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Achtundzwanzigstes Kapitel.
Ein zum Sozialismus Bekehrter

Nachdem Bobby sich ein wenig ausgeruht hatte, brachte er das Auto nach dem Wirtshaus in Crowsnest, um es dort unterzustellen, und kehrte dann in die Villa zurück, wo ein Bett für ihn bereitet war. Er schlief darin zehn Stunden den Schlaf des Gerechten, erschien um halb zehn zum Abendessen und zu einer Pfeife, zog sich dann wieder in sein Gemach zurück, um sich nochmals einem zehnstündigen Schlummer hinzugeben und erwachte am nächsten Morgen neugestärkt.

Die Post hatte nichts Wichtiges gebracht, nur ein paar Geschäftsempfehlungen und eine Postkarte an Miß Grimshaw mit einem innigen Dank für Blumen, die sie einer Freundin gesandt hatte. Als auch im Laufe des Tages sich kein Gerichtsvollzieher blicken ließ, begannen die Hoffnungen der in der Villa versammelten kleinen Gesellschaft stetig zu steigen. Mr. Dashwood hatte vorgeschlagen, das Pferd sofort nach Epsom zu schaffen, aber Mr. French war ein zu erfahrener Mann, um eine so verkehrte Maßregel zu ergreifen. Denn falls der Beamte kam und das Pferd nicht vorfand, so würde es ihm ein leichtes sein, dessen Spur zu verfolgen. Das Verladen eines Rennpferdes kann man nicht heimlich betreiben. Selbst wenn es nach London geritten wurde, hätte doch ein Telegramm aufgegeben werden müssen, um einen Eisenbahnwagen für den Transport von London nach Epsom zu bestellen. Es blieb nichts anders übrig, als zu warten und dem Glücke zu vertrauen.

Der Morgen des Zwölften war schön, wolkenlos und schien – jedenfalls was das Wetter anbelangt – nicht bedrohlich. French hatte für den nächsten Tag alle Vorbereitungen zur Überführung des Pferdes getroffen. Ein Pferdetransportwagen sollte dem um zehn Uhr fünfzehn von Crowsnest abgehenden Zuge angehängt werden, ebenso wie dem Zuge von London nach Epsom, der um ein Uhr fünfundfünfzig abfuhr. In weniger als vierundzwanzig Stunden würde das Pferd sich außerhalb Crowsnests befinden und am übernächsten Tag sollte das Rennen stattfinden.

In den Wettlisten war Garryowen nicht einmal erwähnt. Motte war erster, Wodki zweiter Favorit; danach gab es Namen, so viele man wollte – aber Garryowens Name war nirgends zu lesen. Nur in den Listen der großen internationalen Wettagenturen tauchte sein Name dunkel auf. French hatte nach und nach sein Geld auf das Pferd gesetzt. Nach seiner Rechnung würden die Wetten, wenn die Flagge fiel, so stehen, daß er sechzigtausend Pfund gewann, und jedesmal, wenn dieser Gedanke ihm kam, erfaßte ihn eine derartig fieberhafte Unruhe, daß er nicht stillsitzen konnte.

Sie waren alle in vergnügter Stimmung beim Luncheon versammelt, als es an die Tür pochte und Norah eintrat.

»Bitte, Sir,« sagte sie, »da ist ein Mann, der Sie zu sprechen wünscht.«

French richtete sich halb auf.

»Ein Mann?«

»Ja, Sir. Er kam hinten bei der Küche an und Mrs. Driscoll sagt zu ihm: ›Was machen Sie auf meinem Hof?‹ sagt sie. ›Is Ihr Herr zu Hause?‹ sagt er. ›Wenn er da is, sagen Sie ihm, daß jemand ihn zu sprechen wünscht.‹«

Ohne ein Wort zu sagen, stand French auf und verließ das Zimmer.

»Er ist da!« sagte Bobby, Messer und Gabel niederlegend.

»Es scheint so,« erwiderte das junge Mädchen. »Aber vielleicht ist es trotzdem nur ein Handelsmann.«

»Soll ich hingehen und an der Tür horchen?« fragte Effie, indem sie sich von ihrem Stuhl erhob.

»Nein,« sagte Miß Grimshaw, »bleib sitzen. Du findest etwas reichlich Gefallen daran, an den Türen zu horchen, und ohne dein Zutun, du unartiges Kind« – sie hielt plötzlich inne. Wäre Effie und ihr unheilvoller Brief nicht gewesen, hätten sie sich jetzt in Sicherheit befunden und nichts zu befürchten gehabt.

»Ohne mein Zutun – was ist das?« fragte Effie.

Miß Grimshaw blieb keine Zeit zur Antwort, denn in diesem Augenblick trat Mr. French wieder ein. Sein Gesicht war dunkelrot; er schloß die Tür und dann brach es aus ihm hervor: »Zum Teufel mit Dick Giveen! Endlich hat er mich klein gekriegt, der verwünschte, gottverdammte Kerl! Es ist der Gerichtsvollzieher.«

»O Gott!« sagte Bobby.

»Wie ist er?« fragte die praktische Miß Grimshaw.

»Wie?« rief French. »Ein Kerl wie aus einem bösen Traum – weiß wie Talg und ohne Beine. Jetzt ist er hingegangen, um die Pferde zu besichtigen. Geben Sie acht, der Mensch ist zu nichts zu gebrauchen, er ist einer von den Blaßgesichtern und besitzt nicht den Mut, uns zu helfen.«

»Wie heißt er?« fragte das junge Mädchen.

»Piper,« erwiderte Mr. French, indem er sich ein Glas Whisky einschenkte.

»Nun,« sagte sie, »bleiben Sie beide hier. Ehe man es versucht hat, weiß man nie, was sich machen läßt.«

Sie verließ eilig das Zimmer und begab sich nach dem Hof, wo sie Moriarty traf.

»Moriarty,« sagte sie, »der Gerichtsvollzieher ist da und will sich jetzt die Pferde ansehen. Was Sie auch sonst tun – vor allem seien Sie höflich mit ihm.«

»Jawoll, Miß,« antwortete Moriarty.

»Sagen Sie Andy dasselbe.«

»Jawoll, Miß.«

Sie wandte sich ab und suchte die Küche auf. Dort saß, den Hut in der Hand, ein Individuum, dessen Alter nicht zu bestimmen war. Frenchs Beschreibung stimmte aufs Haar. Der Mann mit dem bleichen Gesicht und schmalem Backenbart sah herausfordernd und zugleich schwächlich aus; sein Äußeres wirkte entmutigend, aber das junge Mädchen lächelte ihn dennoch an und sagte rasch in ungezwungen freundlichem Ton: »Mr. Piper, glaube ich? Ich bin gekommen, um Ihnen die Pferde zu zeigen. Aber haben Sie schon gegessen?«

»Ja, danke,« entgegnete Mr. Piper, indem er aufstand.

»Darf ich Ihnen nach Ihrer Reise nicht ein Glas Wein oder sonst irgend etwas anbieten?«

»Nein, danke. Ich nehme niemals Alkohol zu mir,« sagte Mr. Piper.

»Oh! – Nun, wollen Sie dann mit mir kommen?«

Sie ging ihm voran durch die Hintertür nach den Stallgebäuden. All dies war Frenchs Amt, wenn überhaupt jemand dazu verpflichtet war, aber Violet meinte, sich hierbei nicht auf ihn verlassen zu können. Sie hatte beschlossen, Mr. Piper von dem Vorhandensein der Pferde zu überzeugen, ihn so artig wie möglich zu behandeln und bei der Gelegenheit in bezug auf seine Bestechlichkeit auszuforschen.

»Vermutlich wissen Sie, daß dies ein gemietetes Haus ist,« bemerkte sie, während sie vor ihm herging, »nur die Pferde gehören Mister French, sonst nichts.«

»Ja,« entgegnete Mister Piper. »Ich habe mich auf dem Bahnhof danach erkundigt, obgleich meine Instruktionen nur die Pferde betrafen. Haus und Möbel sind das Eigentum von Mr. Emmanuel Ibbetson. Aber,« schloß er, »ich habe dennoch dafür zu sorgen, daß nichts von hier fortgeschafft wird – weder Stock noch Stein – bis weitere Befehle einlaufen.«

»Wenn Mister Ibbetson seine Möbel fortnehmen wollte,« sagte Miß Grimshaw, die sich kaum noch zu beherrschen vermochte, »glaube ich nicht, daß Sie ihn daran hindern könnten.«

»Die Frage kommt hier nicht in Betracht,« erwiderte Mr. Piper. »Ich denke an French.«

»Sie meinen Mister French, nehme ich an.«

»Eben den.«

»Moriarty,« sagte Miß Grimshaw, »zeigen Sie diesem – Mann die Pferde.«

Moriarty öffnete die obere Tür einer Box und die Katze streckte ihren boshaften Kopf daraus hervor. Die Katze, von Isonomy II aus der Expreß, würde ihrem Besitzer viel Geld einbringen, wenn sie nicht so heftig wäre. Kam man ihr nahe, so zogen ihr höhnischer Blick, ihre Unterlippe und die gespitzten Ohren die Aufmerksamkeit auf sich, bis sie einem plötzlich ein Stück aus dem Arm biß oder hinten ausschlug und – wie Moriarty sich ausdrückte – »keilte, daß die Fetzen flogen.«

»Passen Sie auf!« schrie Moriarty und zwar keinen Augenblick zu früh, denn in der nächsten Sekunde hätte sich die Katze über den Gerichtsvollzieher hergemacht.

Piper fuhr zurück und trocknete sich mit dem Ärmel die Stirn. Es ist kein angenehmes Gefühl, wenn ein Pferd nach einem schnappt.

»Sie spielt man bloß,« sagte Moriarty, »aber machen Sie nie alleine die Tür auf, denn, meiner Treu, wenn sie Sie erst mal zu fassen kriegt, läßt sie nich los, bis sie Sie über die Tür weg in die Box 'rin hat, und dann, Gott bewahr' mich, is allens vorbei und es gibt man bloß noch 'n Begräbnis. Hier ist das annere Pferd.«

Er öffnete Garryowens Box.

Garryowens schöner Kopf kam zum Vorschein; beim Anblick des Fremden blähte er die Nüstern. Miß Grimshaws Augen wanderten vom Pferde zum Gerichtsvollzieher und wieder zurück, indem sie im Geiste die beiden Geschöpfe miteinander verglich.

»Sind dies Wagenpferde?« fragte Mr. Piper, als Miß Grimshaw ins Haus zurückging und ihn Moriartys Fürsorge überließ.

»Wagen … was?«

»Pferde.«

»Meiner Treu, wo sind Sie geboren, wenn Sie nie 'n Rennpferd gesehen haben?«

»Sie fragen, wo ich geboren bin: ich bin in Peckham geboren,« erwiderte Mr. Piper, »und wenn Sie mich fragen, ob ich nie ein Rennpferd gesehen habe, so bin ich stolz, sagen zu können, nein, das habe ich nicht und auch kein Rennen. Und wenn Sie mich fragen, was ich tun würde mit den Jockeis und den Gastwirten und den Leuten, die das Volk verderben und ehrlichen Menschen ihren sauer verdienten Lohn aus der Tasche ziehen, so sage ich – wenn Sie mich fragen, was ich mit denen tun würde – ich würde sie in einen Sack stecken und den Sack in die Themse werfen.«

»Wahrhaftig,« sagte Moriarty, sein Gegenüber betrachtend, »wenn ich nicht in 'ne Unterhaltung mit Sie geraten wär', hätte ich gar nich zu wissen gekriegt, wieviel ›Fragen‹ Sie in sich haben; aber das muß man Ihnen lassen, recht haben Sie. Whisky und Pferde haben schon mancherein zugrunde gerichtet. Aber wenn ich Ihr Gesicht ansehe, so möcht' ich wetten, daß Sie Ihr Lebenlang noch nicht betrunken gewesen sind.«

»Ich habe noch nie einen Tropfen Alkohol geschmeckt,« erwiderte Piper. »Weder Alkohol noch Tabak hat je meine Lippen befleckt, noch soll er jemals ein Kind von mir beflecken.«

»Haben Sie Kinder?«

»Nein.«

»Das is schade,« meinte Moriarty, »denn mit so'n Vater könnten sie nich anners, sie müßten gute Menschen werden. Darf ich mich erkunnigen, ob Sie liberal oder konservativ sind?«

»Ich bin Sozialist.«

»Mister French hat mir von denen erzählt,« sagte Moriarty, während er die Tür von Garryowens Box schloß und sich auf einem Eimer niederließ. »Sie sind einer von die, die glauben, alle Menschen sind gleich und allens muß geteilt werden. Is das Ihre Meinung?«

Der auf sein Lieblingsthema gebrachte Mr. Piper setzte sich auf den Rand einer neben der Stalltür stehenden alten Kiste und verbreitete sich über seine Ansichten.

»Also das is Ihre Meinung?« sagte Moriarty. »Ein großer Pudding und jedermann soll 'n Teller und Löffel haben. Und wer wird den Pudding kochen und wer die Tellers waschen, wenn die Frage erlaubt is?«

Mr. Piper setzte auseinander, daß jedermann beim Kochen des Puddings und beim Waschen der Teller helfen werde.

»Und angenommen, ein Kerl nimmt 'ne zweite Portschon oder haut seinen Teller an den Kopp von einen anneren Kerl entzwei?«

Mr. Piper erklärte, alle Männer würden gleichmäßig anspruchslos und dem Nächsten wohlgesinnt sein.

»Und wo wollen Sie so 'ne Männer herkriegen?« fragte der unermüdliche Moriarty. »Und wissen Sie was, es gibt doch nich nur Männer, wenn Sie die Frauen nich umbringen wollen. Na, wir wollen den Pudding man sein lassen. Da is ja auch noch 'ne annere Seite von die Sache, das sind die Hüte – glauben Sie, daß 'ne Frau zufrieden is mit akkurat denselben Hut, den ihre Nachbarin hat und der bloß ebensoviel gekostet hat? Glauben Sie nich, daß Mrs. Moriarty zu ihren Mann sagen würde: ›Mick, du Faulpelz, warum strengst du dir nich an und verdienst nich mehr Geld, damit ich mir 'n Hut mit 'ne Feder kaufen kann, die feiner is als Mrs. Mooney ihre?‹ Und Mick, der sagt: ›Aber, Norah, wo soll ich woll Geld herkriegen, wenn diese sozialen Kerls mir nich erlauben, mehr als fünf Pfund die Woche zu verdienen?‹ Und dann wird sie nix anners sagen, als: ›Der verdammte Sozialismus! Ich will 'n Hut haben mit 'ne Feder, die zweimal so lang is, als Mrs. Mooney ihre und ich will ihr schon kriegen –‹«

»Das ist nicht die Frage, die in Betracht kommt.«

»Betrag oder kein Betrag, eins is sicher: Sie können reden und wühlen und das Geld von Ihre Herren einstecken und es allens rundum auszahlen an so 'ne Leute wie Sie, zuletzt werden die Frauens Ihnen doch den Spaß verderben, denn ein Mann kann woll von seinen Herrn loskommen, aber die Frauenzimmer werden regieren, so lange die Erde rollt und das Wasser fließt. Sagen Sie,« fuhr Moriarty fort, indem er Mr. Pipers Beine mit kritischen, nicht gerade schmeichelhaften Blicken betrachtete, »sind Sie einer von die Kerls, von denen Mister French erzählte, die immerzu über die Soldaten und die Marine Geschrei machen und in Frieden und Ruhe leben und auf ihr Hinterteil unter Feigenbäume sitzen und sich die Feigen in ihr offenes Maul fallen lassen wollen?«

Mr. Piper gab zu, daß er zur Friedenspartei gehöre.

»Das dacht' ich mir,« sagte Moriarty, dessen Augen noch an den Beinen seines Gegenübers hingen, »und warraftig, wenn ich Sie angucke, werd' ich beinah selber zu die Sache bekehrt. Da war mal 'n Mann bei uns, der hätte 'n Zwillingsbruder von Sie sein können, und der kam nach Cloyne und hielt Reden über all die Geschichten und wollte den alten Mister Barrington von Inchkillin Hall seinen Sitz im Parliment streitig machen. Was der alte Mister Barrington war, der maß sechs Fuß vier Zoll und hatte schon sechzig Jahre lang bei keine Fuchsjagd gefehlt, außer wenn er mit gebrochene Gliedmaßen zu Bett liegen oder im Parliment sitzen tat. Na, dieser Mann nannte den alten Mister Barrington seinen Gegner und sagte, er verschwendete mit seine Hunde und Pferde das Geld von die armen Leute, und so ging das weiter mit ihm, bis eines Tages die Jungens ihn zu fassen kriegten – na, und wissen Sie, was die mit ihm taten?«

»Nein.«

»Meiner Treu, sie steckten ihm in 'ne Tonne und rollten ihm in den Fluß 'rein.«

Moriarty erhob sich ohne ein weiteres Wort, überließ Mr. Piper seinen Betrachtungen und begab sich nach der Küche.

»Wo is der Herr?« fragte er Norah.

»In die Wohnstube,« sagte Norah.

Er verließ die Küche, durchquerte die kleine Halle und klopfte an die Wohnzimmertür.

»Herein!« sagte Frenchs Stimme und er trat ein.

French, Mr. Dashwood und Miß Grimshaw saßen in dem Zimmer umher, die Männer rauchend in Lehnsesseln, das junge Mädchen aufrecht am Tisch, den Ellbogen aufgestützt. Ihre Lippen waren zusammengepreßt, denn man hatte von Mr. Piper geredet.

»Bitte, Sir,« sagte Moriarty, nachdem French ihn zum Sprechen aufgefordert hatte, »ich habe den Kerl da hinten auf'n Zahn gefühlt.«

»Und was denkst du über ihn, Moriarty?«

»Meiner Treu, Sir, ich dachte bei mir, er wäre einer von die Übergebliebenen aus die Zeit, als die Papageien gemacht wurden, und danach hat der Teufel woll versucht, ihn zu 'n Affen zurecht zu kneten, und da is er beim Backen verunglückt. Er is zu nix zu brauchen, Sir, bei ihm hilft kein Überreden und kein Unterreden.«

»Er ist nicht zu bestechen, meinst du?«

»Nein, Sir, er is nich der Mann dazu, sich für 'n gutes Werk bestechen zu lassen. Er is einer von die Kerls, die die Menschen hassen, die besser sind als sie – Sozi – wie nennen Sie die, Sir?«

»Sozialisten.«

»Das is er.«

»O Gott!« sagte Bobby.

»Ich dachte schon, er sähe so aus,« bemerkte Miß Grimshaw.

»Verflucht!« sagte French. »Es kam mir auch so vor, als ob etwas noch außer Leber und Elementarschulbildung bei ihm nicht in Ordnung sei.«

»Entschuldigen, Sir,« sagte Moriarty grinsend, »ich hab' n langes Gespräch mit ihm gehabt und er hat mir bekehrt.«

»Was!« sagte French und starrte sein Faktotum an. »Was sagst du da?«

»Ich habe angefangen, daran zu glauben, Sir, daß allens zu gleiche Teile geteilt werden muß. Darf ich fragen, Sir, ob die Vorbereitungen für das Wegbringen von die Pferde zu morgen gemacht sind?«

»Das Wegbringen der Pferde!« brach es aus French hervor, der in einem plötzlichen Wutanfall Moriartys Bekehrung und alles andere vergaß. »Wie in aller Welt denkst du, daß ich die fortschaffen kann, wenn die Bestie hier sitzt –«

»Trotzdem, Sir,« sagte Moriarty, »wenn Sie mir allens überlassen wollen, wird es morgen früh keine Not damit haben und die nächsten Tage auch nich –«

»Was hast du vor?«

»Bitte, Sir, ich möchte lieber reinen Mund halten. Nich, daß ich es nich gern sagte, Sir, aber wenn man 'nen Fisch angeln will, hole der Teufel das Reden. Erinnern Sie sich noch, Sir, als der junge Mister James und seine Frau nach Drumgool kamen und auf'm schwarzen See fischen wollten? Er und sie mit 'nen Frühstückskorb und Minnows in Glyzerinflaschen und prachtvolle Angelruten und Patenthaken und Kescher und Grundköder und der Himmel weiß, was sonst noch allens; und 'ne halbe Meile weit war es zu hören, wie sie miteinanner schwatzten und dabei war das Wasser dick voll von Fische. Und in all die drei Tage haben sie nix gefangen, als man bloß einen Krebs.«

»Moriarty hat recht,« sagte Miß Grimshaw, die tief überzeugt war von Moriartys Fähigkeit, das Richtige auf richtige Art zu tun, wenn es bei der Angelegenheit auf Diplomatie ankam.

»Höre, Moriarty,« sagte French, »denkst du daran, den Kerl einzusperren? Denn das darf nicht sein.«

»Nein, Sir,« erwiderte Moriarty, »das will ich auch gar nich.«

»Er trinkt nichts.«

»Nein, Sir.«

»Du willst ihn doch nicht bestechen?«

»Nein, Sir.«

»Na, ich kann nur sagen, wenn dir ein anderes Mittel einfällt, ihn außer Gefecht zu setzen, so bist du klüger als ich.«

»Wenn Sie ihn nur mir überlassen wollen, Sir, brauchen Sie keine Sorge zu haben.«

French schenkte ein Glas Whisky ein, das Moriarty unverdünnt hinabgoß. Dann fuhr er mit dem Handrücken über den Mund, machte eine Verbeugung vor der versammelten Gesellschaft und verließ das Gemach.

»Er bringt es zustande!« entfuhr es Mr. Dashwood, der plötzlich zum ersten Male zu begreifen schien, welche Möglichkeiten und Unmöglichkeiten Moriarty in sich barg.

»Wahrhaftig,« sagte French, »ich glaube es auch. Ich habe bisher noch nie erlebt, daß Moriarty etwas mißlingt. Auf mein Wort, noch nie! Wenn ich jetzt zurückblicke, kann ich mich nicht entsinnen, daß er jemals den Kürzeren gezogen hätte, wenn er sich mit jemand einließ. Erinnern Sie sich des Kerls, der Garryowen die Sehnen zerschneiden wollte? Und das beste dabei ist, er betreibt die Sache immer so, daß er die Lacher auf seiner Seite hat und auch die Gesetze, bei Gott! Erinnern Sie sich des Gerichtsbeamten, den er nach dem alten Schloß brachte? Das Gesetz konnte ihm deswegen nichts anhaben. Der Mann wünschte nach meinem Hause gefahren zu werden und das war mein Haus, wenn ich auch nicht darin wohnte.«

»Der Mann, der mit einem Bündel unter dem Arm nach den Vereinigten Staaten kommt, gleicht Moriarty,« sagte Miß Grimshaw. »Einen Tag ist er der arme, an einem einsamen kalten Ufer stehende Auswanderer aus Erin und den nächsten Tag der ›Stadtrat Mike, der einen Gesetzesantrag stellt‹, wie einer unsrer Dichter sagt. Ich möchte wissen, weshalb die Moriartys in ihrem eigenen Lande so viel netter sind.«


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