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17.

Malinka versuchte es oft, von Augustinowicz die wahre Ursache vom Ausbleiben Schwarzens zu erfahren.

– Weshalb ihr die Hände binden? – sagte sie von Lula. Augustinowicz verbürgte, dass er ihr die Hände nicht binden wolle, von dem eigentlichen Sachverhalte schwieg er oder log ihr was vor. Andrerseits war Schwarz überzeugt, dass Lula schon alles wisse.

– Ich habe ihr alles gesagt! – sagte Augustinowicz.

– Und sie? – verheimliche mir nichts!

– Schwarz?

– Nun?

– Was kümmert's dich?

Schwarz drückte die Zähne zusammen, fragte aber nichts weiter. Er schämte sich, denn er musste sich selbst gestehen, dass diese Fragen eine Folie seiner Schwäche und des frühern Gefühles waren. Er bemerkte fast mit Schrecken, dass die Zeit ihm keine Linderung gebracht hatte. Ach! es gab Augenblicke, in denen er Helenen und Pflicht und Gewissen von sich werfen, ja selbst seine Ehre und den Rest der Selbstachtung feilbieten wollte, für einen Moment, in dem er sein Haupt an die Schulter der Gräfin lehnen dürfte. Er konnte die Erinnerung an sie nicht loswerden. Bis jetzt hatte er sich besiegt, ohne aber zu vergessen, dass er einst ein ganz anderer gewesen. Ehedem hatte sein Charakter jene Ruhe, die alle Untiefen bedeckte – jetzt brauste es in ihm. Von leidenschaftlichen Ausbrüchen ging er nicht selten zur Melancholie, und passiven Sentimentalität über, wobei er sich erinnerte, wie er der anderen gespottet und erbarmungslos die Empfindelei gehöhnt, ja verachtet hatte. Trotzdem verfiel er in selbe. Er verlor jede Achtung vor sich selbst und war zuweilen sentimental. Augustinowicz wusste davon. Einmal (es war einen Monat nach dem Bruche mit Lula) erwachte Augustinowicz in später Nacht und sah, wie Schwarz noch angekleidet und gleichsam mit einem Buche beschäftigt dasaß. Die Uhr zeigte gewissenhaft in der Stille der Nacht die fliehenden Minuten an, die Lampe strahlte ein helles, lustiges Licht aus und bei diesem Scheine zeichnete sich der rötliche Backenbart und das bleiche Gesicht Schwarzens deutlich auf dem schwarzen Überzuge des Lehnsessels ab. Er saß mit nach rückwärts geneigtem Kopfe und geschlossenen Augen, schlief aber nicht – die erhobenen Brauen und das Farbenspiel auf dem Antlitze bezeugten es. Sein Gesicht hatte den Ausdruck unaussprechlicher Seligkeit, irgend ein Traum saß ihm wie ein goldener Schmetterling auf dem Gehirne, die scharfen Linien seiner Züge in nebelhafte Weichheit auflösend. Augustinowicz blickte ihn aufmerksam an, und erhob sich dann leise, mit einem Gesichte, das von Entrüstung und Zorn überwallte, im Bette.

»Was treibt er denn?« flüsterte er: »Du hintergehst dich schon selbst! Mögen sie mich aufknüpfen, wenn ich ihm kein Polster auf den Kopf drücke. Dieser Schmierkerl! Gewiss! ich schleudere ihm das Polster zu, zertrümmere die Lampe ... ha!« In einem Momente waren die Kriegsvorbereitungen getroffen, er setzte sich in Positur den furchtbaren Schlag zu führen und zog sich dann plötzlich hinter die Bettdecke zurück. Schwarz hatte die Augen geöffnet.

»Ich bin begierig, wie es weiter wird?« – brummte Augustinowicz, sich fest schlafend stellend.

Seine Verwunderung wuchs indessen im vollen Ernste. Schwarz blickte argwöhnisch auf ihn, dann schauete er sich wie ein Bösewicht im Kreise um, schob endlich die Schublade im Tischchen aus und begann nach irgend einem Gegenstande zu suchen.

»He, he! Will er sich etwa vor den Kopf schießen oder sich vergiften?« – dachte Augustinowicz etwas erschrocken.

 

Schwarz fiel es aber durchaus nicht ein, sich zu erschießen oder zu vergiften. Der Gegenstand, den er hervorzog, war einfach ein Handschuh, ein kleiner, vergilbter, zerknüllter Handschuh, ein elendigliches Andenken, ein historisches Geschenk, bei dem man spricht: Addio! Addio! caro mio!

Gedenke!« Schwarz ginge vielleicht wie jener Ritter Delorges, um ihn zu holen,

»Zwischen den Tiger und den Leu'n
Mitten hinein«

Die Frage ist nur, ob auch er »Sie verlässt zur selben Stunde«

In Punkten der Torheit sind oft die Generationen einiger als in Verstandessachen. Schwarz drückte den Handschuh an den Mund.

– Schä–m–e dich, Alter!!! – brüllte Augustinowicz. In der Tat lag darin etwas Demütigendes, und Schwarz schämte sich später selbst darüber. Am andern Morgen ging er vor Tagesanbruch aus, um Augustinowicz auszuweichen, der im vollen Ernste empört und ingrimmig war. Es schien ihm, dass er sich bei Schwarz getäuscht habe. »Er ist ein Tölpel wie die anderen!« – sagte er. Dieser Gedanke erzeugte in ihm ein Unbehagen, wie wir es gewöhnlich fühlen, wenn wir einen Menschen, den wir früher hochschätzten, zu achten aufhören. Das Wichtigste war, dass nach diesem Vorfalle Augustinowicz die Überzeugung gewann, dass Schwarz zu Lula zurückkehren werde. »Die stirbt oder wird ganz verrückt – meinte er von der Potkanska – und die heiraten dann ... Eh! Möge sie nur sterben (Augustinowicz gab sich ordentlich Mühe sich einzureden, dass er ein Frauenfeind sei), was liegt mir daran. Schwarz kehrt zurück, kehrt reuig wieder!« Er dachte nun darüber nach, ob er Lula sagen solle, dass Schwarz heirate oder nicht? – Endlich beschloss er zu schweigen.

– Helene kümmert mich wenig ... Schwarz kehrt zu Lula zurück, wenn ich ihr aber alles sage, dann ist's zu spät – dann ist's zu sp–ä–t! O! ho! ho! Aber auch Helenen versalze ich dann die Suppe, denn auch bei ihr ist's dann zu spät. So helfe ich der einen nicht und verderbe es bei der anderen. Ich werde schweigen ... Schweigen ist Gold ...«

Augustinowicz zog in jeder Beziehung Helenen Lula vor und wünschte von ganzer Seele, dass Schwarz Helene heirate, doch ihm ging es mehr um Schwarz als um die beiden anderen, deshalb wollte er Lula für jeden Fall frei haben. Er dachte übrigens, dass Lula auch so Pelski wählen werde. »Dann sage ich dem Alten: siehst du, ich habe nichts von Helene gesagt – sie wusste nichts davon, dass du sie nicht liebst und hat trotzalledem und alledem Pelski die Hand gereicht.« Zu guter Letzt bewahrte er sorgfältig die Kunde von der Heirat Schwarzens mit Helene für den Fall, wenn Lula lachend und glücklich, vor Schwarzens vorausgesetzter Umkehr Pelski die Hand reichen würde. »Schwarz wünscht der Gnädigen Glück, – sage ich ... Crescite et multiplicamini! sage ich ... Er (sage ich) ist schon seit lange verlobt – er liebt und ist geliebt, zum Teufel!«


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