Friedrich Spielhagen
Uhlenhans
Friedrich Spielhagen

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82 Elftes Kapitel.

Hans zog mit Mühe das rechte Bein aus dem Schlamm, in den er bis an die gelbe Stulpe versunken war, und schritt vorsichtig an dem äußeren Rande des Schilfes hin, das den Sumpf auf der Waldlichtung jetzt bis an die Bäume umgab. Früher hatte der Sumpf nur die Mitte der Lichtung angefüllt, und man hatte zu jeder Zeit zwischen Sumpf und Wald trockenen Fußes passieren können. Nun war der Weg von Jahr zu Jahr mißlicher geworden, seitdem der lange Prebrow gegen den Fürsten prozessiert und ihm das Gericht zugestanden, daß er den Teil des Abzuggrabens, welcher durch seine Wiese ging, zuschütten dürfe. Für Hans war das nicht so arg. Wenn er den Wald abholzte, konnte er von seiner Seite gut an den Sumpf kommen und den Schlamm ausfahren lassen zu großem Vorteile für seine Felder in Neuen-Prohnitz. Vorausgesetzt, daß der lange Prebrow nicht auch dabei einen Haken fand für einen neuen Prozeß.

Hans mußte lächeln. Es war wirklich, als ob er seit gestern ein anderer Mensch geworden wäre. Wann hätte er sich je mit Plänen getragen, deren Ausführbarkeit in so ungemessener Ferne lag! Das nächste war, daß er seinen Stiefel abwusch; so konnte er unmöglich vor der jungen, fürstlichen Schwägerin erscheinen.

Da, wo er stand, war ein schmaler Pfad durch das Schilf, der in manchen Windungen bis an das Wasser und zu einem kurzen Steg führte, an welchem ein verrottetes Boot halb im Schlamme stak. Er wollte versuchen, bis dahin zu gelangen. Es schien nicht unmöglich; der Pfad war im Anfang trocken und näher am Wasser, wußte er, lagen in unregelmäßigen 83 Zwischenräumen große Steine, die er selbst seiner Zeit mit dem langen Prebrow dorthin geschafft, um von dem Boote, das damals noch flott war, auf dem kleinen See zu fischen. Seltsam! Es mußte vor kurzer Zeit heute Morgen erst hier jemand gegangen sein. Ein paar junge Binsenhalme, die in dem Pfad selbst aufgeschossen, waren frisch geknickt, und das war eine frische Fußspur, die sicher nicht von den Wasserstiefeln des langen Prebrow herrührte – die Spur von Frauenschuhen, und noch dazu städtischen – er sah es deutlich aus der Form der Sohle und den tiefen, scharfen Abdrücken der Absätze in dem schwarzen fetten Grunde. Wer in der Welt war das gewesen! Hanne Prebrow? Aber die war ja seit drei Jahren in Sundin – Wie käme die hierher? Da! wahrhaftig! Großer Gott, was will das Mädchen – Hanne!

Er hatte es laut gerufen und war im nächsten Momente auf dem bröckligen Steg, an dessen Ende sie mit hoch erhobenen, gerungenen Händen auf den Knieen gelegen hatte, vornüber gebeugt, im Begriffe, sich von dem Stege kopfüber in das schwarze Wasser zu stürzen. Er hatte sie um den Leib gefaßt, den Steg zurück halb geschleift, halb getragen und weiter über die Steine durch das Schilf, bis er an dem Rande des Waldes die Ohnmächtige auf den trockenen Boden legte, indem er sich selbst auf die Kniee niederließ und ihren Oberkörper in seinen Armen hielt.

Arme Hanne! murmelte er.

Sie brauchte ihm nicht zu erzählen, warum sie eben den Tod gesucht hatte. Das stand ja nur zu deutlich in ihren halb gebrochenen Augen, den sonst so schelmischen, auf dem bleichen, abgehärmten Gesichte, das ihn einstmals so keck angelacht. Ach! Nicht bloß das hübsche Gesicht war ein anderes geworden. Und da hatte die Unglückliche in der letzten Not eine Zuflucht gesucht in ihrem Vaterhause, drüben jenseits des Weges am Waldesrand, und der Vater hatte sie aus dem Hause getrieben, oder hatte doch gelitten, daß die Stiefmutter sie austrieb. Und da war die Hanne durch den Wald gelaufen hierher zu dem schwarzen Sumpf. Wie hatte sie auch nur einen Augenblick daran 84 denken können, das böse Weib werde die Verhaßte, Verstoßene aufnehmen, die so heimkehrte!

Die starren Augen fingen an, sich zu bewegen; in den bleichen Zügen zuckte es; sie heftete auf ihn einen irren Blick, in welchen allmählich die Besinnung einzog. Jetzt hatte sie ihn erkannt; sie versuchte, sich aufzurichten. Er benutzte den Moment, um ihr, indem er ihren Rücken gegen den moosigen Stamm der Buche lehnte, eine bequemere Lage zu verschaffen, und setzte sich dann zu ihr auf die mächtige Wurzel.

Du sollst nur erst wieder zu Dir kommen, sagte er, ich bringe Dich dann von hier weg. Quäle und ängstige Dich nun nicht weiter. Es wird sich alles finden; Du weißt, ich meine es gut mit Dir, hab's immer gut mit Dir gemeint. Ei, Hanne, laß doch das dumme Zeug!

Sie hatte nach seiner Hand gegriffen und sie an ihre Lippe gezogen; er hatte es nicht mehr verhindern können; dafür war ihm nun das Blut ins Gesicht geschossen, daß seine Backen brannten.

Sie haben recht, murmelte Hanne, ich bin es nicht wert. Darum sollen Sie sich aber auch mit mir nicht weiter quälen. Lassen Sie mich in den Pfuhl, dann ist die Geschichte aus.

Dummer Schnack, sagte Hans; – aus! Schäme Dich, Hanne! Du darfst jetzt überhaupt gar nicht an Dich denken; Du bist Dein Leben Deinem Kinde schuldig.

Ueber das verwüstete Gesicht des Mädchens zog ein bitteres Lächeln.

An das denke ich eben, sagte sie; was soll der arme Wurm auf der Welt! Sein Vater will nichts von ihm wissen, er hat es mir geschrieben – Herr Gott, wo sind – da! –

Sie wollte sich nach einem kleinen mit Wollenfäden zusammengebundenen Packet Briefe bücken, das ihr aus dem Busen gefallen war und zwischen ihnen im Moose lag. Hans war ihr zuvorgekommen. Indem er ihr es hinreichte, warf er unwillkürlich einen Blick auf die Adresse des zuoberst liegenden Briefes; die Handschrift mit den großen, steifstelligen Buchstaben mußte er kennen – wer schrieb doch nur so? Axel Grieben?

85 Unwillkürlich hatte er die Briefe ein wenig länger als nötig in der Hand gehalten, während Hanne mit ängstlich prüfenden Augen, wie ihm schien, in sein Gesicht spähte. Aber es mußte darin von seiner Ueberraschung und Bestürzung nichts zu lesen gewesen sein. Offenbar beruhigt, barg sie mit einem gemurmelten »Dank' schön.« das Packet in dem Busen und versuchte, so gut es ging, die Jacke zu schließen, knotete das zusammengedrehte gelbseidene Tüchelchen auf, dessen Zipfel ihr hinten im Nacken gehangen hatten, band es sich von neuem um den Hals und fing an, in dem zerzausten roten Haar zu nesteln, das zum Teile aus den dicken Flechten gerissen war und ihr in langen Strähnen über die Schultern fiel. Dabei lächelte sie, als ob sie Hans um Entschuldigung bitten wollte, und lächelte abermals, wie sie bemerkte, daß er verlegen den Blick senkte, sie die sonderbar peinliche Empfindung nicht merken zu lassen, welche der häßliche Gegensatz dieser plumpen Koketterie mit der kaum überstandenen Todesnot in seinem Gemüte wachrief. Es ist noch immer trotz ihres Unglückes das eitle, gefallsüchtige Geschöpf von früher, dachte er; aber das geht mich nichts an. Je leichtsinniger sie ist, um so weniger darf man ihr zutrauen, daß sie aus freien Stücken ihre Pflicht thun wird – sie hat ja noch eben erst bewiesen, wie sie ihre Pflicht versteht! – um so entschiedener muß man ihr anbefehlen, was sie zu thun hat.

Hier nun, erkannte Hans, war guter Rat teuer. Ihr Vater war, wie er auf sein Befragen erfuhr, bei der abscheulichen Scene nicht zugegen gewesen; doch Hanne meinte selbst, das mache keinen Unterschied: der Vater würde sie wohl nicht so geschlagen haben, aber im Hause behalten hätte er sie auch nicht, der Stiefmutter wegen, die ihn ganz beherrsche. Deshalb würde es gar nichts helfen, wollte der Herr Baron mit dem Vater sprechen; der Vater sei so schon, seitdem der Herr Baron sich von ihm zurückgezogen, immer voll Wut und Bosheit gegen ihn. Hans antwortete nichts. Er saß in Nachdenken versunken da. Was war zu thun? Er hätte darauf schwören mögen, daß der Schreiber der Briefe, die er in der Hand gehalten, Graf Axel Grieben sei; aber wenn Hanne es ihm nicht selber 86 sagte, so durfte er sie nicht danach fragen; und daß der Graf aus freien Stücken, zumal im Augenblicke, nichts für die Arme thun würde, ging aus allem nur zu deutlich hervor.

Während Hans sich so, ohne zu einem Resultat kommen zu können, abmühte, haftete sein Blick mechanisch auf seinen Stiefeln, von denen er jetzt den linken, als er die Ohnmächtige durch das Schilf trug, womöglich noch übler zugerichtet hatte, als vorhin den rechten. Er mußte eine gründliche Reinigung vornehmen, wenn er hernach bei Schneider Krause –

Das war's! Daß ihm das nicht sogleich eingefallen war! Die beiden alten, guten, kinderlosen Leute, die ihm so ergeben, so dankbar waren, weil er sie vor Jahren in einer für sie schweren Zeit unterstützt oder, wie sie sagten, vom Untergange gerettet hatte! Und die Hanne hatte, bevor sie nach Sundin kam, über ein halbes Jahr bei ihnen eine Art von Lehrzeit durchgemacht; und Frau Krause hatte ihm einmal gesagt, daß sie das lustige Ding, obgleich es sonst nicht viel getaugt, doch gern länger behalten hätte. Ja, ja, so ging es. Es war nicht nur ein Ausweg, es war der beste, der sich denken ließ.

Er sagte Hanne, was er für sie beschlossen habe, und daß er sie sofort in seinem Wagen mit nach Prora nehmen, bei den Krauses absetzen und mit denselben das Notwendige besprechen wolle. Hanne hatte zuerst etwas nachdenklich dreingeblickt; nun aber war sie ganz entzückt von dem Vorschlage: wenn der Herr Baron es wünsche, so nähmen sie die alten Leute gewiß; sie wolle sich auch ganz stillhalten, kein Mensch solle merken, daß sie wieder in dem Giebelstübchen hinten nach dem Garten heraus wohne. Und wenn es soweit wäre – es würde nicht mehr lange dauern – ein paar Wochen höchstens – hätte sie doch Hilfe. Und das alles verdanke sie ihm, der immer so gut gegen sie gewesen, viel zu gut, und nun wieder für sie sorge, als sei er es, der sie ins Unglück gebracht.

Sie hatte dabei abermals nach seinen Händen gegriffen, aber diesmal hatte er sich vorgesehen und war aufgesprungen, indem er ihr in einem fast rauhen Tone sagte, daß er keine Minute länger zu verlieren habe, und daß, wenn sie ihn nicht 87 böse machen wolle, sie ihn mit dergleichen verschonen solle. Hanne preßte die üppigen Lippen schmollend zusammen und blickte ihn halb ärgerlich, halb lächelnd an, erwiderte aber nichts, sondern folgte ihm, während er auf dem schmalen Pfade durch den Wald vor ihr herschritt, nicht ohne sich wiederholt nach ihr umzuwenden und sie zu fragen, ob er nicht zu schnell gehe und ob er sie stützen solle.

Hanne sagte jedesmal nein, kurz und ärgerlich, daß es Hans klang, als ob sie beleidigt wäre. Und sie glaubte einiges Recht dazu zu haben. Warum wollte er sich nicht die Hände küssen lassen? War doch eine Zeit gewesen, wo sie ihn auf den Mund küssen durfte und du zu ihm sagte; und zu keiner Stunde hatte sie den Grafen so geliebt, wie ihn. Sollte sie ihm sagen, daß der Graf ihr Verführer sei? Aber jetzt war der Graf, als Verlobter von Fräulein Hertha – sie hatte es gestern erst in Sundin erfahren, und das hatte sie vollends verzweifelt gemacht – so eine Art Verwandter von ihm; gegen einen Verwandten würde er nicht gern auftreten wollen; und er mußte seine Zustimmung zu der Verlobung gegeben haben, sonst wäre aus der Sache nichts geworden. Es war gewiß nur die Furcht, daß das stolze Fräulein Hertha die Verlobung wieder aufheben würde, wenn sie sein Verhältnis mit der armen Nähterin erfuhr, was den Grafen so grausam gemacht hatte. Er würde es ihr am Ende doch danken, daß sie seine dringenden Bitten beherzigt, seinen zornigen Befehlen gefolgt und weiter geschwiegen, wie bisher. Und sie konnte es ja abwarten, jetzt, da Baron Hans für sie sorgen wollte und darüber womöglich noch in den schönsten Verdacht kam! Stille Wasser sind tief! Warum sollte der Einsame, den seine Geschäfte oft genug nach Sundin führten, nicht in aller Heimlichkeit das frühere Verhältnis wieder aufgenommen und fortgesetzt haben? Er, der mit seinen beinahe dreißig Jahren weder Kind noch Kegel hatte? Das würde hierzulande alle Welt begreiflich finden; und er, wie sie ihn kannte, würde viel zu stolz sein, dem Gerede zu widersprechen, auch wenn es ihm, was gar nicht so wahrscheinlich war, je zu Ohren käme. Er redete so wenig mit anderen, wie die anderen mit ihm.

88 Da ist der Wagen, sagte Hans. Bleib' hier; ich will sehen, ob der Weg frei ist.

Sie sah zwischen den Büschen hindurch, die den Pfad zuletzt fast ungangbar gemacht hatten, wie der Baron auf den Fahrweg sprang, wo unmittelbar vor dem Ausgang des Waldes der Wagen hielt, und hörte, wie er leise mit Krischan sprach. Schon nach wenigen Minuten kam er zurück.

Es ist kein Mensch zu sehen, sagte er; ich habe auch die Fenster zumachen und die Gardinen vorziehen lassen. Es ist nicht meinethalben, fügte er, wie um Entschuldigung bittend, hinzu.

Hanne lächelte, und bei sich sprach sie: Je heimlicher, je besser.

Hans war in den Graben gestiegen und hob sie herüber, wobei sie sich fester an ihn lehnte, als nötig war, so daß er einige Mühe hatte, sie auf dem andern Bord sicher abzusetzen. Dabei konnte er nicht auf ein Knacken achten, wie von einem trockenen Zweige, der abgebrochen oder auf den getreten wird, und das von jenseits des Weges kam, wo, abermals aus dichtem Unterholze, eine Partie mächtiger alter Buchen aufragte – ein Wild vermutlich, das Neugier in die Nähe der Pferde gelockt, und welches jetzt bei ihrem Erscheinen in den Wald zurücksprang.

An dem offenen Schlage stand Krischan, die Leine in der Hand.

Warum bist Du nicht schon aufgestiegen? sagte Hans.

Die alte dämliche Thür! sagte Krischan, während Hans Hanne hinein half und dann selbst folgte. Hanne hatte den Krischan aufmerksam angeblickt, aber Krischan verzog keine Miene, als ob sich das alles ganz von selbst verstände, und er sich nur um die Thür zu kümmern habe, die nicht schließen wollte. Jetzt machte er sie noch weiter auf als zuvor, um sie mit Macht zuzuwerfen. In demselben Augenblicke zogen die Pferde an. Brrr! rief Krischan und griff nach der Leine. Die Pferde drängten seitwärts nach dem Graben; Hans war im Begriffe, wieder heraus zu springen; Hanne, die den Wagen 89 bereits im Graben liegen zu sehen glaubte, kreischte laut. Hans war, den einen Fuß schon auf dem Tritt, stehen geblieben, um nicht unter die Pferde von zwei Reitern zu geraten, welche er auf dem weichen Waldwege, welcher noch dazu kurz hinter ihnen um eine Ecke bog, nicht hatte kommen hören, und die jetzt im schärfsten Galopp vorüber jagten: Axel von Grieben und sein Busenfreund Hinrich von Malchow. Glücklicherweise hatte keiner der beiden Herren ihn erkannt; sie hatten genug mit ihren feurigen Tieren zu thun, die, über das unerwartete Hindernis erschrocken, durchzugehen drohten. Unterdessen hatte auch Krischan seine Pferde wieder in Ordnung und warf die Thür zu, während Hans sich in seinen Sitz zurück sinken ließ. Wenn er noch hätte zweifeln können, er wußte es jetzt aus der jähen Blässe, die ihr Gesicht bedeckt hatte; aus den starren Augen, mit welchen sie durch die unverhüllten Fenster der Vorderwand des Wagens noch immer in die Richtung blickte, in der die Reiter verschwunden waren; aus dem Zucken ihrer Lippen, über die unhörbar der Name Axel zu kommen schien; vor allem aus dem verstohlenen Blick, den sie auf ihn warf, um sich zu vergewissern, daß er abermals keinen Verdacht geschöpft hatte. Das war derselbe Blick, mit dem sie ihn vorhin angesehen, als er ihr die zu Boden gefallenen Briefe zurück gab. Sie mochte ruhig sein: was sie mit offenbarem Aufbieten ihrer ganzen Energie vor ihm geheimhalten zu müssen glaubte, er wollte es nicht von ihr hören; ja, er hätte viel darum gegeben, wäre es für ihn ein Geheimnis geblieben. Erst jetzt erschien ihm der Gedanke widerwärtig bis zur Unerträglichkeit, wie doch immerhin die Möglichkeit gewesen, daß Hertha einen Menschen geheiratet, der, indem er sie zu lieben vorgab, ein unwürdiges Verhältnis pflegen konnte, um sich zuletzt so abscheulich gegen sein armes Opfer zu benehmen. So war es ja auch ein Sumpfesrand, an dem Hertha gestanden, von dem er Hertha weggerissen, gerade wie er das arme Mädchen da an seiner Seite gerettet hatte vom Tode im schwarzen Schlamm!

Aus dem Grün der Parkbäume tauchten die ersten weißen Häuser von Prora auf.

90 Hanne lächelte verschämt, zeigte die Spitzen ihrer weißen Zähne und blickte Hans verliebt an, als er, während sie jetzt in das Gäßchen einbogen. in welchem die Schneidersleute wohnten, sich zum erstenmale wieder zu ihr wendete und sagte: Fürchte Dich nicht; sie sollen aus meinem Munde hören, was sie zu wissen brauchen. Sie werden Dich auch nicht weiter mit Fragen belästigen. Und, Hanne, laß Dir zu essen geben! Du bist gewiß bös hungrig nach alledem, was Du heute schon durchgemacht hast.

Hanne hatte etwas anderes zu hören erwartet, aber sie lächelte nur desto freundlicher. Der Wagen hielt. Hans stieg aus und ging in das Haus. Hanne, welche sich schnell auf den Platz gesetzt, den er eben verlassen und die grüne Gardine halb zurückgezogen hatte, sah, wie aus der Stube rechter Hand, welche zugleich Werkstatt und Wohnzimmer war, die beiden alten Leute heraus traten, den Baron mit freudigen Gesichtern begrüßten und von diesem sofort wieder in das Zimmer zurück geführt wurden, durch dessen Fenster, zwischen den Levkoje-Töpfen auf dem Brett, sie nun die Drei ein paar Minuten lang in leisem eifrigen Gespräche erblickte; dann trat Mutter Krause an das Fenster und winkte ihr. Sie kletterte aus dem Wagen und wußte nicht, ob sie sich freuen oder ärgern sollte, als sie, die Stufen hinaufsteigend, sich umblickte, und an den Thüren der beiden kleinen Häuser rechts und links weder die Schusterfrau Blank mit ihren Töchtern Line und Rike, noch die Frau des Dieners Pasedag vom Schlosse mit ihren drei Göhren an der Schürze standen und Hanne Prebrow aus dem Herrn Baron seinem Wagen steigen sahen.

Als wenn's in die Kustodie ginge! sprach Hanne bei sich, während sie schweigend Mutter Krause, welche ebensowenig sprach, die steile schmale Treppe nach der Giebelstube hinauf folgte. Sie hatte die letzte Stufe noch nicht erreicht, als sie auch bereits den Baron unten aus dem Zimmer kommen und dann das Gäßchen hinauf schnell davonfahren hörte.


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