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Kamelien im Freien überwintert

Nach mehr als zehnjährigen Versuchen, Kamelien ungedeckt im freien Garten zu überwintern, und nachdem ich soeben die Freude erlebte, einen Kamelienbusch mit einem halben Hundert prächtiger Blumen während acht Tagen im Garten stehen zu haben, glaube ich über dieses Thema meine Erfahrungen mitteilen zu dürfen und zu sollen.

 

Die Kamelie als Zierpflanze

Wir haben bei uns zu Lande, von den Blumen abgesehen, eine beträchtliche Zahl immergrüner Zierpflanzen in unsern Gärten stehen, nur um des Schmucks der Blätter willen. Eine Aucuba, einen Evonymus, einen Kirschlorbeer, einen Buchs, eine Stechpalme pflanzen wir nicht wegen der Blüte. Wir können daher mit demselben Recht und demselben Verstand auch eine Kamelie in den Garten pflanzen, unabhängig davon, ob sie zur Blüte gedeihe oder nicht; vorausgesetzt, daß der Wuchs und das Blätterwerk es empfiehlt und daß die Pflanze unsern Winter aushält. Über den ersten Punkt, den Anblick des beblätterten Strauches, ist zu sagen, daß in unserm feuchten Klima der Kamelienstrauch schöner gedeiht als in Italien; die Blätter werden saftiger und grüner; eine abgeblühte Kamelie, die man von Italien kommen läßt, sieht unschöner aus als jene, die man schon im Garten stehen hat. Zwar auffällig durch ihre Schönheit wird ja die Pflanze niemals sein; aber zur Abwechslung neben andern immergrünen Sträuchern wirkt sie für das Auge immerhin erfreulich; sie hat eben ihre besondere Tracht und, falls sie nur gesund ist, ihren besondern Reiz; die Abschätzung dieses besondern Reizes ist Geschmackssache. Was dann ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Winterkälte betrifft, so habe ich die angenehme Aufgabe, und dies ist der Hauptzweck dieser Zeilen, mitzuteilen, daß der Kamelienstrauch ganz bedeutend widerstandsfähiger ist, als man zu vermuten pflegt. Zwar ist er gewiß ein empfindliches Ding, und bei ausnahmsweise strengen Wintern besteht große Wahrscheinlichkeit, daß einem die Mehrzahl erfriere; allein er ist nicht zarter als manche andern Pflanzen, die wir überall in den Gärten sehen und die ebenfalls bei Ausnahmewintern erfrieren. Nach jahrelangen Beobachtungen und vielen sorgfältigen Bedenken glaube ich unsern gewöhnlichen großblättrigen Kirschlorbeer als die sprechendste Parallele der Widerstandsfähigkeit der Kamelie betrachten zu dürfen. Die Kamelie leidet dann von Kälte, wenn unser Kirschlorbeer leidet, erfriert dann, wenn jener erfriert, nicht früher, eher später. Mit andern Worten: Überall da, wo einer Kirschlorbeer pflanzt, könnte er mit nicht größerm Risiko auch Kamelien pflanzen. Ich wenigstens würde das unbedenklich in Zürich, in Basel, kurz überall da, wo ich Kirschlorbeer in den Gärten sehe, unternehmen. In Zahlen ausgedrückt: Bis zu zwölf oder vierzehn Grad Kälte nimmt der Kamelienstrauch, nach meinen Erfahrungen, gar keine Notiz vom Winter; geht die Kälte darüber hinaus, dann fängt er an, teilweise zu leiden, nähert sich die Kälte dem zwanzigsten Grad Celsius unter Null, dann friert er gründlich zuschanden; aber nicht nur er, auch der Kirschlorbeer und eine Menge anderer Dinge, sogar ein Teil unserer einheimischen Obstbäume. Einzig darin steht der Kamelienstrauch dem Kirschlorbeer nach, daß er, einmal zuschanden gefroren, nur kümmerlich und langsam wieder nachwächst, während der Kirschlorbeer wie Unkraut immer wieder emporwuchert.

 

Die Kamelienblume

Damit steht es natürlich weit bedenklicher. Immerhin nicht hoffnungslos; denn ich kann es unmöglich hoffnungslos nennen, wenn mir eine Kamelienpflanze, die schon fünf Jahre ohne jeden Schutz in meinem Garten steht, heuer tatsächlich ein halbes Hundert leibhaftiger Blumen gebracht hat, und zwar solche Blumen, welche von höchst befugtem Urteil als tadellos bezeichnet worden sind. Auch muß in Betracht gezogen werden, daß meine eigenen Erfahrungen durchaus nicht unter den denkbar günstigsten Bedingungen gewonnen wurden; ich entbehre nämlich jedes Rates und bin ganz allein auf meine blindlings pröbelnden Versuche angewiesen; einem andern mag daher leicht mehr gelingen als mir. Allein das muß gleich gesagt werden: Im Freien blühende Kamelien zu erhalten, ist in unserm Klima nach jeder Richtung eine Ausnahme. Nicht jedes Jahr gelingt es, sondern nur dann, wenn alle Umstände besonders günstig sind; es gelingt auch nicht bei jeder Sorte und nicht an jedem Standort im Garten. Der Standort im Garten will versucht sein; die nämliche Kamelie, die mir dieses Jahr so schöne Blumen brachte, hatte mir, nur zwei Meter vom jetzigen Standort entfernt, gar nichts eintragen wollen. Auch die Sorten müssen durch die Erfahrung erprobt werden. Da ergibt sich zum Beispiel, daß alle weißblumigen Sorten in unserm Klima nahezu hoffnungslos sind; mir wenigstens ist es bis jetzt noch nicht gelungen, weiße Kamelien zu erzielen, vereinzelte und etwas fragliche Blumen abgerechnet. Ferner zeigen alle diejenigen Spielarten, welche weiß gezeichnet sind, einerlei ob gefleckt oder gestreift, die Neigung, das Weiß entweder zu verlieren oder mit dem Rot zu verschwemmen oder, was am schlimmsten ist, das Weiß in Grau zu verdunkeln. So habe ich unter anderm in meiner Unkenntnis eine Kameliensorte erwischt, die mir zwar gegenwärtig anderthalb Hundert Blumen trägt, deren Blumen aber infolge des Verschmutzens des Weiß zu Grau nichts weniger als schön können genannt werden. Es dürfen daher zu Versuchen zuerst nur rote und möglichst einfache gewählt werden. Auch sind einzelne Spielarten weniger widerstandsfähig als andere, wobei ich indessen ausdrücklich mitteilen muß, daß nicht etwa die geringsten, unschönsten Varietäten deswegen immer auch die widerstandsfähigsten sein müssen; die gemeine kleine, wilde, ungepfropfte Kamelie zum Beispiel ist mir in einem harten Winter erfroren, während feinere Sorten aushielten.

Die Varietät und den Standort können wir wählen, dagegen stehen leider die übrigen Bedingungen, also das Winterwetter, außer unserer Einwirkungskraft. Wenn man bedenkt, daß die Kamelie ihre Blumenknospen schon im August oder September ansetzt und daß diese bei uns sieben bis acht Monate lang allen Launen des Wetters ausgesetzt bleiben (denn sie blühen bei uns nie vor der zweiten Hälfte April), so darf man sich nicht wundern, daß die Blüte nur ausnahmsweise reift. Zwar die Hauptgefahr, der die Kamelie im Hause ausgesetzt ist, die Gefahr, daß sie die jungen grünen Knospen abwirft, fällt fast ganz weg. Jahr für Jahr zeigen sich reichlich Knospen, und falls der Winter nicht gar zu hart ist, entwickeln sie sich und röten sie sich, so daß fast jährlich die Knospen Blumen zu versprechen scheinen. Allein, es ist ein Vexierspiel. Vielleicht öffnet die Blume ein Türchen, allein, vom Frost im Kern beschädigt, fällt sie ab, ehe sie sich ganz entfaltet hat; oder, was am häufigsten geschieht, die Öffnung der Blume verspätet sich, wird vom anhaltenden Regen überrascht, und die schon schön gefärbte Knospe fault dann vom Stengel wie eine dem Regen ausgesetzte Maréchal-Niel-Rose. Und wenn einmal gar die Verspätung sich so weit hinauszieht, daß die neuen Schosse üppig keimen, dann entledigt sich die Pflanze einfach aller ihrer Knospen, in welchem Stadium sie sein mögen. Dagegen ertragen die Blumenknospen anhaltende geringere Kältegrade, etwa von sechs bis zehn Grad, vielleicht sogar mehr, und Schnee und Eis über alles Erwarten gut; es können ohne Schaden die Eiszapfen an den Knospen hangen und wochenlang hangen bleiben, es kommt nur darauf an, welchen Kältegrad der Schnee und das Eis haben. Vergangenen Winter zum Beispiel hatten wir mehr als zwei Monate lang fast beständig Nachtfrost von ungefähr sechs Grad, einmal meldete das Wetterbulletin sogar zwölf Grad Kälte; das hat nicht gehindert, daß sich eine prächtige Blüte entwickelte. Das habe ich, wie ich glaube, einigen heißen, trockenen Vorfrühlingstagen zu verdanken. Denn der allergrößte Feind der Kamelienblume ist bei uns die Nässe, vor allem die Frühlingsnässe und der Mangel an Frühjahrssonnenwärme zur rechten Zeit: März und April.

 

Schluß

Wer in unserm Klima Kamelien ins Freie wagt, gewinnt eine hübsche Blattpflanze, die vortrefflich gedeiht und nur in sehr strengen Wintern leidet, zugleich mit der Anwartschaft, in milden Wintern, bei günstigem Zusammentreffen der Umstände, eine märchenhaft schöne Blumenfülle als Prämie zu gewinnen. Denn nicht zu vergessen, in denselben Jahren, wo uns die Hoffnung auf Blüte narrt, wächst ja die Pflanze selber weiter, und kommt sie einmal ausnahmsweise zum Blühen, so zahlt sie mit der doppelten und dreifachen Menge von Blumen.


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