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Dreiunddreißigstes Kapitel.
Die Eingeborenenstämme des Graslandes.

Die Wahuma gerade das Gegentheil der Zwerge; ihre Abkömmlinge. – Die dem wahren Negertypus nahe verwandten Stämme. – Die Stämme des Nilbeckens. – Hirten. – Traditionen von Unjoro. – Meine in Kavalli gesammelten Erfahrungen von den Wahuma. – Die Umgegend des Lagers bei Kavalli. – Die Häuptlinge Kavalli, Katto und Gavira theilen mir das ihnen zugefügte Unrecht mit. – Erinnerungen des alten Rugudji. – Das Weideland zwischen dem Albert-See und dem Walde. – Das Vieh in dem District um Kavalli und der Milchertrag. – Drei auf Rinder bezügliche Streitfälle werden mir zur Entscheidung vorgelegt. – Die häuslichen Pflichten der Frauen. – Kleidung der Wahuma. – Altägyptische und äthiopische Merkmale unter den Stämmen des Graslandes bewahrt. – Sitten, Gebräuche und Religion der Stämme. – Der arme Gaddo ist der Verschwörung gegen seinen Häuptling Kavalli verdächtig; sein Tod. – Kost der Wahuma. – Klima des Graslandes.

 

Nächst den Zwergen sind die Wahuma die interessantesten Leute in ganz Centralafrika. Einige Philologen haben sie unter dem Sammelnamen Bantu klassificirt, und jeder Reisende, der den Ehrgeiz besitzt, sich bei den wissenschaftlich Gebildeten verständlich zu machen, trägt durch sein Zeugniß und seinen Einfluß noch dazu bei, diesen ganz unwissenschaftlichen Ausdruck zu einem dauernden zu machen. Bantu ist ein innerafrikanisches Wort, welches in der Uebersetzung Menschen heißt; wir werden also allen Ernstes aufgefordert, auf Grund wissenschaftlicher Autorität es als feierliche Thatsache hinzunehmen, daß die Wahuma wie die Zwerge Menschen sind.

Die Wahuma sind das gerade Gegentheil der Zwerge. Letztere sind Nomaden von geringerer als der gewöhnlichen Größe und haben sich durch ihre Gewohnheiten dem Leben im Walde angepaßt; erstere sind große, schön geformte Menschen mit fast europäischen Gesichtszügen und eignen sich wegen ihrer seit undenklichen Zeiten angenommenen und ihnen zur zweiten Natur gewordenen Sitten nur für das Leben auf den Weidegebieten. Vertauscht man ihre Wohnsitze, so schwinden die Leute dahin und sterben. Man nehme die Zwerge aus ihren Schlupfwinkeln und dem ewigen Dämmerlicht im Walde, entziehe ihnen die vegetabilische Kost, verpflanze sie auf das den Winden und dem Sonnenschein offene Land, und mäste sie, soviel man will, mit Fleisch, Getreide und Milch, sie werden in der kalten Luft schauern, das Fleisch zurückweisen und zu Tode schmachten. Andererseits versetze man die Wahuma in den Wald, gebe ihnen die besten Gemüse und stets im Ueberfluß zu essen, und die Folge wird sein, daß sie niedergeschlagen werden, ihre schöne braunschwarze Hautfarbe sich in ein Aschgrau verwandelt, die stolze, aufgerichtete Haltung verloren geht, sie ein elendes Aussehen erhalten und vor Verzweiflung und Müdigkeit sterben. Und doch werden diese beiden Gegensätze der Menschheit Bantu oder Menschen genannt, ein Ausdruck, der durchaus bedeutungslos und so alt ist wie die Geschichte der Schöpfung. In Nordamerika sehen wir heutigentags Eskimo-, Englisch-, Irisch-, Deutsch-, Französisch-, Spanisch-Amerikaner und Indianer, und müßten sie, nach der obigen wissenschaftlichen Methode, Bantu nennen. Das Interesse an den verschiedenen Familien der Menschheit wird aber nicht erweckt, wenn man sie unter solchen unphilosophischen Bezeichnungen zusammenfaßt.

Die Wahuma sind die echten Abkömmlinge der semitischen Stämme oder Gemeinden, welche von Asien über das Rothe Meer ausgewandert sind und sich an der Küste und den einst unter dem Namen Aethiopien bekannten Hochlanden von Abessinien niedergelassen haben. Von diesem großen Mittelpunkte leitet mehr als ein Drittel der Bewohner von Innerafrika seinen Ursprung ab. Als sie südwärts vordrangen und die Negerstämme besiegten, entstand eine Vermischung der Rassen; das semitische Blut verunreinigte sich mit dem Negerblut, die Bastardstämme mischten sich durch Zwischenheirath wieder mit den Urrassen, arteten infolge dessen noch mehr in Gesichtszügen und Gestalt aus und haben im Laufe der Zeitalter fast jegliche Spur ihrer Abstammung von asiatischen Völkern verloren. Wenn der Reisende diese Thatsache nur im Auge behält und seine Untersuchungen beim Cap der Guten Hoffnung beginnt, wird er, nordwärts gehend, leicht im Stande sein, die weniger entarteten Stämme von denen zu trennen, welche sich dem echten Negertypus schon so sehr genähert haben, daß sie zur Klasse der Neger gezählt werden können. Das krause, wollige Haar ist allen gemeinsam, aber selbst bei diesem gibt es eine Menge von Unterschieden, von demjenigen, das so grob wie Pferdehaar ist, bis zu dem, welches an Feinheit der seidenweichen Samenwolle gleichkommt. Das Studium des Haares möge indeß unterbleiben; hier kommt es auf die große umfangreiche Prüfung der kaukasischen Gesichtszüge unter dem Negerhaar an. Man nehme aus den Kaffern, Zulus, Matebele, Basuto, Betschuanen oder andern der wilden Stämme des südlichen Afrika ein gewöhnliches Individuum dieser prächtig gestalteten Stämme, die so unbarmherzig als Neger bezeichnet werden, stelle es neben einen Westafrikaner, Kongobewohner oder einen Eingeborenen aus der Gegend von Gabun und schiebe einen Hindu dazwischen, so wird man, wenn man erst einmal auf der richtigen Spur ist, sofort bemerken, daß der Kaffer, was die Gesichtszüge anbetrifft, eine feine Verschmelzung des Hindu- und des westafrikanischen Typus ist. Noch mehr tritt die Beziehung zum Hindu aber hervor, wenn man einen Mhuma von reiferm Alter nimmt.

Geht man über den Sambesi weiter nach der Wasserscheide des Kongo und Loangwa, so bemerkt man unter den Stämmen ein vollständiges Durcheinander von Typen, welche für sich als eine Zwischenfamilie zwischen dem Westafrikaner und Kaffer klassificirt werden können und eine Besserung gegen den erstern aufweisen, die normale Beschaffenheit des letztern aber noch nicht erreichen. Dehnt man seine Reise nach Osten oder Westen aus, so wird man diesen Typus weit verbreitet finden; er umfaßt die Babisa, Barua, Balunda und die Stämme des ganzen Kongogebietes sowie nach Osten die Watschunga, Wafipa, Wakawendi, Wakonongo, Wanjamwesi und Wassukuma. Unter diesen Eingeborenen fällt dann und wann die große Aehnlichkeit auf, welche kleinere stammartige Gemeinden mit den schönsten Zulus haben, und in der Nähe des östlichen Küstengebietes sieht man die negerartigen Westafrikaner reproducirt in den Waiau, Wasagara, Wangindo und den Schwarzen von Sansibar. Kehrt man von der Ostküste wieder nach den an den Tanganika-See grenzenden Hochlanden zurück und geht dann nördlich bis Udjidji, so findet man den Typus an Gestalt und Zügen wesentlich verbessert. Durch Udjidji gelangt man nach Urundi, wo wiederum eine Verbesserung bemerkbar wird. Marschirt man darauf einige Tage nach Osten, so gelangt man nach Uhha, zu den Zwillingsbrüdern der Zulus, hohen kriegerischen Gestalten mit kaukasischen Köpfen und Zügen, aber ganz dunkel gefärbt; begibt man sich noch ein wenig weiter nach Osten unter die Mischlinge von reinen Negern mit dem Kafferntypus des alten Ukalagansa, jetzt Usumbwa genannt, so findet man hohe, anmuthige Hirten mit europäischen Zügen, aber von dunkler Farbe. Fragt man einen, wer er sei, so wird er sagen, seine Beschäftigung sei, das Vieh zu hüten; er sei ein Mtusi vom Watusi-Stamm. »Gibt es denn ein Land, das Utusi heißt?« »Nein«, wird er antworten, »aber er kam von Norden.« Schreiten wir nach Norden vor, so gehen wir dem Kamme des Weidelandes entlang und befinden uns im Nilbecken. Jeder kleine Bach wendet sich ostwärts nach einem großen Binnensee, dem Victoria-Njansa, oder westlich dem Albert-Edward-Njansa zu. Dieses Hochland umfaßt Ruanda, Karagwe, Mpororo, Ankori, Ihangiro, Uhaija und Usongora, und alle Stämme, welche diese Länder bewohnen, besitzen Vieh, doch sind die Bewohner nicht sämmtlich Hirten, sondern viele von ihnen widmen sich dem Ackerbau. Bei dem Hin- und Herreisen fällt einem die Thatsache auf, daß alle diejenigen, welche sich mit Ackerbau beschäftigen, Aehnlichkeit mit dem anmuthigen Mtusi haben, den wir in Usumbwa trafen und der in unbestimmter Weise mit dem Speer nach Norden, als seiner ursprünglichen Heimat, wies, sowie daß alle Ackerbauer in den Gesichtszügen ebenso negermäßig sind, wie irgendein Afrikaner der Westküste mit seinen wulstigen Lippen. Bei längerm Aufenthalte daselbst erfährt man auch, daß die Hirten die Ackerbauer mit derselben Verachtung ansehen wie der Commis eines großstädtischen Bankgeschäfts einen gewöhnlichen Landarbeiter. Geht man noch weiter nach Norden, so erblickt man eine ungeheuere schneebedeckte Kette, die eine unübersteigbare Barrière bildet, und schwenkt man nach Westen ab, so findet man diesen. Mtusi-Typus sehr häufig, da er sich dem Fuße des Gebirges entlang ausbreitet und sich bis zum dichten, undurchdringlichen Walde ausdehnt,, in welchem Viehzucht nicht möglich ist. Sofort hört auch der kaukasische Typus auf und die Negerzüge mit kupferiger, schwarzer oder gemischter Hautfarbe, platter Nase, eingesunkener Nasenwand und vorstehendem untern Theil des Gesichts sind stumme Zeugen, daß die Woge der höhern Rassen hier aufgehalten worden ist. Lenken wir nun die Schritte zurück, steigen wieder nach dem Hochlande hinauf und wenden uns ostwärts am Fuße der Schneekette hin, so kommen wir durch die prachtvollen Weideländer nach Toro, Uhaijana und Unjoro. Hier sehen wir wieder die Hirten mit ihren feinen Zügen in Scharen die ungeheuern Heerden hüten und die dunkeln, plattnasigen Neger das Land in derselben Weise mit Hacken bearbeiten, wie wir es weiter nach Süden beobachtet haben. Haben wir das Nordende des schneebedeckten Gebirges passirt, so gehen wir westlich über das flache grasbewachsene Semliki-Thal nach weitern grasbedeckten Hochlanden, die parallel mit Unjoro liegen, von diesem aber durch den Albert-Njansa getrennt sind, und auch in dieser Weidegegend leben die Hirten und Ackerbauer zusammen, aber beide streng ihrer eigenen Beschäftigung nachgehend. Während unsers Marsches von Usumbwa haben die Hirten ihren Namen von Watusi in Wanjambu, Wahuma, Waima, Wawitu und Watschwesi geändert; d. h. sie haben diese verschiedenen Namen hauptsächlich von den ackerbautreibenden Klassen erhalten, während sie selbst sowol in Ankori, als auch unter den Balegga und Bavira oder unter den Waganda und in Unjoro sich Watusi, Wahuma oder Watschwesi nennen. In Karagwe, Ankori und Usongora sind sie die herrschenden Klassen; ebenso haben ihre Abkömmlinge in Ihangiro, Uhaija, Uganda und Unjoro die Macht in Händen, doch sind die Völker dieser Länder eine Mischung der Zulu und westafrikanischen Stämme und beschäftigen sich daher mehr mit dem Ackerbau. Wenn beispielsweise Stämme wie die Waganda, Wasoga und Wakuri, sich überlassen waren, um heranzuwachsen und zu Macht und Reichthum zu gelangen, braucht man nur auf die meerartige Fläche des Victoria-Njansa zu sehen, um den Grund davon zu begreifen. Es war kein weiteres Vordringen der wandernden Völkerwoge möglich, die westwärts und ostwärts von den Stämmen vorbeiging und auf ihrem Wege nach Süden einige Mitglieder zurückließ, welche von den Angehörigen der ackerbautreibenden Klassen absorbirt wurden und ihre charakteristischen Merkmale verloren haben.

Da die Traditionen von Unjoro melden, daß die Watschwesi vom östlichen Ufer des Victoria-Nils gekommen seien, wollen wir diesen Fluß überschreiten, worauf wir finden, daß zwischen uns und Abessinien keine großartigen physischen Schwierigkeiten, wie große Seen und lange Bergketten vorhanden sind, um den Strom der nach Süden wandernden barbarischen Völker aufzuhalten. Ferner bemerken wir, daß der Boden armselig, das Klima trocken, das Weideland wenig versprechend und die Stämme mit Viehzucht beschäftigt sind; daß die eingeborenen Rassen, wie wir sie im Kongobecken und in der Nähe des ostafrikanischen Küstengebietes sehen, von den Wogen der wandernden Völker auf ihrem Wege nach Süden getrennt und von der höhern indoafrikanischen Rasse so gründlich beseitigt worden sind, daß das ungeheuere Gebiet des Hochlandes vom Victoria-Nil bis zum Golf von Aden einfach die schon längst fest ansässigen Typen, die wir Galla, Abessinier, Aethiopier oder Indoafrikaner Es scheint daher nothwendig zu sein, wenn man von den farbigen Rassen von Innerafrika spricht, nicht zu vergessen, daß dieselben sich jetzt in fünf verschiedenen Typen entwickelt haben, welche man den Zwerg-, Neger-, halbäthiopischen, äthiopischen und berberischen oder maurischen Typus nennen kann, sowie daß man unter diesen Typen eine Anzahl anderer findet, die durch Verschmelzung des einen mit dem andern entstanden sind, wie des Zwerges mit dem Neger, wodurch Stämme gebildet wurden, bei denen die erwachsenen Männer eine durchschnittliche Größe von nur 1,55 m haben, des Negers mit dem Oman-Araber, wie an der Ostküste, des Aethiopiers mit dem Araber, wie im Küstengebiete in der Umgegend des Jub, des Berber mit dem Neger, wie in Darfur und Kordofan, und wie die Hirten am obern Nil und die Bewohner östlich von Sierra Leone.
Leider fehlt es mir an Zeit, das Vorstehende durch eine Karte zu illustriren, an welcher der Leser mit einem Blick erkennen würde, welche Umgestaltung die langen aufeinanderfolgenden Wanderzüge von Asien nach Afrika während 50 Jahrhunderten bewirkt haben.
nennen können, wiederholt. Diese kurzen Umrisse sollen den Leser vorbereiten auf einige weitere Mittheilungen über die Währung, die echten Abkömmlinge der Aethiopier, die seit 50 Jahrhunderten auf der Suche nach Weideland östlich und westlich vom Victoria-Njansa über den afrikanischen Continent geströmt sind und aus ihrer Bahn vom Golf von Aden bis zum Cap der Guten Hoffnung höher stehende Stämme und Völker gebildet und eine ungeheuere Verbesserung gegen die alten afrikanischen Urrassen geschaffen haben.

Ich beabsichtige die Wahuma nach den Erfahrungen zu schildern, die wir bei denjenigen gemacht haben, welche Kavalli als Häuptling anerkennen.

Schaut man von Kavalli westwärts, so überblickt man ein Gebiet von mehr als 2500 qkm. Obwol dasselbe ziemlich stark bevölkert ist, ist es für den Blick doch ein so ungeheueres, daß man außer unmittelbar im Vordergrunde wenig von der Anwesenheit des Menschen bemerkt. Was waren im Vergleiche zu den gebirgigen Rücken und großen Anhöhen des Landes die wenigen Gruppen strohfarbiger Hütten mit den breiten Zwischenräumen, welche die kleinen cultivirten Strecken der Bavira-Ackerbauer erkennen ließen? Während der ersten Zeit unsers Aufenthalts in Kavalli ließen wir froh den Blick über das freie, ununterbrochene, unbegrenzte Weideland, die ansteigenden Rücken, jähen Bergabhänge, isolirten Hügel, in die Tiefe führenden Thäler und ausgedehnten Ebenen schweifen, und es frischte, ungestört wie wir waren von der Sorge um Lebensmittel und zufrieden mit der Kost, welche die eßbaren Dinge des Graslandes und das nahrhafte Fleisch uns boten, die Nerven auf, wenn wir nach unserm langen Leben im Walde beobachteten, wie die zahllosen Grashalme in breiten Wogen vor den vom Njansa kommenden Stoßwinden sich neigten und in wallenden Strömen mannichfaltigen Grüns schwankten und rollten.

Die Seriba Kavalli's, in welche er jeden Abend seine Rinder- und Ziegenheerden hineintrieb, lag im Mittelpunkte eines mit grünem Rasen bedeckten sanft abfallenden Abhanges. Das beständige Abgrasen durch seine und die Heerden der benachbarten Wahuma hielt das Gras kurz und verschaffte uns einen ungehinderten Blick und Spaziergang über köstliche Weidegründe, wo man bis auf Bogenschußweite das kleinste der von der Henne beschützten Küchlein erkennen konnte. In Zwischenräumen von wenigen Metern erhoben sich Ameisenhügel von 1-4 m Höhe, die von den Hirten in passender Weise benutzt wurden, um die Rinder-, Schaf- und Ziegenheerden zu beaufsichtigen, während die den Kraals näher gelegenen den Lieblingsplatz der Dorfältesten bildeten, wo dieselben sich mit ihren Bekannten über die Zeitereignisse unterhielten. Dort habe ich zu Zeiten in leiser Unterhaltung mit Kavalli und seinen bejahrten Unterthanen einen tiefen Einblick in die Localgeschichte der umliegenden Dörfer und Stämme erhalten, und in der That könnte man hierzu kaum einen passendern Ort finden, da vor uns über ein halbes Hundert Districte ausgebreitet lagen.

Fern im Westen erhob sich der Pisgah, der hoch über dem Hunderte von Meilen sich ausdehnenden dunkeln Waldlande thronte und mit seinen bis auf die kleinste Linie scharfen Umrissen sich von dem gerötheten Himmel abhob. In einsamer Majestät emporsteigend war die düstere Masse durchaus geeignet, in jeder Pause in der Unterhaltung die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Vom Pisgah, der für Kavalli das Ende der Welt bedeutete, weil dahinter alles Fabel und Nacht war, richtete unser Blick sich auf die Kuppen von Kimberri und den dicht dahinter sichtbaren, einen Tagemarsch von dort nach Nordnordwest entfernten Pic von Kuka, und dann auf den viereckig umgrenzten Duki-Berg, sowie auf die unter uns liegenden Ebenen der Balungwa, von deren zahlreichen Viehheerden Kavalli, für den es, beiläufig erwähnt, kein interessanteres Thema gab als Viehzucht, uns viel zu erzählen wußte. Nach Südwesten erhob sich im Lande Masamboni's eine mit Gras bewachsene Hügelkette, die sich in ununterbrochener Länge bis an den Rand der Schlucht hinzuziehen schien, welche von dem Albert-See und den daran grenzenden Ebenen, Thälern und Terrassen eingenommen wird. Der westliche Theil der Kette wird von Masamboni, der östliche von dem Häuptling Komubi beherrscht. Die Ebene, welche sich von den Bergen bis Kavalli ausdehnt, heißt Usansa und wird von den ackerbautreibenden Bavira bewohnt, die ursprünglich aus der Gegend hinter dem in der Nachbarschaft des Kuka-Pics liegenden Berge Duki hergekommen sind. Ein großes Stück der Ebene zwischen Kavalli und Kimberri ist Eigenthum des kriegerischen Musiri und seiner Leute.

Nachdem Kavalli über die allgemeinen Eigenschaften des Landes gesprochen hat, beginnt er sein Herz auszuschütten. Er fürchtet für sein Leben wegen Kadongo, eines Verbündeten von Kabba-Rega, und besitzt einen Feind in Katonsa. Vor einigen Jahren besaß er ein Dorf in der Nähe des Njansa, wo seine Fischer lebten; Kadongo beneidete ihn um den schönen Besitz, griff ihn mit Katonsa und einigen Beutejägern aus Unjoro an, brannte das Dorf nieder, erschlug viele von seinen Leuten und beraubte ihn aller seiner Rinder, alles in einer Nacht. Kavalli floh nach Melindua, kehrte aber nach einiger Zeit zurück, um unter den Bavira zu leben, wo er es durch Sparsamkeit und hin und wieder durch ein günstiges Tauschgeschäft so weit gebracht hat, daß er heute wieder 80 Rinder sein eigen nennt. Es ist ihm jedoch bereits mitgetheilt worden, daß Kadongo ihn wieder anzugreifen beabsichtigt.

Kaum ist Kavalli mit der malerischen Schilderung der von ihm erlittenen Unbilden zu Ende, als Katto und Kalenge, der Bruder und der Vetter Masamboni's, mit der genauen Beschreibung des ihnen von Musiri zugefügten Unrechts beginnen. Der grausame Musiri hat einen Bruder, eine Schwester, mehrere Verwandte und viele Freunde von ihnen hingemordet, was sie mir mit ausdrucksvollen Geberden, welche das blutgierige Verfahren Musiri's illustriren sollten, umständlich erzählen.

Dann fängt Gavira an zu berichten, wie die Balegga von Mutundu und Musiri ihn mishandelt haben. Nach seiner Behauptung sind die wenigen Heerden, welche den begehrlichen Warasura aus ihren periodischen Beutezügen entgangen sind, von den nächtlichen Viehräubern aus Mutundu und Musiri, die abwechselnd bei ihm stehlen, noch verringert worden. »Ach«, sagt Gavira, »heute sind es die Warasura, morgen Musiri, übermorgen Mutundu; wir sind beständig vor jemand aus der Flucht in die Berge.«

Wer könnte beim Anblick des vor uns liegenden wunderbar anmuthigen grünen Graslandes, über welchem keine Wolke am Himmel zu sehen ist und wo alles träumerische Ruhe athmet, aber denken, daß dieses arkadiengleiche Land von Streitigkeiten, Feindseligkeiten und Kriegen beunruhigt wird?

Die meisten der jetzt westlich vom Albert-See lebenden Wahuma kamen aus Unjoro, von wo sie wegen der Tyrannei und Habsucht der Könige geflohen sind.

Beispielsweise ist der alte Rugudji, der nächste Nachbar Kavalli's, dessen aus 40 Rindern bestehende Heerde wir von Melindua für ihn retteten, in Unjoro geboren. Er erinnerte sich noch seines Urgroßvaters, der um das Jahr 1760 geboren sein muß; Rugudji entsann sich, daß als er 10 Jahre alt war (1829), Tschowambi, der Vater Kamrasi's, des Vaters von Kabba-Rega, zu seinem Urgroßvater um Vieh schickte. »Damals floß der Semliki in eine große Lagune, die Katera hieß und an der Südostseite des Sees lag. Die Wanjoro wurden oft durch die Lagunen an dem Marsch zu den Balegga hinüber verhindert, jetzt sind die Lagunen jedoch mit Schlamm ausgefüllt und der Semliki ergießt sich in den See. Da Kamrasi fortwährend Vieh haben wollte und eines Tages meine sämmtliche Rinder nahm, sammelte ich meine Frauen und Kinder und kam, als ich noch ein junger Mann war, hierher.«

»Habt Ihr hier Frieden gehabt, Rugudji?«

»Seht meine Narben an, die erinnern mich an die Balegga, an Melindua, Musiri und die Warasura. Die Bavira kamen von Kukaland ebenfalls hierher und fragten uns um Erlaubniß, ob sie, während wir unsere Heerden hüteten, hierher kommen und unter uns leben dürften, aber sie haben ebenfalls dicke Köpfe, und wir werden eines Tages Schwierigkeiten mit ihnen haben.«

Das Weideland zwischen dem Albert-See und dem Walde ist infolge der Regengüsse häufig Ueberschwemmungen unterworfen. Obwol die Gipfel der Hügel, Rücken und Dämme im allgemeinen ziemlich gleichmäßig hoch sind, ist die Höhe des zwischenliegenden Terrains doch sehr verschieden; am höchsten ist es selbstverständlich in der Nähe des Albert-Sees und am niedrigsten nach dem Ituri zu, der fast das ganze Gebiet entwässert. Es würde indessen schwer halten, eine absolut ebene Stelle von größerer Ausdehnung zu finden, obwol ein oberflächlicher Blick das Land vollständig flach erscheinen läßt; in Wirklichkeit ist es ein complicirtes System von einander gegenüberliegenden Gehängen, die viele Dutzende von kleinen Flüssen, Bächen und Wasserläufen füllen, welche alle zu irgendeinem Hauptzufluß des Ituri gehören.

Die Beschaffenheit des Bodens, der aus lockerm sandigen Lehm besteht und durch zahllose, das Amt der Maulwürfe und Regenwürmer versehende Bohrkäfer noch lockerer gemacht wird, bietet kein Hinderniß dafür, daß die Oberfläche trotz des reichen Graswuchses durch die häufigen starken und lange anhaltenden Gewitterschauer beständig abgetragen wird. Beim Besuch eines Flusses nach einem solchen Regengusse erkennt man, wie rasch der Zerstörungsprozeß vor sich geht, und wenn man einem dieser kleinen Wasserläuse bis zu seiner Mündung in den Hauptnebenfluß folgt, so erhält man noch weitere Beweise von den Verheerungen, welche auf der Oberfläche der anscheinend glatten Anhöhen des Landes angerichtet werden und größer sind, als man bei einem nur mehrere Stunden anhaltenden Regen anfänglich für möglich halten würde.

Die Zahl der sämmtlichen Rinder, welche sich in dem von Kavalli aus sichtbaren Districte befinden, kann meiner Schätzung nach nicht über 4000 betragen. Die Thiere sind ungefähr von der Größe der englischen Rinder und von einer buckellosen Rasse, ganz verschieden von den südlich und östlich vom Victoria-See anzutreffenden Thieren. Die Hörner sind von mittlerer Länge, doch sieht man auch etliche Rinder, die sich durch ungewöhnliche Länge der Hörner auszeichnen. Die Stiere sind dagegen im Buckel gut entwickelt. Die Rinder von Usongora und Unjoro gehören fast sämmtlich einer hörner- und buckellosen Rasse an und sind meist von falber Farbe, während diejenigen von Ankori ungeheuer lange Hörner und die verschiedensten Farben haben. Wie man mir erzählte, brennt man den Thieren mit Feuer die Hörner ab, damit sie besser ins Dickicht eindringen können. Die Eigenthümer bezeichnen ihre Thiere, indem sie an den Ohren derselben einen oder mehrere Einschnitte entweder mittels Durchbohrens oder Einkerbens an den Enden anbringen.

Wie Kavalli mir mittheilte, werden oft zahlreiche Thiere durch Pflanzen vergiftet, namentlich wenn man sie nach Weideplätzen treibt, die sie gewöhnlich nicht besuchen. Wiederholtes Abbrennen des Grases macht die Kräuter jedoch unschädlich. Auch die Ebenen in der Nähe des Sees sind sehr ungesund für das Vieh; innerhalb 15 Tagen entwickelt die Krankheit sich in der Weise, daß die Nasenlöcher zu laufen beginnen, die Milch eintrocknet und das Haar steif wird, worauf das Thier nicht mehr fressen will und stirbt.

Die alten Wahuma haben vielleicht wirksame gute thierärztliche Mittel, indessen würden manche derselben sich nicht gut wiedererzählen lassen. Ich wollte mir einmal aus meiner Milchration Butter machen lassen, borgte mir zum Buttern eine Kalebasse und befahl dann nach Beendigung der Arbeit meinen Dienern, das Gefäß auszuwaschen; doch rief dies einen Sturm von Entrüstung hervor, da die Eingeborenen der Meinung waren, daß Wasser in dem Gefäß dem Rindvieh Schaden thun würde. Ebenso gestatten sie einem Menschen, der gekochte Nahrung ißt, nicht, Topf, Napf, Kalebasse oder sonstiges Gefäß, das in irgendwelcher Verbindung mit ihren Kühen steht, mit den Lippen zu berühren.

In einer in der Nähe meines Zeltes gelegenen Hütte hörte man den ganzen Tag das Geräusch des Butterns, das in ähnlicher Weise geschieht, wie das Schwenken eines indischen Fächers, wobei die mit Milch gefüllte Kalebasse an einem der Dachsparren des Hauses hängt.

Der Milchertrag der Rinder ist in Anbetracht der Größe der Thiere und der reichen Weideländereien ein sehr geringer. Die beste Milchkuh liefert täglich nicht mehr als eine halbe Gallone Milch. Die Knaben und jungen Leute Kavalli's pflegten unsere Kühe zu melken, wobei sie stets die Hinterbeine der Thiere zusammenbanden und das Kalb nach dem Kopf der Mutter brachten; mit einer Hand wurde das Holzgefäß gehalten, mit der andern gemolken, bis allem Anschein nach nur sehr wenig Milch für das hungerige Kalb übrig war. Oft gaben die Ziegen uns ebenso viel Milch wie eine gewöhnliche Kuh, doch habe ich nie beobachtet, daß die Eingeborenen sich um den ziemlich großen Milchvorrath bekümmerten, den sie von diesen nützlichen Thieren hätten haben können.

Obwol die Frauen in diesen Gegenden wie jeder andere Gegenstand im Besitze ihrer Herren und Gebieter zur Habe der Männer gerechnet werden und den Werth von 1-5 Rindern repräsentiren, werden sie doch geachtet und in Ehren gehalten und besitzen Rechte, die nicht ungestraft vernachlässigt werden dürfen. Mag auch die Brautgabe dem Vater der Frau ausgehändigt worden sein, so ist es ihr doch bei schlechter Behandlung leicht möglich, nach einiger Zeit zu den Aeltern zurückzukehren, worauf der Gatte sie nochmals kaufen muß, ehe er sie zurückerhält, und da das Vieh werthvoll ist, wird er wahrscheinlich seine böse Laune zügeln, ganz abgesehen davon, daß die Unbequemlichkeit des kalten Herdes und die Unbehaglichkeit des Haushalts ebenfalls dazu dienen, den Tyrannen unterwürfig zu machen.

Ich wurde gebeten, über einen auf die Heirathsgebräuche bezüglichen Streitfall zwischen Kavalli, als dem Eigenthümer einer jungen Sklavin, einer- und Katonsa, einem Wahuma-Häuptling, andererseits ein Urtheil abzugeben. Letzterer hatte das Mädchen zur Gattin verlangt und zwei von den als Preis festgesetzten drei Rindern bezahlt; jedoch weigerte sich Kavalli, Katonsa die Braut auszuliefern, ehe nicht der volle Preis entrichtet sei. Das war die Ursache zum Streite. Katonsa bestritt den verabredeten Preis nicht, entschuldigte sich aber damit, er fürchte, daß er nach Bezahlung der dritten Kuh das Mädchen nicht erhalten würde. Ich forderte ihn infolge dessen auf, die Kuh dem Gerichte einzuliefern, worauf ihm die Braut übergeben wurde.

Alsdann legte Kavalli mir noch einen zweiten Fall zur Erwägung vor. Er war bereits fünfmal verheirathet und wollte jetzt die sechste Gattin nehmen, die er dem Stamme der Bugombi abgekauft hatte, jedoch verlangten die Aeltern derselben, die Ungünstiges über ihn gehört haben wollten, jetzt den doppelten Preis und verweigerten die Auslieferung des Mädchens. Ich machte Kavalli daher den Vorschlag, noch eine Kuh mit einem Kalbe herzugeben, womit die Sache erledigt wurde.

Der nächste Fall, den ich zu beurtheilen hatte, war ziemlich schwierig. Nachdem der Häuptling Mpigua im Barsah (Diwan) erschienen war, trat ein Mann vor und führte Klage gegen ihn, weil er zwei dem Stamme des Klägers gehörende Kühe zurückhalte. Mpigua klärte die Sache dahin auf, daß ein Mann ein zu seinem Stamme gehöriges Mädchen geheirathet und zwei Kühe dafür bezahlt habe; die Frau sei auch mit dem Gatten gegangen, im Laufe der Zeit Mutter geworden und habe ihm drei Kinder geboren. Dann sei der Mann aber gestorben und sein Stamm habe die Frau angeklagt, den Tod durch Zauberei herbeigeführt zu haben, und sie zu ihren Aeltern zurückgejagt, worauf Mpigua sie mit ihren Kindern bei seinem Stamme aufgenommen habe. Das Klageobject bildete nun die Rückgabe der beiden Kühe an den Stamm des Mannes.

»War es gerecht«, fragte Mpigua, »nachdem die Frau Mutter von drei Kindern des Stammes geworden war, die Rückgabe der Rinder nach dem Tode des Mannes zu verlangen, als sie die Frau mit den Kindern schon aus eigenem Antriebe fortgeschickt hatten?« Meine Entscheidung bestärkte Mpigua in seinen Ansichten, da ein solches Verfahren nicht nur herzlos und gemein war, sondern auch dazu diente, die ehrwürdige Sitte der Ehecontracte verächtlich zu machen.

Die Frauen führen das Regiment im Hause und über die Producte der Milchwirthschaft und des Feldes. Dem Manne liegt die Pflicht ob, das Haus zu bauen, die Rinder zu hüten und zu melken, die Umzäunung auszubessern und für Kleidung zu sorgen, die selbstverständlich nur spärlich ist! Dagegen bebaut die Frau das Feld, bereitet die Butter und versieht das Marktgeschäft. Man muß Butter und Milch, sowie Lebensmittel von ihr kaufen; das ist allgemein Brauch in Afrika.

Die Kleidung der Männer besteht meist nur aus einem Ziegenfell, das von der linken Schulter herabhängt, doch sieht man manchmal auch Antilopenhäute, von denen das Haar bis auf einen 8-10 cm breiten Streifen am Rande abgeschrapt ist. Die Frauen bekleiden sich mit Kuhhäuten, die sehr oft schön gegerbt und ganz weich sind. Sklavinnen tragen in Ermangelung eines Ziegenfells um den Leib einen Streifen Leder, von welchem vorn und hinten ein schmales Stück Birkenrinde oder eine sehr kleine Schürze herabhängt. Mädchen gehen bis zum heirathsfähigen Alter vollständig nackt umher, während man Knaben über zehn Jahren, in Nachahmung Erwachsener, selten ohne das Fell eines Ziegenlammes sieht. Bei freudigen Gelegenheiten trägt jede Frau rückwärts im Gürtel befestigt einen Büschel grüner Blätter, entweder Mais- oder Zuckerrohrblätter, oder auch ein Stück eines Bananenblatts.

siehe Bildunterschrift

Musikinstrumente der Balegga.

Die Lieblingsfrauen der Häuptlinge und »Medicinweiber« oder »Zauberinnen« sind wie die großen Häuptlinge ebenfalls berechtigt, ein Leopardenfell oder in Ermangelung dessen Katzen- oder Affenfelle zu tragen. Die Idee, daß Leoparden- oder Löwenfelle Rang und Reichthum bedeuten, scheint ziemlich allgemein zu sein. Wenn ein Fremder Zweifel an dem hohen Range eines Häuptlings ausdrückt, zeigt dieser auf sein Leopardenfell und sagt: »Wie kann ich dieses sonst besitzen?«

Als ich neulich Wilkinson's » Ancient Egyptians« durchblätterte, fiel mir der conservative Charakter der Afrikaner auf, da ich unter den Bildern der Tafel 459 die Kleidung wiedererkannte, welche bei den Wahuma, Watusi, Wanjambu, Wahha, Warundi und Wanjawingi sehr gebräuchlich ist und schon vor 35 Jahrhunderten bei den den Pharaonen Tribut zahlenden schwarzen Völkern Sitte war. Auch die Musikinstrumente, welche auf den Tafeln 135 und 136 abgebildet sind und von denen ein Exemplar sich im Britischen Museum befindet, entdeckten wir bei den Balegga und Wahuma und 1876 bei den Basoga. Aus den Messerheften, den Vertiefungen auf den Schwertern und deren Form, den dreieckigen Verzierungen auf den getünchten Wänden der Häuser und auf den Schilden, aus der Kleidung aus Birkenrinde, den Kästen, Kochgeräthen, ihren Waffen, Sperren, Bogen und Knitteln, ihren »Mundus«, welche in der Form Aehnlichkeit mit der Streitaxt der alten Aegypter haben, den gebogenen Kopfstützen, den Elfenbein- und Holzlöffeln, den mit Ohren versehenen Sandalen, ohne welche kein Mhuma marschiren würde, ihrer Vorliebe für gewisse Farben, wie Roth, Schwarz und Gelb, ihren Körben, in denen die Kinder getragen werden, den aus Rohr hergestellten Flöten, den langen Wanderstäben, aus der Art und Weise, wie sie durch Jammern, Schlagen auf die Brust und Geberden ihren untröstlichen Kummer ausdrücken, den traurigen, melancholischen Gesängen und hundert andern Sitten und Gebräuchen ersehe ich, daß die alten ägyptischen und äthiopischen Eigenthümlichkeiten von den Stämmen des Graslandes getreulich bewahrt werden.

Die Knaben haben ähnliche Spiele wie unser Marmel-, Ball- und Triktrakspiel. Wie die Alten ihre Töpfe zum Bewässern der Felder trugen, so tragen die Wahuma ihren Häuptlingen die Milch zu; Ricinusöl und Butter dienen dazu, die aus dem frühesten Alterthum stammende Sitte der Abwaschungen zu einer dauernden zu machen, und in der Achtung, welche die heutigen Jünglinge in Innerafrika den Häuptlingen und Aeltesten beweisen, kann man die Ehrfurcht wiedererkennen, welche der Jugend in alten Zeiten so tief eingeprägt war. Da die Eingeborenen keine Schriftsprache haben und von höherm Einflusse unberührt geblieben sind, haben sie nur das gelernt, was ihnen von den Aeltern mitgetheilt worden ist, die wieder von ihren Vorfahren die wenigen Functionen und Gebräuche überliefert erhalten haben, welche zur Existenz und Erhaltung ihrer besondern Stammesunterschiede erforderlich waren. Diese ungebildeten Stämme der so lange unbekannt gebliebenen Gegenden besitzen also, wie wir entdeckt haben, Sitten, Gebräuche und Vorschriften, durch welche die Vorfahren der Erbauer der Pyramiden in den dunkeln vorhistorischen Zeiten Aegyptens sich ausgezeichnet haben müssen.

siehe Bildunterschrift

Waffen der Balegga und Wahuma.

Eine Spur von Religion findet sich unter den Wahuma nicht. Sie glauben sehr fest an die Existenz eines bösen Einflusses in der Gestalt eines Mannes, der an unbewohnten Orten, wie eine bewaldete dunkle Schlucht oder ein ausgedehnter mit Röhricht bewachsener Sumpf, lebt, aber durch Geschenke versöhnt werden kann; der glückliche Jäger überläßt ihm daher ein Stück Fleisch, das er jedoch fortschleudert, als ob er es einem Hunde zuwerfe, oder man legt ein Ei, eine kleine Banane, oder ein Ziegenlammfell vor die Thür der Miniaturwohnung, die man am Eingange einer jeden Seriba findet.

Jeder trägt ein Zaubermittel um den Hals, Arm oder Leib. Sie glauben an den »bösen Blick« und Vorbedeutungen, sind aber nicht so abergläubisch wie die Waganda, wahrscheinlich weil sie so weit zerstreut sind. Sie fürchten die Bezauberung, und wer im Verdacht des Zauberns steht, wird rasch der Strafe unterworfen.

Der arme Gaddo, ein hübscher treuer junger Bursche, der Herrn Jephson bald nach seiner Rückkehr nach dem Dorfe Kavalli's bei der Fahrt nach der Station Mswa als Lootse begleitete, stand im Verdachte, seinen Häuptling verzaubern zu wollen, und kam zu mir, um mir seine Gefahr mitzutheilen, worauf ich ihm rieth, bis zu unserm Abmarsch in meinem Lager zu bleiben. Bald darauf begaben die Aeltesten sich mit einem Huhn einige hundert Meter hinter das Lager, wo sie dem Thiere die Brust öffneten und, wie wir bemerkten, über ihre Entdeckungen miteinander flüsterten. Später wurde bekannt, daß das Gericht Gaddo böswilliger Absichten gegen Kavalli schuldig erkannt habe, und damit war sein Verhängniß besiegelt. Da Gaddo aber so unschuldig wie ein neugeborenes Kind war, sandte ich einen Boten zu dem Häuptling und ließ ihm sagen, daß wenn jenem etwas zu Leide geschähe, ich ihn, Kavalli, verantwortlich machen würde. Nichtsdestoweniger fühlte Gaddo sich in der Nachbarschaft des Dorfes, dessen öffentliche Meinung ihn bereits verurtheilt hatte, so unbehaglich, daß er über den See zu Katonsa zu entfliehen suchte, jedoch erreichte das Schicksal ihn an dem Rande des Plateaus, wo er, wie mir umständlich erzählt wurde, von einem Felsen, auf dem er stand, herabgefallen sein und den Hals gebrochen haben soll. Es war sehr traurig, das junge Weib, die Kinder und Schwestern um den Verstorbenen klagen zu hören, und Kavalli war in diesen Tagen merkwürdig gut und liebenswürdig.

Die Kost der Wahuma besteht hauptsächlich aus Milch. Der Verkauf ihrer Butter und Ochsenhäute ermöglicht ihnen, hin und wieder süße Kartoffeln, Hirse und Bananen zu kaufen, doch erklären sie mit besonderm Stolze, daß sie keine »Hackenleute« seien. Das in der Umgegend wachsende Sorghum der Eingeborenen ist die rothe Abart, ihr indisches Korn oder Mais ist von geringer Qualität. Der Mais wird in der zweiten Hälfte des Februar zur selben Zeit wie die Bohnen gepflanzt; letztere können nach zwei Monaten gegessen werden, einen Monat später setzt der Mais Kolben an und im vierten Monat ist er reif. Die Hirse wird im September gesäet und ist im Februar zum Schneiden reif. Jedes Dorf hat ausgedehnte Felder mit süßen Kartoffeln und an den Rändern der Bananenhaine wachsen Colocasien oder Helmien, doch lieben Fremde die letztern nicht, weil sie das Kochen derselben nicht verstehen und deshalb beim Genuß Uebelkeit verspüren.

Das »Malwa« oder Bier wird aus gegorener Hirse und reifen Bananen hergestellt. Dasselbe erfreut sich großer Nachfrage und das Hauptgeschäft im Leben eines Häuptlings scheint der Besuch seiner Freunde in der Umgegend zu sein, um deren Malwakrüge zu leeren. Glücklicherweise ist es nicht sehr berauschend und kaum stark genug, um mehr als eine freundliche, gesellige Stimmung hervorzurufen.

Das Klima dieser Region ist angenehm. Man kann sogar außerhalb des Hauses täglich fünf Stunden arbeiten, ohne bei außergewöhnlicher Hitze Unbequemlichkeit zu verspüren, und von sieben Wochentagen gewiß drei Tage von früh morgens bis zur Dämmerung ungeschützt im Freien bleiben, weil der Himmel sehr häufig vollständig bewölkt ist. Ist letzterer aber klar, dann scheint die Sonne mit solch starker Glut, daß die Leute in ihren kühlen Hütten Schutz suchen. Die höhern Theile des Graslandes, wie Kavalli, die Balegga-Berge und der Scheitel der hohen Weideländereien von Ankori, liegen 1375-2000 m und große Strecken von Toro und dem südlichen Unjoro sogar etwa 3000 m über dem Meeresspiegel und versprechen angenehme Gegenden für europäische Ansiedler zu werden, wenn sich Mittel schaffen lassen, um sie hinzubringen. Wenn diese Zeit kommen sollte, würden sie liebenswürdige, ruhige, freundliche Nachbarn in jener hübschen Rasse finden, deren bester Typus die Wahuma sind; wir hatten niemals ärgerliche Zänkereien mit den Leuten, die lebhaft an die Charakterzüge jener untadelhaften Menschen erinnern, welche die Götter einst für würdig genug hielten, um sie einmal im Jahre zum Festmahl auf den Bergen von Aethiopien zu laden.



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