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19.

Wir erwähnten schon, dass Augustinowicz sich fürchtete, Schwarz von dem, was bei Frau Witzberg vorgefallen war, zu unterrichten. Lula täuschte seine Erwartungen; trotz Aristokratie und trotz Pelski liebte sie den jungen Doktor, wenn die Kunde von seiner Krankheit sie in solchem Grade erschüttern konnte. Augustinowicz büßte seinen ganzen Humor und seine gewöhnliche Denkfreiheit ein. Unwillkürlich fühlte er für Lula Achtung, und ein Weib achten – eh! das war ihm so fremd, bildete einen solchen Missklang in seinem moralischen Organismus, dass er sich nicht mehr ins rechte Geleise bringen konnte. Er hatte die Miene eines auf einer Lüge ertappten Menschen und sein Begriff von den Frauen bildete nun eben diese Lüge. Es verdüsterte ihn ordentlich. Einmal (für ihn ein wunderliches, fremdes oder längst vergessenes Ding) entfuhren ihm die Worte voll bitterer Wehmut: »Eh! wenn nur noch eine am Leben wäre; – sagte er – und der Mensch nicht das wäre, was er ist«

Schwarz wich er aus, er fürchtete ihn, wankte, wollte ihm alles erzählen, dann verschob er es für morgen. Zuletzt wurde Schwarz selbst auf sein wunderliches Benehmen aufmerksam.

– Was ist dir denn, Adam? – fragte er ihn.

– Und geradeaus über Lula konnte er nicht fragen! – rief Augustinowicz mit komischer Verzweiflung.

Schwarz raffte sich rasch auf.

– Über Lula?! Was bedeutet das?! – Sprich!

– Nichts bedeutet es; was sollte es auch bedeuten? Muss denn alles gleich eine Bedeutung haben?

– Augustinowicz! du verbirgst mir etwas?!

– Er denkt aber gleich an Lula! – rief der Gefragte mit immer größerer Verzweiflung aus.

Schwarz beherrschte sich mit unerhörter Anstrengung, aber es war jene drohende Stille vor dem Sturme. Die eingefallenen Wangen erblassten noch mehr, die Augen glüheten.

– Nun, ich sage alles – rief Augustinowicz dem Ausbruche zuvorkommend –, ich sage es, sage es! Wer kann mir es auch verbieten, dir zu sagen, dass du das Spiel gewonnen hast! Möge mich der Satan ... wenn du nichts gewonnen. Sie liebt dich.

Schwarz fuhr sich mit der bebenden Hand über das von Schweiß triefende Gesicht.

– Pelski? – fragte er trocken.

– Hat sich noch nicht erklärt.

– Sie weiß altes von mir?

– Schwarz!

– Sprich!

– Sie weiß gar nichts – ich habe ihr nichts gesagt!

Schwarzens Stimme klang dumpf und heiser, als er fragte:

– Warum hast du mir das getan?

– Schwarz! ich dachte, du kehrtest zu ihr zurück.

Schwarz rang die Hände, dass die Finger in den Gelenken krachten; die letzten Worte Augustinowiczs berührten ihn wie glühende Kohlen. Zu ihr zurückkehren? Also Helenen verlassen, – als ob nicht das Gewissen allein Helenens Sache verfocht. Zu Lula zurückkehren, hieße das Lebensglück kaufen, hieße aber auch Helenen entehren, sie töten, ein Elender sein, sich selbst verachten müssen. Leider führte der Teufel in Schwarzens Seele satanische Tänze auf, während die bösen Begierden aufspielten. Mannigfache Gedanken, Vorhaben, Mittel wirbelten im Busen auf und ab – es war ein Kampf auf der ganzen Linie. Augustinowicz blickte den Freund mit fast blöder Verzweiflung an; er hatte, wie man sagt, gar große Lust sich selbst beim Kragen zu packen und zur Türe hinauszuwerfen. Plötzlich richtete sich Schwarz auf. Irgend ein Entschluss sprach sich auf seinem Gesichte aus. Die Kugel war ins Rollen gekommen.

– Augustinowicz!

– Nun?

– Du gehst sofort zu Witzbergs und sagst Lula, dass ich heirate – dass in einem Monate die Trauung, und dass ich nie zu ihr zurückkehre. – Niemals, verstanden?

Augustinowicz nahm sich zusammen und ging. Wie wir wissen, empfing ihn Malinka. Lula sollte hinter der Türe ihrem Gespräche horchen. Malinka, von dem frühern Gespräche mit Lula schwärmerisch gestimmt, drückte mit einem heitern Lächeln aufrichtig Augustinowiczs Hand. Augustinowicz erwiderte den Druck nicht mit derselben Aufrichtigkeit.

– Es ist gut, dass Sie gekommen – sagte sie – ich habe Ihnen gar viel, viel zu erzählen.

– Auch ich habe viel zu erzählen – erwiderte Augustinowicz. Ich komme als Gesandter.

– Von Schwarz?

– Von Schwarz.

– Geht's ihm besser?

– Immer krank. – War Pelski hier?

– Ja wohl. Eben von ihm wollte ich sprechen.

– Ich höre, Fräulein Malinka.

– Er hat sich Lula erklärt.

– Was geschah?

– Sie wies ihn ab. Pan Adam! Sie liebt nur Schwarz, sie will nur ihm angehören, meine treuere, brave Lula!

Eine Weile herrschte Stille. Die Stimme Augustinowiczs bebte, als er langsam die Worte sprach:

– Sie wird ihm nicht angehören.

– Pan Adam!

– Schwarz hat schon sein Wort verpfändet – er heiratet.

Diese Nachricht wirkte wie ein Donnerschlag auf beide Mädchen. Es herrschte einige Minuten eine dumpfe Stille. Plötzlich öffnete sich die Türe des angrenzenden Zimmers, Lula trat in den Salon. Aus ihrem Antlitze brannte die Röte der beleidigten Frauenwürde, in den Augen glühete Stolz. Es schien ihr, dass alles, was sie Heiliges im Busen getragen, in den Staub getreten sei.

– Malinka! – rief sie aus – frage nicht weiter, ich beschwöre dich! Genug, genug! – Dieser Herr hat seine Botschaft ausgerichtet – weshalb sich durch eine Antwort erniedrigen?

Sie ergriff die Hand Malinkas und führte diese fast mit Gewalt aus dem Zimmer. Augustinowicz blickte ihnen eine Weile nach, wiegte ein paar Mal den Kopf und sprach:

– Beim Propheten! Ich verstehe sie. Sie ist im Rechte, aber Schwarz auch. He! Man muss flicken, so lange nicht alles in Fetzen reißt.

Im Nu war er bei Pelski und erzählte ihm den ganzen Sachverhalt.

– Ein wahrer Fatalismus lastet auf ihnen – schloss Augustinowicz. Schwarz konnte nicht anders verfahren. Ist's nicht so, Graf?

– Er handelte, wie es ihm beliebte, aber was veranlasste Sie, mein Herr, mich davon in Kenntnis zu setzen?

– Eine Bagatelle! Noch eine Frage: Hat Lula, indem sie Ihre Hand zurückwies, nicht edel gehandelt?

– Die Antwort behalte ich für mich.

– Behalten Sie sie nur, mein werter Herr! Mir ist es ganz gleich, mich kümmert Lula nicht; ich weiß nur, dass wenn Schwarz sich zurückzieht, ihre Zukunft nicht beneidenswert sein wird; und Sie sind ihr Cousin ... Schade ...

Pelski wurde nachdenkend.

– Schade? ha! Was ist Schade?

– Dass Ihre Erklärung nicht etwas später erfolgte.

Pelski schritt mit langen Schritten im Zimmer auf

und ab.

– Jetzt niemals! – flüsterte er zu sich selbst.

Augustinowicz hörte diesen Monolog.

– Zu spät, zu spät! Verehrter Herr ... Aber, aber – noch eine kleine Bitte: Sagen Sie niemandem, dass ich bei Ihnen gewesen, besonders nicht den Witzbergs oder Schwarz, wenn Sie je mit ihnen zusammentreffen.

– Was liegt Ihnen daran?

– Alles, nur können Sie es nicht verstehen, werter Graf. Auf Wiedersehen!

Pelski dachte, allein gelassen, lange darüber nach, was wohl Augustinowicz daran so sehr gelegen? Er klügelte nichts heraus, aber er gelangte zur Überzeugung, dass ihm selbst daran gelegen sein könnte.

– Ich könnte zu ihr zurückkehren und, mich stellen, als ob ich von nichts wisse – sagte er – ... Arme Lula!


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