Ohren der englischen Rasse seit 16 Jahrhunderten gepredigt hat, waren ihm vollständig fremd. Er war nicht wie jener englische Missionar, von dem erzählt wird, daß er einem holländischen Kapitän einen Trunk Wasser verweigert habe, und deshalb verdient auch der Menschenstamm, der nur ein Beispiel solcher humanen Freundlichkeit aufweisen kann, den Namen einer guten Rasse. Bezweifeln Sie die Geschichte? Dort steht Ihr Freund, fragen Sie ihn selbst.

»Außerdem denken Sie an die Gastfreundschaft, welche wir von ihnen empfangen. Tausend Menschen nähren sich, ganz nach Belieben und ohne irgendetwas dafür zu bezahlen, von den Producten ihrer Pflanzungen und Felder, Bananen, Bohnen, Hirse, süßen Kartoffeln zum Essen, Taback zum Rauchen, der Weg ist völlig frei und ohne Zoll, Steuer oder Abgabe irgendwelcher Art! Wie können Sie wissen, ob der Mann vor Ihrem Kommen nicht durch allerhand Dinge geärgert worden ist? Vielleicht haben einige von unsern Leuten ihn durch ihre Verachtung gekränkt, sein Haus geplündert oder seine Familie bedroht, ehe Sie erschienen. Kommen Sie, versuchen Sie es nochmals. Gehen Sie in eins von diesen Dörfern rundherum, bitten Sie mit einem Lächeln um irgendetwas, Milch, Butter oder Taback, und ich werde Ihnen garantiren, daß es Ihnen nicht verweigert werden wird.

»Und vergessen Sie ferner nicht, daß dieses Land erst ganz kürzlich von Antari erobert worden ist. Wie ich höre, hat der König den in der Umgegend wohnenden Häuptlingen 40 ihnen gehörende Frauen weggenommen und als Geschenke an seine tapfersten Krieger vertheilt, die hervorragendsten Häuptlinge sind später getödtet worden, und es wundert mich daher nicht, daß sie erbittert sind, wenn der König ihnen eine solche Abgabe wie die Verproviantirung der bei uns befindlichen Menge auferlegt. Wenn Sie nur das Benehmen der Boten des Königs beobachten, werden Sie finden, daß dasselbe höchst tyrannisch, überhebend und sehr wenig geeignet ist, ihre Hochachtung vor uns zu vergrößern.« –

Unsere Expedition marschirte nun in einem Paß der mit Weideland bedeckten Ruampara-Bergkette hinauf, deren westliches Ende meiner Ansicht nach an die Gebirgslinie stößt, welche das Albert-Edward-Becken begrenzt und dasjenige des Ruisi vom Alexandra-Nil scheidet, und stieg darauf nach Ueberschreitung mehrerer hohen Berggipfel in das kesselartige Thal von Rusussu hinab, wo der Fluß Namiandja entspringt. Hier machten wir drei Tage Rast, damit die Leute sich erholen konnten.

Unter dem 20. Juli finde ich folgende Bemerkungen in meinem Tagebuche:

 

Heute Morgen verschwand das Fieber, das mich niedergeworfen hatte. Ich bin etwas zu voreilig gewesen, als ich sagte, wir erholten uns wieder von den bösen Wirkungen des Grubenwassers von Usongora. Wenn der eine von uns kaum wiederhergestellt ist, legt der andere sich wieder nieder. Der Pascha und ich sind jetzt dreimal zur selben Zeit von schweren Fieberanfällen niedergestreckt worden. Stairs ist seit gestern fieberfrei, bei Bonny ist die Temperatur seit zwei Tagen normal. Casati wurde am 17. krank, lag am 18. den ganzen Tag im Bett, war am 19. aber wieder auf. In dieser Weise leben wir jetzt. Beständig treten Rückfälle des Fiebers ein, das zwei oder drei Tage von unsicherer Gesundheit unterbrochen wird. Chamis Wadi Nassib ist ebenfalls an Lähmung gestorben und ein Nubier ist verschwunden.

Vier ägyptische Offiziere haben mich gebeten, wegen zunehmender Geschwüre in Ankori bleiben zu dürfen. Da wir mit kranken Weißen und Aegyptern, schwächlichen alten Frauen und Kindern überbürdet sind, muß ich ihren Bitten nachgeben; sie werden daher mit ihren Familien hier bleiben. Ich erwarte den Thronerben von Ankori jeden Tag, um Blutsbrüderschaft mit ihm zu schließen, sodaß ich im Stande sein werde, für ihre Behaglichkeit zu sorgen.

Das Klima von Ankori ist ein ganz eigenthümliches. Die von Ost bis Südost und dann von Nordost her fegenden kalten Stoßwinde verursachen Brustaffectionen; man klagt allgemein über Husten, Katarrhe und Kopfschmerzen, und der starke Unterschied zwischen der höchsten und niedrigsten Temperatur macht uns alle außergewöhnlich fieberhaft. Dennoch erinnere ich mich, daß meine Begleiter und ich gesund und kräftig waren, als wir im Januar 1876 durch Nord-Ankori zogen, meine Privattagebücher von damals enthalten keine solchen Bemerkungen, wie ich sie jetzt täglich hinwerfe. Vielleicht ist diese außerordentliche Krankheit eine Folge der Jahreszeit oder des tödlichen Grubenwassers; möglicherweise benutzen unsere Köche auch das schwarze Wasser des Ruisi, welches aus verwesendem Sumpf Zufluß erhält. Wir haben jetzt Winterzeit, während es im Januar Frühling ist.

Die Gefahren haben weniger Reiz für das Ohr, als die Entfernung für das Auge. Erstere werden zu oft von der zügellosen Zunge über alle maßen übertrieben, während letztere, wenn sie auch oft die Gräßlichkeit der Schluchten und die Unzugänglichkeit der Berge oder abgrundartiger Thäler verbirgt, doch das Ganze mit Anmuth, fließenden Contouren und sanften Linien bekleidet. Wir haben dies auf unserer Expedition sehr oft bemerkt, und die Aegypter, welche sich ohne unsere Erlaubniß von der Colonne entfernt haben, werden die Gefahren in Wirklichkeit viel größer finden, als sie sich dieselben bei unsern wiederholten Warnungen vorgestellt haben.

 

Am 21. Juli nahmen wir unsern Marsch wieder auf, indem wir einen Weg verfolgten, welcher in ein mit dem Namiandja parallel laufendes Thal hinabführte. Disteln von ungewöhnlicher Größe, einige Sonnenblumen und Brombeersträucher faßten den Weg ein. Der Fluß hat drei Quellen, einen schmalen Faden süßen Wassers, der aus einem dichten Farrngebüsch hervorquillt, einen Tümpel mit salpeter- und schwefelhaltigem und einen Teich mit stark alkalinischem Wasser. Nachdem wir drei Stunden marschirt waren, hatte der Fluß eine Breite von 1½ m, der Geschmack seines Wassers hatte sich aber noch nicht verbessert. Am Pfade entlang wechselten Bananenpflanzungen mit Viehhürden ab.

Am nächsten Morgen brachen wir mit Tagesanbruch auf, um den Weg ins Namiandja-Thal fortzusetzen, das schmal und gewunden ist und an einzelnen Stellen in die gekrümmten Linien der Berge eingreifende weite ebene Stellen hat. Nach einer Stunde wandten wir uns von Ost zu Nord scharf nach Südost zu Süd in ein anderes Thal hinab, wo wir Heerden über Heerden der schönsten, fettesten Rinder begegneten, die zur Weide auf das reiche heuartige, an feuchten Stellen aber grüne Gras getrieben wurden. Nach kurzer Zeit wandte der Weg sich mehr nach Osten, bis wir an den Eingang eines Engpasses kamen, in welchem wir in einer halben Stunde den kahlen Rücken eines Felsenhügels erstiegen. Als wir denselben erreicht hatten, überschritten wir den schmalen Grat, worauf es sofort an der Südseite in ein mit reichen Bananenpflanzungen, Weideland und Heerden bedecktes Thal hinabging, wo wir in dem Dorfe Viaruha vor den glühenden, sengenden Sonnenstrahlen Schutz suchten.

Beim Verlassen des Namiandja-Thales wurde die Nachhut außer Fassung gebracht durch die vorher friedlichen Eingeborenen, die plötzlich unter Kriegsgeschrei und drohenden Geberden in Scharen heranrückten und zweimal zum Angriff vorgingen, wobei sie aber nur die Speere hoben und zum Schleudern bereit hielten. Bei dem dritten Vorgehen schossen sie, in der Ansicht, daß unsere Wachen fürchterlich erschrocken über ihre große Zahl sein müßten, acht oder zehn Pfeile ab, worauf der Befehlshaber der Nachhut einige harmlose Schüsse abgeben ließ, die vollständig genügten, um die Eingeborenen mit lautem Geschrei zur Flucht an den Hügeln hinauf zu veranlassen.

Dicht hinter der Nachhut, aber ohne daß diese es wußte, rückte Utschunku, der Thronerbe von Ankori, mit seiner aus Gewehrträgern und Speerwerfern bestehenden Begleitung und eine zweite Deputation der Waganda-Christen heran. Der Prinz befand sich auf Befehl seines Vaters auf dem Wege zu unserm Lager, um Blutsbrüderschaft mit mir zu machen und einen Vertrag abzuschließen. Als er das Schießen hörte, wollte er den Grund davon wissen; einige Wahuma-Hirten, die das kriegerische Schauspiel mit angesehen hatten, erklärten ihm alles, worauf er sofort seine Gewehrträger zur Verfolgung absandte. Dieselben tödteten zwei der Wanjankori und entwaffneten zwanzig.

Um 2 Uhr nachmittags erreichte Prinz Utschunku mit seiner Eskorte Viaruha und bat sofort um eine Zusammenkunft. Er war ein sanfter, mild blickender Knabe von 13-14 Jahren, ein echter Mhuma mit abessinischen Zügen. Er wurde von seinem Gouverneur oder Vormund begleitet, dem Offizier, der die Speerträger und mit Carabinern bewaffneten Wachen des Prinzen befehligte. Er brachte uns zwei große Stiere mit, von denen der eine so massige und lange Hörner hatte, daß er nur schlecht marschiren konnte und des Fleisches wegen geschlachtet werden mußte. Nachdem wir die üblichen Freundschaftsbetheuerungen ausgetauscht und er durch Besichtigung alles Sehenswerthen und Merkwürdigen im Lager seine Neugier befriedigt hatte, kamen wir überein, die Ceremonie am nächsten Tage vorzunehmen.

Am 23. Juli fand die Feierlichkeit mit ungemeinem Glanze statt. Die Sansibariten, Sudanesen und Manjema waren sämmtlich unter Waffen aufgestellt und salutirten den Prinzen mit einigen Salven nach den Abhängen einiger etwa 350 m entfernter Hügel; auch das Maximgeschütz war aufgefahren, um in selbstthätiger Weise an der Feierlichkeit theilzunehmen.

Der Ritus der Blutsbrüderschaft begann mit dem Hinlegen eines persischen Teppichs, auf welchem wir, der Prinz und ich, die linken Hände quer über die Knie ergreifend, mit gekreuzten Beinen niederkauerten. Alsdann traten unsere Professoren vor; sie machten auf jedem linken Arm einen Einschnitt, nahmen eine kleine Menge Butter und zwei als Teller dienende Blätter, mischten erstere mit dem Blute und tauschten dann letztere aus, worauf sie unsere Stirn mit der Mischung einrieben. Die Ceremonie war also frei von den Widerwärtigkeiten, mit denen sie bei den Stämmen am Kongo verknüpft ist. Alsdann faßte der Prinz, jetzt mein junger Bruder, mich bei der Hand und zog mich in meine Hütte, wo wir lächeln und froh ausschauen mußten. Ich erfreute sein junges Herz mit einigen sehr feinen Stoffen aus Kairo und einem Halsband aus schönen großen Perlen, das die ägyptischen Frauen und der Pascha beigesteuert hatten, und gewann mir damit im Sturm seine Zuneigung. Der Gouverneur erhielt eine Kuh und seine Wachen bekamen einen Ochsen, um ein Festmahl abzuhalten, während der Prinz seinerseits unserm Professor eine Ziege schenkte, da dieses Amt, sogar im Kongogebiet, in hohen Ehren steht und mit hübschen Geschenken bedacht werden muß.

Darauf gaben die Gewehrträger fünf Salven ab zur großen Freude des Knaben, der aber, als das Maximgeschütz seinen Hagel von Geschossen entsendete und die Kugeln an dem gegenüberliegenden Abhang der Hügel eine Wolke von Staub aufwirbelten, geradezu in Ekstase gerieth und, um nicht seiner freudigen Stimmung durch Schreien Ausdruck zu geben, die Hand fest auf den Mund legte. Die Meinungen über den Grund dieses Bedeckens des Mundes waren getheilt, und da es selbst beim Scherz nicht gut ist, von der Wahrheit abzuweichen, so bemerke ich, daß einige behaupteten, er fürchte, daß in seiner schrecklichen Angst seine Zähne durch das gewaltige Klappern in Stücke brechen würden, während ich der Ansicht bin, daß es nur von seiner kindlichen Ueberraschung und Freude herrührte.

Jedenfalls war ich öffentlich als Sohn Antari's anerkannt und hatte fortan die Erlaubniß, nach Belieben das Gebiet von Ankori zu durchstreifen, und das Recht, mich niederzulassen und jede Pflanzung im ganzen Königreiche frei zu betreten. Außerdem schwor der Prinz im Namen seines Vaters, der ihm dies aufgetragen hatte, daß in Zukunft alle Weißen, die nach Ankori kommen wollten, eine Empfehlung von mir haben müßten, dann aber auch dieselbe freundliche Aufnahme finden würden wie ich persönlich. Ausgenommen waren nur Rinder, Ziegen und Waffen, die Privateigenthum waren, über welches selbst der König nicht verfügen konnte, außer wenn es Verbrechern gehörte.

Wie bereits erwähnt, befand sich bei dem Prinzen von Ankori auch eine zweite Deputation der Waganda-Christen. Das Resultat meines langen Kreuzverhörs mit ihnen habe ich in folgenden Eintragungen aus meinem Tagebuche niedergelegt:

 

Als ich zuerst von der Vertreibung der Missionare aus Uganda hörte, befürchtete ich, daß sie unüberlegt, nach der Eingebung des Augenblicks und ohne die Folgen zu bedenken gehandelt hätten und daß, wenn sie auch streng aufrichtig und nach ihren Vorschriften sich benommen hätten, doch ihre Engherzigkeit und Mangel an Sympathie die Ursache zu Irrthümern geworden seien; allein die christlichen Convertiten stellten ihnen ein vorzügliches Zeugniß aus und wiederholten mir viele von den guten Lehren, welche Herr Mackay ihnen gegeben hatte, und die unzweifelhaft als Beweise gelten konnten, daß die Missionare, obwol das Joch Muanga's sehr schwer auf ihnen lastete, sich doch vollständig jeder Einmischung in die Politik des Landes enthalten hatten. Seit der Gründung dieser Mission muß eine Summe von ungefähr 50 000 Pfd. St. für dieselbe verausgabt worden sein; würde ihre Geschichte der Wahrheit gemäß geschrieben werden, so würde sie in sich selbst alles Nöthige enthalten, um die an der Mission Betheiligten zu leiten: Der tragische Tod Smith's, O'Neil's, Penrose's und des Bischofs Hannington, die tödlichen Krankheiten, welche Dr. Smith und, wie Zacharias mir erzählt, noch zwei weitere Männer, von denen der eine Bishop hieß, niedergeworfen haben, der fast fruchtlose Aufenthalt der Herren Wilson, Pearson und Felkin, die glänzenden Erfolge Mackay's und der Fleiß und die Hingebung Ashe's und Gordon's. Die Geschichte der Mühen, Erfolge und Fehlschläge dieser Herren könnten nicht niedergeschrieben werden, ohne sofort die Ursachen verständlich zu machen, welche einige von ihnen zum Triumph geführt haben, wo sie Klugheit entwickelten, während Voreiligkeit unterlag.

Kein Mensch, der die Hand auf den Pflug gelegt hat und zurückblickt, eignet sich für das Himmelreich; kein Mensch, dem eine Aufgabe anvertraut ist, kann in Ehren anders als dies Vertrauen rechtfertigen, bis der Sieg gewonnen ist. Wie ich annehme, wird der Vorstand der Christlichen Missionsgesellschaft, da zum Rückzug geblasen ist, ehe ich Afrika verließ, Herrn Mackay anweisen, sich zurückzuziehen. Hoffentlich nicht. Die Vertreibung der Missionare und die Zerstreuung ihrer christlichen Heerden würde, vom Standpunkt des Laien betrachtet, jedermann als der Anbruch des Tags des Sieges berühren. Das Triumphgeschrei der jetzt an der Macht befindlichen Mohammedaner sollte sie nicht entmuthigen, sondern zu edlern und klügern Anstrengungen, zum geduldigen, unablässigen Ausharren anspornen. Keine große Sache, kein großes Werk oder Unternehmen ist je erfolgreich gewesen ohne die vollständige Ueberzeugung, daß es unermüdlicher Arbeit und eifrigen Strebens werth ist.

Nehmen wir an, daß von den 4000 oder 5000 Convertiten, die nach Zacharias und Samuel jetzt in Ankori und Uddu sich befinden sollen, 2000 den Bemühungen des Herrn Mackay und seiner würdigen Begleiter zu verdanken sind, dann würde jeder Bekehrte, bei der Gesammtsumme von 50 000 Pfd. St., 25 Pfd. St. gekostet haben. Ich bin keiner von denen, die in einer Krisis wie diese beständig nach Staatshülfe rufen, sondern würde mich an diejenigen wenden, welche etwas von ihrem großen Reichthum entbehren können, und denen, welche mir sagen, daß sie zunächst für die Heimat sorgen müßten, mit den Worten der klugen vornehmen Frau antworten: »Ja, Herr, aber die Hunde suchen die Krumen auf, die vom Tische ihres Herrn fallen.«

Der Erfolg der Mission an den Njansa hat sich durch die Opfer der Convertiten, ihren entschlossenen Widerstand gegen den Tyrannen und ihre erfolgreiche Absetzung desselben erwiesen. Ich habe irgendwo gelesen, daß die Anerkennung von Kriegführenden nicht statthaft ist, wenn sie nicht beweisen können, daß sie sich zu behaupten vermögen. Wenn dies der Fall ist, dann haben die Waganda-Convertiten bewiesen, daß die Mission ein Erfolg und ein ganz bemerkenswerther Erfolg ist. Die Missionare waren gezwungen, tief zu bohren, aber dann sprang das Element aus freiem Antriebe empor. Nach jahrelanger vergeblicher und wenig versprechender Arbeit scharten sich die Bekehrten freiwillig um die neue Kirche des äquatorialen Afrika; Fürsten und Bauern, Häuptlinge und Krieger kamen herbei, um sich in der christlichen Religion unterrichten, sich in der Kunst des Lesens und Schreibens belehren zu lassen und stolze Besitzer von in ihrer eigenen Sprache gedruckten Büchern zu werden, welche von dem Urheber des Heils und seinen Leiden für die Menschheit handeln.

Die Fortschritte dieser Religion wurden für die Mohammedaner und ihre eingeborenen Anhänger Besorgniß erregend, doch durften sie es erst nach dem Tode des politischen Mtesa wagen, die Vernichtung des Wachsthums derselben zu planen. Die Besteigung des Throns durch einen Prinzen in knabenhaftem Alter und die Laster, Bangi-Rauchen, Völlerei und Zügellosigkeit, gaben ihnen die Mittel an die Hand, mit denen die Christen unterdrückt werden konnten, und die Moslemin, beseelt von niedriger, gemeiner Hinterlist und concentrirter Böswilligkeit, zögerten nicht, die Gelegenheit zu benutzen. Der junge König betrachtete die Weißen jetzt ungeachtet des vorzüglichen Rufes, den dieselben sich bei allen Klassen der Bevölkerung erworben hatten, in einer Stimmung, die durch maßlose schmutzige Verleumdung umgewandelt worden war; seinem irregeleiteten Blick erschienen die Missionare als Männer, welche sich zur Untergrabung seiner Autorität, zur Entfremdung der Liebe und Treue seiner Unterthanen und zur demnächstigen Besetzung von ganz Uganda verbunden hatten. Diese verschiedenen Expeditionen, welche, wie jeder wußte, im Lande umherstreiften, jetzt im Massai-Lande, dann in Usoga, darauf wieder in Usukuma und Unjamwesi, die Streitigkeiten an der Küste zwischen dem Sultan Bargasch und den Deutschen, die Anwesenheit von Kriegsschiffen in Sansibar, die in den Küstengebieten zerstreuten kleinen Kolonien der Deutschen – zu welchem andern Zwecke konnten alle diese Bewegungen dienen, als zur gewaltsamen Eroberung von Afrika? Daher wurde eine Aera der Verfolgung begonnen mit dem Befehle zu brennen und zu morden; daher kam das Auto de Fé in Uganda, die Ermordung des Bischofs Hannington, die Niedermetzelung der Karavane in Usoga, das Verhängniß, das stets über dem Haupte des treuen, geduldigen Mackay schwebte, und die drohende Einstellung der Missionsthätigkeit. Als die Christen in ihre Verstecke zerstreut waren und die Eifersucht der Moslemin sich abgekühlt hatte, wurde der junge König zu einem unerträglichen Despoten und keinen Unterschied machenden Mörder. Viele hervorragende Persönlichkeiten des Landes fielen seinem Argwohn zum Opfer und wurden auf seinen Befehl entweder zu Tode geprügelt oder erdrosselt. Da war es, als die Mohammedaner, für ihr eigenes Leben fürchtend, die Christen um Beistand anflehten und der Tyrann gezwungen wurde, aus seinem Königreiche zu fliehen, um während seiner Reise an den Seen in Muße zu bereuen und sich schließlich der Taufe zu unterwerfen. Aus einem Briefe des Herrn C. Stokes, datirt vom 21. November 1889 aus Bukumbi, am Südende des Victoria-Sees, ersehe ich, daß er die Insel Muanga's wohlbehalten erreicht hat. Bei seiner Ankunft fand er, daß die Lage zwar eine ziemlich günstige, Lebensmittel aber knapp waren und im Lager Krankheiten herrschten. Er beschloß, kühn den Vormarsch gegen die Hauptstadt zu unternehmen, und forderte zu diesem Zwecke das Oberhaupt der Christen in Uddu auf, über Land vorzudringen. Als letztere sich der Hauptstadt bis auf einen Tagemarsch genähert hatten, wurden sie angegriffen und befanden sich in großer Gefahr, doch eilten Herr Stokes, Muanga und seine Getreuen ihnen zu Hülfe, worauf Karema und die mohammedanische Partei geschlagen wurden. Am 4. October fand in der Nähe der Hauptstadt Rubaga eine weitere Schlacht statt, in welcher Karema und seine arabischen Bundesgenossen vollständig in die Flucht gejagt wurden, und am 5. October zogen Muanga und sein weißer Freund in die Hauptstadt ein. Karema mit seinen arabischen Bundesgenossen suchten in Unjoro Zuflucht zu erhalten, jedoch verweigerte der König Kabba-Rega ihm den Zutritt, wenn er sich nicht von seinen arabischen Freunden trennte. Er war daher gezwungen, in der Nähe der nördlichen Grenze von Uganda eine Stellung zu besetzen, wo er sich nach den letzten Nachrichten noch mit 600 Gewehrträgern befand. Auf diese Weise endet die romantische Geschichte für den Augenblick. Muanga sitzt wieder auf seinem Thron und die englischen und französischen Missionare haben sich wieder in Uganda niedergelassen.

Ich theilte Zacharias und Samuel mit, daß es mir unmöglich sei, die meiner Sorge Anvertrauten zu verlassen, und es deshalb am besten sei, wenn sie auf die Herren Stokes und Mackay vertrauten; ich würde, falls ich ihren englischen Freunden die Sache auseinandersetzen könnte, dies sicherlich thun. Als sie dann sahen, daß ich zum Weitermarsche entschlossen sei, baten fünf der Christen mich um Erlaubniß, mich nach der Küste zu begleiten, was ich ihnen bereitwillig gestattete.

Am 24. Juli, nachdem wir uns durch mehrere Thäler zwischen mit Weideland bedeckten Hügeln, die infolge der jüngsten Feuer vollständig schwarz waren, während das Gras vor Alter und Trockenheit ganz weiß aussah, hindurchgewunden hatten, gelangten wir in das Thal von Mavona, in welchem wir durch einen lichten Akazienwald, in dem vereinzelt auch Euphorbien, Wolfsmilch, Disteln und aloeartige Pflanzen vorkamen, allmählich abwärts stiegen. Die Niederlassung von Mavona brachte Ueberfluß an sehr mannichfaltigen Gartenproducten hervor, wie Erbsen, Bohnen, Tomaten, süßen Kartoffeln, Maniok, Gurken, Eierpflanzen, Paradiesfeigen und Bananen.

Am nächsten Tage kamen wir bei Fortsetzung des Marsches in dem Mavona-Thal nach 4½ Stunden plötzlich in Sicht des Alexandra-Thals und fanden, daß eine sich nach Südsüdost wendende lange Hügelkette auf der Karagwe-Seite des Flusses lag. In dieser Jahreszeit sieht das Land auf beiden Seiten desselben sehr widerwärtig aus, da es durch keinerlei bebaute Strecken gehoben wird, und der Anblick wird noch häßlicher gemacht durch die Feuer, die alle Hügel und Thäler in wüste, öde Gebiete voll schwarzer Asche verwandelt haben.

Während des 26. und 27. Juli wurden wir vermittelst vier höchst schwerfälliger Doppelkanoes über den Fluß gesetzt, worauf wir unsere Ankori-Begleiter entließen, nachdem wir Antari und jeden unserer Freunde mit Geschenken versehen hatten, für die sie uns ihre warme Dankbarkeit betheuerten.

Der Alexandra-Nil war an dieser Stelle etwa 115 m breit, im Durchschnitt 3 m tief und floß in der Mitte mit einer Geschwindigkeit von 3 Knoten in der Stunde.



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