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Achtundzwanzigstes Kapitel.
Nach dem Albert-Edward-Njansa.

Beschreibung der Straße von Bundegunda. – Ein guter Blick auf die Zwillingsspitzen der Ruwenzori-Kette. – Marsch nach Utinda. – Die Offiziere des Paschas schmähen den befehlshabenden Offizier, was eine strenge Ordre zur Folge hat. – Kaibuga räth dringend zu Feindseligkeiten gegen Uhobo. – Scharmützel mit dem Feinde. – Okili, der Diener Casati's, wird getödtet. – Beschreibung der Ruwenzori-Kette, von Nboga aus gesehen. – Herr Jephson noch immer Invalide. – Der kleine Ausreißer Tukabi. – Kapitän Nelson untersucht den Semliki, um eine geeignete Stelle für eine Fähre zu finden. – Ankunft am Semliki-Fluß und Beschreibung desselben. – Uledi und Saat Tato schwimmen über den Fluß, um ein Kanoe zu holen. – Angriff durch einen Trupp Warasura. – Die ganze Expedition setzt wohlbehalten über den Fluß. – Im Awamba-Walde. – Unser Marsch nach Bakikundi. – Wir treffen einige Baundwe, Waldbewohner. – Die Aegypter und ihre Begleiter. – Unterhaltung mit Emin Pascha. – Unerforschte Theile von Afrika. – Ueberfluß an Lebensmitteln. – Der Ruwenzori von dem Ugarama-Ausläufer gesehen. – Zwei eingeborene Frauen machen uns Mittheilungen über die localen Verhältnisse. – Ein alter Mann in Butama. – Zusammentreffen mit einigen Manjema-Beutezüglern in Bukoko und ihre Erzählung. – Ankunft von Bakokoro in Mtarega am Fuße der Ruwenzori-Kette. – Lieutenant Stairs erforscht mit einigen Leuten das Mondgebirge. – Bericht des Lieutenants Stairs über seine Erfahrungen. – Das Semlikithal. – Das Ramilulu-Thal. – Vollkommenheit eines tropischen Waldes. – Dörfer in der Lichtung von Ulegga. – Unterwerfung eines Ukondju-Häuptlings. – Mittheilungen seitens der befreundeten Wakondju. – Beschreibung des Wakondju-Stammes. – Der Semliki-Fluß. – Ansicht des Ruwenzori von Mtsora aus. – Ankunft in Muhamba und Lagerung am nächsten Tage in Karimi. – Wegnahme einiger fetter Rinder Rukara's. – Die Seriba von Rusesse. – Unser erster Blick auf den Albert-Edward-Njansa.

Die Straße nach Süden, welche wir am 9. Mai nach dem Aufbruche von Bundegunda verfolgten, führte dem westlichen Fuße der großen Gebirgsmasse entlang, welche von den Balegga und den Bandussuma Masamboni's bewohnt wird; sie durchschneidet cultivirte Strecken mit Bohnen, üppigen süßen Kartoffeln, Yams, Colocasien und Zuckerrohr bepflanzten Landes, ist dicht von herrlichen Bananenbäumen eingezäunt und von kleinen Dörfern mit kegelförmigen Dächern eingefaßt; sie ist in kleinen Wildnissen aus Röhricht vergraben, führt zu klaren, durchsichtigen Wasserläufen hinab, die dem Busen der über uns aufsteigenden hohen Berge entsprungen sind, windet sich in Schlangenlinien durch reiche Weideebenen, läuft nahe dem Fuße steiler Abhänge entlang und führt dann an sanft abfallenden Rücken hinab. Etwa 8 km entfernt nach Westen oder zu unserer Rechten leistet der Wald, schwarz wie die Nacht, uns Gesellschaft, und selten verlieren wir die vorspringenden Caps und zurücktretenden Baien der ewig dunkeln Masse aus Sicht. Zur Linken steigen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mächtige Abhänge auf, die sich steil aufwärts bis in das unbestimmte Graublau des Himmels verlieren, und weit in der Ferne erblicken wir eine Gebirgskette mit feierlichen Linien wie ein Bataillon kolossaler Berge, zwischen denen von den unaufhörlich murmelnden Strömen gebildete tiefe Schluchten und schmale weit ins Innere reichende Thäler liegen.

siehe Bildunterschrift

Der Ruwenzori von Kavalli aus gesehen.

Am Morgen dieses Tages trat der Ruwenzori aus seinem Wolken- und Dunstmantel heraus und zeigte uns seine Gruppen von in glänzend weißem Schnee strahlenden Spitzen und scharfen Graten; das Blau jenseit des Gebirges war wie das des Oceans von vollständiger ungetrübter Durchsichtigkeit. Fern im Westen stieg wie mit ungeheuern Schultern der Doppelpic auf, den ich schon im December 1887 beobachtet hatte, und von dem eingesunkenen Kamme unterhalb der östlichen der beiden Spitzen hoben sich scharf die dominirenden und alles überragenden Höhen des eigentlichen Ruwenzori ab, eine Vereinigung ehrwürdiger uralter Häupter im weißen strahlenden Gewande, während sich weit nach Osten wie ein großes Rückgrat eine zerklüftete Kette mit Spitzen und Sätteln, vereinzelten Gipfeln und Thälern ausdehnte, bis sie hinter den fernsten Ausläufern der Berge, an denen wir entlang marschirten, aus Sicht verschwand. Im beständigen Anblick der Berge skizzirte ich, aufrecht in meiner von zwei Männern getragenen Hängematte aus Häuten sitzend, den Plan unserer weitern Route. Westlich von dem Doppelpic fiel der Ruwenzori entweder plötzlich in eine Ebene hinab oder wandte sich nach SSW.; was ich sah, war entweder die Ecke einer Gebirgsmasse oder das westliche Ende des Gebirges. Wir wollten uns nach dem Fuß des Doppelpic wenden und dann unsern Curs der Basis desselben entlang nach Süden in unbekannte Länder hinein richten. Die Führer, deren wir eine Menge besaßen, zeigten mit den Speeren nach unbestimmter Richtung und riefen »Ukondju« und (mit den Speerspitzen einen kleinen Hieb durch die Luft machend) »Usongora«, was bedeuten sollte, daß das, was wir sahen, Ukondju und dahinter, uns unsichtbar, Usongora sei.

Nachdem wir in Udjungwa halt gemacht hatten, setzten wir am nächsten Tage den Weg nach dem 11 km entfernten Utinda fort. Das Thal zwischen den Balegga-Bergen und dem Walde schien sich zu verengern und der Pfad drohte in beschwerliche morastige Niederungen mit Rispengras und in röhrichtbestandene Sümpfe zu führen; doch lief derselbe dann, nachdem wir die Flüsse Tschai und Aturo sowie mehrere rauschende Bäche überschritten hatten, an einem längern Ausläufer der Balegga-Berge hinauf und brachte uns bis zur Höhe von reichlich 150 m über dem Thal.

Von diesem Punkte aus bemerkten wir, daß wir nur mit genauer Noth der Gefahr entgangen waren, uns wieder im Walde zu begraben, da derselbe hinter dem Ausläufer quer durch das Thal vorgerückt war und jeden Zoll des tiefern Landes bedeckte. Unter den düstern Schatten vereinigen die Flüsse Tschai und Aturo, sowie andere Bäche ihre Wasser zu einem achtunggebietenden Nebenflüsse des Ituri.

Etwas zu unserer Linken, nach Süden blickend, befand sich ein tiefes Becken, welches in eine größere Anzahl kleiner bebauter Felder getheilt war, die zum District von Utinda gehörten. Jede Schlucht und Vertiefung schien mit langgedehnten, zerstreut liegenden Bananenpflanzungen gefüllt zu sein. Bohnen und Mais waren im Wachsthum zurück und erhoben sich nicht mehr als 12-13 cm über den Boden, während die Pflanzen in Bundegunda volle 1¼ m hoch und in Blüte standen.

Die Aegypter trafen vier Stunden nach der Vorhut im Lager ein, und der den Befehl über die Nachhut führende Offizier beklagte sich bitter über die Schmähungen der Offiziere, die ihn verhöhnt, ihm lange Nasen gemacht und Trotz geboten hätten, als er sie angetrieben hatte. Infolge dessen sah ich mich gezwungen, folgenden Befehl zu erlassen:

Da die Expedition wegen des Selim Bey gegebenen Versprechens, sowie wegen der Thatsache, daß die Aegypter, Sudanesen und ihre Begleiter an schwere Märsche und Strapazen noch nicht gewöhnt sind, und weil ich, ihr Führer, physisch zu schwach für eine Anstrengung irgendwelcher Art von mehr als zwei bis drei Stunden Dauer bin, nothwendigerweise langsam vordringen und die Märsche verkürzen muß, werden die Offiziere gefälligst die größte Geduld und Nachsicht ausüben, jedoch dürfen sie unter keinen Umständen die besondern Pflichten der Nachhut vergessen. Sie werden nicht gestatten daß die Leute unter irgendwelchem Vorwande sich neben dem Wege zerstreuen, die Dörfer plündern, die Pflanzungen willkürlich berauben oder marodiren; bei jeder Frechheit, mag dieselbe von einem ägyptischen Offizier, Soldaten oder Begleiter ausgehen, wird der befehligende Offizier seine Wache rufen, den Uebelthäter fesseln und zur Bestrafung mir vorführen. Wird gewaltsamer Widerstand geleistet, so muß derselbe sofort mit der erforderlichen Kraft vollständig unterdrückt werden.

Von dem Becken von Utinda stiegen wir aufwärts an einigen Bergkegeln vorbei, welche die das Becken im Süden und Südosten einschließende Kette überragten, und gelangten dann, nachdem wir zwei weitere, von gut bewässerten Thälern getrennte Bergrücken überschritten hatten, auf das grasbewachsene hohe Plateau von Uhobo, 1500 m über dem Meeresspiegel. Etwas später kam Kaibuga zu uns ins Lager, ein Häuptling der Wahuma, welche sich unter den Balegga niedergelassen haben, deren Gebiet über der Ebene von Kavalli und dem Südende des Njansa gelegen ist und sich bis zur Mündung des Semliki ausdehnt. Er rieth dringend zu thätlichen Feindseligkeiten, da Uhobo dem Kabba-Rega gehörte, doch lächelten wir natürlich über dieses Ansinnen, da wir noch nicht eine einzige Spur von einem Feinde gesehen hatten, obwol uns allerdings aufgefallen war, daß die Eingeborenen von Uhobo bei unserm Herannahen aus Sicht verschwunden waren. In demselben Augenblicke meldete ein Posten das Heranrücken einer Colonne von Kabba-Rega's Leuten, die mit Gewehren bewaffnet seien, worauf ich zwei Compagnien unter dem Befehle von Lieutenant Stairs und Kapitän Nelson antreten ließ, welch letzterer durch die gute Kost in Kavalli und bei Masamboni so weit wiederhergestellt war, daß er jeden Dienst übernehmen konnte.

Nachdem dieselben etwa 3 km weit marschirt waren, trafen sie eine kleine Abtheilung von Leuten des Paschas, welche die Leiche Okili's trugen, eines treuen Dieners Casati's, zu dem dieser eine große Zuneigung gehabt hatte. Okili war durch eine Gewehrkugel durch den Kopf geschossen worden. Während die Sudanesen in einem Flusse südlich von Uhobo sich gebadet hatten, hatten sie die Colonne der Warasura bemerkt, welche in ziemlich geordneten Reihen mit zwei Fahnen heranmarschirten und sie in wenigen Minuten überfallen haben würden; die ganze Gesellschaft kleidete sich jedoch rasch an, ergriff die Gewehre und eröffnete das Feuer auf die Feinde. Hierbei wurden drei Mann der Warasura getödtet, wogegen Okili durch eine feindliche Kugel fiel. Beim Herannahen der Sansibariten ergriffen die Warasura die Flucht; sie wurden noch 5 km weit verfolgt, ohne aber fernere Verluste zu erleiden.

Während der Nacht trat ein sieben Stunden andauernder heftiger Regenguß ein, und am nächsten Morgen waren wir auf dem Marsche nach Mboga in Wolken und Nebel eingehüllt. Im Verlaufe des Tages trat der Ruwenzori aber mit seinen ungeheuern Felsmassen hoch über den aus dem niedrigen Semlikithal aufsteigenden Dünsten in Sicht, bis später die höchsten Spitzen die vliesartigen Wolken um sich sammelten und die weißen Gipfel dem Blicke sich wieder verhüllten. Zu unserer Ueberraschung bemerkten wir, daß, als wir mit jedem Tage der Gebirgskette näher kamen, viel weniger Schnee zu sehen war als in Kavalli, doch erklärte sich dies bei weiterer Ueberlegung dadurch, daß die Schneelinie durch einen vorliegenden Bergrücken verborgen wurde, welche den Blick um so mehr behinderte, je mehr wir uns dem großen Berge näherten. Wir sahen auch, daß die hohe Gebirgskette die Form eines Halbmonds annahm, von welchem der Adjif-Berg das nördliche und der Zwillingspic das westliche Ende bildete, sowie daß jenseit des Adjif, dessen Höhe über dem Meeresspiegel ich auf etwa 1830 m schätze, ein wahrnehmbares stetiges Steigen der Gebirgsmasse bis zur Schneelinie und dann meist innerhalb der Firnregion ein plötzlicher imposanter Aufschwung von 600-1500 m stattfand.

Läge Mboga irgendwo anders als in Mittelafrika unter dem Aequator, so müßte man von ihm aus einen herrlichen Blick auf diese eigenartige Gebirgskette haben. In jedem andern Klima müßte die ganze Masse von dem Ende beim Zwillingspic bis ungefähr 50 km NNO. vom Adjif-Berg in Sicht sein; hier steigt der Nebel jedoch beständig in Reihen oder Schichten aus dem unten liegenden Thale auf, schwebt in wallenden Massen empor und verhüllt alle paar Minuten die Gebirgsumrisse. Zwischen diesem Punkte und dem Ruwenzori liegt das tief eingesenkte 20-40 km breite Thal des Semliki. Anfänglich glaubt man gegenüber von Mboga bis zum Rande des Njansa einen See zu sehen. Die Offiziere meinten in der That den Albert-See zu erblicken, und die sudanesischen Frauen freuten sich unmäßig über den Anblick und gaben ihrem Gefühl durch schrille Lu-lu-lus Ausdruck, der Feldstecher ließ indeß eine Ebene mit dürrem hellbraunen Grase und spärlichem Gebüsch erkennen. Als wir zu unserer Rechten bis zur Tiefe von etwa 760 m hinabschauten, sahen wir eine dichte Masse von Akaziengebüsch, welche sich fast bis zur Schwärze des in der Nähe des Tschai von uns verlassenen Waldes verdunkelte und die ganze Breite des Thals einnahm.

Herr Jephson war infolge eines Fiebers, das zwischen 39° und 40,6° C. schwankte, schon seit dem 23. April Invalide und befand sich um diese Zeit in großer Besorgniß um seinen Zustand. Wie ich, war auch er sehr abgefallen, und wir sahen beide sehr krank aus. Am 13. hatten wir Rast gemacht, um den Kranken und kleinen Kindern etwas Ruhe zu gönnen.

Beständig dem Abfall der Ausläufer folgend, stiegen wir am 14. Mai nach Kirjama ab, einem Dorfe an dem untern Ende eines tiefen, schmalen Thals, welches in alten Zeiten, als der Albert-See noch die grasbewachsene Ebene überflutete, eine ziemlich malerische Einbuchtung gebildet haben muß. Der Boden des Thals, welches von einem dem Semliki zuströmenden Flusse entwässert wurde, war außerordentlich fruchtbar. Hin und wieder in kurzen Zwischenräumen genossen wir einen Blick auf den Ruwenzori, und wäre der Nebel nicht so unangenehm gewesen, so würden wir ein sehr willkommenes Bild von der etwa 4725 m über uns aufsteigenden großartigen und imposanten Höhe gehabt haben.

In dem Lager der ungeheuern Karavane fanden wir einen kleinen Knaben von ungefähr elf Jahren, Namens Tukabi, der sich bei uns versteckt gehalten hatte. Während unsers Aufenthalts bei Masamboni war sein Vater, ein Unterthan Kavalli's, zu uns gekommen und hatte uns um unsern Beistand gebeten, um den Knaben, der sich einem Sansibariten angeschlossen hatte, wiederzuerlangen. Wir hatten ihn ausgeliefert und den Vater beauftragt, den jungen Ausreißer sorgfältig zu behüten. Als er hier bei meinem Zelt vorbeikam, hatte er sich das Gesicht mit einem Stück Zeug verhüllt, um sich unkenntlich zu machen, doch erkannte ich ihn sofort wieder. Ich fragte ihn, weshalb er seinem Vater davongelaufen sei, um sich Fremden anzuschließen, die möglicherweise unfreundlich gegen ihn sein könnten, worauf er mir zur Antwort gab: »Weil ich meinen Freund dem Vater vorziehe.« »Schlägt er dich?« »Nein, aber ich möchte den Ort sehen, wo diese Gewehre herkommen und man die Donnermedicin (Schießpulver) macht.« Es war das erste mal in meiner Erfahrung, daß ein afrikanischer Knabe in so jungem Alter aus freien Stücken seine Aeltern verlassen hat. Tukabi war ein merkwürdig kluger kleiner Bursche mit sehr intelligenten Augen und gehörte der Wahuma-Rasse an.

Ich hatte Kapitän Nelson mit 80 Büchsenschützen vorausgesandt, um sich nach dem Semliki zu begeben und nachzusehen, ob dort irgendeine Gelegenheit zum Ueberschreiten des Flusses sei. Nach einer ausgezeichneten Marschleistung kehrte er zurück und meldete mir, daß der Semliki an der Fähre etwa 75-80 m breit, sehr tief sei, rasch fließe und steile Ufer von 3-6 m Höhe habe, die von dem Fluß unterspült seien und große Neigung zum Abbröckeln hätten; die Kanoes seien sämmtlich von Ravidongo, Kabba-Rega's General, fortgeführt, der eine große Truppenmacht gesammelt haben sollte, um sich unserm Uebergang über den Fluß zu widersetzen. Alle Eingeborenen aus Uhobo, Mboga und Kirjama hätten sich am jenseitigen Ufer des Semliki gesammelt und es sei offenbar, da die andere Seite des Flusses scharf bewacht werde, ein kräftiger Widerstand beabsichtigt; während er mit seinen Leuten den Fluß untersucht habe, hätte der Feind vom andern Ufer eine Salve abgegeben, die jedoch glücklicherweise unschädlich gewesen sei.

Nach zweitägiger Rast in Kirjama marschirten wir unter der Führung von Kaibuga südwärts quer über die Ebene nach einer andern Fähre. Was einige von uns für einen See gehalten hatten, war sehr fester Alluvialboden mit Seeablagerungen, welcher mit einem dünnen Rasen eines 45 cm hohen Grases ohne allen Nährwerth bestanden war; bei größerer Annäherung an den Fluß fanden wir aber den Grund merklich besser. Nachdem wir drei Stunden von Kirjama weiter marschirt waren, bemerkten wir eine Akazie, und später fünf und dann ein Dutzend, die aber sämmtlich verkrüppelt waren und weit auseinander standen. In der vierten Stunde waren die Bäume an dem linken Ufer des Semliki zu einem dünnen Forst geworden, während sich zur Rechten dichter undurchdringlicher, schattenspendender tropischer Wald befand. Plötzlich waren wir am Ufer des Semliki angelangt, der an dieser Stelle eine Breite von etwa 55 m und eine Strömung von 4-5 Knoten hatte. Etwas unterhalb von uns verbreiterte er sich bis auf 90 m und war anscheinend ein schöner tiefer, vielversprechender Fluß. Auf- und abwärts, sowie an der andern Seite waren Zeichen vorhanden, daß in neuerer Zeit breite Streifen Land hinabgestürzt waren. Die Ufer bestanden aus angeschwemmtem Erdreich und Kieselgeröll, welches der am Fuße entlang rauschenden starken Strömung keinen Widerstand zu bieten vermochte; überall waren unten große Massen fortgewaschen. Beständig fielen ganze Klumpen herunter und lösten sich auf, als wenn sie aus Schnee beständen, worauf plötzlich ein Bruchstück von mehrern Tonnen Gewicht von dem überhängenden Ufer ins Wasser stürzte. Der Semliki war hier ein krummer, gewundener, sich hin- und herschlängelnder Fluß, der auf jeder Meile seines Laufes ein weit gebogenes lateinisches S bildete. Das Wasser war von weißlichbrauner Farbe und mit abgelagertem Erdreich gemischt; in einem Glas voll Wasser pflegte sich ein Bodensatz von 0,6 cm feiner Erde zu sammeln.

Mit Hülfe eines guten Aneroidbarometers stellten wir die Höhe des etwa 6 m über dem Flusse liegenden Ufers auf 728 m über dem Meeresniveau fest. Der Albert-See lag nach demselben Instrumente 716 m hoch, sodaß der Unterschied etwa 12 m betrug. Nach meiner Schätzung befanden wir uns ungefähr 48 km vom See entfernt.

Als wir am Flusse eintrafen, bemerkten wir ein Kanoe, welches rasch den Fluß hinabtrieb. Wahrscheinlich waren einige Eingeborene, die unsere Stimmen gehört hatten, gewarnt worden und hatten bei der Eile ihrer Flucht das Fahrzeug entweder absichtlich losgemacht oder in der Furcht, durch das Festbinden desselben aufgehalten zu werden, es treiben lassen. Das Dorf der Awamba, von wo das Fahrzeug fortgetrieben war, befand sich in Sicht, und ich sandte sofort flußauf- und abwärts Leute aus, um nach einem Kanoe zu suchen, worauf Uledi – es war stets Uledi – mir bald darauf die Meldung schickte, daß er eins gefunden habe. Die Karavane wandte sich daher nach dieser Richtung und lagerte sich dann in einer großen, aber verlassenen Bananenpflanzung. Das Kanoe lag am jenseitigen Ufer in einem kleinen Bache gegenüber von unserm Lagerplatze; wir mußten uns desselben aus irgendeine Weise bemächtigen, da es von unschätzbarem Werthe für uns war. Ich befahl deshalb den Leuten mit den Haumessern, das Gebüsch gegen 20 m weit zu entfernen, aber zwischen den Scharfschützen und dem Flusse einen schmalen Gürtel zum Schutze stehen zu lassen; dann säuberten drei oder vier Salven die Gegend um das Kanoe, während inzwischen der kühne Uledi und der Jäger Saat Tato über den Fluß schwammen. Als dieselben bei dem Fahrzeug ankamen, hörten wir mit dem Schießen auf; einige Secunden später hatten sie das Kanoe losgeschnitten und ruderten es mit aller Macht nach unserer Seite über den Fluß zurück. Kaum hatten sie die Mitte des Stromes erreicht, als die feindlichen Bogenschützen sich erhoben und den Jäger trafen, während zugleich auch mit Gewehren über den Fluß geschossen wurde. Nichtsdestoweniger bekamen wir das Kanoe. Saat Tato wurde blutüberströmt der Pflege des Dr. Parke übergeben; glücklicherweise hatte die breite Spitze des Pfeils aber nur den Schulterknochen getroffen, sodaß keine edlen Theile verletzt waren. Beide wackern Burschen wurden auf der Stelle mit Stoffen im Werthe von 80 Mark belohnt.

Um 5 Uhr nachmittags leistete Herr Bonny uns vorzügliche Dienste. Er hatte die Mission übernommen, fünf Sudanesen als Vorhut der Expedition über den Semliki zu führen, und gegen Sonnenuntergang befanden sich 50 Gewehrträger an dem jenseitigen Ufer.

Am 18. Mai fuhren wir mit dem Uebersetzen der Leute bei Tagesanbruch fort, und gegen Mittag entdeckten wir noch zwei weitere Kanoes. Stairs und Jephson waren beide sehr schwer am Fieber erkrankt, ich war an Kraft und Aussehen wie ein vorzeitig gealterter Mann von 90 Jahren und gerade nur im Stande etwa 100 m weit zu gehen. Kapitän Nelson und Dr. Parke mußten daher den Transport der Expedition über den Semliki beaufsichtigen. Während wir eifrig mit der Fährarbeit beschäftigt waren, schlich sich um 2 Uhr nachmittags eine Truppe von 50 Warasura bis auf ungefähr 250 m an die Fahrzeuge heran und gab auf die in der Mitte des Flusses befindlichen Kanoes eine Salve ab; die eisernen Schrotkörner und Bleikugeln pfiffen den Passagieren um die Köpfe und auf der Oberfläche des Wassers hin, doch wurde glücklicherweise niemand verletzt. Wenn wir auch ihre kühne Unverschämtheit bewunderten, hätte doch eine zweite Salve von größerer Wirkung sein können; indessen sprang Kapitän Nelson vom Flußufer herbei und begann die Eingeborenen mit etwa 100 Bewaffneten, die sich um ihn gesammelt hatten, zu verfolgen. Wir hörten viel Schießen, allein die Verfolgung und der Rückzug waren so eifrig, daß nicht eine einzige Kugel ihr Ziel erreichte. Die Warasura hatten aber doch nun gemerkt, daß wir, welche Absichten wir auch haben mochten, in sehr starker Zahl waren, wir dagegen hatten begriffen, daß sie doch fähig seien, einiges Unheil anzurichten. Bei ihrer eiligen Flucht verloren sie mehrere Patronen, die so vorzüglich hergestellt waren, wie dies nur in Woolwich möglich ist; hier hatten wir wieder einen Beweis davon, welches Nest von Verräthern sich in der Aequatorialprovinz befand, da die Warasura die Patronen selbstverständlich von den Dutzenden von Deserteuren erhalten hatten.

siehe Bildunterschrift

Angriff der Wanjoro bei der Semliki-Fähre.

Gegen Abend des 18. Mai waren 669 Leute übergesetzt und um 3 Uhr nachmittags am folgenden Tage befanden sich 1168 Männer, Frauen und Kinder, 610 Lasten Gepäck, 3 Kanoeladungen Schafe und Ziegen und 235 Stück Rindvieh am andern Ufer. Der einzige Verlust, den wir erlitten hatten, war ein Kalb, das ertrunken war. Man kann sich denken, wie erfreut ich über die brillanten Dienste, die Thätigkeit und Aufmerksamkeit des Kapitäns Nelson und Dr. Parke's war.

Einige Stunden später wurde einer der Leute des Paschas mit einer tödlichen Pfeilwunde zum Doctor gebracht. Der Vorfall erinnerte mich an die sorgenvollen Zeiten, welche ich während der ersten achtzehn Monate mit den ebenso gedankenlosen Sansibariten verlebt hatte.

Am 20. Mai bewegte sich die Expedition durch den dichten Wald auf einem äußerst sumpfigen Pfade nach einem anderthalb Stunden vom Flusse entfernten kleinen Dorfe, wo wir eintrafen, als die unerträglichen Quälgeister von Mücken gerade ihre höchste Thätigkeit entfalteten. Die Thiere drangen in Myriaden in unsere Augen, Nasenlöcher und Ohren. Wir meinten daher, daß der unbewohnte Wald vorzuziehen sei, doch zogen sich die winzig kleinen Insekten um 9 Uhr zur Ruhe zurück und hörten auf uns zu quälen. Im Dorfe roch es nach verdorbenem Bananenwein und Abfällen von reifen Bananen, was vermuthlich die Mücken anlockte. Wir sahen hier zwei große Tröge von der Höhe kleiner Kanoes, in denen die Eingeborenen die reifen Früchte preßten und den Wein herstellten.

Zum ersten male fanden wir auch, daß die Awamba, in deren Gebiet wir uns hier befanden, die Kunst verstanden, die Bananen auf hölzernen Rosten zu trocknen und Mehl daraus herzustellen. Während unsers Lebens in der Waldregion hatten wir uns oft darüber gewundert, daß die Eingeborenen noch nicht entdeckt zu haben schienen, welches unschätzbare, gesunde und leicht verdauliche Nahrungsmittel sie in den Bananen besaßen. Alle Länder, in denen Bananen wachsen, wie Cuba, Brasilien und Westindien, scheinen mir in dieser Beziehung besonders lässig zu sein. Wären die guten Eigenschaften des Mehls aus dieser Frucht allgemein bekannt, so würde man dasselbe ohne Zweifel in großen Mengen in Europa consumiren; für Säuglinge, Leute mit schwacher Verdauung oder die an zeitweiligen Störungen des Magens leiden, würde das Mehl, in gehöriger Weise zubereitet, ein Universalmittel bilden. Während der beiden Anfälle von Gastritis, welche ich durchgemacht habe, war eine leichte Brühe aus diesem Mehl mit Milch vermischt das Einzige, was ich verdauen konnte.

Am 22. Mai waren wir gezwungen, sechs Stunden durch Schlamm und stinkenden Morast zu marschiren, ehe wir einen Rastplatz zu finden vermochten. Der dichte Wald war in seiner Ueppigkeit ebenso rein tropischen Charakters wie auf irgendeiner Strecke, die wir früher passirt hatten, doch war er der überreichen Feuchtigkeit und größern Hitze wegen noch unangenehmer. Die außerordentliche Feuchtigkeit zeigte sich über uns in einem dünnen, undurchsichtigen, feuchten Dunst; in den Baumwipfeln hatte sie sich bereits zu einem Nebel gesammelt, darüber hing sie in einer Wolke, sodaß wir zwischen uns und den Sonnenstrahlen Wolken von mehrern Kilometer Dicke, das dichte, dunkle, verworrene Blattwerk des Waldes, dann sich verdichtende Nebelschichten und schließlich einen warmen Dunstschleier hatten. Wir suchten daher unsern Weg durch die flachen Tümpel und den leimartigen schwarzen Schlamm unter dem beständigen Herabtropfen des sich verdichtenden Dunstes und in einem zu Selbstmordgedanken herausfordernden bleifarbenen Lichte, während die körperlichen Strapazen an den herabrinnenden Schweißtropfen zu erkennen waren.

Als wir in ein Dorf kamen, das infolge eines kürzlich von den Warasura unternommenen Beutezuges ganz verfallen war, blickten wir nach dem Ruwenzori, doch war der alte Berg hinter blauschwarzen Wolken verschwunden, die uns an die drohenden Gewitter von früher erinnerten. Die Höhen von Mboga waren unbestimmt zu erkennen, obwol wir uns weiter von ihnen entfernt befanden, als von der ungeheuern Gebirgsmasse, hinter welcher der Donner grollte und von wo ein plötzlicher Regenguß zu drohen schien. Wir begannen zu empfinden, daß wir uns im Mittelpunkte eines großen Gärbottichs befanden, über dem die aus demselben aufsteigenden Ausdünstungen sich zu Wolken sammelten und wo diese in sich stetig verdichtenden Falten über uns schwebten, bis sie gegen den Kopf des Ruwenzori getrieben wurden, worauf sie langsam an den Abhängen hinaufglitten und sich an den Gipfeln festhielten, bis ein über die schneebedeckten Scheitel kommender Windzug sie fortjagte und den Blick aufklärte.

Am nächsten Tage passirten wir durch einen außerordentlich volkreichen Distrikt, marschirten aber nur 2¼ Stunden, um Bakikundi zu erreichen. An den Seiten des Pfades sahen wir uns wohlbekannte Zeichen, sowie mehrere Lager der Zwerge, die hier Watua heißen.

Die Entfernung vom Semliki bis zu diesen Dörfern, in denen wir jetzt unser Lager aufgeschlagen hatten, betrug 25 km; dazu hatten wir drei Tage für den Marsch und zwei Tage Rast gebraucht. So langsam dieses Vordringen aber auch war und obwol die Karavane durch die fließenden Ströme mit gutem Wasser sowie mit unbeschränkten Mengen von Fleisch und Getreide, Kartoffeln, Bananen und reifen Früchten versorgt wurde, haben wir hier doch das Reisen in Afrika von der schlechtesten Seite aus kennen gelernt. Mütter ließen ihre kleinen Kinder am Wege zurück, und ein ägyptischer Soldat Namens Hamdan hatte sich neben den Pfad hingelegt und, nicht gewillt die Lebensreise noch fortzusetzen, sich hartnäckig geweigert, noch weiter mitzugehen. Er hatte keine Lasten zu tragen und war nicht krank, gehörte aber – wie soll man es nennen? – zum Eselsgeschlecht unter den Menschen; er konnte nicht marschiren, wohl aber sterben, und die Nachhut war gezwungen ihn zurückzulassen. Infolge dessen entstand das Gerücht im Lager, daß der Befehlshaber der Nachhut ihn in der Stille umgebracht habe.

Der 24. Mai war Rasttag, den ich dazu benutzte, um zwei Compagnien auszusenden und die Pfade untersuchen zu lassen, damit ich im allgemeinen eine Idee davon bekäme, welcher von ihnen unsern Zwecken am besten passen würde. Die eine Compagnie schlug einen Weg ein, der nahezu Süd zu Ost führte, und stieß plötzlich auf etliche Baundwe, die wir als wirkliche Waldbewohner kannten. Das war an sich schon eine Entdeckung, da wir gemeint hatten, daß wir uns noch in Utuku befänden, wie das unter der Herrschaft Kabba-Rega's stehende östliche Ufer des Semliki genannt wird. Die Sprache der Baundwe war uns neu, doch verstanden sie etwas Kinjoro, und auf diese Weise erfuhren wir, daß sie den Ruwenzori Bugombowa nennen, daß die Watua-Zwerge und die Warasura ihre schlimmsten Feinde seien und erstere westsüdwestlich von ihnen im Walde zerstreut lebten.

Die andere Compagnie marschirte in der Richtung Süd zu West und erreichte einen schmalen Streifen offenen Landes, welcher die unmittelbare Basislinie des Ruwenzori vom Walde trennt. Sie sprachen ganz entzückt von dem Ueberfluß an Lebensmitteln, behaupteten aber, daß die Bewohner feindselig und kriegerisch seien. Die Waffen derselben waren ähnlich denjenigen anderer Waldstämme, dagegen zeichneten die Frauen sich durch eiserne Halsbänder aus, von denen kleine hohle Eisenstücke in Form von Fläschchen, sowie andere, welche in feinen spiralförmigen Ringen endigten, herabhingen.

Ein weiterer Marsch von 2¼ Stunden brachte uns zu einem Dorfe, welches aus 39 runden kegelförmigen Hütten bestand, die hübsche Eingänge, hier und dort mit roth und schwarz gemalten Dreiecken verziert, besaßen. In der Nähe des Dorfes kam die Oelpalme, Elaëis guineensis, sehr häufig vor.

Am nächsten Tage kamen wir aus dem Walde heraus und lagerten uns in dem auf dem Streifen Grasland liegenden Dorfe Ugarama auf 0° 45' 49" nördl. Br. und 30° 14' 45" östl. L. Der Pfad hatte uns längs des Scheitels eines schmalen bewaldeten Ausläufers, mit 60 m tiefen und unter riesigen Bäumen versteckten Schluchten auf beiden Seiten, hingeführt. Das Grasland zeigte nicht das kurze Weidegras, welches Kavalli so angenehm machte, sondern riesenhaftes Rispengras von 2-4½ m Höhe.

siehe Bildunterschrift

Hütte vom Rande des Waldes.

Hier in diesem Lager stellte sich der Aegypter Hamdan wieder ein. Als er sich selbst überlassen geblieben war, hatte er vermuthlich entdeckt, wie schmerzhaft es sei, einsam im öden Walde zu sterben, und seine Thorheit dann bereut. Inzwischen hatten wir die Schwierigkeit vollständig empfunden, welche wir jeden Tag mit den unserer Obhut anvertrauten Leuten haben würden. Wie niedrig sie vorher auch in meiner Achtung gestanden statten, jetzt war letztere noch weit unter den Nullpunkt hinabgesunken. Worte halfen nichts, und Vernunftgründe vermochten in ihren dicken Kopf nicht einzudringen. Beim ersten Anbruch des Tages eilten sie gewöhnlich auf dem Pfad dahin, nach einstündigem raschen Marsche setzten sie sich aber nieder, um die Zeit zu vergeuden, ein Feuer anzuzünden, zu kochen, zu rauchen und zu schwatzen; wenn dann die Nachhut herankam und sie weiter trieb, zeigten sie unzufriedene saure Mienen und murrten vor sich hin über die Grausamkeit der Ungläubigen. Fast jeden Tag liefen Beschwerden von ihnen ein über Kapitän Nelson und Lieutenant Stairs, von denen der eine oder der andere stets zu streng und gebieterisch gewesen sein sollte. Es war eine beschwerliche Arbeit, ihnen begreiflich zu machen, daß jene nur den Befehlen gehorchten; daß ihre einzige Sorge nur sei, sie, die Aegypter, vor dem Tode durch die Eingeborenen und dem Verirren zu bewahren; daß es um so besser für jeden sei, je eher er das Lager erreichte; daß Märsche von 2-3 Stunden nicht einmal ein Kind erschöpfen würden; daß, wie wir die Pflicht hätten, ihr Leben zu behüten, es uns auch zukomme, für die Sansibariten zu sorgen, welche anstatt 2-3, 10 Stunden mit Kisten aus dem Kopfe unterwegs sein müßten; daß es meine Pflicht auch sei, darauf zu achten, daß die weißen Offiziere nicht durch den Aufenthalt im Regen, Schlamm und der durchkältenden Feuchtigkeit erschöpft würden mit Warten auf Leute, welche nicht einsehen können, daß es am besten sei, rasch 6-8 km nach dem Lager zurückzulegen, um sich dann 20-21 Stunden von den 24 Tagesstunden auszuruhen. Diese winselnden Leute, welche mit leeren Händen täglich keine 2½-3 Stunden zu marschiren vermochten, waren die gelben Aegypter; diejenigen mit ein wenig Schwarz in der Hautfarbe klagten selten und die ganz Schwarzen und ganz Weißen nie.

Die Aegypter und ihre Begleiter hatten eine so große Zahl von Säuglingen und kleinen Kindern bei sich, daß, wenn der Lagerplatz irgendwie beschränkt war, wie auf schmalen Ausläufern, Schlaf kaum möglich war. Diese kleinen Geschöpfe müssen höchst reizbare Naturen besessen haben, denn ein solches hartnäckiges, unaufhörliches Schreien hat mich in meinem Leben noch nicht gequält. Die winzigen Schwarzen und Blaßgelben wetteiferten in der Kraft der Lunge bis lange nach Mitternacht miteinander und fingen dann um 3 oder 4 Uhr morgens nochmals wieder an und weckten jeden aus dem Schlafe, sodaß man von allen Seiten Grunzen der Unzufriedenheit über den schreienden Chor hörte.

Unsere Sansibariten waren der Ueberzeugung, daß die Leute aus Aequatoria vielleicht ausgezeichnete Züchter, aber sehr schlechte Soldaten seien. Die Aegypter waren so lange gewohnt gewesen, die Eingeborenen der Provinz durch ihre größere Zahl und ihre bessern Waffen in Furcht zu versetzen, daß sie jetzt, nun ihre Zahl erheblich verringert war und von derjenigen der Eingeborenen übertroffen wurde, zweifelhaft zu sein schienen, ob sie friedliche Länder erreichen würden; trotzdem waren sie aber so wenig disciplinirt und so tyrannisch, daß sie sehr rasch die friedlichsten Eingeborenen in erbitterte Feinde verwandelt hätten.

siehe Bildunterschrift

Aegyptische Frauen und Kinder.

An diesem Tage hatte ich mit dem Pascha eine Unterredung, bei welcher ich, obwol er höflich war, sehr gut merkte, daß er doch noch unter dem Groll wegen der Auseinandersetzung vom 5. April litt. In Wahrheit war dieselbe aber nothwendig und unvermeidlich gewesen. Unsere Naturen standen sich diametral gegenüber; solange kein gebieterisches Handeln in Aussicht stand, wären wir beide fähig gewesen, uns an unserer gegenseitigen Gesellschaft vollständig zu erfreuen. Er war gelehrt, fleißig und ein Gentleman, und ich konnte seine Verdienste bewundern und hochschätzen; allein die Verhältnisse unsers Lebens verhinderten, uns diesem Vergnügen allzu lange hinzugeben. Wir hatten nicht den Auftrag, die Zeit in Aequatoria mit wissenschaftlichen Unterhaltungen hinzubringen oder eine lange Unterredung am Albert-See abzuhalten. Die Zeit, die wir für den Beginn des Vormarsches angesetzt hatten, war gekommen, ohne die Episode auf dem freien Platze in Kavalli wäre dieser aber nicht erfolgt. Nun, da wir uns auf dem Marsche befanden, entdeckte ich zu meinem Bedauern, daß noch andere Ursachen zu Reibungen vorhanden waren. Der Pascha hatte den innigsten Wunsch, seine Vogelsammlungen zu vermehren, und war der Ansicht, daß nachdem wir so weit gekommen seien, um ihm zu helfen, wir »es etwas langsamer gehen lassen« könnten. »Wir lassen es ja schon aus verschiedenen Gründen langsam gehen: da sind die kleinen Kinder, die große Zahl der mit Säuglingen belasteten Frauen, die unfähigen Aegypter, die Hoffnung, daß Selim Bey uns einholen möge, der schwache Zustand von Jephson und mir selbst; auch Stairs ist keineswegs kräftig.« »Nun denn, lassen Sie uns noch langsamer gehen.« »Das haben wir gethan; 2¼ km täglich ist sicherlich langsam genug.« »Dann noch langsamer.« »Um des Himmels willen, Pascha, wollen Sie, daß wir ganz hier bleiben? Dann lassen Sie uns unser Testament machen und uns damit begnügen, zu sterben, ohne unser Werk vollendet zu haben.« Wiederum rollte der Donner hinter den dunkeln Wolken auf dem Ruwenzori, und der Ausbruch eines neuen Unwetters stand unmittelbar bevor.

Ich wußte, daß er eifrig Vögel, Reptilien und Insekten sammelte, aber nicht, daß dies Manie bei ihm war. Er wollte jeden Vogel in Afrika tödten, häßliche Reptilien und jedes abscheuliche Insekt sammeln, und jeden Schädel mitnehmen, bis wir, wenn nur Träger erhältlich gewesen wären, zu einem wandernden Museum oder Friedhof geworden sein würden. Allein an seinen Leuten begannen bereits fressende Geschwüre sich zu entwickeln, die Syphilis hatte ihre Constitution geschwächt, und eine nadelstichgroße Verletzung durch einen Dorn im Gesicht wurde zu einer schrecklichen eiternden Wunde; sie hatten das Laster gezüchtet und ernteten jetzt die Folgen. Die Lagerstellen waren so schmutzig, daß sie bald zur Brutstätte der Pestilenz wurden und wir einen rührenden Anblick für Götter und Menschen geboten haben würden. Die Träger starben; sie wurden nicht gut behandelt – und dann, nun dann würden wir bald überhaupt nicht mehr marschiren können. Er befand sich im Himmel, wenn sein Secretär Radjab Effendi ihm eine neue Species brachte; er sah vergnügt aus, wenn zwei Tage Rast gemacht, und traurig, wenn er erfuhr, daß marschirt werden sollte; und es war herrlich, daß wir eine Woche halten würden, sobald wir einen hübschen Platz in der Nähe des Ruwenzori erreichten!

Nun, alles das gab mir das Gefühl, als ob wir mit einer sehr undankbaren Aufgabe beschäftigt seien. Sein ganzes Leben lang wird er eine Abneigung gegen mich behalten, und seine Freunde werden auf fortwährende Klagen hören, aber nie bedenken, daß die Arbeit in dieser Welt nicht gänzlich in dem Aufstapeln von Schädeln, Vögeln und Insekten für die Museen besteht und daß der allgütige Schöpfer den afrikanischen Continent niemals nur zu einer Domäne für Botanik oder zu einem entomologischen Museum bestimmt hat.

Alles was ich von Menschen in Afrika sah, Riesen oder Zwerge, vertiefte meine Ueberzeugung, daß das Land andere Ansprüche an die Menschheit hat, nur noch mehr, und jede Eigenschaft des prächtigen Landes befestigte bei mir immer mehr den Eindruck, daß dort die Noth nach unmittelbarer Hülfe und sofortigem Beistand seitens der civilisirten Welt schrie; und daß vor allen Dingen auf diesem so lange gequälten Continent eher als auf einem andern Eisenstraßen gebaut werden und Feuer und Wasser wesentliche Factoren für den Transport bilden müssen.

Ach! Ach! Hier vor uns innerhalb Steinwurfweite von unserm Lager eine großartige Gebirgskette, deren Umrisse auf meiner Karte noch nicht verzeichnet stehen, dort der noch unentdeckte See, von dem wir durch unsern Wahuma-Häuptling Kaibuga so viel gehört haben, das noch unerforschte Semlikithal mit seinen Schätzen von Wald und vegetabilischen Producten, der noch nicht untersuchte Semliki, welcher den obern mit dem untern See verbinden soll, zu sehen; von wundervollen Salzseen, welche die ganze Welt mit Salz versorgen könnten, von großgestaltigen Wasongora und zahlreichen freundlichen Stämmen, den geheimnißvollen Wanjawingi, welche die Abkömmlinge von Weißen sein sollen, zu hören, in der Nachbarschaft von schneebedeckten kolossalen Bergen, welche ich für das verlorene Mondgebirge halte, in einem Lande, welches sich rühmen konnte, die fabelhaften Mondquellen ( Fountains de la lune) zu besitzen, einem wirklichen Lande der Wunder und Geheimnisse, das von alters her die Heimat der Zwerge und Riesen ist, zu sein und nicht den frohen Wunsch hegen, die Wahrheit aller dieser Sagen zu untersuchen! Er, der Schöpfer, der diese ewigen Berge gebildet, ihre Abhänge mit Moos und Flechten und zarten Kräutern bekleidet, sie in Myriaden von Wasserläufen für das Herabströmen des geschmolzenen Schnees in die fruchtbaren Thäler getheilt, mit jenem mächtigen, unendlichen Wald bedeckt und seinem Laubwerk den nie schwindenden Glanz gegeben, hat sicherlich beabsichtigt, daß dies Land für Höheres als eine Brutstätte für Vögel und einem Lagerplatz für Reptilien aufbewahrt werde, bis sich die Zeit erfüllt hat.

Der Ueberfluß an Lebensmitteln in dieser Gegend ist eins der bemerkenswerthesten Merkmale derselben. Zehn Bataillone hätten keines Vermittlers bedurft, um ihren Proviant zu erhalten. Wir brauchten nur zu pflücken und zu essen. Unsere Kundschafter meldeten, daß zu beiden Seiten Pflanzungen lägen, die überreich an den schwersten Fruchtbüscheln seien. Die Getreidehäuser der Eingeborenen waren voll rother Hirse, die Hütten mit Mais gefüllt, und in den benachbarten Gärten wuchsen Yams, süße Kartoffeln, Colocasien und Taback.

Von dem Ausläufer von Ugarama, wo wir am 27. Mai gelagert hatten, sahen wir, daß die Abhänge bis zur Höhe von etwa 2500 m mit vielen Dutzend cultivirter Strecken besäet, daß die gewundenen Schluchten grün waren von ausgedehnten Bananenhainen und sowol das Hoch- wie das Tiefland reich an Bevölkerung, an Lebensmitteln und sonstigen Producten war. Mit Hülfe des Feldstechers konnten wir bemerken, daß die obern Abhänge und Rücken in der Höhe von etwa 2750 bis 3650 m mit dichtem Walde bedeckt und daß dieser, wo kein cultivirtes Land war, bis zum Fuße hinabreichte. Wir sahen, daß die wilde Banane bis hoch hinauf gedieh, die von Bäumen entblößten Abhänge zierte und über das höchste Gras emporragte. Die Spitzen des Ruwenzori schienen von bleifarbenen Wolken verhüllt zu sein und die untern Gebirgsketten spielten hinter den treibenden, wechselnden weißen Dunstmassen Versteckens. Nach dem Aneroidbarometer ist Ugarama 912 m, nach dem Siedepunkt 896 m über dem Meeresspiegel. Die Höhe der Kette, an deren Leeseite der Ausläufer unmittelbar bis nach dem Dorfe Ugarama geht, stellten wir durch Triangulation auf 2788 m über dem Meeresniveau fest.

In der Nähe des Dorfes fanden wir im Walde zwei Frauen von heller Hautfarbe und sehr angenehmem Aeußern, welche das Kinjoro sprechen konnten. Von ihnen erfuhren wir, daß wir uns in Ugarama im Lande der Awamba befanden; das offene Land führe bis zum Mississi-Flusse und dem See den Namen Utuku; der nächste District, den wir nach Süden erreichen würden, sei Bukoko, wo der wichtigste Häuptling Sibaliki vom Awamba-Stamme sei; jenseit Bukoko liege Butama; von Ugarama bis zum nördlichsten Ende von Bukondju oder Ukondju sei es einen Tagemarsch; zwei Tage würden uns von dort nach Toro bringen, vorher müßten wir aber das Gebirge überschreiten; der König von Nord-Ukondju hieße Ruhandika; die Wakondju hätten früher große Rinderheerden besessen, die aber von den Warasura fortgetrieben worden seien. Ferner erfuhren wir, daß wenn wir dem Fuße der großen Berge folgten, drei Tagemärsche genügen würden, um uns in ein Land mit kurzem Gras zu bringen, wo viele Ziegen und Schafe wären und einige Rinderheerden gewesen seien, doch hätten die Warasura so viele Beutezüge gemacht, daß die Bewohner das Vieh nicht halten könnten. Die Feinde der Awamba, die den Wald gefällt und den Boden beackert hätten, seien die bösartigen Watua-Zwerge, die jenen das Leben durch die Beraubung ihrer Pflanzungen und die Vernichtung an der Arbeit befindlicher oder nach den benachbarten Districten zum Markt gehender kleiner Abtheilungen schwer machten, während die Warasura, die in den Diensten Kabba-Rega's ständen, alles nah und fern verheerten.

Auf die Frage, ob sie sich je sonnenheller Tage erfreuten und das Schneegebirge einmal 3-4 Tage oder eine Woche oder einen Monat klar und deutlich zu sehen sei, erwiderten sie, sie hätten noch nie soviel Regen erlebt wie diesmal, und glaubten, wir hätten dies absichtlich veranlaßt, um desto leichter die Leute an den Spuren auf den Pfaden zu entdecken. Sie sagten auch, sie hätten uns anfänglich für Warasura gehalten, doch hätte die große Rinderheerde, die wir mitführten, sie doch vom Irrthum überzeugt, daß wir sie den Awamba nicht genommen hätten, weil diese kein Vieh besäßen. Als wir ihnen mittheilten, daß wir die Rinder Leuten abgenommen hätten, welche Kabba-Rega als ihren Häuptling anerkannten, sagten sie: »O, wenn unsere Leute das nur wüßten, würden sie euch alles bringen.« »Gut denn«, entgegnete ich, »ihr sollt gehen und ihnen sagen, daß wir gegen jeden Freunde sind, der uns nicht den Weg verschließt. Wir gehen nach einem fernen Lande, und da wir nicht fliegen können, müssen wir diesen Pfad benutzen, aber wir thun niemand etwas zu Leide, der nicht den Speer gegen uns erhebt oder den Bogen spannt.«

Am 28. Mai marschirten wir 8 km weit über eine Reihe von Ausläufern und tiefen Schluchten, wobei wir beständig etwa 60 m in die nur wenige Meter breiten Vertiefungen hinab- und auf der andern Seite ebenso hoch wieder emporsteigen mußten. Die Schluchten waren so steil, daß wir entweder gleiten oder mit Hülfe der Bäume und herabhängender Schlinggewächse klettern mußten, und immer im unaufhörlichen durchdringenden Regen. Die verwesenden Bananenstiele und Fruchtabfälle verbreiteten einen ekelerregenden Geruch.

Ein Marsch von 6½ km am nächsten Tage brachte uns nach Butama, nachdem wir anstatt der Sümpfe, Moräste, Felsen, des Absteigens und Emporkletterns vom vorherigen Tage gerade die entgegengesetzte Erfahrung gemacht hatten, da der Pfad so gut wie er in Afrika nur sein konnte und breit genug für die Gangart der Europäer war. Der sandige Lehmboden hatte rasch den Regen aufgesogen, das üppige Riedgras hatte mit Ausnahme weniger Stellen genügend freie Zwischenräume und die Elefantenheerden hatten den Boden festgestampft.

In Butama war ein alter weißhaariger Mann, der zu schwach zur Flucht gewesen war, zurückgeblieben, um sein Schicksal zu erwarten. Auf Befragen erwiderte er, der Name des Schneeberges, der jetzt unmittelbar über uns zu fürchterlicher Höhe aufstieg, sei »Avirika, Aviruka, Avrika, Avruka, Avirika und Avuruka«! Der Name klang in solcher Weise verschieden bei unsern eifrigen dringenden Fragen, zu denen uns die Anklänge an Afrika veranlaßt hatten. Gegen die Watua-Zwerge sprach er sich sehr scharf aus. Er bezeichnete sie als äußerst verrätherisch; sie pflegten mit den Häuptlingen reicher Districte durch betrügerische List und falsche Betheuerungen Freundschaft zu schließen und dann ungeachtet der Blutsbrüderschaft und geschworenen Treue sich auf sie zu stürzen und sie zu vernichten.

Am 30. Mai erreichten wir Bukoko nach einem vierstündigen bequemen Marsche über eine leicht ansteigende Terrasse, die sich aus den von Abhängen des Schneeberges herabgerollten Trümmern gebildet hatte und durch die wiederholten Regengüsse zu einer sanft abfallenden Ebene abgetragen worden war, welche üppig mit Riedgras bewachsen war und an den bebauten Stellen eine wunderbare Fruchtbarkeit zeigte. Hier und dort ragte halb eingebettet in den Lehm- und Geröllboden ein ungeheueres Felsstück hervor, welches durch einen Erdrutsch oder wolkenbruchartigen Regen von seiner ursprünglichen Stätte losgelöst und hinabgerollt war.

Bukoko war eine große mächtige Niederlassung und bestand aus einer Gruppe wichtiger Dörfer, doch fiel uns beim Betreten derselben auf, daß der Ort schon vor mehrern Tagen, wahrscheinlich schon vor einem Monat verlassen worden war. Seine Haine schienen endlos zu sein, befanden sich in gutem Zustande und waren voll von Früchten; hier fanden wir auch Tomaten in üppiger Fülle vor.

Die Kundschafter machten sich, nachdem die Waaren aufgestapelt und das Lager in Ordnung gebracht war, in üblicher Weise auf, um die Umgegend zu untersuchen, und trafen nach kurzer Zeit einige in baumwollene Gewänder gekleidete Leute, welche mit Gewehren bewaffnet waren und Feuer auf sie gegeben hatten. Wir vernahmen den lauten Knall der Percussionswaffen und das schärfere Krachen der gezogenen Gewehre, worauf alles wieder still wurde. Gleich darauf kehrten die Kundschafter zurück und meldeten, daß sie nur ein Enfieldgewehr mitgebracht hätten, welches von dem geschlagenen Trupp fortgeworfen worden sei; sie hätten wahrscheinlich zwei der Feinde schwer verwundet, einer sollte bereits todt sein. Auch brachten sie eine Frau und einen Knaben mit, die offenbar Eingeborene dieses Landes waren, uns aber nichts Verständliches mitzutheilen vermochten.

Ich sandte sofort eine Compagnie von 70 Schützen aus, um eine weitere Recognoscirung vorzunehmen, und zehn Minuten später hatte sich ein regelrechter Kampf entsponnen, in welchem man das tiefe Donnern der Musketen und die scharfen Salven der Remington- und Winchestergewehre vernahm. Bald darauf wurden zwei von unsern Leuten verwundet ins Lager getragen und meldeten, die Feinde seien Warasura. Unsere Leute schienen die Fremden hart zu bedrängen, das Schießen zog sich mehr in die Ferne, doch bekamen wir nach einer Stunde noch zwei weitere Verwundete, während ein junger Sansibarite und ein junger Manjema getödtet waren. Ich wollte gerade eine große Abtheilung zur Verstärkung absenden, als Uledi und die übrigen Schützen ins Lager zurückkehrten in Begleitung der Führer des Feindes, die sich als Manjema-Beutejäger und Begleiter Kilonga-Longa's erwiesen!

Sie erzählten, daß sie als ein Trupp von 50 mit Gewehren Bewaffneter mit etwa 100 Speerträgern über den Ituri gegangen und, ostwärts vordringend, vor ungefähr 20 Tagen am Rande des Waldes angekommen seien, wo sie den Semliki überschritten und mit der gewöhnlichen Taktik ihre Beutezüge unternommen hätten, als sie auf einige Leute mit Gewehren gestoßen seien und in der Meinung, Warasura vor sich zu haben, das Feuer eröffnet hätten. Die Fremden hätten dasselbe erwidert und einen von ihren Leuten getödtet, einen andern tödlich und vier schwer verwundet. Der Rest sei nach ihrer Niederlassung zurückgeflohen und habe geschrieen: »Es ist aus mit uns!« Darauf hätten sie längs des Weges einige Leute in den Hinterhalt gelegt, während die übrigen die Vertheidigungswerke der Niederlassung ausgebessert hätten. Als die Vorhut der Fremden auf dem Pfade herangekommen sei, hätten sie Feuer gegeben und zwei Mann getödtet und vier leicht verwundet; als sie von jenen aber mit einem Kugelregen überschüttet worden seien, hätten sie gerufen: »Wer seid ihr?« und zur Antwort bekommen, es seien Stanley's Leute, worauf sofort das Feuern eingestellt worden sei; die für uns stets unglückliche Bekanntschaft war also wieder erneuert. Obwol wir gern einen legitimen Grund gehabt hätten, um eine Bande gewissenloser Freibeuter zu vernichten, konnten wir doch nicht umhin, ihre Entschuldigungen für den offenbar unglücklichen Zufall anzunehmen und Geschenke mit ihnen auszutauschen.

siehe Bildunterschrift

Die höchste Spitze des Ruwenzori, vom Awamba-Walde aus gesehen.

Wie sie erzählten, hatten sie einige Trupps Warasura getroffen, im übrigen aber nur wenig Glück gehabt, da ihre Anstrengungen bisher nur mit einem kleinen Elefantenzahn belohnt worden waren. Nach ihrer Behauptung lag Ipoto 20 Tagemärsche durch den Wald von Bukoko entfernt.

Der Ruwenzori war den Awamba dieses Districts unter dem Namen Virika bekannt.

Seitdem wir in der Nähe von Ugarama aus dem Awamba-Walde herausgekommen waren, hatten wir den Weg einem schmalen Landstreifen entlang fortgesetzt, der mit üppigem rohrartigen Gras von über 4 m Höhe bedeckt war. Von den höhern Punkten gesehen schien der Streifen 5-13 km breit zu sein und den tiefen, dunkeln Wald von der unmittelbaren Nachbarschaft des Berges zu trennen. Obwol das Gras die Höhe und Dicke des Bambus hatte, war der Pfad doch unendlich viel besser, zumal da wir nur eine oder zwei Schluchten und Wasserläufe während des Marsches zu überschreiten hatten. Ein Wahrzeichen dieser Gegend war die fallschirmförmige Akazie, welche man in der Nähe des Njansa als einzigen Baum zu sehen bekam. In der Nähe der Waldlinie verschwindet derselbe und eine außerordentlich üppige, rein tropische Vegetation bedeckt das übrige Thal.

Die Flüsse, welche wir in der letzten Zeit überschritten hatten, waren kalte Bergströme mit ziemlich breiten Betten, welche Kiesel, Sand, große Steine und Trümmer der oberhalb befindlichen Felsen, Gneis, Porphyr, Hornblende, Sandstein, Talk, Rotheisenerz und Granit, sowie mehrere Blöcke Bimsstein erkennen ließen. Drei der wichtigsten Flüsse hießen Rami, Rubutu und Singiri und hatten eine Temperatur von 16°, 13° und 14° R.

Nach zweitägigem Halt in Bukoko marschirten wir 13 km weit nach dem Dorfe Bansombe, das auf einem schmalen, oben abgeflachten Ausläufer zwischen zwei tiefen Schluchten am Rande des Waldes liegt, der sich hier bis an den Fuß des Schneeberges vorgeschoben hat. Wie gewöhnlich war der Ruwenzori nicht sichtbar und ich fürchtete, daß wir nur wenig Aussicht haben würden, ihn zu photographiren oder eine seiner hohen Spitzen zu Peilungen zu benutzen.

Die aus dem Semlikithal aufsteigenden Dünste schienen, nach der langen Zeit zu urtheilen, welche eine Schicht aufsteigenden Nebels gebrauchte, um den Gipfel zu erreichen, von einem Gegendruck von oben niedergehalten zu werden. Auch der Rauch aus dem Lager hing wie Nebel über uns, bis wir fast blind und erstickt waren.

Wir besaßen jetzt 104 Rinder und 30 Ziegen und Schafe, doch schienen die erstern vollständig ermattet zu sein.

Am 3. Juni erreichten wir das kleine Dorf Bakokoro auf 0° 37' nördl. Br., wo ein Kopte, einer von vier Brüdern, seinen letzten Athem aushauchte. Während eines kurzen Marsches von 5 km mußten wir drei beträchtliche Flüsse überschreiten; die Temperatur des einen betrug 13° R.

Da wir nicht im Stande waren, jenseit Bakokoro einen in der von uns gewünschten Richtung führenden Pfad zu finden, machten wir am 4. Juni Rast. Jephson lag in schwerem Fieber, das bis auf 40,5° C. stieg; auch Herr Bonny war leidend, Stairs dagegen wiederhergestellt. Kapitän Nelson war kräftig und stark und that in diesen Tagen doppelten Dienst, um die langen Monate, während er vom October 1887 bis October 1888 krank gewesen war, möglichst wieder gut zu machen.

Einige Bananen, welche wir hier maßen, hatten eine Länge von 44 cm und die Dicke eines Unterarms.

Nach kurzem 2½ stündigen Marsche trafen wir in Mtarega ein, einem Dorfe in der Nähe der tiefen Schlucht des Ramilulu-Flusses, wo derselbe aus einer steilen Gebirgskluft heraustritt.

In diesem Lager hatten wir alles, was wir wünschten. Wir befanden uns hier nur etwa 180 m vom Fuße des Ruwenzori, an dessen steilen Abhängen Pfade hinaufführten; 60 m unter uns floß ein schöner kühler Strom, dessen Gewässer eine Temperatur von 13° R. zeigten und frisch von den schneebedeckten Gipfeln herab durch die Schlucht stürzten. In den Pflanzungen und auf den Feldern, kaum 200 m von uns entfernt, gab es Bananen, Paradiesfeigen, Yams, Mais und Zuckerrohr. Hier war die Zeit, um Forschungen anzustellen und botanische Sammlungen anzulegen. Demgemäß machte ich darauf aufmerksam, daß hier durch Erklimmen des berühmten Mondgebirges unsterblicher Ruhm zu gewinnen sei. Ich hatte meine Kraft so weit wiedergewonnen, daß ich etwa 200 m gehen konnte; Herr Jephson mußte zu seinem Leidwesen sagen, daß das Fieber sein heißblütiges Temperament besiegt und unterjocht habe; Kapitän Nelson bedauerte ebenfalls, wenn indeß das Erklimmen eines so unbarmherzig hohen Berges wirklich von praktischem Nutzen sei – er blickte ihn nochmals feierlich an, wandte sich aber mit einem »Ich danke« ab. Die Aufgabe des Dr. Parke lag bei der leidenden Menschheit, Herr Bonny hatte kein Glück, ein hartnäckiges Fieber hatte ihn ergriffen und seine Beine zu reinen Stöcken abgemagert. Kapitän Casati lächelte traurig und schien zu sagen: »Seht mich an und stellt euch vor, wie weit ich gehen könnte.« Bei dem Pascha stand jedoch die Ehre auf dem Spiel; er hatte jederzeit schon bei dem Gedanken an die Besteigung eine solche Begeisterung verrathen, und hier war nun auf dem Marsche der Expedition der kritische Augenblick gekommen. Stairs blickte die grimmigen unbesiegten Höhen listig an und sagte: »Ich werde mich blitzschnell aufmachen.« Es blieb mir also nur noch übrig, ihm einige Winke zu geben, die erforderlichen Instrumente zu überliefern, seine Aneroidbarometer mit dem Normalinstrument im Lager zu vergleichen und den Leuten mancherlei Rathschläge zu ertheilen, daß sie die Kälte vermeiden und sich nach dem Aufstiege vor Erkältung hüten sollten.

Die Nacht war sehr angenehm. Die Höhe des Lagers über dem Meeresspiegel betrug 1178 m, und es wehte die ganze Nacht von der Schlucht des Ramilulu her eine sanfte kühle Brise. Am nächsten Morgen brach Stairs auf und der Pascha begleitete ihn. Aber letzterer mußte schon nach 300 m das Steigen aufgeben und ins Lager zurückkehren, während Stairs seinen Weg fortsetzte. Er berichtet wie folgt über seine Erfahrungen:

 

Lager der Expedition, 8. Juni 1889.

Geehrter Herr!

Früh am Morgen des 6. Juni brachen wir in Begleitung von etwa 40 Sansibariten vom Lager der Expedition am Fuße der Bergkette auf, überschritten den Strom in der Nähe des Lagers und begannen die Besteigung des Berges.

Ich hatte zwei Aneroidbarometer bei mir, welche wir vorher beide abgelesen und mit dem im Lager unter Ihrer unmittelbaren Beaufsichtigung verbleibenden Normalinstrument verglichen hatten; außerdem hatte ich ein Thermometer mit.

Die ersten 275 m über dem Lager ging das Klettern ziemlich gut und wurde unser Vorwärtskommen durch einen Eingeborenenpfad, welcher zu einigen Hütten auf den Hügeln hinaufführte, wesentlich unterstützt. Die erwähnten Hütten waren von der in der Ebene so gewöhnlichen runden Art, nur mit dem Unterschiede, daß für den Innenraum vielfach Bambusrohr verwendet worden war. Die Nahrung der Eingeborenen bestand aus Mais, Bananen und Colocasienwurzeln. Beim Weitermarsch von den Hütten ließen wir bald das lange üppige Gras hinter uns zurück und erreichten eine Strecke von niedrigerm strauchartigen Gebüsch, untermischt mit Farrnkräutern und Dornen, welche den Weg beschwerlicher machten.

Um 8 Uhr 30 Minuten morgens trafen wir einige weitere Hütten derselben Art, fanden aber, daß dieselben schon einige Tage vorher von den Eingeborenen verlassen worden waren. Der Stand der Aneroide war hier 598,93 mm und 580,90 mm, derjenige des Thermometers 19,1° R. Rundherum sahen wir Dracänen, hier und dort auch baumartige Farrne und Palmen, während auf beiden Seiten des Pfades dichte Massen von langen Farrnkräutern in wirrem Durcheinander sich befanden. Nunmehr erschienen Eingeborene auf den Gipfeln verschiedener naher Hügel und Anhöhen und thaten durch Schreien und Hörnerblasen ihr Möglichstes, um uns zu erschrecken und von dem Berge zurückzutreiben. Wir setzten indeß den Weg an dem Abhange hinauf fort, worauf die Eingeborenen bald verschwanden und uns nur noch sehr wenig belästigten.

Von den Waldebenen, die sich tief unter uns ausdehnten, konnten wir des dichten Nebels wegen nichts sehen. Aus demselben Grunde waren wir auch verhindert, die Anhöhen im Westen und Nordwesten zu entdecken.

Um 10 Uhr 30 Min. vorm. erreichten wir nach einigem scharfen Klettern die letzte Niederlassung der Eingeborenen, deren Cultur sich nur noch auf Bohnen und Colocasien beschränkte, aber keine Bananen mehr aufwies. Barometerstand 567,94 mm, Thermometer 23,1° R. Jenseit dieser Niederlassung war ein rauher Pfad, welcher einem Ausläufer entlang zum Wald hinaufführte und dem wir folgten, doch waren die Abhänge an manchen Stellen so steil, daß wir auf Händen und Knien kriechen mußten, um überhaupt nur weiter zu kommen.

Um 11 Uhr hatten wir den Wald erreicht und fanden, daß derselbe aus Bambus bestand und anfänglich ziemlich licht war, dann aber dichter wurde, je höher wir kamen. Wir beobachteten hier eine vollständige und plötzliche Veränderung der Luft, die viel kühler, reiner und erfrischender wurde, sodaß wir rascher vorwärts kamen und das Athmen uns leichter wurde. Jetzt, nachdem die Sansibariten erst so weit gekommen waren, schien ihnen auch allen sehr daran zu liegen, so hoch wie möglich zu steigen, und sie begannen sich gegenseitig damit zu hänseln, wer von ihnen wol die größte Last von dem »weißen Stoffe« von dem Gipfel des Berges herunterbringen würde.

Um 12 Uhr 40 Min. kamen wir aus dem Bambus heraus und ließen uns an einer mit Gras bewachsenen Stelle nieder, um unser Frühstück zu verzehren. Barometer 535,94 und 709,93 mm, Thermometer 16,9° R. Vor uns erhob sich, ganz gleichmäßig ansteigend, eine Spitze bis zur Höhe von 365 m über uns; später brachen wir auf, um ihn zu erklimmen. Nachdem wir eine kurze Strecke hinaufgeklettert waren, kamen wir an baumartiges Heidekraut und Sträucher, von denen einige 20 Fuß hoch gewesen sein müssen, und da wir uns den Weg erst Schritt für Schritt hindurchbahnen mußten, so war unser Vorwärtsdringen nothwendigerweise ein langsames und für die Vordern sehr ermüdend.

Um 3 Uhr 15 Min. machten wir zwischen den Heidekrautbüschen einige Augenblicke halt, um wieder zu Athem zu kommen. Hier und dort waren kleine Strecken mit geringwerthigem Bambus, von welchem jeder Stamm voll von Löchern war, die von irgendeinem Insekt gebohrt zu sein schienen und das Holz vollständig unbrauchbar machten. Unter den Füßen hatten wir einen dicken, schwammartigen Teppich aus nassem Moose, während die Erica-Sträucher rundherum, soweit wir sehen konnten, mit der Bartflechte ( Usnea) behangen waren. Wir fanden eine große Zahl von blauen Veilchen und Baumflechten und haben von hier eine Menge Proben von Pflanzen dem Pascha zur Bestimmung mitgebracht. Allgemein hatten wir das Gefühl feuchter Kälte, und trotz unserer Anstrengungen beim Klettern machte der kalte Nebel sich uns sehr fühlbar. Wahrscheinlich ist der beständig um den Hügel hängende Nebel die Ursache, daß die ganze Pflanzendecke so von Feuchtigkeit vollgesogen und der Boden unter den Füßen so naß und schlüpfrig ist.

Bald nach 4 Uhr machten wir unter einigem hohen Heidekraut halt, um unser Lager aufzuschlagen. Indem wir die größten Zweige abbrachen, stellten wir in roher Weise ein Obdach für uns her; dann suchten wir zusammen, was wir an Brennholz finden konnten, und trafen die sonstigen Vorbereitungen für die Nacht. Das Feuerholz war jedoch sehr spärlich, da das Holz meist so naß war, daß es nicht brennen wollte. Infolge dessen hatten die leichtgekleideten Sansibariten sehr stark durch die Kälte zu leiden, obwol die Höhe erst 2590 m betrug. Als wir uns niederlegten, zeigte das Thermometer 12,5° R. Von dem Lagerplatz aus hatte ich einen guten Ausblick auf die vor uns liegenden Spitzen, doch begann ich hier bereits zu fürchten, daß ich nicht im Stande sein würde, den Schnee zu erreichen. Direct vor uns lagen drei ungeheuere Schluchten und wenigstens zwei derselben waren auf dem Grunde mit dichtem Gebüsch bedeckt. Diese mußten wir überschreiten, wobei wir uns einen Weg durch das Gestrüpp zu bahnen hatten. Damit mußte es auch zu einer Frage der Zeit werden, ob wir den Gipfel erreichen könnten oder nicht. Ich beschloß daher, am nächsten Morgen weiter zu gehen, genau nachzusehen, welche Schwierigkeiten vor uns lagen, und falls dieselben in einer vernünftigerweise darauf zu verwendenden Zeit nicht zu beseitigen waren, nur so weit zu steigen, wie es möglich war.

Am Morgen des 7. brach ich auf, nachdem ich einige der besten Leute ausgewählt und die übrigen den Berg wieder hinabgeschickt hatte; das Klettern war ähnlich wie am Nachmittage vorher. Die Nacht war bitterkalt gewesen und einige der Leute klagten über Fieber, doch waren alle guten Muthes und zum Weitergehen bereit. Gegen 10 Uhr morgens wurden wir von der ersten der vorerwähnten Schluchten aufgehalten. Bei der Untersuchung derselben bemerkte ich, daß wir sehr lange Zeit brauchen würden, um sie zu überschreiten, und daß dann noch zwei weitere vor uns lagen. Hier hatten wir den ersten Blick auf eine mit Schnee bedeckte Spitze, die etwa 4 km entfernt war; nach meiner Berechnung würden wir aber noch anderthalb Tage gebraucht haben, um diesen ersten Schnee zu erreichen. Dies zu versuchen, würde jedoch wahrscheinlich unheilvoll für uns geendet haben, da wir nicht mit Nahrungsmitteln und bessern Kleidungsstücken für wenigstens zwei der Leute versehen waren. Ich beschloß daher umzukehren, wobei ich die Hoffnung hegte, daß sich von einem spätern Lager aus eine bessere Gelegenheit zur Besteigung und zur Erreichung des Gipfels bieten würde. Jenseit der Schlucht lag ein kahler Felsengipfel, der sich sehr klar abhob und uns jetzt als der südwestliche der »Zwillingskegel« bekannt ist. Dem obern Theil desselben fehlte es vollständig an Vegetation, da der steile Felsboden nur an ein paar Stellen einigen wenigen Gräsern und Heidebüschen das Dasein gestattet.

siehe Bildunterschrift

Der südwestliche Zwillingskegel des Ruwenzori, nach einer Aufnahme des Lieut. Stairs.

Die größte Höhe, welche wir erreicht haben, beträgt nach Berechnung der Beobachtungen unter Berücksichtigung aller Correcturen 3254 m über dem Meeresspiegel; die Höhe der schneebedeckten Spitze über unserm Standpunkte wird wahrscheinlich etwa 1830 m sein, sodaß der Berg insgesammt etwa 5080 m hoch ist. Dies ist indessen nicht die höchste Spitze in der Ruwenzori-Gruppe. Mit Hülfe des Feldstechers konnte ich die Form des Berggipfels genau erkennen. Die äußerste Spitze des Pics ist mit einer unregelmäßigen Masse zerrissener und schroffer Felsen gekrönt und hat eine entschieden kraterähnliche Gestalt. Durch einen Spalt in der uns zugewendeten Seite konnte ich einen entsprechenden Rand von derselben Form und Höhe auch auf der andern Seite sehen. Von dieser Felsenkrone fällt der große Pic in einem Winkel von etwa 25° nach Osten ab, bis er durch einen davorliegenden Gipfel dem Blicke entzogen wird; nach Westen hin ist der Abfall jedoch viel steiler. Die größte Schneemasse lag auf der uns zugekehrten Seite des Berges, der überall damit bedeckt war, wo der Abhang nicht gar zu steil war. Die größte Schneefläche dürfte einen Flächenraum von 180 m Länge und 90 m Breite einnehmen und war so tief, daß der schwarze Felsen nur an zwei Stellen über die weiße Oberfläche hervortrat. Kleinere Flecken Schnee reichten bis ziemlich weit in die Schlucht hinab; die Entfernung von dem tiefstliegenden Schnee bis zum Gipfel des Berges dürfte 300-360 m sein. Nach ONO. war unser Horizont durch einen Ausläufer begrenzt, der direct hinter unserm Hauptlager beginnend und steil aufsteigend in horizontalem Sinne eine Curve macht und dann die Richtung auf die Mitte des schneebedeckten Pics einschlägt. Auch der südlich von uns liegende Ausläufer strahlte von den beiden höchsten Spitzen aus. Die allgemeine Form des Gebirges scheint demnach die zu sein, daß die großen Ausläufer strahlenförmig von dem schneebedeckten Gipfel als Mittelpunkt ausgehen und sich nach den unten liegenden Ebenen zu ausbreiten. Diese Formation auf der Westseite des Berges würde die Ursache sein, daß die Flüsse vom Mittelpunkte ausströmen und sich weiter fließend immer mehr voneinander trennen, bis sie unten die Ebenen erreichen. Dort wenden sie sich nach WNW. oder richten ihren Lauf den untern Ausläufern der Kette entlang, bis sie in den Semliki-Fluß und weiter in den Albert-Njansa strömen. Von dem zweiten schneebedeckten Pic, den wir bei frühern Gelegenheiten beobachtet haben, vermochte ich nichts zu sehen, weil die »Zwillingskegel« dazwischenlagen. Dieser Pic ist meiner Ansicht nach nur der Abschluß der schneebedeckten Kette, welche wir bei Kavalli sahen, und hat, wenn dies richtig ist, eine größere Höhe als derjenige, den wir zu ersteigen versuchten. Vieles deutet darauf hin, daß diese Spitzen vulkanischen Ursachen ihre Entstehung verdanken. Der Hauptbeweis dafür liegt in der großen Zahl von kegelförmigen Spitzen, welche sich um die Mittelgruppe an der westlichen Seite scharen. Diese kleinern Kegel sind dadurch entstanden, daß der Krater des Mittelvulkans, weil der Druck der Gase nicht genügend war, um die Felsen und die Lava aus dem Innern herauszuwerfen, sich verstopft hat; infolge dessen haben die Gase sich schwächere Stellen der Erdkruste gesucht, dieselben durchbrochen und sind auf diese Weise die Ursache der Entstehung der jetzt vorhandenen kleinern Kegel geworden. Von thierischem Leben sahen wir auf dem Berge fast nichts. Daß Wild irgendwelcher Art vorhanden ist, geht aus den zahlreichen Fanggruben hervor, die wir neben dem Pfade bemerkten, sowie aus der Thatsache, daß wir in den Hütten der Eingeborenen Schlingen fanden, wie sie zum Fange von kleinem Wild benutzt werden. In einer Schlucht hörten wir den Schrei eines Affen, auch sahen wir mehrere träge graubraune Vögel, ähnlich wie Steinschmätzer, sonst aber nichts.

Dagegen fanden wir Heidelbeeren und Brombeeren in 3050 m Höhe und selbst weiter oben, und außerdem habe ich dem Pascha für seine Sammlungen eine Anzahl Pflanzen übergeben können, deren Gattungsnamen er mir freundlichst mitgetheilt hat, sodaß ich sie nachstehend beifügen kann. Ich bedauere sehr, daß es mir nicht gelungen ist, den Schnee zu erreichen und etwas davon als Beweis für mein Unternehmen mitzubringen, doch würde es nach meinem Gefühl mehr als nutzlos gewesen sein, unter den für uns obwaltenden Verhältnissen noch weiter am Berge hinaufzusteigen, und wenn wir auch alle voll Muth und bereit waren, weiter zu gehen, so gab ich doch den Befehl zur Umkehr. Ich las dann das große Aneroidbarometer ab und fand den Zeiger auf 505,5 mm, stellte die Indexfeder direct dem Zeiger gegenüber und trat darauf den Rückweg an. Um 3 Uhr nachmittags am 7. erreichte ich Sie, nachdem wir zum Marsch von den »Zwillingskegeln« 4½ Stunden gebraucht hatten.

Ich habe die Ehre zu zeichnen u. s. w.

Lieut. W. G. Stairs.

P. S. Folgendes sind die mir vom Pascha mitgetheilten Gattungsnamen der von mir gesammelten Pflanzen:

tabelle

Hätten wir von unserm Lager aus einen Blick über das Semlikithal werfen können, so würden wir ein höchst interessantes Bild gesehen haben, jedoch vermochten wir durch den dicken, trägen Nebel weiter nichts zu erkennen, als daß es anscheinend in seiner ganzen Ausdehnung mit dichtem Wald bedeckt ist. Der Nebel schwebte über dem ganzen Thal in unregelmäßigen Schichten oder in einer schweren Masse, die ihm das Aussehen eines umgekehrten Himmels gab. Zuweilen tauchte für kurze Zeit das unbestimmte Bild eines endlosen Waldes auf, doch stieg der Nebel an vielen Stellen aufwärts, als ob aus einer Menge großer Geiser heiße Wasserdämpfe aufwirbelten. Im Vordergrunde unmittelbar vor uns war es nicht schwer, Erhöhungen und Vertiefungen sowie runde beckenartige Niederungen zu unterscheiden, die mit dem hellen Grün der Bananenhaine ausgefüllt waren.

Einer der Zwillingskegel, der einige hundert Meter vom Lager entfernt zu sehen war, hatte, wie wir durch sorgfältige Messung mit dem Höhenkreis feststellten, die Höhe von 3679 m.

Nach einem Halt von drei Tagen brachen wir das Lager ab, stiegen an den steilen Wänden der Schlucht des Ramilulu hinab und kletterten, nachdem wir den schmalen Grund derselben überschritten hatten, an dem ebenso steilen mauerartigen Abhange an der andern Seite wieder empor, wobei wir eine Thatsache entdeckten, an die wir ohne das Auf- und Abklimmen wol nicht gedacht haben würden. Der Ramilulu hatte nämlich diesen tiefen Graben durch eine Terrasse gebahnt, welche aus dem von den Abhängen herabgespülten Erdreich gebildet war. Von den Bergen war Schutt, bestehend aus Erde, Steinen, Felsen und Kieseln, in die Schlucht hinabgestürzt und an den Höhen hatten Erdrutsche von solchem Umfange stattgefunden, daß der Lauf des Flusses vollständig verstopft war und sich ein ausgedehnter hoher Wall gebildet hatte. Es war jedoch dem Ramilulu gelungen, sich hindurchzuarbeiten und ein tiefes Bett auszuhöhlen, sodaß die große Schuttbank in ganz lehrreicher Weise bis zur Tiefe von 50 m in der Mitte durchgeschnitten ist.

Früh bei Tagesanbruch wurde ein Madi-Häuptling von einem kühnen Eingeborenen mit dem Speer erstochen. Etwa anderthalb Kilometer von Mtarega hörte der grasbewachsene Streifen, auf welchem wir uns des bessern Marschirens halber gehalten hatten, auf, da der Wald sich über die ganze Breite des Semlikithals ausgedehnt und die Abhänge des Ruwenzori bis zur Höhe von etwa 2150 m über uns eingenommen hatte; wir mußten also, wir mochten wollen oder nicht, wieder in den traurigen Schatten hinein. Hier umgab uns aber der tropische Wald in seiner ganzen Vollkommenheit; derselbe übertraf in Bezug auf Mannichfaltigkeit der Pflanzen und allgemeine Ueppigkeit noch das Thal des Ituri. Wir sahen dort etliche Oelpalmen, Gruppen anderer Palmen, riesenhafte Baumfarrn, wilde Bananen und hohe, stattliche Bäume, alles vom Wipfel bis zur Wurzel mit weichem grünen Moos bedeckt, undurchdringliche Dickichte von breitblätterigen Pflanzen und überall Perlen von Feuchtigkeit, sowie schmale Rinnsale, die alle paar Meter unter dem verworrenen lebhaften Grün und bethauten Unterholz hervorquollen. Es war das beste tropische Gewächshaus, welches ich je gesehen habe; es hätte nicht vortrefflicher sein können, selbst wenn die Kunst zur Verbesserung der Natur hätte beitragen können. Aus jeder Abzweigung der Bäume und auf allen wagerecht liegenden großen Aesten wuchsen die lieblichsten Farrn und Flechten, Elefantenohrpflanzen zu Dutzenden, Orchideen in dichten Gruppen, das hellgrüne Moos hatte runde weiche Kissen gebildet, fast an jeder Faser zitterte ein klarer Wassertropfen und alles war in eine überaus feuchte Atmosphäre getaucht. Die Ursache dieser Ueppigkeit und Feuchtigkeit lag nicht fern; es waren drei heiße Quellen, deren Temperatur 31,5° R. betrug. Dieser Theil des Waldes lag in den geschütztesten wärmsten Falten des Schneegebirges; was die Sonne an Hitze hineinstrahlte, wurde von dem Dickicht lange festgehalten.

Wir lagerten uns an einer trockenen Stelle des Waldes und kamen am nächsten Tage nach einem Marsche von 10 km aus dem Dickicht heraus auf die herrliche Lichtung von Ulegga, wo wir in einem zerstreut liegenden Dorfe in Pfeilschußweite von den Bergen Unterkunft suchten. Dichte laubreiche Bananenhaine bekleideten die Abhänge, zogen sich in die Schluchten hinab und dehnten sich bis weit ins Semlikithal hinein; Bananen überall, doch fehlte es auch nicht an Taback oder Mais, an zwei Arten von Bohnen, Yams und Colocasien.

Wir betraten diesen District argwöhnisch und voll Mistrauen; der Tod des Madi-Häuptlings hatte uns darauf aufmerksam gemacht, daß wir nicht allzu vertrauensvoll sein durften und Tag und Nacht wachsam sein mußten. In dem ersten Dorfe stieß die Vorhut auf einige Männer, welche sofort das Eindringen unserer Leute ahndeten und Feindseligkeiten begannen, woraus wir die Ueberzeugung gewannen, daß ein wirklicher Angriff auf uns gemacht werden würde. Wohin wir blickten, befanden sich Dörfer, und wenn der Muth der Einwohner ihrer Zahl zu Hülfe kam, waren sie im Stande, uns hartnäckigen Widerstand zu leisten. Infolge dessen sandten wir einige Trupps Bewaffneter in die Berge, wo ein lebhaftes Scharmützel stattfand, bis es um 4 Uhr nachmittags Matjera, einem unter den Leuten des Paschas befindlichen Bari-Dolmetscher, gelang, mit einigen Eingeborenen ein Unterredung anzuknüpfen und ihren Häuptling zu veranlassen, Frieden zu halten. Der Häuptling kam zu uns und sagte, er werfe sich uns zu Füßen, damit wir ihn erschlügen oder am Leben ließen. Ich ließ sofort durch den Trompeter das Signal zum Einstellen des Kampfes geben, die Plänkler wurden zurückberufen und nach zwei Minuten herrschte überall die tiefste Stille.

Dieser Häuptling und seine Freunde waren die ersten Vertreter der Bewohner von Ukondju, welche wir sahen; ihre unterthänige Botschaft gewann sofort unsere Sympathien und Bewunderung. Ich wurde indessen durch ihre Erscheinung einigermaßen enttäuscht, obwol bei näherer Ueberlegung keine Ursache dazu war. Es liegt kein Grund vor, weshalb ich hätte erwarten können, daß diese auf den Höhen des Gebirges lebenden Bergbewohner, wie ich mir vorgestellt hatte, von hellerer Hautfarbe sein sollten als die Bewohner des Waldes im Semliki- und Iturithal; im Gegentheil, sie sind in Wirklichkeit sogar noch viel dunkler als die Sansibariten. Angenommen, es lebte ein Volk um den Fuß der Schweizer Alpen und es bräche eine unwiderstehliche Armee von Skandinaviern über sie herein, so würden die ursprünglichen Bewohner selbstverständlich in den Bergen Zuflucht suchen; in derselben Weise haben diese dunkelhäutigen Leute vom richtigen Negertypus den Invasionen der indo-afrikanischen Watschwesi und der kupferfarbigen Stämme des Waldes keinen Widerstand zu leisten vermocht und in den Bergen und Schlupfwinkeln der Aequatorial-Alpen Schutz gesucht, und da die hellern Rassen rundherum ab- und zufluteten, so sind die Wakondju auf ihr Gebirge beschränkt worden.

siehe Bildunterschrift

Der Ruwenzori von Mtsora aus gesehen.

Während des Marsches nach Mtsora am nächsten Tage überschritten wir fünf Flüsse, welche von den Bergen herabkamen und dem Semliki zuströmten. Einer derselben war von erheblicher Größe und führte den Namen Butahu; seine Temperatur betrug 11° R.

In Mtsora gewannen wir binnen kurzer Frist ziemlich viel Localkenntnisse, da die Wakondju jetzt unsere Freunde waren; von ihnen erfuhr ich folgende interessante Einzelheiten.

Einige Kilometer nördlich von hier soll ein Stück des obern Sees liegen, von dem wir schon so viel gehört haben und den ich im Januar 1876 entdeckte. Die Eingeborenen nennen ihn Ingesi, was im Kinjoro Fluß, Sumpf oder kleiner See bedeutet. Der Ruweru oder See ist zwei Tagemärsche nach Süden entfernt.

Sie nennen ihn auch Njansa, und als ich nach seinem eigentlichen Namen fragte, antworteten sie Muta-Nsige. Einige von ihnen kannten drei Muta-Nsiges, den Muta-Nsige von Unjoro, den Muta-Nsige von Usongora und den Muta-Nsige von Uganda.

Was die Njansas betrifft, so wirkte ihre Zahl geradezu verwirrend. Es gibt einen Njansa von Unjoro, von Usongora, von Unjampaka, von Toro, den Njansa Semliki, den Njansa Unjawingi, den Njansa von Karagwe und den Njansa von Uganda, sodaß also jeder Fluß von einiger Bedeutung, welcher einen See speist, jede große Bai zu einem Njansa wird und jeder kleinere oder größere See ein Njansa oder Ruweru genannt wird.

Die halbäthiopischen Völker, welche uns in Kavalli als Wahuma, Waima, Wawitu und Watschwesi bekannt wurden, heißen hier Waijana, Wanjawingi, Wasongora und Wanjankori.

Der Ruwenzori, den die Waldstämme schon Bugombowa, Avirika und Viruka genannt hatten, wird uns hier als Ruwenzu-ru-ru oder Ruwendjura bekannt, je nachdem ein Eingeborener das Wort aussprechen kann.

Der Butahu-Fluß trennt Ulegga von Uringa.

Die Warasura sind unter Rukara, einem General des Königs Kabba-Rega von Unjoro, vereinigt. Einige von dessen wilden Beutejägern sollen bei der Fähre von Waijana, einige Kilometer nördlich von hier, stationirt sein. Die Wakondju haben sich erboten, uns Beistand zu leisten, um jene aus dem Lande zu treiben.

Rukara's Hauptquartier soll sich in Katwe, einer Stadt in der Nähe der ungefähr südlich gelegenen Salzseen befinden.

Am westlichen Ufer des Semliki leben die Stämme der Wakowi und Wasoki; auch gibt es dort Watua-Zwerge.

Ferner erfuhren wir, daß Usongora und Toro sich Kabba-Rega unterworfen haben, jedoch haben die Bewohner der Seeinseln den Gehorsam bisher verweigert, und ihr Häuptling Kakuri hat sich an die Wanjawingi und Wanjankori um Beistand gegen Kabba-Rega gewendet. Man verspricht uns die Unterwerfung aller Wakondju und Wasongora, wenn wir einen Vertrag oder ein Abkommen mit ihnen schließen wollen. Ich habe das Anerbieten angenommen.

Die Wakondju haben runden Kopf, breites Gesicht und sind von mittlerer Größe. Sie tragen Ringe aus Rotangfasern, die sehr zierlich gearbeitet sind, zu Hunderten die Knöchel bedecken und in großer Zahl auch am Oberarm getragen werden. Die Häuptlinge zeichnen sich durch schwere Armbänder aus Kupfer oder Messing aus und der Halsschmuck der Frauen besteht aus gewichtigen eisernen Ringen, die an den Enden spiralförmig aufgerollt sind. Wie man mir erzählt, findet man an den Abhängen des Berges viele schöne Quarzkrystalle.

Am Eingange fast eines jeden Dorfes in Ukondju sieht man ein winziges Zelt mit einem ganz kleinen Eingange, vor welchem die Eingeborenen eine Banane oder ein Ei hinlegen. Nach der Tradition hat Mikondju, der Gründer des Stammes, der zuerst den Wald ausgerodet und Bananen gepflanzt hat, diese Sitte eingeführt, um Diebstähle zu verhindern; sie soll ein Opfer darstellen, welches man dem Fetisch oder Geist darbringt, um ihn daran zu erinnern, daß er die Bananenhaine und die Eier, aus denen die Hühner hervorgehen, schützen soll.

Am 12. Juni sandte ich Lieutenant Stairs mit 60 Gewehrträgern sowie einer Anzahl Wakondju-Führer ab, um nach dem Semliki zu gehen und jeden Zweifel über den Fluß zu beseitigen. Am nächsten Tage kehrte er mit der Meldung zurück, daß er von den Eingeborenen freundlich aufgenommen worden sei; sie hätten ihre Unterwerfung angeboten und ihn nach dem Flusse begleitet, um ihm alles Interessante zu erklären. Lieutenant Stairs fand, daß der Fluß gegen 40 m breit, 3 m tief war und mit einer Strömung von 5 km in der Stunde zwischen 15-18 m hohen Ufern dahinfloß. Nachdem er das Wasser gekostet, den Flußlauf genau betrachtet und alle Eingeborenen, die etwas mitzutheilen wußten, befragt hatte, kam er zu dem Schluß, daß 1) wegen des ununterbrochenen Zusammenhanges der Bergkette im Westen, welche auf unserm ganzen Wege vom Albert-See dem Ruwenzori gegenüberlag; 2) wegen der eigenthümlichen grauen, schlammartigen Farbe des Wassers; 3) wegen des seltsamen Geschmackes des Wassers, das leicht salzhaltig ist und wie das des Albert-Sees den Durst nicht stillt; 4) nach der einstimmigen Behauptung der Eingeborenen, daß der Fluß in der Richtung Nord zu West, dann in nördlicher, darauf in nordöstlicher dem See von Unjoro, welcher der Albert-See ist, zuströmt; 5) nach der ausdrücklichen Versicherung eines eingeborenen Reisenden, der den ganzen Lauf des Flusses von seinem Austritt aus dem einen bis zum Eintritt in den andern See genau kennt – der Semliki den obern See verläßt, einen gewundenen Lauf mit einer starken Wendung nach der westlichen Bergkette hin verfolgt, um sich dann nach Nordosten zu richten und sich dem Ruwenzori-Gebirge mehr zu nähern, darauf durch den Awamba-Wald strömt und sich in Utuku in den Albert-Njansa ergießt.

Von einem Ameisenhügel in der Nähe von Mtsora bemerkte ich, daß 1½ km nach Westnordwest eine Ebene begann, welche ein Ebenbild derjenigen war, welche die Aegypter getäuscht und veranlaßt hatte, sie für ihren See zu halten. Die Ebene dehnte sich nach Süden hin aus und schien der Boden eines Sees zu sein, aus welchem das Wasser erst neuerdings ausgeflossen war. Der Semliki, der dieselbe entwässert hatte, lag jetzt 15-18 m unter dem Uferrand. Das aus Seeablagerungen, grauem Lehm und Sand bestehende Ufergehänge hatte einer Strömung von 5 km in der Stunde keinen Widerstand zu leisten vermocht. Lägen nicht unter der aus den Seeablagerungen gebildeten Oberfläche gewisse Riffe des Felsenbettes, dann würde dieser Fluß ohne Zweifel bald auch den obern See trocken legen. Der Wald breitete sich wie eine dunkle Barriere von einer Seite des Thals bis zur andern aus und bildete einen sehr großen Contrast zu dem gebleichten Grase, das in dem salpeterhaltigen alten Seeboden seine spärliche Nahrung fand.

Während unsers Halts in Mtsora hatten wir eines Abends kurz vor Sonnenuntergang einen prachtvollen Blick auf den Ruwenzori, von dem ein Schneefeld und die hinter dem vordersten Gebirgsrücken liegenden schneebedeckten Pics in Sicht traten. Während des ganzen Tages hatte das Auge auf einer langen Linie dunkler, ernst aussehender Ausläufer geruht, deren Gipfel von dem bleifarbenen Nebel verhüllt waren; allein bald nach 5 Uhr nachmittags tauchten die obern Spitzen dieser Ausläufer einer nach dem andern aus dem Dunste auf, es trat eine lange Linie von Gebirgsrücken hervor, und dann löste ein Pic nach dem andern sich aus den pechschwarzen Wolken heraus, bis endlich die ungeheuere wundervolle Kette, ein vorzügliches Bild erhabenster und großartigster Oede, aller Augen auf sich zog und Ehrfurcht gebietend die Aufmerksamkeit eines jeden fesselte. Wie die Eingeborenen mir sagen, ist die Bedeutung des Wortes Ruwenzori Regenmacher oder Wolkenkönig.

Am 14. Juni marschirten wir in Begleitung eines großen Gefolges von Wakondju, bis wir nach 4½ Stunden Muhamba in Usongora erreichten. Bald nachdem wir Mtsora verlassen hatten, waren wir in die grasbedeckte Ebene hinabgestiegen, die noch innerhalb einer berechenbaren Zeit ein Theil des Seebodens gewesen ist, dem wir uns jetzt näherten. Etwa auf halbem Wege passirten wir einen achtunggebietenden Nebenfluß des Semliki, den Ruimi, welcher Ukondju von Usongora trennt. Einer der Flüsse, den wir gleich darauf überschritten, entsprang aus einer heißen Quelle.

Am nächsten Tage verließen wir nach einstündigem Marsche von Muhamba die Ebene und begannen an den Bergen hinaufzusteigen, da die nach Süden abfallende Kette ein längeres hügeliges Vorgebirge bildet, welches Usongora in einen westlichen und östlichen Theil trennt, die beide in frühern Zeiten vom See bedeckt gewesen sind. Nach einem Aufstieg von etwa 460 m erhob sich eine Welt von Bergen vor uns und wir würden einen der Erinnerung werthen Anblick gehabt haben, wenn nicht der ewige Nebel die großartigem Ketten verhüllt hätte. Dennoch bot sich uns ein bezauberndes Schauspiel, ein Anblick, der in spätem Zeiten jedenfalls oft gemalt, gezeichnet und beschrieben werden wird. Er erinnerte mich mächtig an die untern Alpen, von Bern aus gesehen, obwol die aufeinander folgenden Ketten dieser afrikanischen Alpen viel höher sind; die weißköpfigen Bergfürsten stiegen noch weit über diese Ketten auf, waren in diesem Augenblicke aber vollständig in dichte Wolken gehüllt. Nachdem wir das Vorgebirge überschritten hatten, stiegen wir etwa 90 m hinab und kreuzten ein tiefes, schmales Thal, worauf wir uns bei Karimi lagerten.

siehe Bildunterschrift

Der Ruwenzori von Karimi aus gesehen.

Um 5¼ Uhr wurden Dunst und Nebel durch einen Windstoß von den Kronen des Ruwenzori fortgeweht und sofort erhielten wir den schönsten Anblick, den wir bisher von dem Berge erhalten hatten, dessen Beschreibung ich mir für ein anderes Kapitel vorbehalte. Rasch war der photographische Apparat zur Hand, um ein dauerndes Bild von einem der seltensten Schauspiele der Welt und einem der großartigsten Anblicke, die Afrika zu bieten vermag, zu erhalten.

Nach einem langen, 4¾ stündigen Marsche trafen wir am 16. Juni bei der Seriba von Rusesse ein. Wir stiegen von Karimi etwa 215 m bis zur Ebene von Ost-Usongora hinab und kamen eine Stunde später zu dem 12 m breiten und 30 cm tiefen Ruverahi, einem Flusse mit krystallklarem, direct von den Schneefeldern herabkommendem eiskalten Wasser. Der Ruwenzori war den ganzen Morgen als herrliches Bild von Gebirgsschönheit und Pracht in Sicht. Als wir uns Rusesse näherten, kam uns ein im Dienste Rukara's, des Generals der Warasura, stehender Hirte aus Usongora über die Ebene entgegen und theilte uns mit, er könne uns den Weg zu einer der Heerden Rukara's zeigen. Wir nahmen das freundliche Anerbieten an, das er als patriotisch gesinnter Sohn seiner von Rukara tyrannisirten und verwüsteten Heimat uns machte. Ich sandte 50 Gewehrträger mit ihm aus, und nach einer Viertelstunde befanden wir uns im Besitze einer Heerde von 25 schönen fetten Rindern, die wir ohne weitern Unfall mit unsern eigenen 100 Stück nach der Seriba von Rusesse trieben. Von einem Haufen Viehdünger, der wie eine große Schanze das ganze Dorf umgab, erhielten wir den ersten Blick auf den 5 km von uns entfernten Albert-Edward-Njansa.



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