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Das Verhalten zarter immergrüner Pflanzen nach einem strengen Winter

Daß nach einem Ausnahmewinter, der überall, sogar unter den längst eingebürgerten Pflanzen, übel gehaust hat (in Nervi erfroren Palmen, Zitronen und Rosen, am Lago Maggiore Eukalyptus und Oleander, ja teilweise sogar Kirschlorbeer, in Lugano Kamelien und so weiter), daß nach einem solchen Winter ein Versuchsgarten, wo fremde, zarte Gewächse die Probe bestehen sollten, nicht ohne schwere Schädigung bleiben konnte, versteht sich von selbst. Ich denke aber, es wird von allgemeinem Interesse sein, zu erfahren, welche der Pflanzen nun die Probe bestanden haben und welche nicht. Wie streng das Examen war, ich meine, was für eine Minimaltemperatur den betreffenden Garten heimsuchte, läßt sich nicht genau ermitteln, weil in Luzern je nach der Lage die Temperatur beträchtlich differiert, wie denn zum Beispiel auf der nämlichen Brücke zwei Thermometer sechs Grad Unterschied aufweisen. In einem mitten in der Stadt neben der Hauptkirche gelegenen Garten wurde eine Minimaltemperatur von minus dreiundzwanzig Grad Celsius abgelesen; ich glaube, daraus schließen zu sollen, daß auch in geschützterer Lage die frei in die Luft ragenden Pflanzen einer Kälte von nahezu zwanzig Grad ausgesetzt waren.

Ich teile vorerst einige allgemeine Erfahrungssätze mit, wie sie sich mir nach mehrjähriger und namentlich nach diesjähriger aufmerksamer Beobachtung aufdrängen, mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, mich gerne belehren und korrigieren zu lassen, falls umfassendere Erfahrungen und Versuche anderes ergeben. Ich will keinem Fachmann widersprechen, weiß aber, daß eigene Erfahrungen, auch wenn von Laien gesammelt, ihren tatsächlichen Wert auch für den Fachmann behalten.

Folgendes nun lehren meine Erfahrungen:

Irgendwelcher Schutz der Pflanzen, sei es Überdachung oder teilweise, gänzliche, losere oder dichtere Umhüllung mit Stroh oder Tannenreisern, nützt niemals auch nur das allermindeste. Ich hatte absichtlich daraufhin Versuche angestellt, von jeder Pflanzenart einige Exemplare geschützt, andere nicht, und jedesmal gefunden, daß sich die geschützten genau gleich verhielten wie die ungeschützten. Eher war das Gesamtergebnis ungünstiger für die geschützten Exemplare. Mit dieser Erfahrung stehe ich übrigens keineswegs allein; ich weiß von Gärtnern, sowohl einheimischen wie italienischen, welche dieselbe Überzeugung gewonnen haben, die Überzeugung: Wer eine Pflanze ‹schützt›, tut es sich selbst zur Beruhigung, nicht der Pflanze zum Nutzen oder Vorteil. Macht die Rose, machen Yucca und ähnliche wirklich eine Ausnahme? So viel ist sicher, daß ich außer Yucca und Rosen, hinsichtlich deren ich noch nicht genügend deutliche eigene Erfahrungen gesammelt habe, keine andere Pflanze mehr irgendwie ‹schützen› werde. Ich beschränke mich auf Bodendeckung, die ich sämtlichen Pflanzen, auch den einheimischen, angedeihen lasse.

Jede Pflanzengattung hat ihre besondere, gesetzliche, überall unter allen Umständen gleichbleibende, sämtlichen Exemplaren derselben Gattung auferlegte Minimaltemperaturgrenze; sodaß, sobald diese Grenze erheblich überschritten ist, sämtliche Exemplare dieser Gattung, einerlei wo sie stehen und wie man sie schütze, unfehlbar erkranken oder sterben. Niemand kann zwar erklären, warum eine Pflanzenart, die zehn bis zwölf Grad Kälte ohne Schaden aushält, nicht auch zwölf bis vierzehn aushält, aber die Tatsache ist ganz unbezweifelbar. Bei so und so viel Grad (vier bis sechs?) leiden die Orangen, bei so und so viel Grad (sechs bis zehn?) die Oleander, bei so und so viel Grad (zehn bis vierzehn?) die Chamaeropspalmen und so weiter. Und zwar sieht man oft in einer einzigen Nacht sämtliche Exemplare der nämlichen Gattung absterben, sobald nämlich die Nachttemperatur die Minimalgrenze kräftig überschritt. Der Unterschied von geschütztem oder gefährlichem, ausgesetztem Standort macht sich nur dann fühlbar, wenn sich die Kälte noch in der Nähe um die Minimalgrenze herum bewegt. Später, bei größerer Kälte, ist es völlig gleichgültig, wo und unter welchen Bedingungen die einzelnen Individuen stehen; sie teilen alle das gemeinschaftliche Schicksal. Kurz, es kommt in erster Linie darauf an, welchen mathematisch bestimmbaren Kältegrad ein Winter erreiche. Im Vergleich hiezu ist alles andere Nebensache. Bei sechs bis acht Grad Kälte lachen unsere Ziergärten spöttisch; übersteigt die Kälte zehn Grad, dann machen sie schon bedenkliche Gesichter; mit fünfzehn Grad zieht der Tod ein.

Unter den Faktoren zweiten Ranges, also der Lage und dem Standort, scheint der Unterschied von windstillem oder windigem Platze wichtiger zu sein als der Unterschied von sonnigem oder schattigem Platze. Ich glaube beobachtet zu haben, daß die berüchtigte, gefürchtete Wintersonne die Pflanzen nur oberflächlich sengt, während eine ringsum dem Wind oder gar dem Windzug (Conidarwind) ausgesetzte Pflanze sich wesentlich anders, natürlich schlechter hält als eine verwandte in ruhiger Lage. Kirschlorbeer zum Beispiel in dichten Hecken oder Alleen gepflanzt, auch wenn frei gegen Süden, der Mittagssonne ausgesetzt, litten diesen Winter nicht, wohl aber einzelstehende, windumzogene. Ebenso behielt Evonymus seine Blätter im Dichtstand oder bei Anschluß oder Anlehnung, verlor aber die Blätter bei freiem Stand. Wer also einer zarten Pflanze einen besonders geschützten Ort aussuchen will, hat in erster Linie auf Rückendeckung und Anlehnung oder, anders gesagt, auf Schutz vor Wind und Luftzug zu achten. Der denkbar geschützteste Ort ist ein windstiller Ort im Schatten mit Anlehnung oder Anschluß im Dichtstande.

Unter den Winden scheint nicht die größere Trockenheit oder Feuchtigkeit des Windes, sondern seine größere Stärke und Häufigkeit ausschlaggebend zu sein. Ich sehe immer die Westseite meiner Bäume und Sträucher sich schlechter verhalten als ihre Ostseite.

Frisch im Spätherbst versetzte, also noch nicht festgewurzelte Pflanzen verhalten sich nicht wesentlich anders gegen Kälte als alteingewurzelte, ‹akklimatisierte› genau so wie frisch angekommene Neulinge.

Der Frostschaden, wenn er sich nicht auf die alleräußersten Organe beschränkt, scheint nicht bloß eine lokalbegrenzte, sagen wir chirurgische Verletzung, sondern eine Allgemeinerkrankung zu bedeuten, selbst dann, wenn infolge von dicker Bodenbedeckung eine Beschädigung der Wurzel ganz ausgeschlossen war. Ich schließe auf Erkrankung statt auf mechanische, lokale Verletzung (Austrocknung) aus folgenden Erscheinungen: Spitzenbeschädigung allein ist eine Seltenheit; erfriert die Spitze, so findet man nachträglich meist auch andere schlimmere Schäden. Ferner: Wenn der Stamm einer Aralia oder eines Edellorbeer dick mit Stroh umwunden wurde und dennoch unter der Umhüllung am Fuße des Stammes totaler, kreisförmiger Rindensprung durch Frost entsteht, so ist es unmöglich, daß die Kälte direkt mitten durch die dicke Umhüllung den Stamm zu Tode verwundet hat, sondern der tödliche Rindensprung muß sekundär durch Frosterkrankung der Gesamtpflanze entstanden sein. Endlich: Man kann bei glimpflichen Temperaturen nachträgliches Absterben von Pflanzenteilen beobachten, welche den schlimmsten Temperaturen scheinbar siegreich getrotzt hatten.

Vieldeutig ist die Tatsache, daß verspätete Frühlinge, ein kalter März und vor allem ein kühler April wie Gift auf einzelne immergrüne Pflanzen, zum Beispiel Koniferen und namentlich auf die Zypressen, wirken. Die zunächstliegenden geläufigsten Erklärungen nämlich erweisen sich beim Nachdenken als unannehmbar. Die heiße Märzsonne kann nicht schuld daran sein, wenn sie nicht scheint. Ich habe aber auch bei abwesender Märzsonne Sträucher plötzlich nach zehn Grad Kälte absterben sehen, welche achtzehn Grad Kälte im Februar ausgehalten hatten, ohne die saftige grüne Farbe der Blätter zu verlieren. Von den ‹zarten, frischen, jungen Frühjahrstrieben› kann auch keine Rede sein bei Pflanzen, die überhaupt noch nicht treiben. Ohnehin würde zwei bis drei Grad Kälte auch den zartesten Trieben einer Konifere nichts anhaben, während, wie gesagt, ein kühler April selbst dann verheerend zum Beispiel auf die Zypressen wirkt, wenn die Temperatur niemals unter Null sinkt. Meine Erklärungs-Vermutungen gehen nach folgenden Richtungen: Entweder waren die Pflanzen durch Januar- und Februarfröste schwer erkrankt, so daß sie in diesem geschwächten Zustande später geringeren Frösten unterlagen, oder der spätere, geringe Frost trägt gar keine Schuld, sondern das Zugrundegehen der Pflanze ist einfach eine Folge der früheren, starken Fröste und würde sich auch bei warmer Temperatur eingestellt haben. Oder: Das auffallende nachträgliche Verdorren großer, bisher noch saftiger Pflanzenteile, wie zum Beispiel der Zypressenspitzen während eines kühlen Aprils ist eine neue, von den Winterfrösten unabhängige Schädigung, hervorgebracht durch die austrocknende Wirkung der Frühjahrswinde. Oder, das Wahrscheinlichste: Durch die Verspätung der Bodenerwärmung wird die Wurzeltätigkeit verspätet und hiemit der Baum nicht instand gesetzt, rechtzeitig den Feuchtigkeitsverlust zu decken. Jedenfalls ist auffallend, daß man in späten Frühjahren bei immergrünen Pflanzen noch bis weit in den Mai hinein keine neuen Saugwurzeln entdeckt, während solche in warmen Wintern im März, ja sogar im Februar und Januar in Masse gefunden werden.

 

Hienach gebe ich das Verhaltungszeugnis jeder einzelnen Pflanzenart gegenüber dem vergangenen harten Winter:

 

Erfroren

Chamaerops, ‹Fächerpalme›. Sämtliche Exemplare, trotz sorgfältigem Schutz. Fünf Winter hatten sie ausgehalten, regelmäßig geblüht, vierzehn Grad Kälte des vorletzten Winters brachten einem einzigen Exemplar Verderben, achtzehn bis zwanzig war allen zu viel. In einem Nachbargarten das nämliche Ergebnis.

Edellorbeer. Sämtliche Exemplare. Während sieben Jahren erfreuliche Resultate, immerhin bei zehn Grad Kälte schon bedrohlicher Rindensprung, dieses Jahr trotz – oder wegen? – Schutzumhüllung Tod. Nicht im Februar nach achtzehn bis zwanzig Grad Kälte, sondern plötzlich im März nach zehn Grad.

Mespilus japonica. Wie vorauszusehen. Diese Pflanze erträgt kaum vierzehn Grad Kälte.

Olea fragrans. Während sieben Jahren mit Not durch gebracht, jeden Winter Blätter- und Zweigeverlust, hernach wieder prächtiges Ausschlagen, niemals Blüten, dieses Jahr Tod.

Arbutus Unedo.

Azara microphylla. Soll in England aushalten, hier tut sie es entschieden nicht. Letzten Winter ging ein ungeschütztes Exemplar zugrunde, diesen Winter ein mit Stroh umwickeltes.

Olearia Haastii.

Zu den genannten Pflanzen, welche bei uns im Freien schlechterdings nicht durchzubringen sind, zähle man (nach meinen früheren Erfahrungen) noch folgende: Oleander, alle Arten Myrthen, indische Azaleen, Rhaphiolepis, Eugenia, Rhynchospermum jasminoides, Escallonia macrantha.

 

Schwer beschädigt

Die echten Zypressen. Von vielen Exemplaren alle mehr oder minder beschädigt, die meisten schwer, einige tödlich, wenige nur oberflächlich. Obschon nach dem peinlichen Examen die Hoffnung nunmehr groß ist, daß einzelne wenige Exemplare dauernd bleiben werden, muß ich doch den Versuch, die Zypresse für unser Klima zu gewinnen, als mißlungen erklären und möchte niemand zu einem solchen ermuntern. Es kommt eben nicht allein in Betracht, daß der Baum dastehe, sondern daß er schön dastehe und sich naturgemäß entwickle. Mit der Zypresse aber verhält es sich so: Schon mit vierzehn Grad ergibt sich Spitzenverlust und Endenverlust; die Zypresse aber, wegen ihres langsamen Wachstums, braucht viele Monate, um den Verlust wieder zu ersetzen, und kaum ist der Ersatz geschehen, so kann es von vorne angehen. Im Frühjahr kläglich, im Sommer erträglich, im Herbst schön, im Winter prächtig, das ist bei uns die Regel. Höher, als sie gepflanzt wurde, bringen wir sie nur dann, wenn sich mehrere milde Winter folgen. Folgen sich im Gegenteil mehrere ungünstige Winter, dann wird die Zypresse kleiner statt größer. Die Aussichtslosigkeit der Zypresse für unser Klima ist die herbste Erfahrung dieses Winters. Man kann Palmen ersetzen, allein eine Zypressenallee läßt sich nicht ersetzen. Ob scheinbar oder in Wirklichkeit: Ein rauhes Frühjahr scheint der Zypresse noch mehr zu schaden als der Winter selbst. Daß die Spielart Horizontalis widerstandsfähiger wäre als die Pyramidalis, kann ich nicht bestätigen, im Gegenteil. Torulosa verhält sich ähnlich wie Pyramidalis, eine stark geschützte Lambertiana in einem Nachbargarten erfror bis auf den Boden, Funebris, Tournefort und Knigthiana gingen mir schon früher zu Grunde. Am Fuße des Rigi hat die Zypresse nicht gelitten; auch in Luzern kam eine hart an einer Hausmauer gepflanzte Zypresse völlig heil davon. Aber eine Zypresse als Spalier hat wenig Sinn.

Viburnum tinus, ‹Laurus tinus›, ‹Winterlorbeer›. Die meisten stark zurückgefroren, ein Exemplar vernichtet, ein einziges so gut wie unbeschädigt. Nur vereinzelte Frühjahrsblüten. Ein in einem andern Garten gelegenes, geschütztes Exemplar erfror gänzlich.

Aralia Sieboldi. Geschützte und ungeschützte Exemplare genau gleich. Bis nahe auf den Boden heruntergefroren; dann natürlich lustiges Wiederaustreiben.

Veronica Traversii. Zum größern Teil erfroren. Ende Februar nach der großen Kälte noch prächtig grün, im März nach zehn Grad Kälte plötzlich erkrankend.

 

Unregelmäßiges Verhalten (Einzelne Exemplare vollkommen heil, andere schwer geschädigt)

Evonymus japonica. Ein drei Meter hoher Busch, so prächtig als nur denkbar, ebenso von den kleinern diejenigen Exemplare, welche, gegen Sonne und Wind gedeckt, sich anlehnen konnten, dagegen sämtliche kleinern, freistehenden Exemplare recht empfindlich geschädigt, stark zurückgefroren mit völligem Blätterverlust. Wegen des wahrhaft fabelhaften Ersatzvermögens des Evonymus ist dieser schöne grüne Strauch trotz seinem kapriziösen Verhalten zu empfehlen. In den Schatten mit Anlehnung zu pflanzen und Jahr für Jahr mit grausamer Rücksichtslosigkeit zurückzuschneiden. Die bunten Spielarten gleich wie die Stammform, Myrtifolia eher noch etwas widerstandsfähiger.

Rosen (ungedeckt). Einzelne erfroren, einzelne gut, andere mit Not davongekommen. Crimson Rambler völlig unbeschädigt, immerhin aber mit totalem Blätterverlust, ebenso neben andern Rosenarten sämtliche Reine Marie Henriette; dagegen kamen eine ungedeckte Maréchal Niel und eine ungedeckte Belle Lyonnaise nur mit großen Zweigverlusten davon. Letztere hat überdies heuer zum erstenmal auch die Blätter verloren. Von den gedeckten Rosen ist hier nicht zu sprechen.

 

Heil durchgekommen

 

(mithin für unser Klima als Freilandpflanzen nahezu gesichert)

Alle Arten Koniferen mit einziger Ausnahme der echten Zypressen, also auch Araucaria imbricata (ungeschützt) und sämtliche Zedern und Kryptomerien. Daß eine große Cedrus deodara in scheinbar gefährlichster Lage (freiragend dem Wind und der Wintersonne gegen Süden ausgesetzt) gleichwohl unbeschädigt blieb, gibt zu denken. Ich denke, es gibt Lichtpflanzen und gibt Gebirgspflanzen. Die Zeder liebt offenbar Licht und Abhang, einen überragenden, dominierenden Standort; die scheinbar gefährlichste Lage wird demnach vielmehr die günstigste sein.

Magnolia grandiflora. Mehrere Exemplare; alle ungeschützt. Magnolia grandiflora ist der wichtigste Gewinn aus den Erfahrungen des vergangenen Winters. Jetzt darf dieser wunderschöne Baum für Luzern als gesichert gelten, indem er sich nicht bloß sieben Jahre ohne Verluste gehalten hat, sondern sich üppig entwickelte und zur Blüte gedieh. Da Magnolia grandiflora auch am Thunersee (Spiez) vereinzelt vorkommt, so sind Versuche an milden Stellen des Zürcherseeufers angezeigt. Der Versuch ist lohnend, denn das Wachstum von Magnolia grandiflora ist gewaltig. Mitunter so gewaltig, daß der Baum die Last seiner Zweige und Blätter nicht zu tragen vermag, sondern gestützt oder zurückgeschnitten werden muß. Aber Ungeduld darf man ihm nicht entgegenbringen.

Zunächst erträgt Magnolia grandiflora das Versetzen ungemein schwer, gestattet sich mindestens zwei Jahre Erholungsruhe nach dem Einsetzen, ehe er sich wieder zu kräftigem Ausgreifen entschließt. Ferner, obschon sein Name ‹grandiflora›, also ‹großblumig› lautet, so darf man sich nicht gleich auf die Blumen freuen. So freigebig wie unsere gewöhnlichen asiatischen Magnolien ist Grandiflora nicht. Die echte, eigentliche, typische Magnolia grandiflora blüht erst dann, wenn der Baum einen schenkeldicken Stamm und eine Höhe von mindestens fünf Meter hat, vorher kommt es höchstens zu vereinzelten und verhältnismäßig kleinen Blumen. Eine gesunde, schön entwickelte und mächtig emporgewachsene Magnolia grandiflora von fast fünf Meter Höhe hat mir noch nie (während sechs Jahren) eine einzige Blume gegeben. Aus diesem Grunde, wegen der späten Blütenreife von Magnolia grandiflora, wird in Frankreich und der französischen Schweiz die Spielart Galissoniensis der typischen Grandiflora vorgezogen.

Aber bevor Galissoniensis vier Meter Höhe erreicht hat, ist es mit der Blüte auch nicht weit her. Freilich schon allein das Blatt ist ein königlicher Schmuck. Reichblühend in Lützelau, Neuenburg und Genf. Ob die neuen, frühblühenden Sorten, zum Beispiel Double Nantais und Hartwicus, sich in unserm Klima bewähren, weiß ich noch nicht. Hartwicus jedenfalls ist sehr zart, gilt sogar in Pallanza als empfindlich. Alle Arten von Magnolia grandiflora dürfen nicht vor Mitte Mai und dürfen noch bis Mitte Juni in den Garten gepflanzt werden, mitten im stärksten Anfangstrieb.

Prunus laurus lusitanica, ‹Portugiesischer Lorbeer›. Wenn dieser schöne, fröhliche Strauch, der unter günstigen Umständen sogar zum Baum emporwächst, nicht in jedem Garten zu finden ist, so kommt das einzig daher, daß man ihn nicht kennt. Er ist mindestens so fest gegen Kälte wie Kirschlorbeer.

Kirschlorbeer. Vierzig Exemplare, sämtliche unbeschädigt. Über das kapriziöse Verhalten des Kirschlorbeers – hier alle heil, hundert Schritte davon entfernt alle stark angefroren oder erfroren – habe ich öfters nachgedacht und komme immer wieder zu dem einen Gedanken zurück: es liegt am Standort. Der natürliche Wuchs des Kirschlorbeers (weites, fast horizontales Ausladen der starken untern Äste) verrät Vorliebe dieser Pflanze für einen dominierenden Standort an steilen Hängen, also an Ufern, Hainen, Halden; ein ebener Platz ist schwerlich dem Kirschlorbeer genehm. Außerdem ist wohl Vorliebe für Sonne und Abscheu gegen Wind und Zug zu erkennen. Letzteres, im Verein mit dem üppigen Ersetzungsvermögen, empfiehlt Pflanzung in dichten Gruppen, Alleen, Hecken an südlichen, sonnigen Hängen und Seeufern. Alle Spielarten von Kirschlorbeer verhielten sich gleich widerstandsfähig.

Laurus camellifolia, ‹Kamelienblättriger Lorbeer›. Genau wie Kirschlorbeer.

Camellia. Die Camellia ist eine der unempfindlichsten immergrünen Zierpflanzen, fester gegen Kälte als Evonymus. Drei Exemplare, eines geschützt, die beiden andern ungeschützt, alle drei mit gleichem Verhalten, nur die äußeren Blätter gebräunt; bei einem ungedeckten Exemplar, das Anlehnung fand, sogar sämtliche Blätter frischgrün, ein Beweis, daß der Wind es ist, den Camellia nicht liebt. Es ist daher durchaus kein großes Wagnis, eine Camellia ins Freie zu pflanzen. Freilich, auf Blumen darf man nur in den mildesten Jahrgängen hoffen. Nach meiner Erfahrung leiden Kamelienknospen schon mit sechs Grad Kälte und kommen nach zehn Grad nicht mehr zum Aufblühen. In Vitznau (Dr. Hommel) sollen vier Meter hohe Kamelien (dichtgeschützt) sogar nach diesem strengen Winter zum Blühen gediehen sein. Es klingt mir unglaublich, aber es wird mir bestimmt versichert.

Osmanthus. Ungeschützt. Absolut kältefest. Blühte im Oktober. Der ganze Strauch mit köstlich duftenden Blüten weiß übersät. Schattiger Standort der Blätter wegen, doch nicht allzusehr der Blüten wegen.

Olea ilicifolia. Ungeschützt. Ich hatte nie zu hoffen gewagt, daß dieser edle Strauch mir bleibe, und buche daher sein, wie ich nun glaube, endgültiges Verbleiben im Garten mit ganz besonderm Vergnügen.

Choisya ternata. Gärtnern ist Choisya ternata als kältefest längst empfohlen. Ich kann die Empfehlung bestätigen. Mein (ungedecktes ) Exemplar blieb nicht bloß unbeschädigt, sondern erzeugte im Frühjahr eine Menge von Blüten.

Skimmia japonica. Ein wahres Wunder von Festigkeit gegen Kälte. Die Trauben der Blütenknospen schon im Herbst gebildet, hernach sechs Monate lang die Knospen allen Unbilden des harten Winters frei ausgesetzt, im Frühjahr endlich reichlich und lange Wochen blühend und duftend. Drei Exemplare, eins im dunklen Schatten, eins in der Sonne, eins im Halbschatten. Das tief beschattete ergab prächtig dunkelgrüne Blätter, aber nur wenige Blüten, das besonnte verbrannte Blätter wie eine besonnte Aucuba und ebenfalls wenig Blüten; das mäßig beschattete war mit Blüten ganz überdeckt, die Blätter verfärbten sich etwas hellgrün, doch nicht bis zur Vergilbung. Folglich: Schatten oder Halbschatten.

Phillyrhea (Filaria).

Abelia rupestris Rovelli. Halb mit Stroh geschützt. Ungemein dankbar, weithin wuchernd und im Sommer unermüdlich blühend. Zu Felspartien geeignet.

Kalmia latifolia. Ungedeckt. Kommt zum Blühen.

Viburnum macrophyllum. Unschön und unfein, nicht zu empfehlen.

Aucuba japonica et indica. In der Aukubenstadt Zürich sind hierüber die besten Erfahrungen zu gewinnen. Ich denke, sie werden zu den meinigen stimmen: Wenn in den tiefsten Schatten gepflanzt, trotzen alle Arten von Aucuba der schlimmsten Kälte, ohne ein Blatt zu verlieren; sie verlangen keinen Schutz und lieben keinen Schutz.

Rhododendron. Ungeschützt. Ich weiß von einem Gärtner hier, der früher Rhododendron deckte und dies fortan unterläßt, auf die Erfahrung hin, daß das Ergebnis günstiger ist, wenn die Deckung wegfällt.

Yucca gloriosa. Die größern Exemplare gedeckt, die kleinern ungedeckt. Bei allen das nämliche günstige Ergebnis: Verdorren einiger Blätter, der Kern unbeschädigt. Da indessen eine plausible Theorie das Decken der Yucca empfiehlt (Schutz des Kernes gegen kalte Nässe; Vereisung!) und ich von leichter Deckung noch keinen Schaden beobachtet habe, wage ich ausnahmsweise, für schöne, große, wertvolle Yucca die Deckung nicht wegzulassen, folglich auch nicht andern zu widerraten.

Buxus pyramidalis balearica. Genau so wie unsere gewöhnlichen Buxusarten.

Zu den kältefesten, empfehlenswerten Zierpflanzen glaube ich schließlich auch die folgenden zählen zu sollen, die zwar die Blätter verloren, aber reichlich wieder ersetzten:

Ligustrum coriaceum. Unvergleichlich effektvolles Blatt, im Herbst schwarz, grün und metallisch funkelnd. Die Zweige über allen Begriff brüchig, noch viel brüchiger als Evonymus. Daher nicht an den Weg und nicht dahin zu stellen, wo Gärtnerburschen öfters zu tun haben; vor Schneegewicht ängstlich zu bewahren. Also im Herbst zusammenzubinden. Verliert die Blätter schon bei mäßiger Kälte, ersetzt sie aber im Sommer wieder.

Elaeagnus Simonsii, ‹Ölweide›. Merkwürdig zierlich. Die jungen Triebe und die Unterseite der Blätter bronzefarben. Reichlich wuchernd, daher in Italien als Hecken und Umfriedungen gebräuchlich. Verliert die Blätter nur bei sehr strenger Kälte.

Daphne indica marginata. Gilt als sehr empfindlich; Spitzenverlust; hielt sich immerhin besser als zum Beispiel Laurus tinus und mancher Evonymus.

 

Indem ich hiemit schließe, wiederhole ich die Bitte, mir die Mitteilungen dieser engbegrenzten persönlichen Erfahrungen nicht als Unbescheidenheit auszulegen. Wie gesagt, ich maße mir weder Belehrung, geschweige denn Widerspruch an. Meine Befugnis zur Mitteilung leite ich einzig daher, daß ich eben eine Menge immergrüner Pflanzenarten teils aus Verwegenheit, teils aus Bequemlichkeit, teils aus ästhetischer Liebhaberei draußen stehen lasse, die ein anderer aus Verstandesgründen im Herbst vorsichtig hineinnimmt. Und so hoffte ich, diesem oder jenem Gartenliebhaber einen willkommenen Rat, andern vielleicht eine nützliche Warnung und allen etwas Schadenfreude gewähren zu können.


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