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Vierundzwanzigstes Kapitel.
Gefangennahme Emin Pascha's und Jephson's.

Unser Empfang in Fort Bodo. – Bericht des Lieutenants Stairs über die Ereignisse im Fort während unsers Marsches zum Entsatze der Nachhut. – Keine Nachrichten von Jephson. – Musterung unserer Leute. – Wir zünden das Fort an und brechen auf, um Emin und Jephson aufzusuchen. – Lager in Kandekore. – Abschiedsworte an Lieutenant Stairs und Dr. Parke, unter deren Obhut die Kranken zurückbleiben. – Masamboni gibt uns Nachrichten von Emin und Jephson. – Begleitung durch den alten Gavira. – Zwei Wahuma-Boten überbringen Briefe von Emin und Jephson. – Ihr Inhalt. – Meine Antworten werden durch den Häuptling Mogo befördert. – Die Balegga greifen uns an, werden aber mit Hülfe der Bavira zurückgeschlagen. – Herr Jephson erscheint. – Gespräch über Emin. – Jephson's Bericht über die Revolte der Truppen von Aequatoria und seine Ansichten über das Eindringen der Mahdisten in die Provinz und die Folgen davon. – Emin Pascha schickt mir durch Jephson seine Antwort auf meinen letzten Brief.

 

Wer die traurige Geschichte der Nachhut gelesen hat, wird ohne Zweifel neugierig sein, wie wir nach einer Abwesenheit von sechs Monaten Fort Bodo wiederfanden, das nur mit einer Garnison von 59 Gewehrträgern belegt war. Mit von Freude und Dankbarkeit erfülltem Herzen wurde ich der westlichen Allee entlang geleitet, um mich herum sprangen fröhliche Leute wie junge Hunde, während der Doctor mir die erfreulichsten Nachrichten mittheilte. Auf jeder Seite waren gutstehende Kornfelder, überall befriedigende Ernten zu sehen, vor mir lagen eingezäunte Vierecke, ein nettes Dorf, saubere Pfade, und alle, denen ich begegnete, Weiße und Schwarze, befanden sich, mit Ausnahme einiger Unheilbarer, bei vorzüglicher Gesundheit. Nelson war vollständig wiederhergestellt, die tiefen Schatten des Hungerlagers waren völlig verschwunden, er hatte seinen frühern soldatischen Schritt und seine männliche Haltung wiedergewonnen, und Stairs, der Offizier par excellence, war genau wie er sein sollte, der Mann, der stets gehorchte und der auch fernerhin gehorchen wollte.

Lieutenant Stairs hatte 24 000 Maiskolben in den Getreidespeichern, die Pflanzung lieferte noch Bananen, süße Kartoffeln und Bohnen, es war eine gute Tabacksernte vorhanden, der in der Nachbarschaft befindliche Fluß gab Fische – Welsarten – und zwischen Offizieren und Mannschaften herrschte das beste Einvernehmen. Stairs war nicht frei von Schwierigkeiten geblieben; Elefantentrupps waren ins Fort gekommen, plündernde Eingeborene hatten ihm zur Nachtzeit die Tabacksvorräthe geraubt, die gütige Vorsehung hatte eine Horde Zwerge in die Pflanzungen geführt, allein seine Wachsamkeit und Festigkeit hatten ihn bei Zwergen, Eingeborenen und Sansibariten sofort geachtet und gefürchtet gemacht und bei jedem weisen Vorschlage hatten seine Kameraden ihm beigestimmt und Beistand geleistet. Das nachstehende schöne und willkommene Schreiben spricht für sich selbst:

 

Fort Bodo, Ibwiri, Centralafrika, 21. December 1888.

Herrn H. M. Stanley, Befehlshaber der Expedition zum Entsatze Emin Pascha's.

Geehrter Herr!

Ich habe die Ehre, Ihnen zu melden, daß ich gemäß Ihrem Instructionsschreiben, datirt Fort Bodo, 13. Juni 1888, den Befehl über Fort Bodo und seine Garnison übernommen habe.

Die Stärke der Garnison war damals folgende: 3 Offiziere, 51 Sansibariten, 5 Sudanesen, 5 Madi, zusammen 64.

Bald nach Ihrem Abmarsche nach Jambuja wurden die Eingeborenen in der unmittelbaren Nachbarschaft äußerst kühn und angriffslustig; fast täglich pflegten Trupps von ihnen in die Pflanzungen zu kommen, um nach Bananen zu suchen, und schließlich wagte sich eine Abtheilung zur Nachtzeit bis in die Gärten östlich vom Fort und entfernte sich mit einem Quantum Taback und Bohnen. In der Nacht des 21. August versuchten sie noch mehr Taback zu stehlen, doch waren die Schildwachen diesmal wachsam. Die Lection, die sie erhielten, hatte die Wirkung, daß die Eingeborenen nun weniger Kühnheit zeigten, indessen verschwanden unsere Bananen doch noch mit ziemlich großer Geschwindigkeit. Ich hielt es nunmehr für nothwendig, wöchentlich drei Patrouillen auszusenden, die gerade genug damit zu thun hatten, um die Eingeborenen und Elefanten fernzuhalten. Wenn wir nicht alle paar Tage Feuer anzündeten, kamen die Elefanten in die Bananen; sie zerstörten in einer Nacht mehrere Acker der Pflanzung.

Gegen den 1. November hielten wir die Eingeborenen gut in Schach und ich glaube nicht, daß im Bereiche von 15 km sich ein einziges Lager derselben befand. Die im Südsüdosten vom Fort lebenden Eingeborenen machten uns die meisten Schwierigkeiten und waren die letzten, welche sich von unsern Pflanzungen entfernten.

Gegen Ende Juli erwarteten wir alle die Ankunft des Herrn Mounteney Jephson vom Albert-Njansa, damit die Garnison entsetzt und die Waaren nach dem Ufer des Sees geschafft würden. Es verging jedoch ein Tag nach dem andern, und da wir kein Zeichen von ihm sahen und keine Nachricht erhielten, wurden viele von den Leuten täglich unruhiger. Obwol die meisten derselben im Fort zu bleiben wünschten, bis der Entsatz entweder durch Herrn Jephson oder Sie selbst einträfe, waren doch etwa 8 oder 10 Unzufriedene dabei, die den See zu erreichen und die dortige Fülle zu genießen wünschten, und daher jederzeit bereit waren, die Lasten, Weißen und Kranken im Stiche zu lassen.

Als ich sah, wie die Dinge standen, behandelte ich die Leute fortwährend mit der größten Milde und that was ich konnte, um ihnen das Leben im Fort so bequem wie möglich zu machen.

Bald nach der Zeit, zu welcher wir die Ankunft des Herrn Jephson erwarteten, kamen einige der Leute zu mir und baten um die Erlaubniß zu einem »Schauri«, was ich ihnen auch bewilligte. Bei diesem »Schauri« wurden von einem der Leute (Ali Djuma) folgende Vorschläge gemacht, denen fast jeder der anwesenden Sansibariten zustimmte:

1. das Fort zu verlassen, durch das Land Masamboni's nach dem See zu marschiren, doppelte Märsche zu machen und auf diese Weise alle Lasten nach dem See zu bringen, wo Ueberfluß an Lebensmitteln sei; oder

2. etwa 15 Boten mit einem Schreiben nach dem Rande der Ebene zu senden, um zu erfahren, ob die Bandussuma noch unsere Freunde seien oder nicht; wenn sie unfreundlich seien, sollten die Boten nach dem Fort zurückkehren, sonst aber den Brief an Herrn Jephson befördern, worauf Entsatz kommen werde.

Auf den ersten Vorschlag erwiderte ich:

1. Herr Stanley hat mir befohlen, was ich sonst auch thue, nicht ohne Hülfe von außen über die Ebene zu marschiren.

2. Hat Herr Stanley Emin Pascha nicht gesagt, es wäre nicht sicher, die Ebene ohne 60 Gewehre zu durchziehen, selbst wenn die Eingeborenen freundlich sein sollten?

3. Wir hätten nur 30 kräftige Männer, die übrigen seien krank; wir würden unsere Lasten und Kranken verlieren.

Wir alle lebten in bestem Einvernehmen, nachdem ich ihnen gesagt hatte, daß wir das Fort nicht aufgeben könnten. Wir machten uns ans Werk, den Boden aufzuhacken und Mais und anderes zu pflanzen, als ob wir einen längern Aufenthalt erwarteten. Am 1. September zog ein schwerer von Hagel begleiteter Wirbelsturm über das Fort hinweg, zerstörte volle 60 Procent des stehenden Getreides und verheerte die Bananenpflanzungen derart, daß die Bäume erst nach einem Monat wieder zu sprossen begannen. Wäre der Sturm nicht gekommen, dann hätten wir große Mengen Mais gehabt, allein wie die Verhältnisse nun lagen, konnte ich jedem Mann wöchentlich nur 10 Kolben geben. Die Schwächlichen, die mir von Dr. Parke empfohlen wurden, erhielten täglich eine Tasse ausgehülsten Mais. Einmal hatten wir über 30 Mann, die an Geschwüren litten, infolge der Bemühungen des Dr. Parke waren aber sämmtliche, bis auf etwa vier, bei Ihrer Ankunft geheilt.

Seit der Zeit Ihrer Abreise bis zum 20. December sind acht Todesfälle vorgekommen und je zwei Mann wurden durch Pfeilschüsse getödtet und von den Eingeborenen gefangen genommen.

An allen Angelegenheiten, bei denen eine Berathung erforderlich war, haben die andern Offiziere und ich an derselben theil genommen. Wir waren einstimmig in unserm Beschluß, Ihre Ankunft zu erwarten, da wir wußten, daß Sie alles aufbieten würden, um uns so rasch wie möglich Entsatz zu bringen.

Am 20. December habe ich den Befehl über Fort Bodo und am 21. December die meiner Obhut anvertrauten Waaren Ihnen übergeben.

Ich habe die Ehre zu sein, geehrter Herr,
Ihr gehorsamer Diener
W. G. Stairs.

 

Wir konnten jetzt nur Muthmaßungen anstellen, was aus dem energischen Jephson geworden sei, dem Mann der That, dem man den Spottnamen »Buburika« oder »Panther« gegeben hatte, weil er so rasch und eifrig war wie ein Jagdhund, der an der Leine zerrt. Gewiß konnte ihn keine unwichtige Angelegenheit zurückgehalten haben, selbst wenn der Pascha trotz allem gemeint haben sollte, daß die lange Reise nach Fort Bodo nicht nothwendig sei.

Allein die Thatsache, daß wir von beiden nichts gehört hatten, brachte uns in ein Dilemma. Wir hatten 55 Lasten mehr zu befördern, als wir Träger für die absolut nothwendigen Gegenstände besaßen. Nachdem ich mir um Mitternacht die Sache im Geiste etwas überlegt hatte, beschloß ich, zwischen Fort Bodo und dem Ituri am Rande der Ebene Doppelmärsche zu machen, Lieutenant Stairs mit seinen Offizieren und den Kranken in der gut mit Lebensmitteln versehenen Lichtung von Kandekore zu lassen und dann nach dem Njansa zu gehen, um Emin Pascha und Herrn Mounteney Jephson aufzusuchen. Das würde vermuthlich zur Folge haben, daß die Zeit, welche ich ursprünglich ausgerechnet hatte, um zehn Tage überschritten wurde, allein was soll man machen, wenn uns jeder Plan durch den einen oder andern unglücklichen Zufall durchkreuzt wird? Fort Bodo hatte ich zwei Tage vor der festgesetzten Zeit erreicht. Wenn ich am Njansa am 26. Januar ankäme, würde ich zehn Tage hinter der Berechnung zurück sein.

Am 21. December hatte ich den Leuten alles dies auseinandergesetzt und gesagt, daß 55 Mann sich freiwillig bereit erklären müßten, doppelten Dienst zu thun, daß ich ihnen aber für jeden Marsch, den sie doppelt zu machen hätten, die Extraarbeit auch in Stoffen bezahlen würde. Hiermit waren sofort Freiwillige einverstanden, sodaß die Schwierigkeit wegen der Beförderung der 55 Extralasten Munition beseitigt war.

Bei der Musterung am 22. December waren im Fort anwesend: 209 Sansibariten; 17 Sudanesen; 1 Somali; 151 Manjema nebst Begleitern; 26 Madi; 2 Soldaten aus Ladó; 6 Weiße; zusammen 412. Die Reise von Banalja nach Fort Bodo hatte uns 106 Menschenleben gekostet, von denen 38 Mann zur Nachhut gehört hatten.

Am 23. December brachen wir von Fort Bodo auf und am nächsten Tage schloß Kapitän Nelson sich uns an, nachdem er die große Korbflasche des Paschas, einige zerbrochene Gewehre u. s. w. vergraben und das Fort in Brand gesteckt hatte.

Am Weihnachtstage und am Tage darauf fourragirten wir für die doppelten Märsche und am 27. December schickte ich Stairs mit 100 Gewehrträgern voraus, um die Fähre über den Ituri zu besetzen, mit dem Befehl, sobald er sich eingerichtet hätte, 50 Mann nach unserm Lager am Kreuzwege zurückzusenden. Inzwischen beschäftigten der Doctor und ich, da wir an unserer Kleidung sehr abgerissen waren, uns mit Schneidern, um uns wieder ein respectables Aeußere für das Grasland zu geben.

Während wir am 2. Januar auf die Abtheilung von Stairs warteten, erhielt ein Sudanese beim Sammeln von Brennholz kaum 150 m vom Lager 5 Pfeile in den Rücken, welche der Doctor nur mit äußerster Anstrengung wieder herausziehen konnte, da zwei derselben sich in den Knochen und die Muskeln des Verwundeten so tief eingebohrt hatten, daß der Unglückliche beim Ziehen fast von der Erde aufgehoben wurde. Ein sechster Pfeil wurde nach zwei Monaten in dem Körper des Mannes gefunden, der schließlich allerdings wiederhergestellt wurde, aber fast ein Jahr später in der Nähe von Bagamoyo starb.

Am nächsten Tage kehrten die 55 Mann mit einem Schreiben von Stairs zurück, in welchem er mir meldete, daß am Ituri alles in Ordnung sei und er hoffe, seine Verhandlungen mit den Eingeborenen von Kandekore zu einem friedlichen Abschluß zu bringen. Am 4. Januar brachen wir um Mittag von dem Lager am Kreuzwege auf, und am nächsten Tage brachte uns ein sechsstündiger Marsch nach West-Indenduru; am 6. erreichten wir Mittel-Indenduru und am 7. waren wir in dem Bakwuru-Dorfe am Fuße des Berges Pisgah im Angesicht des Graslandes, welches die Leute von der Nachhut und die Manjema unermüdlich betrachteten und bewunderten. Am 9. Januar setzten wir über den Ituri und lagerten uns am östlichen Ufer desselben in dem Dorfe Kandekore.

Am folgenden Tage begaben sich alle Mann an die Arbeit, um ein Lager herzustellen und das Gebüsch rundherum auszuroden, da die Eingeborenen es bis dicht an die Traufen ihrer Hütten wachsen zu lassen pflegen, um im Falle einer Gefahr unbemerkt den Rückzug antreten zu können.

Abends nach dem Mittagsessen ließ ich Lieutenant Stairs und Dr. Parke in mein Zelt rufen und sprach mit ihnen über ihre Pflichten während meiner Abwesenheit. Ich bemerkte:

 

»Meine Herren, ich habe Sie rufen lassen, um Ihnen zum Abschiede noch einige Worte zu sagen:

Sie wissen ebenso gut wie ich, daß beständig ein unbekannter Einfluß thätig ist, um Besorgnisse zu schaffen, welche uns zuweilen fast zur Verzweiflung getrieben haben. Wie klar und verständlich unsere Pläne auch sein mögen, sie werden doch durchkreuzt und zu Schanden gemacht. Die Versprechungen werden nicht erfüllt, die Instructionen nicht beachtet, die Vorschläge führen zu nichts und so mühen wir uns fortwährend ab, diese allgemeine Verkehrtheit, welche uns verfolgt, zu verbessern und wieder gut zu machen. Kaum sind wir aus einer Schwierigkeit heraus, so stehen wir schon wieder einer andern von Angesicht zu Angesicht gegenüber, und wir sind dem ewigen Druck und der Last schrecklichen physischen Elends und völliger Decimirung unterworfen. Es ist Ihnen ebenso klar wie mir, weshalb das so ist. Das wird so weiter gehen und bleiben, bis ich die Bruchstücke dieser Expedition schließlich einmal sammeln und zusammenhalten kann, um uns nicht wieder zu trennen. Aber jedesmal, wenn ich dies zu thun beabsichtigte, hielten uns die Marschunfähigkeit der Leute und die Nothwendigkeit, bald nach dem einen, bald nach dem andern Orte zu eilen, ewig wieder auseinander. Nachdem wir die Nachhut geholt, mit der Vorhut uns vereinigt und Ihre Garnison in Fort Bodo gesammelt haben, finden wir zu unserer Ueberraschung, daß es an Nachrichten von Jephson und dem Pascha vollständig fehlt. Nun kann ich aber mit einem Hospital, wie wir es hier bei uns haben, im Schlepptau nicht manövriren. Bei der Musterung und Inspicirung heute Morgen stellte sich heraus, daß 124 Mann an Geschwüren, Hinfälligkeit, Schwäche, Dysenterie und vielen andern Krankheiten leiden. Sie können nicht marschiren und können nichts tragen; Jephson und der Pascha warten vielleicht auf mich. Wir haben jetzt den 10. Januar und ich habe versprochen, selbst wenn ich bis Jambuja ginge, am 16. Januar wieder am Njansa zu sein; ich habe also noch sechs Tage vor mir. Sie sehen, wie ich nach dieser und jener Seite gezogen werde. Wenn ich mich darauf verlassen könnte, daß Sie mir gehorchen, buchstäblich jedem Worte gehorchen, daß Sie um kein Jota von dem Ihnen vorgezeichneten Wege abweichen würden, dann könnte ich Sie vertrauensvoll hier lassen, um auszufinden, was mit Jephson und dem Pascha geschehen ist.

›Ich begreife nicht, weshalb Sie Zweifel in uns setzen können. Ich bin überzeugt, wir haben stets unser Möglichstes gethan, um Ihren Wünschen zu genügen und Sie zu befriedigen‹, erwiderte Stairs.

Das ist sehr wahr und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Der Fall von Jambuja scheint sich zu wiederholen. Unser Freund Jephson ist abwesend, vielleicht infolge Fiebers oder irgendeines Unfalls; weshalb hören wir aber nichts von dem Pascha? Wir müssen daher vermuthen, daß eine andere Schwierigkeit beide betroffen hat. Also ich breche nach dem Njansa auf und schicke entweder selbst Nachricht oder lasse solche hierher besorgen, oder bahne mir einen Weg durch Melindua bis hinter die Station Mswa, um die Ursache dieses seltsamen Schweigens zu entdecken. Sind die Mahdisten den Fluß hinauf gekommen und haben sie alle vernichtet, oder hat eine andere Expedition sie von Osten her erreicht, sodaß sie mit derselben so viel zu thun haben, daß sie an das uns gegebene Versprechen nicht denken? Was ist geschehen? Niemand vermag eine Antwort zu geben, aber eben dieses Geheimnisses wegen dürfen wir nicht warten, bis dasselbe sich von selbst enthüllt; ich kann jedoch mit 124 Mann, welche einer langen Ruhe bedürfen, um sich von den Strapazen und Krankheiten wieder zu erholen, nichts thun, um das Geheimniß zu durchdringen. Ich bin daher gezwungen, Ihnen und dem Doctor zu vertrauen, daß Sie hier bleiben, bis ich weiß was geschehen ist, mag es nun einen oder zwei Monate dauern. Ich wünsche, daß Sie hier bleiben und wachsam auf das Lager Acht geben, und daß der Doctor die Kranken pflegt und heilt, nicht nur indem er ihnen Arzneien gibt, sondern auch indem er sie vom Morgen bis zum Abend mit guter Nahrung versorgt. Versprechen Sie mir das getreulich, auf das Wort eines Ehrenmanns?

›Ja‹, erwiderten beide herzlich.

Nun wende ich mich besonders an Sie, Herr Doctor. Stairs wird als Oberinspector und Gouverneur des Lagers alles Nothwendige besorgen, von Ihnen erwarte ich aber das Meiste. Von diesen 124 Mann, welche auf der Krankenliste stehen, sind einige nur leicht unpäßlich, andere aber in einem fürchterlichen Zustande. Sie alle bedürfen der Pflege, und Sie müssen ihnen dieselbe aufopferungsvoll zutheil werden lassen. Sie müssen darauf achten, daß die schlimmsten Kranken regelmäßig Nahrung erhalten, daß dreimal täglich Speise für sie bereitet und dieselbe ihnen auch gegeben wird; vertrauen Sie hierbei keines Mannes Wort, sondern überzeugen Sie sich persönlich, daß es geschieht. Wir wollen, daß diese Leute die Heimat erreichen. Ich mache Sie feierlich darauf aufmerksam, daß die »Flut der Gelegenheit« gekommen ist. Streben Sie nach Auszeichnung? Hier ist die Gelegenheit dazu, benutzen Sie dieselbe. Ihre Aufgabe liegt klar vor Ihnen, Sie sollen diese Leute retten, welche das Mittel sein werden, Sie nach Hause zu bringen und Ihnen die Hochachtung aller derer zu verschaffen, die von Ihren Thaten hören.

Meine Herren, die Ursache der Miserfolge in dieser Welt ist, daß die Menschen das nicht zu sehen vermögen, was in ihrem Bereich liegt. Sie sehen über ihr Werk hinweg und vergessen ihre Aufgabe bei dem Versuch, etwas zu thun, was von ihnen nicht verlangt wird. Ehe ich England verließ, erhielt ich einige hundert Anmeldungen von Freiwilligen, welche in die Dienste der Expedition unter meiner Führung treten wollten. Sie glaubten wenigstens, daß sie gewinnen könnten, was die Menschen gemeinhin Auszeichnung nennen, obwol meiner Meinung nach nicht einer von tausend von ihnen wußte, was der wahre Weg zum Ruhme ist. Beispielsweise sind hier nur sechs Weiße im Lager und dennoch suchte einer von diesen sechs mich neulich abends auf und bat um die Erlaubniß den Uëlle-Mobangi-Fluß zu erforschen – von ganz Afrika gerade diesen! Seine Pflicht lag deutlich vor ihm und doch sah er sie nicht. Er benutzte seine Gelegenheit nicht und warf verlangende Blicke weit über das hinaus, was zu seinen Füßen lag. Er schien gleichsam aus einem Traum zu erwachen, als ich ihm sagte, Flüchtlinge auf ihrem Wege nach der Heimat zu begleiten sei eine viel edlere Aufgabe als die größten Entdeckungen. Bei dieser Expedition befand sich ein Mann, welcher Gehalt dafür bezog, daß er mir treu und ergeben sein sollte, und dennoch gestattet er, als sich ihm eine Gelegenheit bot sich auszuzeichnen, daß das Gepäck seines Herrn vor seinen Augen fortgeschickt und seine eigenen Rationen eingepackt und aus dem Lager gesandt wurden; erst als man es ihm sagte, erfuhr er, daß er die Gelegenheit sich auszuzeichnen, sein Gehalt zu verbessern und Beförderung zu erwarten, verpaßt habe. Ich zeige Ihnen die Gelegenheiten, ergreifen Sie also dieselben; thun Sie was Sie können, mit aller Macht und Kraft, und machen Sie soviel wie möglich daraus. Denken Sie nicht an Auszeichnung oder Ruhm, sondern an Ihre Arbeit. Gute Nacht! Morgen werde ich etwas thun, was weiß ich noch nicht und ist mir auch gleichgültig, bis ich höre, was ich zu thun habe. Wie ich das Meinige, so thun Sie das Ihrige.«

Am nächsten Morgen brachen wir, nachdem ich den Invaliden einige ermuthigende Worte gesagt hatte, von Kandekore im Gebiete der Bakuba auf, und nach dreiviertel Stunde kamen wir aus dem Busch heraus, zur ungeheuern Freude und Verwunderung derjenigen von der Nachhut und der Manjema, welche das herrliche Land vorher noch nicht gesehen hatten.

Am 12. Januar erreichten wir Besse, wo wir von unsern eingeborenen Freunden gut aufgenommen wurden. Sie erzählten uns, der Pascha baue in Njamsassi große Häuser und es ginge das Gerücht, daß er mit vielen Begleitern durch das Land zu passiren beabsichtige. Da wir uns in höchster Sorge befunden hatten, nahmen wir diese gute Botschaft mit großer Befriedigung auf.

Den nächsten Tag lagerten wir uns in einem etwas nördlich von Mukangi gelegenen kleinen Thale und am 14. Januar trafen wir bei unserm alten Lager im Lande Masamboni's ein, wo es nicht lange dauerte, bis dieser und sein Bruder Katto, sowie dessen von ihm unzertrennlicher Vetter Kalenge erschienen und uns mittheilten, daß Jephson vorgestern (am 12. Januar) Kavalli erreicht habe; Hailallah, ein desertirter junger Diener, führe in Kavalli den Befehl und sei so hoch aufgeschossen wie ein Speer. Ferner erfuhren wir, daß Malleju (der Pascha) zehn Mann nach Kavalli geschickt habe, um Nachrichten von uns zu erhalten, sowie daß er in der Nähe des Sees Felder bebaut und Mais für unsern Bedarf gepflanzt habe. »Welch guter, fürsorglicher, freundlicher Mann muß er sein!« sagten wir uns im stillen.

Da Masamboni uns zwei schöne Rinder geschenkt hatte, hielt ich es für angemessen, den Sansibariten und Manjema, nachdem sie so lange kein Fleisch gekostet hatten, eine kleine Freude zu machen, und hielt deshalb am 15. Rast. Im Laufe des Tages kam der Häuptling Gavira und brachte mir die Nachricht, daß Jephson vor drei Tagen mit 17 Soldaten im Dorfe Katonsa's eingetroffen sei. Ich gab nunmehr unsern Leuten für die Extraarbeit reichlich Stoffe und jedem Manne von Banalja 5 Doti Zeug, außerdem noch Perlen, Kauris und Draht, sodaß sie nach Herzenslust in Ueppigkeit schwelgen konnten. Die Manjeina lächelten sanft und die Sansibariten begannen zu krähen, eine Gewohnheit, die sie beim Erblicken des Graslandes angenommen hatten und die nun von fast 300 Mann nachgeahmt wurde.

Am 16. Januar, dem Tage, an welchem ich am Njansa hätte sein sollen, begleitete uns der alte Gavira, und nachmittags befanden wir uns in einem der früher von uns niedergebrannten Dörfer, das jetzt neu, sauber und hübsch wiederaufgebaut war und uns als willkommene, geschätzte Gäste aufnahm. Wir waren nur noch einen langen Tagemarsch vom See entfernt.

Da wir nun thatsächlich aus dem Walde heraus waren und den Berichten der Eingeborenen zufolge der Pascha mit Jephson am Ufer des Sees gerade unter uns sich befand, wir also nur noch eins zu thun hatten, nämlich die Munition den Händen des Paschas zu übergeben und etliche Aegypter heimzubegleiten, hatte der alte Gavira an diesem Nachmittag allen Grund zu glauben, daß Bula Matari ein ganz liebenswürdiger Mensch sei.

Als ich jedoch gegen 5 Uhr durch zwei Wahuma-Boten Briefe aus Kavalli erhielt und dieselben las, beschlich mich ein Gefühl, welches eine Zeit lang meinen Geist vollständig lähmte und alle Empfindungen ertödtete mit Ausnahme derjenigen des unbegrenzten Erstaunens. Als ich mich wieder erholte, müssen Jephson und dem Pascha jedenfalls die Ohren geklungen haben. Ich brauche mich jedoch nicht anzuklagen, vielmehr wird jeder, der nur einige Phantasie besitzt, sich vorstellen können, was ich fühlte, nachdem ich die folgenden Briefe gelesen hatte.

 

Erster Brief von Dr. Emin.

Dufilé, 2. September 1888.

Geehrter Herr!

Da Herr Jephson einige Offiziere begleiten muß, welche sich auf den Weg gemacht haben, um Sie zu besuchen, benutze ich die Gelegenheit, um Ihnen meine besten Wünsche und herzliche Gratulation zu der sichern Ankunft Ihrer Expedition auszusprechen, von der wir, da unsere Briefe uns gewaltsam vorenthalten werden, nur durch unsere Diener gehört haben. Herr Jephson, der mir unter schwierigen Umständen eine gute Hülfe gewesen ist, wird Ihnen berichten, was sich hier zugetragen hat, und ist auch in der Lage, Ihnen seine Erfahrung zu gute kommen zu lassen und einige Vorschläge zu machen für den Fall, daß Sie beschließen sollten, hierher zu kommen, wie die Leute es wünschen. Falls Sie hierher kommen, würden Sie mich sehr verpflichten, wenn Sie Maßregeln für die Sicherheit meines kleinen Mädchens treffen könnten, wegen dessen ich in großer Sorge bin.

Sollten Sie jedoch beschließen, nicht zu kommen, dann kann ich Ihnen nur eine gute und sichere Rückreise in Ihre Heimat wünschen und mir gestatten. Sie zu bitten, Ihren Offizieren und Mannschaften meinen herzlichen Dank und jenen gutherzigen Wohlthätern in England, durch deren Edelmuth die Expedition ausgesandt worden ist, meine herzlichste Dankbarkeit zu übermitteln.

Betrachten Sie mich, geehrter Herr, als
Ihren ganz ergebenen
Dr.  Emin.

Zweiter Brief von Dr. Emin.

Dufilé, 6. 11. 88. Seitdem ich Vorstehendes geschrieben habe, war ich beständig Gefangener hier. Zweimal hörten wir, Sie seien angekommen, doch war das nicht wahr. Nun können wir, nachdem die Leute des Mahdi herangekommen sind und die Station Redjaf erobert worden ist, einen oder den andern Tag angegriffen werden und es scheint nur wenig Hoffnung zu sein, daß wir entkommen werden. Indeß geben wir die Hoffnung noch nicht auf. Heute wurde mir erzählt, die Soldaten seien gestern von Muggi nach Redjaf aufgebrochen, und wenn sie geschlagen werden, wie das ohne Zweifel geschehen wird, werden die Chartum-Leute sehr rasch hier sein.

Herr Jephson hat mir den Inhalt des Briefes, den er Ihnen geschrieben hat, mitgetheilt; meiner Meinung nach habe ich demselben nichts mehr hinzuzufügen. Dies beweist, daß der Pascha bestätigt, was Jephson schreibt.

Ihr ganz ergebener
Dr.  Emin.

 

Dritter Brief von Dr. Emin.

Tunguru, 21. December 1888.

Geehrter Herr Stanley!

Da Herr Jephson Ihnen alles mitgetheilt hat, was sich hier zugetragen hat, seitdem wir Dufilé verlassen haben, so enthalte ich mich einer Wiederholung der Schilderung. Der Pascha scheint hier zuzugeben, daß er Jephson's Briefe gelesen hat. Obwol einen Augenblick eine Bewegung zu meinen Gunsten eintrat, waren die Offiziere, in der Freude über ihren Sieg, doch bald wieder so schlimm wie zu Beginn dieser Komödie. Jeder ist jetzt völlig entschlossen, das Land zu verlassen, um sonstwo ein Unterkommen zu finden; niemand denkt aber daran, nach Aegypten zu gehen, mit Ausnahme vielleicht von etlichen Offizieren und Mannschaften. Nichtsdestoweniger bin ich nicht ohne Hoffnung auf bessere Zeiten doch vereinige ich meine Biten mit denen des Herrn Jephson, indem ich Sie ersuche, zu bleiben wo sie sind, d. h. in Kavalli, und uns nur so bald wie möglich Nachricht von Ihrer Ankunft zu geben.

Der Häuptling Mogo, welcher diesen und den Brief des Herrn Jephson überbringt, hat die Ordre, bis zu Ihrer Ankunft in Kavalli zu bleiben. Er ist ein guter, treuer Bursche und Sie würden mich verpflichten, wenn Sie für ihn sorgten.

Mit den besten Wünschen für Sie und alle Ihre Leute verbleibe ich
Ihr ganz ergebener
Dr.  Emin.

 

Briefe von Jephson.

Dufilé, 7. November 1888

Geehrter Herr!

Ich theile Ihnen schriftlich die Lage der Dinge in diesem Lande mit und hoffe, daß dieser Brief Ihnen in Kavalli rechtzeitig überliefert werden wird, um Sie zur Vorsicht zu mahnen.

Am 18. August brach hier eine Meuterei aus und der Pascha und ich wurden zu Gefangenen gemacht. Der Pascha ist vollständig Gefangener, mir wird dagegen gestattet, auf der Station umherzugehen, wenn auch meine Bewegungen bewacht werden. Die Rebellion ist durch etwa ein halbes Dutzend Aegypter – Offiziere und Beamte – in Scene gesetzt worden, und nach und nach haben sich andere angeschlossen, einige aus Neigung, die meisten aber aus Furcht. Die Soldaten, mit Ausnahme derjenigen in Laboré, haben sich niemals an dem Aufstande betheiligt, sondern in Ruhe den Befehlen der Offiziere Folge geleistet. Die hervorragendsten Schürer der Rebellion waren zwei Aegypter, welche, wie wir später gehört haben, sich nach Nsabe begeben haben, um bei Ihnen Beschwerde zu führen. Der eine war des Paschas Adjutant Abdul Wahab Effendi, der früher auch an der Empörung Arabi Pascha's theilgenommen hat, der andere Achmet Effendi Mahmud, ein einäugiger Beamter. Als der Pascha und ich uns auf dem Wege nach Redjaf befanden, zogen diese beiden und einige andere umher und erzählten den Leuten, sie hätten Sie gesehen; Sie seien nur ein Abenteurer und nicht von Aegypten gekommen, die von Ihnen überbrachten Briefe vom Khedive und Nubar Pascha seien Fälschungen, es sei unwahr, daß Chartum gefallen sei, und der Pascha und Sie hätten ein Complot gemacht, um sie, ihre Frauen und Kinder aus dem Lande zu führen und sie als Sklaven den Engländern zu überantworten. Solche Erzählungen in einem so unwissenden und fanatischen Lande wie hier, wirkten wie Feuer unter der Bevölkerung, und die Folge war eine allgemeine Rebellion und unsere Gefangennahme.

Die Rebellen beriefen dann Offiziere von den verschiedenen Stationen und hielten hier eine große Versammlung ab, um zu beschließen, welche Maßnahmen nun zu ergreifen seien. Alle, die sich nicht an der Bewegung betheiligten, wurden derart belästigt und beleidigt, daß sie ihrer eigenen Sicherheit wegen ihre Zustimmung zu dem Geschehenen geben mußten. Der Pascha wurde abgesetzt und diejenigen Offiziere, welche in dem Verdacht standen, ihm freundlich gesinnt zu sein, wurden von ihren Posten entfernt und durch den Rebellen ergebene Leute ersetzt. Man beschloß, den Pascha gefangen nach Redjaf zu bringen, und einige der schlimmsten Rebellen waren sogar dafür, ihn in Eisen zu legen, doch hegten die Offiziere Angst, diesen Plan auszuführen, da die Soldaten erklärten, sie würden nie zugeben, daß irgendjemand die Hand an ihn lege. Man schmiedete auch Pläne, um Ihnen bei Ihrer Rückkehr eine Falle zu legen und Sie alles Ihres Eigenthums zu berauben.

In diesem Zustande befanden sich die Dinge, als wir die aufregende Nachricht erhielten, daß die Leute des Mahdi mit 3 Dampfern und 9 »Sandalen« und »Nugers« in Ladó angekommen seien und sich an der Stelle der alten Station festgesetzt hätten. Ihr General Omar Sali schickte drei Pfauen-Derwische an den Pascha mit einem Briefe und forderte die sofortige Unterwerfung des Landes. Die Rebellenoffiziere ergriffen die Derwische, warfen sie ins Gefängniß und beschlossen den Krieg. Nach ein paar Tagen griffen die Danagla Redjaf an und eroberten es, wobei 5 Offiziere und zahlreiche Soldaten getödtet, viele Weiber und Kinder gefangen genommen wurden und alle Vorräthe und die Munition der Station verloren gingen. Die Folge davon war eine allgemeine wilde Flucht der Bewohner der Stationen Beddén, Kiri und Muggi, die mit ihren Frauen und Kindern nach Laboré flohen und fast alles im Stiche ließen. In Kiri wurde die Munition zurückgelassen und sofort von den Eingeborenen in Besitz genommen. Der Pascha schätzt die Zahl der Danagla auf etwa 1500.

Die Offiziere und eine große Zahl Soldaten sind nach Muggi zurückgekehrt und beabsichtigen, den Danagla Widerstand zu leisten. Unsere Lage ist hier eine äußerst unangenehme, denn seit Beginn der Rebellion ist alles Chaos und Verwirrung. Es gibt kein Oberhaupt und täglich werden ein halbes Dutzend sich widersprechender Befehle gegeben, denen kein Mensch gehorcht. Die Rebellenoffiziere sind durchaus unfähig, die Soldaten unter Controle zu halten. Wir erwarten täglich den Eintritt einer Katastrophe, da die Bari sich den Danagla angeschlossen haben, und wenn sie im Sturm auf uns hereinbrechen, vermag nichts uns zu retten. Nach dem Falle von Redjaf verfluchten die Soldaten ihre Offiziere und sagten: »Wenn wir unserm Gouverneur gehorcht und gethan hätten, was er uns befahl, würden wir jetzt in Sicherheit sein; er ist während aller dieser Jahre wie Vater und Mutter gegen uns gewesen; aber anstatt auf ihn zu hören, haben wir auf euch gehört und nun sind wir verloren.«

Die Offiziere sind sämmtlich aufs höchste erschrocken über die Ereignisse; sie warten jetzt mit Sehnsucht auf Ihre Ankunft und wollen das Land mit Ihnen verlassen, denn sie sind jetzt vollständig überzeugt, daß Chartum gefallen ist und daß Sie vom Khedive kommen. Der größte Theil der Offiziere und alle Soldaten wünschen den Pascha wieder in seine Stellung einzusetzen, die Aegypter fürchten aber, daß wenn dies geschieht, die Rache über ihr Haupt kommen werde, und haben die sudanesischen Offiziere daher überredet, dies nicht zu thun. Die Soldaten weigern sich, mit ihren Offizieren gemeinsam zu handeln, sodaß alles zum Stillstand gekommen ist und für die Sicherheit der Station nichts gethan wird, sowol in Bezug auf die Befestigung, als auf die Verproviantirung derselben. Wir befinden uns wie Ratten in der Falle; man will uns weder handeln, noch uns zurückziehen lassen, und ich fürchte, daß, wenn Sie nicht sehr bald kommen, es zu spät und unser Schicksal dasselbe sein wird, wie das der übrigen Garnisonen des Sudan. Wäre die Rebellion nicht gekommen, so hätte der Pascha die Danagla längere Zeit in Schach halten können, aber wie die Sache jetzt liegt, ist er machtlos.

Ich möchte Ihnen bezüglich Ihrer Bewegungen nach Ihrer Ankunft in Kavalli die folgenden Vorschläge machen, die Sie natürlich nur befolgen werden, wenn Sie dieselben für angemessen halten.

Wenn Sie bei Ihrer Ankunft in Kavalli eine genügende Macht bei sich haben, dann lassen Sie alle nicht nothwendigen Lasten unter der Obhut einiger Offiziere und Mannschaften dort und kommen Sie selbst mit so vielen Leuten wie möglich nach Nsabe; bringen Sie die sudanesischen Offiziere, aber nicht die Soldaten mit.

Schicken Sie Eingeborene in einem Kanoe nach Mswa mit einem Briefe in arabischer Sprache an Schukri Aga, um ihm Ihre Ankunft und den Wunsch, den Pascha oder mich zu sehen, mitzutheilen. Und schreiben Sie auch an den Pascha oder mich und sagen Sie uns, wie viel Leute Sie bei sich haben. Vielleicht würde es besser sein, an mich zu schreiben, da ein Brief an ihn möglicherweise confiscirt werden könnte.

Unter keiner Bedingung lassen Sie sich mit Leuten ein, welche, ohne daß sie von dem Pascha oder mir begleitet werden, zu Ihnen kommen, einerlei wer sie sind und was für schöne Worte sie gebrauchen mögen. Weder der Pascha noch ich glauben auch nur im geringsten an die Gefahr, daß jetzt der Versuch gemacht werden wird, Sie gefangen zu nehmen, da die Leute nunmehr vollständig überzeugt sind, daß Sie von Aegypten kommen, und sie von Ihnen erwarten, daß Sie sie aus ihren Schwierigkeiten befreien. Nichtsdestoweniger würde es sich empfehlen, Ihr Lager zu befestigen.

Sollte es uns nicht gelingen, das Land zu verlassen, so grüßen Sie, bitte, meine Freunde. Mit den freundlichsten Wünschen für Sie und alle, die bei Ihnen sind, verbleibe ich

Ihr getreuer
A. J. Mounteney Jephson.

 

Herrn H. M. Stanley,
Befehlshaber der Entsatz-Expedition.

Wadelai, 24. November 1888.

Da mein Bote Wadelai noch nicht verlassen hat, füge ich noch diese Nachschrift bei, da der Pascha wünscht, daß ich den ersten Brief in seiner ganzen Vollständigkeit absende, weil er eine gute Schilderung von unserer Lage zur Zeit meines Schreibens gibt, als wir kaum noch erwarteten, je aus dem Lande gelangen zu können. Kurz nachdem ich Ihnen geschrieben hatte, versuchten die Soldaten unter Führung ihrer Offiziere, Redjaf wiederzunehmen, doch wurden sie von den Mahdisten geschlagen, wobei sechs Offiziere und eine große Zahl von Soldaten getödtet wurden; unter den gefallenen Offizieren befanden sich einige der schlimmsten Feinde des Paschas. Der Soldaten auf allen Stationen hat sich eine solche Panik bemächtigt und sie sind über alle Ereignisse so erbost, daß sie erklärt haben, sie würden keinen Versuch mehr machen zu kämpfen, wenn der Pascha nicht freigegeben werde. Die Rebellenoffiziere waren daher gezwungen ihn zu entlassen, und schickten uns nach Wadelai, wo er thun kann was ihm beliebt. Augenblicklich hat er den Befehl über das Land aber noch nicht wieder übernommen und er sehnt sich, wie ich glaube, auch keineswegs danach. Wir hoffen in einigen Tagen in Tunguru zu sein, einer Station am See, zwei Tage Dampferfahrt von Nsabe, und ich denke, wenn wir von Ihrer Ankunft erfahren, wird der Pascha auch selbst im Stande sein, Sie mit mir zu besuchen.

Schukri Aga sagt uns, daß er alles für Ihre Ankunft bereit habe in Gestalt von Rindern, Ziegen, Hühnern, Mais u. s. w.; er hat sich während der ganzen Rebellion prächtig benommen und ist der einzige Stationschef gewesen, der den Rebellen standzuhalten vermochte.

Unsere Gefahr, soweit die Danagla in Betracht kommen, ist selbstverständlich seit dieser letzten Niederlage für uns größer geworden, dagegen hat sich unsere Lage in einer Beziehung gebessert, da wir jetzt weiter von ihnen entfernt worden sind und uns die Wahl gelassen ist, uns zurückzuziehen, die wir nicht hatten, solange wir Gefangene waren. Wir hören, daß die Danagla Dampfer nach Chartum hinabgeschickt haben, um Verstärkungen zu holen; wenn dies wahr ist, können sie in den nächsten sechs Wochen nicht hier zurück sein. Inzwischen hoffe ich, daß sie vor Eintreffen von Verstärkungen sich nicht so weit von ihrer Basis, wie Wadelai oder Tunguru, entfernen werden. Wenn sie es doch thun, wird es mit uns zu Ende sein, da die Soldaten ihnen niemals standhalten werden, sodaß es für sie ein reiner Durchmarsch durch das Land sein wird.

Diese Leute sind nicht von derselben Sorte wie diejenigen, gegen welche die Soldaten vor drei Jahren gekämpft haben, sondern richtige Fanatiker, die im Sturm herankommen und die Menschen mit ihren langen scharfen Schwertern und breiten Sperren niedermetzeln. Jeder sieht ängstlich Ihrer Ankunft entgegen, da das Eintreffen der Danagla alle vollständig zu Feiglingen gemacht hat. Alles hängt jetzt davon ab, was die Danagla zu thun beschließen. Wenn sie ihre Siege verfolgen und gegen uns herankommen, sind wir, wie gesagt, verloren, denn ich glaube nicht, daß die Leute uns gestatten werden, uns aus dem Lande zurückzuziehen. Wenn die Danagla aber wegen Verstärkungen nach Chartum hinabgeschickt und beschlossen haben, die Ankunft dieser Verstärkungen abzuwarten, dann wird es uns vielleicht noch eben gelingen fortzukommen, wenn Sie nicht später als Ende December eintreffen, doch ist es vollkommen unmöglich, vorherzusagen was geschehen wird.

A. J. M. J.

 

Tunguru, 18. December 1888,

Geehrter Herr!

Da Mogo noch nicht aufgebrochen ist, schicke ich ein zweites Postscriptum, um Ihnen die neuesten Nachrichten mitzutheilen. Wir sind jetzt in Tunguru. Am 25. November umzingelten die Danagla die Station Dufilé und belagerten sie vier Tage lang; den Soldaten, etwa 500 Mann, gelang es aber, sie zurückzuschlagen, worauf die Mahdisten sich nach ihrem Hauptquartier Redjaf zurückzogen. Sie haben um Verstärkungen nach Chartum hinabgeschickt und werden ohne Zweifel nach Eintreffen derselben den Angriff erneuern und das Land erobern. Bei unserer Flucht von Wadelai forderten die Offiziere mich auf, unser Boot zu zerstören, damit es nicht den Danagla in die Hände falle, und ich habe dasselbe deshalb zerbrochen, da wir es nicht retten konnten.

Dufilé wird so rasch wie möglich geräumt, und die Offiziere haben die Absicht, sich in Wadelai zu sammeln und zu beschließen, welche Schritte zunächst zu thun seien. Der Pascha ist nicht im Stande, Hand oder Fuß zu rühren, da er noch immer eine starke Partei gegen sich hat und die Offiziere nicht mehr unmittelbar unter dem Eindruck der Furcht vor den Mahdisten stehen.

Kommen Sie unter keinen Umständen nach Nsabe, sondern schlagen Sie Ihr Lager bei Kavalli auf. Schicken Sie mir sofort nach Ihrer Ankunft daselbst einen Brief und ich werde zu Ihnen kommen, sobald ich von Ihrer Ankunft erfahre. Ich will Ihnen die Thatsache nicht verhehlen, daß Sie ein schwieriges und gefährliches Werk in dem Verhandeln mit den Leuten des Paschas vor sich haben. Hoffentlich werden Sie eintreffen, ehe die Mahdisten sich verstärkt haben, sonst wird unsere Lage verzweifelt.

Ihr ergebener
A. J. Mounteney Jephson.

 

Meine Antwort an Jephson.

Lager bei Gavira, einen Tagemarsch vom Njansa und einen Tagemarsch östlich von Masamboni, 17. Januar 1889.

Mein lieber Jephson!

Ihren Brief vom 7. November 1888 nebst zwei Nachschriften, die eine vom 24. November, die andere vom 18. December, habe ich erhalten und von dem Inhalt Kenntniß genommen.

Ich will Ihr Schreiben nicht kritisiren und den Inhalt nicht erörtern. Ich möchte kurz sein und prompt handeln und übersende Ihnen zu diesem Zwecke einen knapp gefaßten Bericht über die Ereignisse unsers Marsches.

Am 23. Mai vorigen Jahres trennten wir uns von dem Pascha mit der Vereinbarung, daß Sie mit oder ohne ihn in etwa zwei Monaten nach Fort Bodo aufbrechen sollten, mit genügenden Trägern, um die Waaren vom Fort nach dem Njansa zu befördern. Der Pascha wünschte dringend den Berg Pisgah und unser Fort zu sehen und wollte, wenn man sich auf Worte verlassen kann, uns gern bei dem Entsatze seiner selbst Beistand leisten. Wir zweifelten etwas, ob die Angelegenheiten des Paschas ihm die Abwesenheit gestatten würden, doch waren wir überzeugt, daß Sie nicht unthätig sein würden.

Ferner war vereinbart worden, daß der Pascha auf der Insel Njamsassi eine kleine Station als Proviantdepot errichten sollte, damit unsere Expedition bei der Ankunft am See die Mittel zum Lebensunterhalt fände.

Jetzt sind acht Monate vergangen, und nicht ein einziges Versprechen ist zur Ausführung gebracht worden.

Andererseits sind wir, getreu unserm Versprechen, am 25. Mai von der Ebene am Njansa aufgebrochen und am 8. Juni in dem 15 Tagemärsche vom See entfernten Fort Bodo eingetroffen. Nachdem ich Lieutenant Stairs und Kapitän Nelson Ihre tröstliche Versicherung, daß Sie in zwei Monaten dort sein würden, überbracht und Stairs und Nelson die Erlaubniß ertheilt hatte, das Fort zu räumen und Sie mit der Garnison, welche mit den Soldaten des Paschas das Depot auf der Insel Njamsassi zu einem sehr starken gemacht haben würde, nach dem Njansa zu begleiten, trat ich am 16. Juni den Marsch von Fort Bodo an, um den Major und seine Colonne aufzuspüren.

Am Morgen des 17. August um 10 Uhr vormittags bekamen wir die Nachhut in Banalja, 145 km von Jambuja, 951 km vom Njansa, in Sicht, am 63. Tage, nachdem wir Fort Bodo, und 85. Tage, nachdem wir die Njansa-Ebene verlassen hatten.

Ich schickte meine Depeschen nach den Stanley-Fällen und von dort nach Europa und begann am 31. August den Rückmarsch nach dem Njansa. Zwei Tage vor dem festgesetzten Tage, am 20. December, war ich in Fort Bodo. Am 24. December marschirten wir von dem Fort ab in der Richtung nach den Höhen über den Ituri, allein da wir infolge Ihres Nichteintreffens in Fort Bodo eine größere Zahl von Lasten hatten, als wir auf einmal befördern konnten, waren wir gezwungen, doppelte Märsche zwischen Fort Bodo und der Ituri-Fähre hin und her zu machen, bis wir am 10. Januar mit allem, was von der Expedition noch übrig war, und sämmtlichen Lasten diesseit des Ituri in einem ungefähr 1 km von der Fähre aufgeschlagenen Lager uns befanden, wo wir sicher waren, Lebensmittel auf Monate hinaus zu bekommen. Am 12. Januar ließ ich Stairs zurück, da Ihre Abwesenheit vom Fort und das über Sie alle herrschende absolute Schweigen uns befürchten ließen, daß ernstliche Schwierigkeiten entstanden seien. Gestern kam mir, wie schon erwähnt, Ihr Brief in die Hände, und sein Inhalt erklärt die Verhältnisse.

Die Schwierigkeiten, welche ich in Banalja traf, wiederholen sich heute in der Nähe des Albert-Sees, und es kann uns vor einer vollständigen Ueberwältigung durch dieselben nichts retten als ein ruhiger klarer Entschluß. Wenn ich in Banalja gezögert hätte, würde ich höchst wahrscheinlich noch dort sein und mit meinen zu Dutzenden sterbenden Leuten auf Jameson und Ward warten.

Sollen der Pascha, Casati und Sie dasselbe Schicksal theilen? Wenn Sie noch immer Opfer der Unentschlossenheit sind, dann wünsche ich Ihnen allen eine lange gute Nacht. Allein solange ich meine Sinne noch habe, muß ich die Expedition retten, und Sie können ebenfalls gerettet werden, wenn Sie klug sind.

In dem Hohen Befehl des Khedive vom 1. Februar 1887, Nr. 3, an Emin Pascha, von welchem Document mir eine Uebersetzung übergeben ist, finde ich folgenden Passus:

»Und da es unser aufrichtigster Wunsch ist, Sie mit Ihren Offizieren und Soldaten aus der schwierigen Lage, in der Sie sich befinden, zu befreien, hat unsere Regierung sich über die Art und Weise schlüssig gemacht, wie Sie mit den Offizieren und Soldaten aus Ihren Schwierigkeiten errettet werden können.

»Und da unter dem Befehle des Herrn Stanley, des berühmten u. s. w., eine Entsatz-Expedition gebildet worden ist, und er seine Mission mit allen Ihnen nöthigen Vorräthen anzutreten beabsichtigt, um Sie und Ihre Soldaten und Leute auf dem ihm geeignet erscheinenden Wege nach Kairo zu bringen, so haben wir diesen Hohen Befehl an Sie erlassen. Derselbe wird Ihnen durch die Hand des Herrn Stanley übermittelt, damit Sie wissen, was geschehen soll, und ich beauftrage Sie, sobald dieser Befehl Sie erreicht, den Offizieren und Mannschaften meine besten Wünsche zu bestellen. Sie haben vollständige Freiheit, entweder nach Kairo abzumarschiren oder mit den Offizieren und Mannschaften dort zu bleiben.

»Unsere Regierung hat beschlossen. Ihnen, sowie den Offizieren und Mannschaften das Gehalt zu bezahlen.

»Diejenigen von den Offizieren und Mannschaften, welche zu bleiben wünschen, können dies auf ihre eigene Verantwortung hin thun, dürfen aber in Zukunft keine Hülfe von der Regierung erwarten.

»Versuchen Sie den Inhalt dieses Befehls genau zu verstehen und machen Sie ihn allen Offizieren und Mannschaften gut bekannt, damit sie wissen, was sie zu thun haben.«

Genau was der Khedive sagt, möchte ich auch Ihnen sagen. Versuchen Sie alles dies gründlich zu verstehen, damit Sie von den Folgen der Nachlässigkeit gerettet werden, die verderblich für Sie alle sein können, wenn Sie dies nicht beachten.

Der erste Theil des zum Entsatz Nöthigen ist Emin Pascha ungefähr am 1. Mai 1888 ausgehändigt worden. Der zweite und letzte Theil befindet sich hier bei uns im Lager und ist bereit gestellt, um dem Pascha an jedem von ihm zu bezeichnenden Orte und jeder Person, welche von ihm die Befugniß zur Empfangnahme der Artikel hat, überliefert zu werden. Wenn der Pascha sie nicht in Empfang nimmt oder keine Entscheidung trifft, was damit geschehen soll, muß ich selbst kurz bestimmen, was ich dann zu thun habe.

Der zweite Zweck bei unserm Hierherkommen war, diejenigen, welche Afrika zu verlassen gewillt waren, in unserm Lager aufzunehmen und sie auf der nächsten und sichersten Route heimzugeleiten. Ist niemand geneigt, Afrika zu verlassen, dann hat unsere Expedition in diesen Gegenden nichts mehr zu thun und wird sofort zurückkehren. Erfassen Sie genau, was das bedeutet. Versuchen Sie sich das vollständige und endgültige Aufgeben eines jeden weitern Entsatzes und das bittere Ende und Schicksal dieser halsstarrigen, irregeleiteten Leute vorzustellen, welche die ihnen gebotene Hülfe zurückweisen. Vom 1. Mai 1888 bis Januar 1889 sind neun Monate, eine lange Zeit, um über die einfache Frage, ob Afrika zu verlassen oder hier zu bleiben sei, nachzudenken.

Ich bezeichne daher in dem officiellen und formellen Schreiben, welche diese erklärenden Notizen für Sie begleitet, das Dorf Kavalli als den Versammlungsplatz, wo ich diejenigen aufzunehmen bereit bin, welche Afrika zu verlassen wünschen, selbstverständlich unter dem Vorbehalt, daß eine persönliche Unterredung mit Ihnen oder ein zweiter Brief nicht neues Licht auf die Verwickelungen wirft.

Und nun wende ich mich persönlich an Sie. Wenn Sie sich noch als Mitglied der Expedition und unter meinen Befehlen stehend betrachten, dann werden Sie beim Empfang dieses Schreibens sich sofort nach Kavalli aufmachen mit denjenigen meiner Leute – Binsa und den Sudanesen – welche Ihnen zu gehorchen bereit sind, und mir die endgültige Entscheidung Emin Pascha's und Signor Casati's hinsichtlich ihrer persönlichen Absichten überbringen. Bin ich nicht in Kavalli, dann bleiben Sie dort und schicken Sie mir einen Brief durch die Boten Kavalli's an Mpinga, den Häuptling von Gavira, der ihn zu Masamboni weiter befördern kann, wo ich ihn wahrscheinlich erhalten werde. Sie werden begreifen, daß es Kavalli's Hülfsquellen sehr in Anspruch nehmen würde, wenn er uns länger als sechs Tage mit Lebensmitteln versorgen müßte, und wir werden daher, wenn Sie über diese Zeit ausbleiben, uns nach Masamboni und schließlich nach dem Lager an der Ituri-Fähre zurückziehen müssen. Andernfalls müßten wir Lebensmittel mit Gewalt fortnehmen, aber jeder gewaltsame Act könnte den Verkehr mit den Eingeborenen abschneiden und beendigen. Diese Schwierigkeit hätte vermieden werden können, wenn der Pascha meinem Vorschläge gefolgt wäre und ein Depot auf Njamsassi angelegt hätte. Die Thatsache, daß in Mswa Lebensmittel sind, hilft uns gar nichts. In Europa gibt es ebenfalls Lebensmittel, aber leider sind sie ebenso unerreichbar wie diejenigen in Mswa. Wir haben jetzt kein Boot, um eine Verbindung auf dem See herzustellen, und was aus den Dampfern »Khedive« und »Nyanza« geworden ist, erwähnen Sie nicht.

Ich höre, daß der Pascha abgesetzt und Gefangener ist. Wer soll nun mit mir verhandeln über das, was geschehen soll? Ich habe keine Befugniß, Mittheilungen von den Offizieren, den Meuterern, entgegenzunehmen. Es waren Emin Pascha und seine Leute, die ich entsetzen sollte; wenn Emin Pascha todt war, dann hatte ich mich an seinen gesetzlichen Nachfolger in der Regierung zu wenden. Da Emin Pascha aber am Leben ist, so bin ich verhindert, von irgendeiner Person, wenn sie von dem Pascha nicht autorisirt ist, eine Mittheilung entgegenzunehmen. Wenn also der Pascha nicht im Stande ist, persönlich mit einer genügenden Escorte treuer Leute zu mir nach Kavalli zu kommen oder mir eine Persönlichkeit als zum Empfang der Entsatzgegenstände befugt zu bezeichnen, wird mir nichts anderes übrigbleiben, als die Munition, die wir mit so vieler Mühe hierher gebracht haben, zu zerstören und nach Hause zurückzukehren.

Wenn die Leute des Paschas schließlich geneigt sind, diesen Theil von Afrika zu verlassen und sich in einem nicht weit von hier entfernten Lande irgendwo am Ufer des (Victoria) Njansa oder längs der Route nach Sansibar anzusiedeln, bin ich gern bereit, sie dabei zu unterstützen, abgesehen von der Begleitung derjenigen, welche nach Hause wollen; aber ich muß klare und bestimmte Zusagen haben und promptes Handeln sehen, da ich demgemäß meine Befehle zur Erreichung des Zweckes ertheilen werde, oder eine bestimmte Ablehnung, weil wir nicht unser Lebenlang hier bleiben können, um auf Leute zu warten, die sich selbst nicht ganz klar darüber sind, was sie wollen.

Uebermitteln Sie dem Pascha und Signor Casati meine besten Wünsche; ich hoffe und bete, daß die Klugheit beide leiten möge, ehe es zu spät ist. Ich sehne mich danach, Sie wieder zu sehen, mein lieber Junge, und aus Ihrem eigenen Munde Ihre Geschichte zu hören.

Ihr ganz ergebener
Henry M. Stanley.

 

Herrn A. I. Mounteney Jephson.

Private Nachschrift.

Kavalli, 18. Januar 1889, 3 Uhr nachm.

Mein lieber Jephson!

Ich schicke jetzt 30 Gewehrträger und drei von Kavalli's Leuten mit meinen Briefen nach dem See hinab mit der dringenden Instruction, sofort ein Kanoe abzusenden und die Boten zu belohnen.

Vielleicht bin ich im Stande, länger als sechs Tage hier zu bleiben, vielleicht zehn Tage. Ich werde mein Bestes thun, um meinen Aufenthalt bis zu Ihrer Ankunft ohne Störung des Friedens auszudehnen. Unsere Leute haben einen ordentlichen Vorrath von Glasperlen, Kauris und Stoffen, und ich bemerke, daß die Eingeborenen sehr bereitwillig Handel treiben, was Kavalli's Hülfsquellen unterstützen wird für den Fall, daß er über unsern längern Besuch unruhig werden sollte.

Seien Sie klug und schnell und verlieren Sie keine Stunde Zeit. Bringen Sie Binsa und Ihre eigenen Sudanesen mit. Ich habe Ihre Briefe ein halbes Dutzend mal durchgelesen, es ist mir aber nicht gelungen, die Situation vollständig zu erfassen, weil der eine Brief bezüglich einiger wichtiger Einzelheiten dem andern zu widersprechen scheint. In dem einen sagen Sie, der Pascha befinde sich in strenger Gefangenschaft, während Ihnen eine gewisse Freiheit gestattet sei; in dem andern bemerken Sie, Sie würden zu mir kommen, sowie Sie nur von meiner Ankunft hören, und Sie hoffen, »daß der Pascha im Stande sein wird, mich zu begleiten«. Wenn Sie Gefangene sind, so verstehe ich nicht, wie Sie Tunguru überhaupt verlassen können. Alles dies ist uns, die wir soeben aus dem Wald kommen, nicht recht klar.

Wenn der Pascha kommen kann, dann schicken Sie bei Ihrer Ankunft in unserm alten Lager am See unterhalb hier einen Boten, um uns Mittheilung zu machen, und ich werde alsdann ein starkes Detachement senden, um ihn nach dem Plateau hinaufzugeleiten und erforderlichenfalls zu tragen. Nach dem Marsche von über 2000 km, den ich seit dem Abschied von Ihnen im vorigen Mai gemacht habe, fühle ich mich zu erschöpft, um nochmals nach dem See hinabzugehen. Der Pascha muß etwas Mitleid mit mir haben.

Machen Sie sich unsertwegen keine Unruhe oder Besorgniß; uns kann nichts Feindliches bis auf 20 km nahekommen, ohne daß ich es weiß. Ich befinde mich inmitten einer freundlich gesinnten Bevölkerung, und wenn ich den Kriegsruf erschallen lasse, so kann ich innerhalb vier Stunden 2000 Krieger zur Stelle haben, um mir bei der Zurückweisung einer zu Gewalt geneigten Macht zu helfen. Und wenn es sich um einen Kampf auf dem Gebiet der List handelt, dann bin ich bereit für den schlauesten Araber, den es gibt.

Ich bemerkte vorher, daß ich Ihre Briefe ein halbes Dutzend mal gelesen hätte, bei jedesmaligem Lesen änderte sich aber meine Ansicht von Ihnen. Zuweilen glaube ich, daß Sie halb Mahdist oder Arabist, dann daß Sie Eminist sind. Erst wenn ich Sie sehe, werde ich klüger werden.

Nun seien Sie nicht halsstarrig, sondern gehorchen Sie und lassen Sie meinen Befehl für Sie ein Stirnband zwischen den Augen sein, dann wird mit Gottes gnädiger Hülfe alles gut enden.

Ich will dem Pascha in irgendeiner Weise helfen, aber er muß mir ebenfalls helfen und mir Glauben schenken. Wenn er aus seinen Schwierigkeiten heraus will, dann bin ich sein ergebenster Diener und Freund; wenn er aber nochmals zögert, würde mich Verwunderung und Verwirrung ergreifen. Ich könnte ein Dutzend Paschas retten, wenn sie gerettet werden wollen. Ich würde den Pascha auf den Knien anflehen, seinen eigenen Fall zu bedenken. Er ist in allen übrigen Dingen, außer im eigenen Interesse, klug genug. Seien Sie freundlich und gut gegen ihn wegen seiner vielen Tugenden, lassen Sie sich aber nicht auch von der verderbenbringenden Fascinirung erfassen, welche das Gebiet des Sudan in den letzten Jahren für alle Europäer gehabt zu haben scheint. Sobald sie seinen Boden betreten haben, scheinen sie in eine Wirbelströmung gezogen zu werden, welche sie hinabsaugt und mit ihren Wogen bedeckt. Das einzige Mittel, ihr zu entgehen, ist, allen Befehlen von auswärts blindergeben und ohne zu fragen zu gehorchen.

Das Comite hat gesagt »Entsetze Emin Pascha mit dieser Munition. Wenn er das Land verlassen will, wird die Munition ihn hierzu in den Stand setzen; wenn er zu bleiben vorzieht, wird sie ihm von Nutzen sein.« Der Khedive sagte dasselbe und fügte hinzu: »Wenn der Pascha und seine Leute aber zu bleiben wünschen, so thun sie dies aus ihre eigene Verantwortlichkeit hin.« Sir Evelyn Baring hat in klaren und entschiedenen Worten dasselbe gesagt, und nun befinde ich mich nach einem Marsche von 6600 km mit dem letzten Theile der Entsatzmittel hier. Möge derjenige, welcher dazu befugt ist, sie übernehmen. Kommen Sie, ich bin bereit, ihm mit meiner ganzen Kraft und mit meinem Verstande beizustehen. Diesmal darf aber kein Zögern sein, sondern ein positives Ja oder Nein; dann kehren wir heim.

Ihr ganz ergebener
Henry M. Stanley.

Herrn A. J. Mounteney Jephson.

 

Lager bei Mpinga, einen langen Tagemarsch vom Rjansa und 15 km östlich von Masamboni's Dorf,

17. Januar 1889.

An Se. Excellenz Emin Pascha,
Gouverneur der Aequatorialprovinz.

Geehrter Herr!

Ich habe die Ehre Ihnen mitzutheilen, daß der zweite Theil der Entsatzgegenstände, welche diese Expedition Ihnen zu bringen Befehl hatte, sich jetzt in diesem Lager befindet und zur Ablieferung an irgendeine von Ihnen zum Empfange beauftragte Person bereit liegt. Sollten Sie es vorziehen, daß wir sie bei Kavalli oder Kija Nkondo am See deponiren so werden wir nach Empfang Ihrer Instructionen auch dazu bereit sein.

Dieser zweite Theil der Entsatzgegenstände besteht aus 63 Kisten Remingtonpatronen, 26 Kisten Schießpulver von je 45 Pfund Gewicht, 4 Kisten Zündhütchen, 4 Ballen Waaren, 1 Ballen Maaren für Signor Casati (ein Geschenk von mir), 2 Stück blauen Wollenstoff, Schreibpapier, Couverts, Schreibbücher u. s. w.

Nachdem ich mit großer Mühe – größerer als ich erwartet hatte – die Gegenstände hierher gebracht habe, bin ich gezwungen. Sie um eine officielle Empfangsbescheinigung für die obigen Waaren und Gegenstände zu ersuchen, sowie um eine definitive Antwort auf die Frage, ob Sie unsere Begleitung und Hülfe, um Sansibar zu erreichen, anzunehmen beabsichtigen, ob ferner Signor Casati dies beabsichtigt, und ob unter den Offizieren und Mannschaften welche sind, die sich unsers sichern Geleits nach dem Meere bedienen wollten. In letzterm Falle würde ich Ihnen verpflichtet sein, wenn Sie mir freundlichst mittheilen würden, wie ich mich mit den Leuten, welche Afrika zu verlassen wünschen, in Verbindung setzen kann. Ich möchte ergebenst vorschlagen, daß alle, die das Land mit mir zu verlassen wünschen, sich entweder nach Nsabe oder zu Kija Mondo an den See begeben und dort ein Lager beziehen, mit genügenden Vorräthen an Mais u. s. w. als Lebensmittel für einen Monat, und daß mir hierüber in einer Note über Kavalli, von wo ich sie bald bekommen dürfte, Mittheilung gemacht würde. Die Persönlichkeit, welche den Befehl über die Leute im Lager führt, wird mir definitiv erklären, ob diese gewillt sind, unser sicheres Geleit anzunehmen, woraus ich dann gern jede weitere Beaufsichtigung derselben übernehmen werde.

Wenn ich nach Ablauf von 20 Tagen keine Nachrichten von Ihnen oder Herrn Jephson bekommen habe, kann ich mich für das, was vielleicht geschehen mag, nicht mehr verantwortlich halten. Wir würden uns freuen in Kavalli zu bleiben, wenn wir bezüglich der Lebensmittel Gewißheit hätten, allein ein großes Gefolge kann sich dort nicht halten, ohne daß es zu gewaltsamen Contributionen seine Zuflucht nimmt, die unsern Verkehr mit den Eingeborenen vollständig beenden und uns verhindern würden, uns mit Ihnen in Verbindung zu setzen.

Wenn mit Dampfern Getreide in Kija Nkondo gelandet und unter der Obhut von 6-7 Ihrer Leute gelassen werden könnte, würde ich, sobald mir hiervon Nachricht gegeben wird, ein Detachement absenden, um das Getreide nach dem Plateau hinaufzubefördern. Es ist nur die Lebensmittelfrage, welche Besorgnis erregt. Sie werden daher begreifen, daß es für mich eine Nothwendigkeit ist, wenn ich Sie ersuche, sehr bestimmt und prompt zu sein, wenn dies in Ihrer Macht steht.

Wenn Sie in diesem Zeitraum von 20 Tagen in der Lage sein werden, sich mit mir in Verbindung zu setzen und mir mitzutheilen oder vorzuschlagen, in welcher Weise ich mich Ihnen nützlich machen oder wirksame Hülfe leisten kann, so verspreche ich, jede Mühe aufzuwenden, um Ihnen zu Diensten zu sein. Inzwischen Ihren Dampfer dringend erwartend Ich habe diesen Brief Dutzende von malen durchgelesen, vermag aber nicht zu finden, daß der officielle Wortlaut des Schreibens, das, wie Herr Jephson andeutet, in die Hände der Rebellenoffiziere hätte fallen können, die zarteste Empfindlichkeit hätte verletzen können. Und doch habe ich erfahren, daß der Pascha sich durch das Schreiben sehr stark verletzt gefühlt hat. Meinem Herzen lag nichts ferner, als einen Freund zu beleidigen, vielmehr war mein einziger Zweck nur der, eine bestimmte Antwort zu erhalten auf die Frage: »Wollen Sie hier bleiben oder mich begleiten?«

verbleibe ich Ihr gehorsamer Diener
Henry M. Stanley,
Befehlshaber der Entsatz-Expedition.

Am zweiten Tage, nachdem wir Kavalli erreicht hatten, sandte ich 30 Gewehrträger mit meinen Antworten an Emin Pascha und Herrn Jephson nach dem See ab. Die Leute lieferten die Schreiben an den Häuptling Mogo ab und meldeten bei der Rückkehr, daß letzterer von Nsabe nach der Station Mswa aufgebrochen sei. Während dieser Tage hatten wir von den Häuptlingen der Umgegend 5 Rinder, 6 Ziegen und fünftägige Rationen an Mais, Bohnen, süßen Kartoffeln und Hirse erhalten, während weitere Vorräthe sich nach dem Lager unterwegs befanden.

siehe Bildunterschrift

Eine Bavira-Schönheit.

Am Abend des 21. Januar wurde mir die Meldung gemacht, daß die Balegga sich sammelten, um uns anzugreifen, und ich schickte daher früh am nächsten Morgen 60 Schützen und 1500 Bavira und Wahuma ihnen entgegen. Die Truppen stießen auf dem Rücken eines den See überschauenden Berges zusammen, doch wurden die Balegga nach scharfem Widerstande zu ihren Landsleuten, den Unterthanen Melindua's, eines Bundesgenossen Kabba-Rega's, zurückgetrieben.

Den 23. Januar benutzten sämmtliche Bewohner des ebenen Landes als Danksagungstag und die Bavira-Frauen kamen ins Lager, um ihrer Freude über die Befreiung von ihrem alten Feinde durch Tanzen und Singen Ausdruck zu geben, was von 9 Uhr vormittags bis 5 Uhr nachmittags dauerte. Jede Frau und Kind, die an dem wirbelnden Tanzen theilnahmen, hatten sich vorn und hinten mit Büschen grüner Blätter bedeckt, mit rothem Thon bemalt und den Körper gehörig mit Butter eingeschmiert. Der Tanz war hübsch, aufregend und nicht ohne Anmuth und die Harmonie der kräftigen Stimmen war noch besser. Die jungen Krieger umkreisten die Tänzerinnen und zeigten ihre Gewandtheit mit dem Speer.

Während der nächsten Tage hatten wir Ruhe und Frieden, und täglich trafen mit großer Regelmäßigkeit Zufuhren von Rindern, Schafen, Ziegen, Hühnern und sonstigen Lebensmitteln ein. Am 5. Februar bekam ich ein Billet von Herrn Jephson, in welchem er mir mittheilte, daß er am Ufer des Sees angelangt sei, worauf ich sofort eine Abtheilung Sansibariten absandte, um ihn nach dem Plateau hinauszubegleiten, eine Entfernung von etwa 21 km.

Am nächsten Tage kam Herr Jephson selbst an, und als wir uns vor und nach dem Mittagessen über den Pascha unterhielten, faßte er das, was er während seines neunmonatlichen Aufenthalts bei ihm erfahren hatte, zusammen in den Worten:

»Das Gefühl ist der schlimmste Feind des Paschas. Emin Pascha hält niemand zurück als Emin selbst.« Dann fügte er hinzu: »Ich weiß in diesem Augenblicke über die Absichten Emin Pascha's nicht mehr als Sie selbst, und doch haben wir uns während Ihrer Abwesenheit jeden Tag miteinander unterhalten.« Ich bat ihn darauf, mir einen vollständigen Bericht über alles, was geschehen sei, in Bezug auf die Meuterei der Truppen von Aequatoria, sowie seine Ansichten über den Einfall der Mahdisten in die Provinz und die Folgen davon aufzuschreiben, welcher Bitte Herr Jephson bereitwillig nachkam in folgendem Schreiben:

 

Kavalli's Dorf am Albert-Njansa, 7. Februar 1889.

Geehrter Herr!

Ich habe die Ehre Ihnen nachstehenden Bericht vorzulegen über meinen Aufenthalt vom 24. Mai 1888 bis zum gegenwärtigen Augenblicke bei Sr. Excellenz Emin Pascha, Mudir der Aequatorialprovinz.

Ihrem Befehle gemäß habe ich fast alle Stationen in der Provinz besucht und sämmtlichen Offizieren, Soldaten und ägyptischen Beamten auf jeder Station die Schreiben Sr. Hoheit des Khedive und Sr. Excellenz Nubar Pascha, sowie Ihre Proclamation an die Soldaten vorgelesen. Nachdem ich die Schreiben verlesen hatte, sprach ich zu den Leuten und, ihnen genügend Zeit gebend, um dieselbe besprechen zu können, lud ich sie dann ein, mir ihren Entschluß mitzutheilen, ob sie Ihr sicheres Geleit nach Aegypten annehmen oder im Lande bleiben wollten.

Auf jeder Station, mit Ausnahme von Laboré, erhielt ich die einstimmige Antwort: »Wir folgen unserm Mudir, wohin er geht.« Alle schienen sich zu freuen, daß wir gekommen seien, um ihnen zu helfen; sie sagten viel, was ihre gute Meinung von dem Mudir erkennen ließ, und sprachen in den höchsten Ausdrücken von seiner Gerechtigkeit, Freundlichkeit und der Liebe, die er ihnen durch alle diese Jahre hindurch bewiesen hätte. Während meines ganzen Aufenthalts in seinem Lande stand es dem Pascha vollständig frei, sich unter seine Offiziere und Leute zu mischen, und ich konnte mich mit ihm unterhalten soviel ich wollte.

Nachdem wir Kiri, die letzte Station, die von den Soldaten des 2. Bataillons besetzt ist, erreicht hatten, blieben wir dort, um erst Nachrichten von Redjaf zu erfahren, ehe wir weiter reisten. Das Land im Norden und Westen von Kiri ist von den Soldaten des 1. Bataillons besetzt, die sich seit fast vier Jahren in offener Empörung gegen die Regierung des Paschas befunden haben. Letzterer erhielt hier ein Schreiben von Hamid Aga, dem Major des 1. Bataillons, mit der Bitte, nicht nach Redjaf zu gehen, weil die Rebellen die Absicht hätten, uns zu ergreifen und nach Chartum hinabzubringen, da sie glaubten, die dortige Regierung bestehe noch und die Nachricht, daß die Stadt gefallen, sei falsch. Wir waren daher zur Umkehr gezwungen, ohne die nördlichern Stationen besucht zu haben.

Bei unserer Rückkehr nach Labore trat, während ich den Leuten die Schreiben vorlas, ein Soldat aus Reih und Glied und rief: »Alles was ihr sagt, ist Lüge, die Briefe sind gefälscht. Chartum ist nicht gefallen. Das ist der richtige Weg nach Aegypten. Wir wollen nur auf diesem Wege gehen oder bleiben und hier im Lande sterben.«

Als der Pascha den Befehl gab, den Mann in Eisen zu legen, stürzten alle Soldaten aus den Gliedern, umzingelten uns und richteten die inzwischen geladenen Gewehre auf uns. Es herrschte eine allgemeine Aufregung und der größte Lärm und mehrere Minuten fürchteten wir, daß wir und die kleine Zahl von Leuten bei uns niedergemacht werden würden. Allmählich beruhigten sie sich jedoch und forderten mich dann auf, zu ihnen zu kommen und allein mit ihnen zu sprechen, was ich auch that, worauf sie ihr größtes Bedauern über das Vorgefallene aussprachen. Seitdem haben wir gehört, daß sie von Surur Aga, dem Chef der Station, aufgewiegelt waren, so zu handeln.

Einige Tage später fanden wir bei unserer Rückkehr nach Dufilé am 18. August, daß eine Meuterei unter Führung von Fadl el Mulla Aga, des Chefs der Station Fabbo, ausgebrochen war und die Station sich in den Händen der Empörer befand. Bei unserer Ankunft wurden wir sofort zu Gefangenen gemacht. Es scheint, daß während unserer Abwesenheit gewisse Aegypter, darunter namentlich Abdul Wahab Effendi und Mustapha Effendi el Adjemi, die beide wegen ihrer Betheiligung an der Rebellion Arabi's hierher geschickt waren, ferner die Beamten Mustapha Effendi Achmet, Achmet Effendi Mahmud, Sabri Effendi, Tybe Effendi und mehrere andere, zu den Leuten gesprochen und unter ihnen Schreiben hatten circuliren lassen, in denen gesagt war, es sei unwahr, daß Chartum gefallen sei; die Briefe, welche wir von Sr. Hoheit dem Khedive und Sr. Excellenz Nubar Pascha mitgebracht hätten, seien gefälscht, Sie seien weiter nichts als ein Abenteurer und nicht von Aegypten gekommen, Sie hätten mit dem Pascha ein Complot gemacht, um alle Leute aus dem Lande zu bringen und nebst ihren Frauen und Kindern als Sklaven den Engländern zu überantworten. Sie fügten noch hinzu, sie hätten in Aegypten selbst gegen Se. Hoheit den Khedive rebellirt, es sei also keine große Sache, gegen Emin Pascha zu revoltiren.

Diese Worte riefen einen Sturm im Lande hervor, und wenn die Soldaten auch keinen weitern thätigen Antheil an der Meuterei nahmen, als daß sie als Wachen für uns fungirten, so überließen ihnen doch die Offiziere, zu thun was ihnen beliebte. Die obersten Empörer, Fadl el Mulla Aga, Achmet Aga Dinkawi und Abdul Aga el Opt, marschirten mit ihnen nach Dufilé und vereinigten sich mit den rebellischen Aegyptern, die sie aufgefordert hatten, ihre Führung zu übernehmen. Sie schickten Briefe nach allen Stationen, ließen den Offizieren sagen, sie hätten den Mudir und mich ins Gefängniß geworfen, weil wir uns verschworen hätten sie zu betrügen, und befahlen ihnen, nach Dufilé zu kommen und an einer Versammlung theilzunehmen, in welcher beschlossen werden sollte, welche weitern Schritte zu thun seien. Auch die rebellischen Offiziere des 1. Bataillons wurden eingeladen, mit ihnen gemeinsam zu handeln.

Ich wurde den Meuterern vorgeführt und über die Expedition befragt, und der Brief Sr. Hoheit von den Beamten geprüft und für eine Fälschung erklärt. Dann schlugen die Empörer vor, den Pascha abzusetzen, und alle, welche gegen eine solche Maßregel waren, wurden durch Einschüchterungen zum Nachgeben veranlaßt. Es wurde ihm ein Schreiben übergeben, in welchem sie ihm seine Absetzung mittheilten, und beschlossen, ihn als Gefangenen in Redjaf zu behalten. Mir wurde erklärt, daß ich frei sei, doch war ich trotz alledem Gefangener, da man mir nicht erlaubte, die Station zu verlassen, und alle meine Bewegungen genau überwachte. Man plante auch. Sie ins Land herein zu locken, aller Gewehre, Munition, Vorräthe u. s. w. zu berauben und dann fortzujagen.

Alsdann gingen die Meuterer daran, eine neue Regierung zu bilden und alle Offiziere, die im Verdachte feindlicher Gesinnung gegen den Pascha standen, von ihren Posten zu entfernen; indeß begann bald Eifersucht und Zwiespalt zwischen ihnen auszubrechen, und nachdem das Haus des Paschas, sowie diejenigen etlicher ihnen feindlich gesinnter Personen geplündert waren, kamen die Dinge ziemlich ganz zum Stillstande.

Während die Verhältnisse dieser Art waren, hörten wir plötzlich am 15. Oktober, daß die Leute des Mahdi mit drei Dampfern und acht Sandalen und Nugers in Ladó angekommen seien und am 17. drei Derwische unter einer Waffenstillstandsflagge ein Schreiben Oman Sali's, des Befehlshabers der mahdistischen Truppen, dem Pascha überbracht hätten, dem freier Abzug versprochen wurde für den Fall, daß er und seine Leute sich ergäben. Das Schreiben wurde von den Meuterern geöffnet, die den Kampf beschlossen. Am 21. October erfuhren wir, daß die Mahdisten, denen sich zahlreiche Neger vom Bari-Stamm angeschlossen hatten, Redjaf angegriffen und genommen, drei Offiziere, zwei Beamte, sowie eine große Menge Männer getödtet und alle Frauen und Kinder in der Station gefangen genommen hätten. Dies rief eine Panik hervor; die Offiziere und Soldaten nebst ihren Frauen und Kindern verließen die Stationen Beddén, Kiri und Muggi und flohen in großer Unordnung nach Labore. In Kiri wurde sogar die Munition zurückgelassen.

Als die Meuterer von diesem Unglück hörten, beschlossen sie große Verstärkungen nach Muggi zu schicken, und von allen südlichen Stationen wurden Soldaten hingesandt, um sich dort zu sammeln. Am 31. October vernahmen wir, daß unter den Offizieren in Muggi große Uneinigkeit herrsche und die Soldaten erklärt hätten, sie wollten nicht kämpfen, wenn ihr Mudir nicht in Freiheit gesetzt würde. Am 15. November erzählte man uns, daß die Soldaten nach Redjaf marschirt, bei der Annäherung an die Station aber von den Leuten des Mahdi angegriffen worden seien, die im Sturm gegen sie vorgegangen seien, worauf jene, ohne auch nur einen Versuch zu kämpfen zu machen, den Rücken gewendet hätten, geflohen seien und ihre Offiziere zurückgelassen hätten. Sechs Offiziere, der neuernannte Gouverneur und einige der schlimmsten Rebellen wurden getödtet, zwei Offiziere vermißt und zahlreiche Soldaten, die auf der Flucht erschöpft zu Boden gestürzt waren, niedergemacht.

Als die dem Pascha freundlich gesinnten Offiziere dies vernahmen, drängten sie sofort in die Rebellen-Offiziere, ihn in Freiheit zu setzen, und da letztere sich vor dem Volke fürchteten, so wurden wir frei gegeben und nach Wadelai geschickt, wo der Pascha von der dortigen treuen Bevölkerung mit Enthusiasmus empfangen wurde. Er war gerade drei Monate in strenger Gefangenschaft gehalten worden. Endlich glaubten die Leute, daß Chartum gefallen und wir von Aegypten gekommen seien.

Nachdem wir einige Tage in Wadelai geblieben waren, ohne von Dufilé etwas zu erfahren, wurden die Leute sehr unruhig und wir schickten Boten nach der genannten Station am Ostufer des Flusses ab, um Briefe hinzubringen und den Grund des langen Schweigens festzustellen, da wir gehört hatten, daß eine große Truppe der Mahdisten von Westen her gegen Wadelai vorrücke und nur noch vier Tagemärsche entfernt sei.

Am 4. December kam ein in Bora, einer kleinen Station zwischen Wadelai und Dufilé, befehligender Offizier mit seinen Soldaten in großer Hast herein und erzählte, daß sie ihre Posten in Dufilé verlassen hätten; Fabbo und sämmtliche nördlichen Stationen seien genommen, alle Dampfer erobert und in die Hände der Mahdisten gefallen; die Eingeborenen um die Stationen hätten sich erhoben, seien zu den Feinden übergegangen und hätten unsere Boten getödtet. Auf diese Nachricht hin wurde eine Berathung abgehalten, und Offiziere und Mannschaften beschlossen sofort, die Station zu räumen und sich nach Tunguru zurückzuziehen, von wo sie ins Gebirge steigen und den Versuch machen wollten, sich Ihnen in Fort Bodo anzuschließen. In der Versammlung sprach man nur den Wunsch aus, ich möchte unser Boot, den »Advance«, zerstören, damit es dem Mahdi nicht in die Hände falle, und da keine Aussicht war, es zu retten, mußte ich mit Widerstreben mich dazu entschließen. Am nächsten Tage, 5. December, war alles für einen baldigen Aufbruch bereit, bei welchem wir nur einige Bündel der allernothwendigsten Dinge mitnahmen und alles übrige im Stiche ließen. Sämmtliche Munition in den Vorrathsräumen wurde unter die Soldaten vertheilt, die im letzten Augenblick erklärten, sie wollten, da sie jetzt reichlich Pulver besäßen, lieber in ihre eigenen Länder – Makraka und die umliegenden Gegenden – zurückkehren, wo sie sich zerstreuen und unter ihren eigenen Leuten leben könnten, und vom Pascha und seinen Offizieren desertiren.

Die Lage schien indessen verzweifelt, und wir eilten infolge dessen ohne die Soldaten weiter, ein langer zerstreuter Zug, der hauptsächlich aus ägyptischen Beamten mit ihren Frauen und Kindern bestand und nur von etwa sieben oder acht treu gebliebenen Soldaten begleitet war. Einige unserer Diener waren mit Percussionsgewehren bewaffnet und insgesammt mögen wir zusammen einige 30 Gewehre gehabt haben. Unmittelbar nachdem wir die Station verlassen hatten, brachen die Soldaten in die Häuser ein und plünderten dieselben.

Am 6. December sahen wir einen Dampfer hinter uns her den Fluß heraufkommen; unsere Leute bereiteten sich schon vor, Feuer auf denselben zu geben, doch stellte sich heraus, daß einige von unsern eigenen Mannschaften aus Dufilé mit Briefen vom Pascha an Bord waren. Die Briefe enthielten die Nachricht, daß Fabbo geräumt worden und es den Flüchtlingen gelungen sei, trotz der Neger, die sie angegriffen hätten, Dufilé zu erreichen. Letzteres war vier Tage von den Leuten des Mahdi belagert worden; die Station selbst war genommen und eine Zeit lang von einer kleinen Abtheilung des Feindes besetzt gehalten worden, der zur Nachtzeit eingedrungen war und auch die Dampfer erobert hatte. Sie hatten die Soldaten, etwa 500, thatsächlich aus der Station getrieben, doch hatten die letztern dann, zwischen zwei Feuern befindlich, auf Drängen der Offiziere sich mit der Macht der Verzweiflung gewehrt. Selim Aga Mator, Bellal Aga, Bachit Aga, Burgont und Suleiman Aga drangen wieder in die Station hinein, eroberten sie zurück, machten einen Ausfall und züchtigten die Feinde dermaßen, daß sie sich nach Redjaf zurückzogen und zwei Dampfer nach Chartum sandten, um Verstärkungen zu holen.

Nach allen uns seitdem zugegangenen Berichten haben die Soldaten sich mit großer Feigheit benommen, ausgenommen als sie schließlich zur Verzweiflung gebracht waren. In diesem Kampfe bei Dufile wurden 14 Offiziere und eine große Menge Soldaten getödtet; auf Suleiman Aga wurde von seinen eigenen Leuten geschossen, er ist später gestorben. Die Verluste des Feindes wurden auf 250 Mann geschätzt, jedoch würde ein Drittel dieser Zahl der Wahrheit vermuthlich näher kommen, obwol die Mahdisten ausschließlich mit Speeren und Schwertern kämpften, während die Soldaten mit Remingtongewehren bewaffnet waren und hinter Graben und Erdwerken fochten. Die Soldaten schießen aber so schlecht, daß ihr Feuer nicht viel Wirkung thut.

Die Offiziere und Soldaten in Wadelai wünschten sehr dringend, daß der Pascha zurückkehren möge; allein nach der Treulosigkeit, welche die Soldaten gezeigt hatten, als er die Lage für verzweifelt hielt, zog er es vor, nach Tunguru zu gehen. Nach diesem nur zwei Tage dauernden Rückzug von Wadelai bin ich besser in der Lage zu verstehen, welche schwierige und fast unmögliche Aufgabe es sein wird, die Leute nach Sansibar zu bringen, wenn sie wählen sollten, mit uns zu gehen.

Nach unserer Abreise von Wadelai hat die Gegenpartei des Paschas, welche jetzt, da die unmittelbare Furcht vor den Mahdisten beseitigt war, wieder im Steigen begriffen ist, ihn angeklagt, die ganze Geschichte von dem Falle Dufilés erfunden zu haben, um ihnen den Rückzug abzuschneiden und sie dem Mahdi zu überantworten, während er und seine Leute aus dem Lande entkommen seien und sich Ihnen angeschlossen hätten. Sie verurtheilten den Pascha, Casati und mich wegen Verrätherei zum Tode. Bei der Berathung, die dann von allen Offizieren und Soldaten in Wadelai abgehalten wurde, herrschte großer Streit und Zank, indem einige im Lande bleiben, andere dem Pascha folgen wollten; es kam zu heftigen Worten und sogar zu Prügeleien zwischen den streitenden Parteien. Fadl el Mulla Aga und seine Partei wollten den Pascha und mich gefangen nehmen, während die Gegner unter Führung von Selim Aga Mator sich dem Pascha anzuschließen und das Land mit ihm verlassen wollten; allein obgleich sie angeblich von hier fortzukommen wünschen, thun sie nichts, um den Aufbruch vorzubereiten. Wenn Sie sie mitzunehmen beabsichtigen, werden Sie viele Monate warten müssen, bis sie bereit sind. Inzwischen blieben der Pascha, Signor Casati und ich in Tunguru, da die Meuterer dem Stationschef den bestimmten Befehl gegeben hatten, uns bis auf weitere Ordres zurückzuhalten.

Am 26. Januar erhielten der Pascha und ich Ihre vom 17. und 18. Januar datirten Briefe, und gemäß dem mir in Ihrem Schreiben ertheilten strengen Befehle, sofort nach Empfang derselben nach Kavalli aufzubrechen, machte ich alles bereit, um am nächsten Morgen die Reise anzutreten und die Antwort des Paschas auf Ihren Brief zu überbringen. Infolge der Verrätherei einiger der Leute des Paschas wurde ich verhindert, die Reise zwei Tage früher anzutreten, doch gelang es mir dank den Bemühungen Schukri Aga's, des Stationschefs von Mswa, der dem Pascha treu geblieben war und dessen Benehmen während der ganzen letzten unglücklichen fünf Monate nicht hoch genug gerühmt werden kann, die Eingeborenen zu veranlassen, daß sie mich mit einem Kanoe nach Njamsassi brachten, jedoch habe ich, da der See sehr bewegt war und zu dieser Jahreszeit gefährlich ist, fünf Tage gebraucht, um von Mswa nach Njamsassi zu fahren.

Es ist ganz unmöglich, Ihnen einen wahren Begriff von dem Zustande des Landes in diesem Augenblicke zu geben. Bald haben die Meuterer, bald die Partei des Paschas die Oberhand. Ein Dampfer mit Verstärkungen für die Mahdisten ist bereits in Redjaf eingetroffen, zwei weitere werden binnen kurzem erwartet und wahrscheinlich werden bald auch aus dem Bahr-el-Ghasal Verstärkungen anlangen, worauf dann die Mahdisten, um ihre Niederlage bei Dufilé zu rächen, sicherlich mit überwältigender Macht nach Wadelai herabkommen und die Leute mitten in ihrer Unschlüssigkeit überraschen werden. Tunguru ist nur zwei Tagemärsche von Wadelai entfernt, die Lage des Paschas, der von Leuten umgeben ist, denen er kein Vertrauen schenken kann, äußerst gefährlich und es ist daher von der größten Wichtigkeit, daß er so rasch wie möglich befreit wird.

In Ihren Schreiben an mich vom 17. und 18. Januar äußern Sie sich etwas bitter über den Pascha und mich, weil wir unsern Versprechungen, in Nsabe eine Station zu bauen, sie mit einer Garnison zu belegen und mit Lebensmitteln für Sie bei Ihrer Rückkehr nach dem Njansa auszurüsten, nicht nachgekommen seien, daß wir Fort Bodo nicht entsetzt, die Lasten und die Garnison nicht nach Nsabe gebracht und diejenigen Leute, welche Ihre Begleitung zu benutzen wünschten, nicht in Nsabe bereit gehalten hätten, damit sie nach Ihrer Rückkehr sofort mit Ihnen aufbrechen könnten. Der Grund, weshalb wir hierzu nicht im Stande waren, ist folgender: Der Pascha hatte, nachdem er beinahe einen Monat aus dem Lande fort gewesen war und bei Ihnen in Nsabe zugebracht hatte, bei der Rückkehr nach Wadelai, dem Sitze der Regierung, natürlich viele Geschäfte zu erledigen, und ich habe fast einen ganzen Monat am Fieber darniedergelegen, sodaß wir nicht in der Lage waren, von Wadelai aus die nördlichem Stationen vor Juli zu besuchen. Omar al Chattab, der zweite von Mohammed abstammende Khalif, sagt: »Es gibt vier Dinge, die nicht zurückkehren: das gesprochene Wort, der abgeschossene Pfeil, das vergangene Leben und die vernachlässigte Gelegenheit.« Ich acceptire die Erklärungen des Herrn Jephson, beharre nichtsdestoweniger aber bei der Ansicht, daß viel Leiden und Sorge vermieden worden und die Verhaftung und Gefahr unmöglich gewesen wäre, wenn die Versprechen gehalten worden wären. Im Juli hätten sie nach Fort Bodo aufbrechen sollen; die Gefangennahme erfolgte am 18. August.

Nachdem wir unser Werk im Norden beendigt hatten, wurden wir, als wir mit der Absicht zurückkehrten, die Ihnen gegebenen Versprechungen zur Ausführung zu bringen, am 18. August zu Gefangenen gemacht, und da man dem Pascha jegliche Autorität nahm, waren wir absolut ohnmächtig, unsern Versprechungen nachzukommen. Schon ehe wir Wadelai verließen, hatten wir versucht, eine Truppe nach Nsabe zu senden, um dort eine Station zu erbauen, allein die Soldaten hatten sich geweigert, dem Befehl zu gehorchen, bis ihre Brüder auf den nördlichen Stationen beschlossen hätten, was zu thun sei. Es ist sehr glücklich, daß wir keine Station gebaut und die Waaren und Garnison von Fort Bodo nicht dorthin gebracht haben, da die Rebellen ganz gewiß alle unsere Güter weggenommen und die den Befehl führenden Europäer zu Gefangenen gemacht haben würden.

Und dies veranlaßt mich, noch einige Worte über die Lage der Dinge zu sagen, als ich am 21. April 1888 ins Land kam. Das 1. Bataillon war schon lange in offener Rebellion gegen die Autorität des Paschas gewesen und hatte zweimal versucht, ihn gefangen zu nehmen: das 2. Bataillon zeigte, obwol es angeblich treu war, Ungehorsam und war fast nicht zu leiten, der Pascha besaß nur einen Schein, einen bloßen Fetzen von Autorität, und wenn er etwas Wichtiges gethan haben wollte, konnte er nicht mehr befehlen, sondern mußte seine Offiziere bitten, es zu thun.

Als wir nun im Mai 1888 in Nsabe waren, hat der Pascha, wenn er auch andeutete, daß einige Schwierigkeiten in seinem Lande beständen, uns doch nie den gegenwärtig geradezu verzweifelten wirklichen Zustand der Dinge enthüllt, und wir hatten nicht die leiseste Idee davon, daß wahrscheinlich Meuterei und Unzufriedenheit unter seinem Volke ausbrechen würden. Wie die meisten Leute in Europa und Aegypten nach den eigenen Briefen des Paschas und den spätem Mittheilungen Dr. Junker's annehmen mußten, glaubten auch wir, daß alle diese Schwierigkeiten von außerhalb seines Landes herrührten, während die wirkliche Gefahr thatsächlich aus innern Meinungsverschiedenheiten entstand. Auf diese Weise wurden wir veranlaßt, unser Vertrauen in Leute zu setzen, welche desselben ebenso wie unsers Beistandes vollständig unwürdig waren und, anstatt uns dankbar dafür zu sein, daß wir ihnen helfen wollten, von dem ersten Augenblick an conspirirt haben, um die Expedition zu plündern und uns dann davonzujagen. Wären die Meuterer in ihrer höchst aufgeregten Stimmung in der Lage gewesen, dem Pascha auch nur einen einzigen Fall von Ungerechtigkeit, Grausamkeit oder Vernachlässigung seines Volkes nachzuweisen, er würde in dieser Rebellion ganz bestimmt sein Leben verloren haben.

Es gibt natürlich einige Leute, welche dem Pascha treu, und viele, die neutral geblieben sind, und das sind hauptsächlich diejenigen, welche uns zu begleiten wünschen. Ferner gibt es eine große Zahl von ägyptischen Beamten, von denen viele sich sehr schlimm benommen haben, allein das Herannahen der Mahdisten hat sie so sehr erschreckt, daß sie jetzt ebenfalls mit uns gehen wollen. Aber trotz meines beständigen Rathes, sich auf den Weg zu machen, scheinen sie doch vollständig unfähig zu sein, eine Anstrengung zum Verlassen des Landes und Sammeln in Nsabe zu machen, wo sie in unserm Bereiche sein würden, obwol absolut nichts sie daran verhindert als ihre eigene Trägheit.

Die Mehrheit des Volkes, eine große Zahl von Aegyptern und die meisten Sudanesen sind entschieden gegen den Marsch nach Aegypten und wollen das Land nicht verlassen. Die meisten von ihnen sind nie in Aegypten gewesen, sondern rekrutirten sich aus den umliegenden Ländern. Hier können sie einen großen Haushalt erhalten; viele Offiziere haben von 18 bis 100 Leute, Frauen, Kinder und Diener, im Hause und jeder Sudanese setzt einen großen Stolz darein, möglichst viele Leute in seiner Wohnung zu haben, während sie in Aegypten mit ihrem Gehalt nur drei oder vier Diener zu unterhalten vermöchten. In Anbetracht dieser Verhältnisse ist es ganz natürlich, daß sie vorziehen, in ihrem eigenen Lande zu bleiben.

Was den Wunsch des Pascha's, das Land zu verlassen, anlangt, so kann ich ganz bestimmt behaupten, daß er sehr dringend mit uns zu gehen wünscht, doch vermag ich kaum zu verstehen, unter welchen Bedingungen er sich dazu bereit erklären wird. Ich glaube, er weiß das selbst nicht, da seine Ansichten in dieser Hinsicht mir sehr schwankend zu sein scheinen; heute ist er bereit, aufzubrechen und zu gehen, morgen hält ihn irgendeine neue Idee wieder zurück. Ich habe mich viel mit ihm über diesen Gegenstand unterhalten, bin aber niemals im Stande gewesen, eine unveränderte Ansicht davon von ihm zu erhalten. Nach dieser Rebellion bemerkte ich zu ihm: »Ich nehme an, daß Sie jetzt, da Ihre Leute Sie abgesetzt und beiseitegeschoben haben, wol nicht mehr glauben werden, daß Sie noch irgendwelche Verantwortung und Verpflichtung gegen sie haben«, worauf er mir zur Antwort gab: »Hätten sie mich nicht abgesetzt, so würde ich mich verpflichtet gefühlt haben, bei ihnen zu bleiben und ihnen in jeder mir möglichen Weise zu helfen; aber jetzt betrachte ich mich als absolut frei, nur an meine persönliche Sicherheit und Wohlfahrt zu denken, und wenn ich Gelegenheit habe, werde ich gehen, ohne Rücksicht auf irgendetwas zu nehmen.« Und trotzdem sagte er einige Tage, bevor ich ihn verließ, zu mir: »Ich weiß, ich bin in keiner Weise verantwortlich für diese Leute, und dennoch kann ich es nicht über mich gewinnen, selbst fortzugehen und jemand zurückzulassen, der das Land zu verlassen wünscht. Ich weiß, es ist reines Gefühl, und vielleicht ein Gefühl, mit dem Sie nicht sympathisiren werden, allein meine Feinde in Wadelai würden mit Fingern auf mich zeigen und zu den Leuten sagen: ›Ihr seht, er hat euch verlassen.‹« Das sind nur zwei Beispiele von dem, was wir über sein Fortgehen von hier gesprochen haben, doch könnte ich noch eine Menge anderer Aeußerungen von ihm anführen, die ebenso widersprechend sind. Als ich einmal nach einer dieser unbefriedigenden Unterhaltungen etwas ungeduldig war, sagte ich: »Wenn die Expedition nur irgendeinen Platz in der Nähe von Ihnen erreicht, werde ich Herrn Stanley rathen, Sie zu verhaften und mitzunehmen, ob Sie wollen oder nicht«, worauf er erwiderte: »Nun, ich werde nichts thun, um ihn daran zu verhindern.« Es scheint mir, daß wir ihn, wenn wir ihn retten sollen, zuerst vor ihm selbst retten müssen.

Ehe ich meinen Bericht schließe, muß ich noch die Thatsache bezeugen, daß bei meinen häufigen Unterredungen mit Leuten des Paschas aus allen Klassen und in allen Verhältnissen die meisten derselben seine Gerechtigkeit und Großmuth ihnen gegenüber rühmten; sie sagten aber auch, und was ich gesehen habe bestätigt dies, daß er sein Volk nicht mit genügend fester Hand regiert habe.

Die drei sudanesischen Soldaten, welche Sie mir als Ordonnanzen gelassen haben, und mein Diener Binsa kehren mit mir zurück, Mabruki Kassim jedoch, der Mann, welcher in Nsabe von dem Büffel verwundet wurde, ist zwei Tage nach Ihrem Abmarsche nach Fort Bodo gestorben.

Ich bin, geehrter Herr, Ihr gehorsamer Diener
A. J. Mounteney Jephson.

Herrn H. M. Stanley,
Befehlshaber der Entsatz-Expedition.

 

Herr Jephson übergab mir auch die officielle Antwort Emin Pascha's auf mein formelles Schreiben vom 18. Januar.

 

Tunguru, 27. Januar 1889.

Herrn H. M. Stanley,
Befehlshaber der Entsatz-Expedition.

Geehrter Herr!

Ich habe die Ehre, Ihnen den Empfang Ihrer Mittheilung vom 14. Januar aus dem Lager bei Undussuma, sowie Ihres officiellen Schreibens vom 18. Januar, die mir gestern Nachmittag zugegangen sind, zu bestätigen. Gleichzeitig bitte mir zu gestatten, Ihnen und Ihrer Truppe zu dem von Ihnen vollführten Werke meine aufrichtigen Glückwünsche auszusprechen.

Ich nehme Kenntniß von Ihrem Anerbieten, mir oder einer von mir beauftragten Person den zweiten Theil der von Ihnen mitgebrachten Waaren auszuhändigen, bestehend in 43 Kisten Remingtonpatronen, 26 Kisten Schießpulver von je 45 Pfund Gewicht, 4 Kisten Zündhütchen, 4 Ballen Stoffe, 1 Ballen Waaren für Signor Casati, einem Geschenk von Ihnen, 2 Stücken Wollenstoff, Schreibpapier, Couverts, Schreibheften u. s. w. Sobald die Offiziere, welche ich von Wadelai erwarte, eintreffen, werde ich einen derselben beauftragen, diese Waaren zu übernehmen, und ihn zugleich anweisen, Ihnen eine formelle Empfangsbescheinigung dafür auszustellen.

Die 31 Kisten Remingtonpatronen, welche die erste Abtheilung der Waaren bildeten, sind in gehöriger Weise in den Regierungsmagazinen deponirt worden.

Was Ihre Frage anlangt, ob Signor Casati und ich Ihr Geleit und Ihren Beistand zum Marsch nach Sansibar anzunehmen beabsichtigen und ob Offiziere und Mannschaften da sind, welche Ihre sichere Escorte nach dem Meere zu benutzen geneigt sind, so muß ich Ihnen mittheilen, daß nicht nur Signor Casati und ich uns mit Freuden Ihrer Hülfe bedienen werden, sondern daß auch eine Menge Leute den Wunsch hegen, nach dem fernen Aegypten oder nach seinem andern geeigneten Orte zu gehen. Da diese Leute durch die beklagenswerthen Ereignisse, welche während Ihrer Abwesenheit eingetreten sind, aufgehalten wurden und erst seit etlichen Tagen anzukommen beginnen, so möchte ich Sie bitten, ihnen freundlichst behülflich zu sein. Ich beabsichtige sie nach Njamsassi zu schicken, und eine erste Abtheilung von ihnen bricht heute mit Herrn Jephson auf. Jeder von ihnen hat Lebensmittel genug für mindestens einen Monat.

Ich erlaube mir Ihnen meinen Dank für die Mittheilung Ihrer Bewegungen abzustatten. Da von dem Termin, den Sie für Ihren Abmarsch festgesetzt haben, bis zur Ankunft Ihres Briefes neun Tage verflossen sind, wird die uns gütigst gegebene noch übrige Zeit, nämlich elf Tage, kaum ausreichen. Ich kann Ihnen daher nur für Ihre und die guten Absichten derjenigen, die Sie gesandt haben, danken, und muß es Ihnen überlassen, ob Sie auf uns warten können oder lieber nach Ablauf der 20 Tage aufbrechen wollen.

Ich begreife vollständig die Schwierigkeiten, um für Ihre Leute Lebensmittel und Proviant zu beschaffen, und es thut mir sehr leid, daß die kurze Zeit, welche Sie mir geben müssen, nicht ausreicht, um Ihnen von hier Vorräthe zu senden.

Da Herr Jephson mit diesem Dampfer abfährt und mir freundlichst versprochen hat, Ihnen dieses Schreiben zu überbringen, benutze ich die Gelegenheit, um Ihnen die große Hülfe und Unterstützung, die seine Gegenwart mir gewesen ist, zu bezeugen. Unter den schwierigsten Verhältnissen hat er einen so großartigen Muth, eine so unerschütterliche Freundlichkeit und Geduld bewiesen, daß ich nicht umhin kann, ihm jeden Erfolg im Leben zu wünschen und ihm für alle seine Langmuth zu danken. Da ich Sie wahrscheinlich nicht mehr sehen werde Ich weiß nicht, was den Pascha veranlaßt hat, in diesem melancholischen Tone zu schreiben, da ich mich bemüht hatte, so deutlich, wie der Mund es aussprechen und die Feder es schreiben kann, ihm auseinanderzusetzen, daß wir uns als seine Diener betrachteten und uns für verpflichtet hielten, ihm jede in unserer Macht stehende Hülfe zu leisten, vorausgesetzt, daß er nur seine Wünsche klar und bestimmt ausspräche., möchte ich Sie bitten, seinen Verwandten von meinem Dank an ihn und sie Mittheilung zu machen.

Ehe ich schließe, bitte ich Sie mir zu gestatten, aufs neue Ihnen, Ihren Offizieren und Mannschaften meinen herzlichsten Dank auszusprechen und Sie zu ersuchen, meine ewige Dankbarkeit den freundlichen Leuten zu übermitteln, welche Sie uns zu Hülfe gesandt haben. Möge Gott Sie und Ihre Truppen schützen und Ihnen eine glückliche, rasche Heimreise geben.

Ich bin, geehrter Herr,
Ihr gehorsamer Diener
Dr.  Emin Pascha.



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